31. Oktober 2012

Kurioses, kurz kommentiert: Erdogans Augenzwinkern

Wenn einer im Zustand schon sehr fortgeschrittener Trunkenheit am Tresen sitzt, dann fällt er vielleicht auf dieses Angebot eines Zechgenossen herein: "Also, wir würfeln jetzt. Bei einer ungeraden Augenzahl gibst du mir zehn Euro, und bei gerade bekomme ich von dir zehn Euro - das ist doch fair, oder?"

Nach diesem Prinzip möchte der türkische Ministerpräsident bei der Auswahl von Botschaftern verfahren. Sie glauben das nicht? Dann lesen Sie:

"Die Schafe würden Frieden halten, aber sie würden nicht lange leben". Zum Reformationstag ein Text von Martin Luther

Zum Reich der Welt oder unter das Gesetz gehören alle, die nicht Christen sind. Denn sintemal wenige glauben und der kleinere Teil sich nach christlicher Art hält, daß er dem Übel nicht widerstrebe, ja daß er nicht selbst Übel tue, hat Gott denselben außer dem christlichen Stand und Gottes Reich ein anderes Regiment verschafft und sie unter das Schwert geworfen, so daß sie, wenn sie gleich gerne wollten, ihre Bosheit doch nicht tun können, und wenn sie es tun, daß sie es doch nicht ohne Furcht, noch mit Friede und Glück tun können.

(Das geschieht) ebenso wie man ein wildes, böses Tier mit Ketten und Banden fesselt, daß es nicht nach seiner Art beißen noch reißen kann, obwohl es gerne wollte, während ein zahmes, kirres Tier dessen doch nicht bedarf, sondern ohne Ketten und Bande dennoch unschädlich ist.

Zitat des Tages: Hängt der Wirbelsturm "Sandy" mit globaler Erwärmung zusammen? Die Meinung eines US-Experten

Die Sache ist die, daß man kein einzelnes [Wetter-]Ereignis wirklich auf irgend etwas zurückführen kann, ob es Klimawandel oder El Nino ist oder daß Ihrer Großmutter heute Morgen die Zähne gezogen wurden. Es geht bei einem einzelnen Ereignis einfach nicht. Das ist nun einmal so.

Nun ist Sandy ein Beispiel für das, was wir einen hybriden Sturm nennen. Er funktioniert nach einigen derselben Prinzipien wie Hurrikane, aber er funktioniert auch nach einigen derselben Prinzipien wie Winterstürme. (...)

Darüber, was man erwarten könnte, wie hybride Stürme sich möglicherweise mit dem Klima ändern, geben unsere Theorien oder Modelle keine sehr gute Orientierung. So kann man auf umständliche Weise ausdrücken, daß meine Wissenschaft nicht weiß, wie hybride Stürme auf das Klima reagieren. Dieser Punkt ist mir sehr wichtig. Ich glaube, daß jeder, der behauptet, daß wir es wüßten, Ihnen keine ehrliche Anwort gibt. Wir wissen es nicht.
Der Meteorologe Kerry Emanuel in einem Interview mit dem Internet-Magazin Slate. (Meine Übersetzung; das Original finden Sie unten).

Kommentar: "Wir wissen es nicht" ist sehr oft das, was Wissenschaftler auf eine Frage antworten müßten, wenn sie ehrlich wären. Aber wenn sie ehrlich antworten, dann genügen sie in der Regel nicht den Erwartungen der Fragenden, die überzeugt sind, daß die Wissenschft auf alles eine Antwort weiß.

30. Oktober 2012

Marginalie: Wird sich der Wirbelsturm "Sandy" auf die Wahlen in einer Woche auswirken?

In genau einer Woche, am 6. November, wählen die USA den neuen Präsidenten; dazu ein neues Repräsentantenhaus und ein Drittel der Senatoren. Werden diese Wahlen von dem Wirbelsturm "Sandy" (ein Hurrican ist er inzwischen nicht mehr) beeinflußt werden? Nate Silver hat sich gestern mit dieser Frage befaßt.

Eine erste Auswirkung betrifft die Umfragen.

Zitat des Tages: "Ein vor Selbstbewusstsein, wenn nicht Selbstherrlichkeit strotzender türkischer Ministerpräsident". Zu Erdogans Besuch in Berlin

Mit Recep Tayyip Erdogan kommt ein vor Selbstbewusstsein, wenn nicht Selbstherrlichkeit strotzender türkischer Ministerpräsident zu Besuch nach Berlin. (...) Einer der Berater des charismatischen Regierungschefs verkündete kürzlich, die Zeiten, da die Weltpolitik von westlichen Mächten nach deren Maßstäben und Werten bestimmt wurde, seien ein für allemal vorbei. (...) Die Türkei fühlt sich berufen, die dadurch entstandene historische Lücke zu füllen.
Richard Herzinger in "Welt-Online" über den türkischen Ministerpräsidenten, der heute zur Einweihung der neuen türkischen Botschaft nach Berlin kommt.

Kommentar: Es wird Zeit, daß Europa in Bezug auf die Türkei umdenkt; daß gerade auch Deutschland mit seinen zahlreichen Einwanderern aus der Türkei die Veränderungen in dem Land zur Kenntnis nimmt.

Wir hatten uns über die Jahrzehnte an das Bild einer Türkei gewöhnt, deren sehnlichster Wunsch es zu sein schien, als ein Teil Europas anerkannt und in die Gemeinschaft der Europäer aufgenommen zu werden; ein unterentwickeltes Land mit einem Reservoir an Arbeitskräften, von denen viele in Europa ein besseres Leben suchten.

29. Oktober 2012

Zitat des Tages: "Obama tritt gegen so einen ganz reichen Typen an, der mehr Militär will". Wie Kinder im öffentlich-rechtlichen TV indoktriniert werden

Ich hab gehört, es ist bald Wahl in den USA. (...) Der jetzige Präsident Obama tritt nochmal an, gegen so einen ganz reichen Typen namens Mitt Romney. (...) Obama hat zum Beispiel Krankenversicherungen eingeführt so wie bei uns, Romney will das wieder abschaffen. Obama will auch weniger Militär, Romney mehr.
Aus NDR Text, Tafel 191, "Kindernachrichten vom 27. Oktober 2012", abgerufen am 28. Oktober um 20.59 Uhr.

Kommentar: Die Screenshots dieser dreiteiligen Tafel verdanke ich einem Leser von ZR. Ich danke ihm und möchte mich bei dieser Gelegenheit bei allen Lesern bedanken, die mich immer wieder mit Informationen versorgen.

Marginalie: Wahlfälschung oder Stichprobenfehler? Wie Sie die Auszählung der Stimmen in der Ukraine live verfolgen können

Die Stimmenauszählung in der Ukraine ist jetzt in vollem Gang. Sie verspricht spannend zu werden; und zwar nicht nur wegen des noch offenen Ergebnisses, sondern vor allem deshalb, weil sich im Lauf des heutigen Montag vermutlich zeigen wird, ob und ggf. in welchem Umfang gefälscht wurde.

Denn es liegen fünf voneinander unabhängige Exit Polls vor, die weitgehend übereinstimmende Resultate zeigen.

28. Oktober 2012

Marginalie: Klitschko nur Dritter. Ergebnisse der Exit Polls aus der Ukraine zeigen ein einheitliches Bild des wahrscheinlichen Wahlausgangs

Offizielle Ergebnisse liegen noch nicht vor, aber die Ukrainska Prawda veröffentlicht derzeit fünf Exit Polls (also die Ergebnisse der Befragung von Wählern, nachdem sie das Wahllokal verlassen haben). Diese Befragungen zeigen ein sehr ähnliches Bild

Zitat des Tages: "Reflexiv-dynamische Systemirritationen". Vier Gründe für schlechtes Deutsch in wissenschaftlichen Texten

Etwas überspitzt könnte man formulieren, dass nicht nur Politik nicht mehr ohne systemspezifische öffentliche Kommunikationsaktivitäten zu denken ist (sofern sie es in ihrer demokratischen Version denn je war), sondern ebenso die Beobachtung von Politik nicht mehr ohne die Beobachtung der reflexiv-dynamischen, von den Akteuren nur schwer kontrollierbaren Systemirritationen zwischen Politik und Politikbeobachter.
Ein Satz aus einem politologischen Text, den Marie-Charlotte Maas und der Linguist Valentin Groebner in der "Zeit" an den Pranger stellen.

Kommentar: In der Tat, das ist schlechtes Deutsch; wie auch die anderen Beispiele, die in dem Artikel analysiert werden. Warum ist in wissenschaftlichen Texten so oft schlechtes Deutsch zu lesen? Ich sehe vor allem vier Gründe:

Der "Schwarze Block" - Verbrechen, als Politik bemäntelt. Ein Artikel in der FAZ schildert Larmoyanz und Überheblichkeit dieser Szene

Foto: Marek Peters / www.marek-peters.com

Bei demokratischen Parteien ist es sinnvoll und in fast allen Ländern üblich, zwischen Rechts und Links zu unterscheiden. Demokraten und Republikaner, Konservative und Labour Party, Gaullisten und Sozialisten - die großen Volksparteien in den demokratischen Ländern differieren darin, daß sie sich entweder auf der linken oder der rechten Mitte verorten. In Deutschland tun wir uns mit dem Begriff "rechts" etwas schwer; aber auch hier wird kaum jemand bestreiten, daß die SPD links von der Union steht; die Union somit rechts von der SPD.

Bei denjenigen, die gegen die Demokratie arbeiten, macht die Unterscheidung zwischen Links und Rechts hingegen wenig Sinn. Sie sind in ihrer Mehrheit einhellig Sozialisten und also antikapitalistisch; sie sind Feinde der USA und Israels. Sie sind gemeinsam der Auffassung, daß sich Politik krimineller Methoden bedienen sollte.

Der einzige Punkt, in dem sich die feindlichen Brüder unterscheiden, ist der Nationalismus.

27. Oktober 2012

Zitat des Tages: "Ein derber, schmutziger Wahlkampf". Obamas obszöner Ausdruck und der Faktor der Rasse bei der Wahlentscheidung

Beide Kandidaten liefern sich einen zunehmend derben, schmutzigen Wahlkampf. Obama, der seinen Rivalen auch persönlich so gar nicht schätzt, hat Romney nach den Erfahrungen in drei TV-Duellen als "Dummschwätzer" klassifiziert. Im Gegenzug hat der Romney-Vertraute John Sununu die Unterstützung des republikanischen Ex-Außenministers Colin Powell für Obama mit dessen schwarzer Hautfarbe in Beziehung gesetzt.
US-Korrespondent Sebastian Fischer heute in "Spiegel-Online" über den US-Wahlkampf.

Kommentar: "Beide Kandidaten liefern sich einen zunehmend derben, schmutzigen Wahlkampf", schreibt Fischer. Von den beiden Kandidaten wird aber in dem Artikel nur Obama mit einer Äußerung über Romney zitiert, nicht umgekehrt - und dies mit einer nachgerade verharmlosenden Übersetzung dessen, was Obama gesagt hat.

Marginalie: Morgen wählt die Ukraine ein neues Parlament. Witali Klitschko auf dem Weg zum Staatspräsidenten?

Die morgigen Wahlen in der Ukraine könnten den Durchbruch für Witali Klitschko bringen - den Beginn einer neuen Karriere als Politiker; nach seine beeindruckenden Boxerkarriere. Seine Chancen, am Ende Staatspräsident zu sein, stehen nicht schlecht.

Die jetzigen Parlamentswahlen sind nur von begrenzter Bedeutung. Das liegt an der "Verfassungsreform" vom September 2010, die keine war, sondern ein Schritt zurück:

26. Oktober 2012

Zettels Meckerecke: Sie wollten doch nur spielen. Die Jugendpartei "Die Piraten" scheitert am Erwachsenwerden

Gut ein Jahr hat er also gedauert, der Kindergeburtstag, den "Die Piratenpartei Deutschland" dem staunenden, mal amüsierten und mal entsetzten Publikum als neue Politik verkaufen wollte. Im September 2011 hatte diese Partei ihren Überraschungserfolg in Berlin, und von nun an ging's bergauf.

Lange Zeit jedenfalls; sofern ein Jahr eine lange Zeit ist (in der Jugend ist es das). Jetzt, so scheint es, müssen die Kinder nach Hause. Die Mamas und Vatis werden die bunten Tellerchen und die Lampions und all die schöne Dekoration schon wegräumen.

Marginale: Romneys Vorsprung und die Ohio-Verschwörung

Haben Sie schon von der Ohio-Verschwörung gehört? Über sie hat gestern die Washington Post berichtet. Nun gut, nicht eigentlich über die Verschwörung. Aber doch über die Befürchtung dieser Verschwörung.

Im US-Wahlkampf gibt es derzeit eine paradoxe Situation:

25. Oktober 2012

Vier Arten Armut

Der Blätterwald rauscht: Unsere treuen Staatsbediensteten haben eine neue "Studie" zum Thema der angeblichen Armut im Lande veröffentlicht und konnte auftragsgemäß eine ordentliche Steigerung vermelden.

Dieses Ergebnis war möglich, weil man gleich drei verschiedene Ideen für "Armut" untersuchte. Und wenn die eine nicht half, dann war der Proband halt nach einer anderen Variante "arm".

24. Oktober 2012

Zettels Meckerecke: Wachsende Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen in Deutschland? Wie "Zeit-Online" desinformiert

"Gleichberechtigung - In Deutschland klaffen Gehälter immer weiter auseinander" lautet der Titel eines Artikels von Tina Groll, den man seit heute Mittag bei "Zeit-Online" lesen kann. Im Vorspann heißt es:
Gleicher Job, gleiche Qualifikation – und doch weniger Gehalt: In Deutschland verdienen Frauen immer häufiger schlechter als Männer, stellt eine neue Studie fest.
Es handelt sich um einen Bericht des World Economic Forum, dessen Kurzfassung Sie hier lesen können.

Kurioses, kurz kommentiert: Wie in die Debatte Romney/Obama der "Obama Bin Laden" hineinkam. Freud'scher Fehler? Nein, aber ein Spoonerism

Es ist wieder passiert. In der dritten Debatte zwischen den beiden Kandidaten in der Nacht zu gestern kam es zu dem fatalen Versprecher, der schon seinen Namen hat: der Obama/Osama slip.

Wäre es Romney zugestoßen oder gar dem Präsidenten selbst, dann wäre es vermutlich in die Schlagzeilen gekommen; auch die deutschen. Aber der Lapsus unterlief nur dem Moderator Bob Schieffer. Und zwar, als er eine Frage zu Pakistan und seine Unterstützung für die Taliban stellte. Sie können sich das zum Beispiel hier anhören.

23. Oktober 2012

Der verlorene Faden. Ein deutsches Märchen aus der Energiepolitik / Ein Gastbeitrag von Juno

Die kommunikative Wunderwaffe der modernen Politik ist das "Narrativ": die große Erzählung, in der sich auch alle Schwierigkeiten und Mühen zu einem einleuchtenden Ganzen fügen. Je komplexer und allumfassender das Projekt, desto wichtiger dieser Faden, der alles zusammenbindet, dem Publikum verständlich macht und Sinn stiftet.

Allerdings muss auch die schönste Erzählung einigermaßen stimmig bleiben. Wenn der Angeklagte erzählt, er sei erstens überhaupt nicht am Ort der Schlägerei gewesen, und er habe zweitens nur in Notwehr zurückgekeilt, ist das vielleicht Magischer Realismus. Aber kein in Deutschland über­zeugendes Narrativ.

Die Geschichte von der Großen Deutschen Energiewende steuert deshalb auf eine tiefe erzählerische Krise zu:

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (40): Live-Kommentar zur dritten Debatte. Obama und Romney vertauschten die Rollen. Beide erreichten ihr Ziel

Über die Ausgangslage vor dieser Debatte, über den Moderator, die Umstände und die voraussichtlichen Themen habe ich gestern informiert. Eine für die heutige Debatte wichtige Information wurde erst publiziert, nachdem ich diesen Vorbericht geschrieben hatte: Gestern um 23.00 MEZ berichtete die Washington Post über eine neue Umfrage, nach der jetzt Mitt Romney auch auf dem Gebiet der Außenpolitik mit Obama gleichgezogen hat: 47 Prozent der Befragten entschieden sich in dieser Umfrage für die Washington Post/ABC bei der Außenpolitik für Obama, 46 Prozent für Romney.

Auch wenn solche einzelnen Umfragen mit Vorsicht zu interpretieren sind, deutet dieses Ergebnis doch darauf hin, daß Obama jedenfalls kein sehr großer Vorsprung in der außenpolitischen Kompetenz mehr zugeschrieben wird; so, wie das in früheren Umfragen der Fall gewesen war.



Hier ist jetzt, wie bei der ersten und der zweiten Debatte, ein Bericht, den ich während der Veranstaltung schreibe:

Zitat des Tages: "Unfair, naiv und unvernünftig". Das Skandalurteil von L'Aquila

Die Vorwürfe gegen diese Wissenschaftler sind sowohl unfair als auch naiv. Diesen Anklagen liegt offenbar zugrunde, daß die Wissenschaftler die Bewohner von L'Aquila nicht vor einem bevorstehenden Erdbeben warnten. Jedoch gibt es keine Möglichkeit, wie sie das begründet hätten tun können.

Die Forschung von Jahren, zu einem erheblichen Teil von ausgewiesenen Seismographen in Ihrem Land durchgeführt, haben gezeigt, daß es keine anerkannte wissenschaftliche Methode zur Vorhersage von Erdbeben gibt, die zuverlässig eingesetzt werden könnte, um Bürger vor einer bevorstehenden Katastrophe zu warnen. Es ist unvernünftig, zu diesem Zeitpunkt mehr von der Wissenschaft zu erwarten.
Aus dem Offenen Brief von 5000 Wissenschaftlern an den italienischen Staatspräsidenten Napolitano vom 29. Juni 2012. Übersetzung von mir; das Original finden Sie unten.

Kommentar: Seit heute wissen wir, daß die italienische Justiz - genauer ein untergeordnetes Gericht, vermutlich unserem Amtsgericht vergleichbar, in der Stadt L'Aquila - sich unvernünftig verhalten hat. Nicht nur unfair und naiv, sondern nachgerade ein Skandalurteil ist das Urteil gegen die Seismographen Franco Barberi, Enzo Boschi, Gianmichele Calvi, Mauro Dolce, Claudio Eva und Giulio Selvaggi sowie Bernardo De Bernardinis, den Vizepräsidenten der italienischen Zivilschutzbehörde.

22. Oktober 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (39): Das Geheimnis von Romneys Aufschwung. Aber Obama hat weiter die besseren Chancen. Die Lage vor dem letzten Duell

Noch Anfang dieses Monats schien der Sieg Obamas eine ausgemachte Sache zu sein. Sein Parteitag war eine glänzende Show gewesen, derjenige Romneys ein Flop. In den Umfragedaten öffnete sich ab Ende August die Schere immer weiter. Der poll of polls - eine Zusammenfassung aller Umfragedaten - von Pollster läßt das deutlich erkennen. Es schien alles zu laufen wie 2008, als Obama seinen Siegeszug gegen McCain ebenfalls nach den beiden National Conventions begonnen hatte.

Inzwischen kann von einem sicheren Sieg Obamas keine Rede mehr sein. Was ist passiert?

21. Oktober 2012

Nach der Psychoanalyse jetzt die Somanalyse? Selbstbespiegelung mit dem Smartphone

Wer das aktuelle Kreuzworträtsel der "Zeit" gelöst hat, der weiß, daß - 10 waagerecht - "der Psyche Wohnsitz, seit alter Hellenen Zeiten" soma heißt, der Körper.

Seit rund hundert Jahren macht uns die Psychoanalyse das Angebot, in uns zu gehen und nach allen Regeln der Deutungskunst unsere Psyche zu erforschen. Jetzt scheint sich etwas Analoges für unseren Körper anzubahnen. Die zutreffende Bezeichnung für dieses nicht minder ehrgeizige Unternehmen wäre "Somaanalyse" oder, weil ein Doppelvokal oft getilgt wird, "Somanalyse".

Was ich damit meine, das können Sie gegenwärtig in FAZ.Net mit allen Details lesen.

Kurioses, kurz kommentiert: Iris Berben möchte Fräulein sein

Auch die vornehme FAZ hat ihre Klatsch- und Tratsch­abteilung; jedenfalls in ihrer Internetausgabe. Dort findet man, wenn man die erforderliche Zahl von Klicks absolviert hat, diese Meldung:

Zitat des Tages: Vor Direktverhandlungen Iran-USA? Obama bekommt Wahlkampf-Hilfe

Die Vereinigten Staaten und der Iran haben sich nach Angaben aus der Regierung Obama zum ersten Mal auf Direktverhandlungen über das Nuklearprogramm des Iran geeinigt und damit die Grundlage dafür geschaffen, daß durch diplomatische Bemühungen ein Militärschlag gegen den Iran in letzter Minute verhindert wird.

In einem Exklusivbericht in der Sonntagsausgabe der
New York Times schreiben Helene Cooper und Mark Lander mit Berufung auf Angehörige der Obama-Administration, daß iranische Regierungskreise auf einem Aufschub der Gespräche bis nach der Wahl des Präsidenten bestanden hätten, damit sie dann wissen, mit welchem amerikanischen Präsidenten sie es zu tun haben.

Die Nachricht von der Übereinkunft fällt in einen kritischen Augenblick im Kampf um die Präsidentschaft. Sie hat das Potential, Präsident Obama bei der Argumentation zu helfen, daß er bei den Bemühungen, die nuklearen Ambitionen des Iran zu beschneiden, vor einem Durchbruch steht. Sie könnte aber auch ein Risiko bergen, wenn der Eindruck entsteht, daß der Iran diese Aussicht einsetzt, um Zeit zu gewinnen. Es ist auch alles andere als klar, daß Obamas Gegenspieler Mitt Romney im Fall seiner Wahl die Verhandlungen weiterführen würde.
Inhalt einer Eilmeldung (Breaking News Alert), die kurz vor Mitternacht von der New York Times an die Abonnenten dieses Dienstes verschickt wurde. Meine Übersetzung; den Originaltext finden Sie unten. Der Artikel von Cooper und Lander ist hier zu lesen.

Kommentar: Im Rennen um die Präsidentschaft steht es derzeit Spitz auf Knopf. Zwar hat Obama im Augenblick noch etwas bessere Chancen, weil er weiterhin in einigen kritischen Staaten wie Ohio einen Vorsprung hat; aber dieser ist inzwischen knapp, und in den Umfragen liegen die beiden Kandidaten seit nicht ganz zwei Wochen gleichauf.

20. Oktober 2012

Zitat des Tages: Volksabstimmung über die Beschneidung?

... ich kämpfe als Grüner dafür, dass wir auch solche Fragen vom Volk entscheiden lassen können. (...) Wenn alle Regeln, die es für solche Volksabstimmungen gibt – Unter­schriften­listen, Fristen und so weiter – wenn das alles eingehalten wird, sehe ich keinen Grund, warum das Volk nicht auch über die Beschneidung abstimmen sollte.
Der rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Jerzy Montag in einem Interview mit Mariam Lau in "Zeit-Online".

Kommentar: Das ist eine erstaunliche Stellungnahme. Man kann sich schwerlich ein Thema vorstellen, das sich weniger für eine Volksabstimmung eignet als das der Beschneidung.

Volksabstimmungen mögen dann sinnvoll sein, wenn zu einem gesellschaftlichen Konflikt auf dem üblichen Weg parlamenta­ri­scher und gegebenenfalls gerichtlicher Entscheidungen keine Lösung möglich ist, die von allen Beteiligten akzeptiert wird.

Marginalie: Stratfor über die Urheber des gestrigen Anschlags im Libanon und ihre Motive

Bei dem gestrigen Bombenanschlag im Libanon scheint es sich um einen gezielten Mordanschlag gehandelt zu haben, der dem libanesischen Brigadegeneral Wissam al-Hassan galt, Chef des Inlands-Sicherheitsdienstes. Das meldet heute Stratfor.

Al-Hassan war eine Schlüsselfigur bei der logistischen Unterstützung der Freien Syrischen Armee gewesen, die gegen Baschar Assad kämpft. Der Anschlag dürfte zwei Ziele verfolgt haben:

19. Oktober 2012

Kurioses, kurz kommentiert: Wissen Sie, warum Deutschland sich zur Energiewende entschlossen hat? Nicht was Sie denken. Professor Klaus Töpfer klärt uns auf

Mit Angst habe der Ausstieg aus der Kernkraft überhaupt nichts zu tun, schon gar nicht sei er ein Symbol für die "German Angst", so begann seine Rückschau auf die Ethikkommission. Man habe sich schlicht eine Welt vor Augen geführt, in der bald neun Milliarden Menschen leben. Neun Milliarden mit einem wachsenden Energiehunger. Dann habe man sich gefragt, welche Technologien denn Deutschland exportieren könne, um diesen Bedarf zu stillen. Und die Kernenergie habe man eben ausgeschlossen. Sie sei für ein Entwicklungsland schlicht zu teuer und zu kompliziert.

Das ist, was Klaus Töpfer unter der Energiewende versteht.
Peter Heller in "ScienceSkeptical" in seinem Bericht über den Abendvortrag, den Klaus Töpfer, vorgestellt als "Exekutivdirektor, IASS Institute für Advanced Sustain­ability Studies e.V.; Vorsitzender der 'Ethik-Kommission Sichere Energieversorgung der Bundesregierung'", vorgestern bei den Niedersächsischen Energietagen gehalten hat.

Kommentar: Nicht wahr, das ist aber einmal eine originelle Begründung für den "Ausstieg".

Wir Deutsche, will uns Töpfer sagen, haben uns gar nicht deshalb für die "Energiewende" entschieden, weil wir nach dem Unfall von Fukushima Angst vor einem GAU in einem deutschen KKW hatten. Sondern wir dachten a) als gute Geschäftsleute an unseren Export und b) als gute Menschen an Hilfe für die Entwicklungsländer.

Lylliths Zwitscherstubb: Türkischer Marsch

"Der Pianist Fazil Say ist ein begnadeter Musiker – und ein arroganter Kotzbrocken. Wann immer er sich öffentlich äußert, schwingt viel von jener Herablassung mit, mit der das kemalistische Establishment der Türkei seit Jahrzehnten über breite Bevölkerungsschichten und deren nichtwestlichen Geschmack gespottet hat".

So Daniel Bax heute in der taz. Der Islamerklärer der lustigsten Kopftuchgazette Deutschlands verspürt Schwingungen gefühlter Herablassungen, die ihn dazu beflügeln, den genialen Komponisten und Pianisten Fazil Say einen arroganten Kotzbrocken zu nennen.

Welch eine Karriere!

Marginalie: Nadja Drygalla wird Sportsoldatin. Das erfreuliche Ende einer beschämenden Affäre

Gestern wurde gemeldet, daß die Ruderin Nadja Drygalla am 1. November ihren Dienst als Sportsoldatin bei der Bundes­wehr antritt.

An sich sollte das keine Meldung sein.

18. Oktober 2012

Marginalie: "Newsweek" stellt seine gedruckte Ausgabe ein. Wie lange werden die anderen Nachrichtenmagazine noch durchhalten?

Früher habe ich mir für eine längere Bahnfahrt oder einen Flug gern eines der Nachrichten­magazine gekauft, die ich nicht mehr regelmäßig lese - Time Magazine, den Nouvel Observateur, den Economist oder Newsweek. Heute lese ich sie, wenn ich das denn möchte, auf dem Laptop oder dem Kindle.

Es gab eine Übergangszeit, in der ich doch noch lieber zum gedruckten Heft gegriffen habe. Gewohnheit.

Marginalie: Australien exportiert verstärkt Uran. Indien wird die Stromerzeugung aus KKWs vervierfachen. Und wo bleiben wir deutschen Vorreiter?

Eveline Lemke, Ministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung des Landes Rheinland-Pfalz, hat im Frühjahr dieses Jahres erklärt, warum die "Energiewende" in Deutschland von globaler Bedeutung ist:
Wenn wir diese Energiewende nicht hinkriegen und der Welt nicht zeigen können, wie man Klimawandel gestaltet in der Energiewirtschaft, dann kann sich keiner was abgucken. Deutschland ist Vorreiter. Wir wollen, daß sich die Welt abguckt, wie das geht, das Klima zu schützen.
Ich habe das damals zitiert und kommentiert. Diese Äußerung ist ein schönes Beispiel dafür, wie die großkotzige "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen"-Mentalität alle Wendungen der deutschen Geschichte überlebt hat; nur sind die sie tragenden Schichten jetzt nicht mehr der Adel und das Großbürgertum wie zur Zeit Wilhelms des Zweiten, sondern es ist die neue rotgrüne Aristokratie. (Dazu und zur aristokratischen Attitüde der Ministerin Eveline Lemke siehe Sollen sie doch Kuchen essen; ZR vom 15. 10. 2012).

Der Kern der "Energiewende" ist bekanntlich der im Frühsommer 2011 beschlossene "Ausstieg aus der Kernenergie". Hier speziell möchten wir Deutschen gern dem Rest der Welt voranreiten; so, wie dies der seinerzeitige Minister Röttgen im April 2011 formuliert hat:

Zitat des Tages: "Zwischen Guttenbergs und Schavans Doktorarbeiten liegen Welten". Nebst einer Anmerkung zur seltsamen Stellungnahme eines linken Politologen

Zwischen den Mängeln in Guttenbergs Doktorarbeit und der von Schavan liegen Welten. (...) Dass im derzeitigen Verfahrensstand an der Universität ein Gutachten an die Presse gegeben wird, das die Betroffene nicht kennt, ist eine Verletzung fundamentaler Verfahrensrechte.
Der Bremer Jura-Professor Andreas Fischer-Lescano, der 2011 als erster auf die Plagiate in der Dissertation Karl-Theodor zu Guttenbergs aufmerksam gemacht hatte; zitiert von "Welt-Online".

Kommentar: Fischer-Lescano faßt bündig das zusammen, was der Kern dieser Angelegenheit ist, die eine Schavan-Affäre zu nennen es keinen Anlaß gibt:

17. Oktober 2012

Marginalie: Hat Obama Romney "der Lüge überführt"? Nein. Eine Dokumentation der Fakten. Nebst einer Anmerkung zur Einmischung der Moderatorin Candy Crowley

"Zweites Fernsehduell - Obama überführt Herausforderer Romney der Lüge" kann man seit heute um 11.25 Uhr als Überschrift in "Welt-Online" lesen.

Wo hat Romney nach Meinung des Autors Uwe Schmitt gelogen? Er schreibt über Obama:
Er setzte auch den einzigen schweren Treffer, der einem Niederschlag gleichkam – nämlich als der Präsident den Republikaner im Zusammenhang mit dem Anschlag in Bengasi der Unwahrheit überführte: Romney hatte behauptet, der Präsident habe nicht am Tag danach von einem Terrorakt gesprochen, sondern erst Wochen danach; Obama wehrte sich, und ein Verweis der Moderatorin auf das Transkript setzte ihn ins Recht. (...)

Die Glaubwürdigkeit Mitt Romneys bei den folgenden Antworten war mindestens für die nächsten Minuten beschädigt.
Sehen wir uns an, was Romney und Obama in der vergangenen Nacht gesagt haben und was Obama am 12. September, dem Tag nach dem Angriff im Rosengarten des Weißen Hauses gesagt hatte.

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (38): Ein attackierender Obama, ein zurückhaltender Romney. Vorteil Obama. Ein Live-Bericht über die Debatte in Hempstead

Hempstead ist ein Städtchen von knapp 54.000 Einwohnern im US-Bundesstaat New York; seinem formalen Status nach ein incorporated village, ein einge­mein­de­tes Dorf, Teil der Stadt gleichen Namens. Es ist das größte Dorf des Staats und liegt ungefähr eine Stunde von der Stadt New York entfernt.

Dort gibt es die private Hofstra University mit ungefähr 12.000 Studierenden und 1.200 Lehrenden. Sie hat eine Tradition, Debatten im Präsi­dent­schafts­wahlkampf zu beherbergen; auch dieses Jahr wieder zwischen Mitt Romney und Barack Obama.

Strenggenommen ist es keine Debatte, was dort veranstaltet wird, sondern ein townhall meeting; freilich nicht in einer townhall - also einem Gemeindehaus - stattfindend, sondern in einem Gebäude der Universität.

In den vergangenen Tagen konnten interessierte Studenten kostenlose Eintrittskarten erwerben. Der Universitäts­präsident Rabinowitz und die Mitglieder des Lehrkörpers hatten angekündigt, sich die Veranstaltung am Bildschirm anzusehen, um den Studierenden keine Plätze wegzunehmen. Studenten erhielten Plätze als Zuschauer; allerdings nicht als Fragesteller.

Denn darum geht es bei einem townhall meeting: Daß Politiker ihren Wählern Rede und Antwort stehen.

Marginalie: 4:4 oder der Untergang einer siegreichen Mannschaft. Der Lohn-der-Angst-Effekt

In Henri-Georges Clouzots Meisterwerk "Lohn der Angst" (Le salaire de la peur) fahren vier Desperados in Mexiko zwei Laster mit Nitroglyzerin durchs Gebirge zu einer Erdöl-Bohrstelle, wo der Sprengstoff benötigt wird, um einen Brand zu löschen. Drei von ihnen kommen auf dem Weg ums Leben. Der vierte, Yves Montand, kommt durch, kassiert den doppelten Lohn und macht sich mit seinem Laster auf die Heimfahrt.

Man sieht ihn, wie er nach überstandener Gefahr und beglückt von der Entlohnung singend, die Serpentinen entlangfährt. Bis er, übermütig fahrend, die Kontrolle über den LKW verliert und in die Schlucht stürzt.

An diesen Film mußte ich denken, als ich gestern Abend das WM-Qualifikationsspiel Deutschland-Schweden gesehen habe.

16. Oktober 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (37): Romney und Obama liegen Kopf-an-Kopf. Heute Nacht gibt es den Showdown. Die Stärken und Schwächen der Kontrahenten

Am Vorabend ihres vielleicht wahl­entschei­den­den Duells in der heutigen Nacht liegen Mitt Romney und Barack Obama in den Umfragen so nah beeinander, wie man überhaupt nur nah beieinander liegen kann.

Es gibt zwei polls of polls, die alle verfügbaren Umfragedaten, fast stündlich aktualisiert, zu einem gemein­samen Ergebnis verrechnen. Bei RealClearPolitics hat Romney heute einen Vorsprung von 0,6 Prozentpunkten. Gestern waren es 0,1 Prozentpunkte gewesen, vorgestern 1,0 Prozentpunkte. Bei Pollster ist das letzte Erhebungsdatum der 13. Oktober. Da lag Obama mit 1,0 Prozentpunkten Differenz vorn; am 12. Oktober waren es 0,9 und am 11. Oktober 0,6 Prozentpunkte gewesen.

15. Oktober 2012

Sollen sie doch Kuchen essen

Es gibt eine französische Anekdote, die oft Marie Antoinette zugeschrieben wird, aber schon vorher in Bezug auf andere Königinnen im Umlauf war. Nach dieser Geschichte reagiert eine Herrscherin auf Klagen, die armen Leute könnten sich kein Brot mehr leisten, mit der Antwort: "Dann sollen sie doch Kuchen essen".

Wahrscheinlich ist diese Geschichte nie passiert. Sie wird erzählt als Illustration um darzustellen, wie sehr die feudale Oberschicht der Realität entfremdet lebte, wie wenig sie noch die Sorgen und Bedürfnisse ihrer Untertanen kannte.

Die heutige feudale Oberschicht versammelt sich bei den Grünen. Man pflegt dort einen gehobenen Lebensstil, Geld spielt keine Rolle. Und beim grünen Hochadel entsprechen sogar die Freizeitvorlieben denen im vorrevolutionären Frankreich ...

Marginalie: Die katastrophale Syrienpolitik des Friedenspräsidenten Barack Obama. Eine Analyse in der "Washington Post"

In seiner Rede zur Außenpolitik vor einer Woche hat Mitt Romney hervorgehoben, wie Präsident Obamas wankelmütige Politik zu der jetzigen Lage im Nahen Osten beigetragen habe. Er sagte:
... it is the responsibility of our President to use America’s great power to shape history — not to lead from behind, leaving our destiny at the mercy of events. Unfortunately, that is exactly where we find ourselves in the Middle East under President Obama.

... es ist die Verantwortlichkeit unseres Präsidenten, die große Macht Amerikas zu nutzen, um die Geschichte zu gestalten - nicht sich im Hintergrund zu halten und unser Schicksal dem Gang der Dinge auszuliefern. Genau dort aber befinden wir uns im Nahen Osten unter Präsident Obama.
In der Washington Post hat jetzt Jackson Diehl, stellvertretender Leiter des Meinungsressorts, sich unter der Überschrift "How Obama bungled the Syrian revolution" (Wie Obama die syrische Revolution verbockt hat) mit Obamas Syrienpolitik befaßt.

Marginalie: Plagiatorin Schavan?

Die Affäre Guttenberg hat ihre Spuren hinterlassen. Seither ist Deutschland sensibilisiert für Plagiate in Dissertationen. Seither ist es nachgerade zu einem Sport geworden, Dissertationen von Prominenten auf Plagiate hin zu durchforsten.

Guttenberg hat in einem Maß plagiiert, wie viele (auch ich) das zuvor nicht für möglich gehalten hätten. Dieser Fall war eindeutig und ist von der zuständigen Kommission der Universität Bayreuth nach sorgfältiger Untersuchung als Plagiat bewertet worden; von einer Kommission, die sich dieses Urteil nicht leicht gemacht hat.

Was der Ministerin Schavan vorgeworfen wird, scheint, soweit das bisher bekannt ist, keineswegs so eindeutig zu sein.

14. Oktober 2012

Zitat des Tages: "In der westlichen Welt liegt das Recht auf freie Meinungsäußerung im Sterben"

In der westlichen Welt liegt die freie Meinungsäußerung im Sterben. Zwar genießen die meisten Menschen noch eine beträchtliche Freiheit, sich zu äußern. Aber dieses Recht, das einst ein fast absolutes war, ist jetzt für diejenigen, die für kontroverse gesellschaftliche, politische oder religiöse Auffassungen eintreten, weniger klar bestimmt und weniger verläßlich geworden. Der Niedergang der freien Meinungsäußerung erfolgte nicht auf einen Schlag, sondern geschieht durch tausendfache Einschnitte in Form gutgemeinter Ausnahmen, die der sozialen Harmonie dienen sollen.
Der amerikanische Professor für Öffentliches Recht und Publizist Jonathan Turley heute in der Wochenend­ausgabe der Washington Post unter der Überschrift "Shut up and play nice: How the Western world is limiting free speech" (Halte den Mund und sei freundlich: Wie die westliche Welt die freie Meinungs­äußerung einschränkt". Meine Übersetzung; das Original finden Sie unten).

Kommentar: Ganz in der Tradition des angelsächsischen Fallrechts besteht der Artikel von Professor Turley hauptächlich aus der Schilderung von Prozessen, Verur­teilungen und gesetzlichen Regelungen in verschiedenen Ländern.

Als roter Faden durchzieht aber eine Kernaussage den Artikel:

13. Oktober 2012

Kurioses, kurz kommentiert: Hiwis, Prokrastination und die schwierige akademische Sprache

Pünktlich zum Semesterbeginn gibt es jetzt bei "Zeit-Online" etwas Nützliches an die Hand: Ein "Glossar für Studenten" mit dem Titel "Akademisch für Anfänger".

Aber oje!

Aufs Geratewohl habe ich einen Begriff aufgeschlagen: "Hiwi". Und was steht da?

Zitat des Tages: Die Psychologie Barack Obamas

Mit doppelter Rassenzugehörigkeit aufgewachsen, mit einer weißen Mutter und weißen Großeltern und einem abwesenden kenyanischen Vater, meisterte er während seiner Kindheit in Hawaii und Indonesien die schwierige Aufgabe, sich seinen Weg durch verschiedene Kulturen zu bahnen, seinen Ziele zu erreichen, ohne in Fallen zu tappen. Das machte ihn zugleich höflich und wetteifernd; brennend vor Ehrgeiz, aber der Konfrontation ausweichend. (...) Er schlängelte sich glatt und meist allein durch die Hindernisse, die das Leben bereithält, begann sich als nicht nur vom Glück begünstigt, sondern auserwählt zu sehen; ein Empfinden, das Selbstüberschätzung, ja Hybris nach sich ziehen konnte.
David Maraniss gestern in der Washington Post über Barack Obama (meine Übersetzung; das Original finden Sie unten).

Kommentar: Das ist eine der knappsten und besten psychologischen Charakterisierungen Obamas, die ich bisher gelesen habe. David Maraniss ist ein ausgezeichneter Kenner der Vita Barack Obamas, er hat kürzlich eine vielgelobte Biographie über ihn vorgelegt und schreibt in der Washington Post regelmäßig Artikel zu Aspekten von Obamas Leben

Aufruhr in Arabien (32): Ein Video zeigt die wahren Ziele der "gemäßigten" Regierungspartei Tunesiens, der Ennahda. Es sind die Ziele der Salafisten

Der "arabische Frühling" begann nicht im Frühjahr, sondern im Dezember; genauer: am 18. Dezember 2010, als es nach der Selbstverbrennung des Obsthändlers Mohamed Bouazizi im tunesischen Sidi Bouzid zu ersten Demonstrationen gegen das sozialistische Regime Ben Ali kam.

Der Scheinwerfer des internationalen Interesses war folglich zunächst auf Tunesien gerichtet; dann schwenkte er auf Ägypten, Libyen und aktuell Syrien. Demnächst könnte Jordanien in den Blickpunkt geraten.

In dieser Serie habe ich die Entwicklung dieser beiden Jahre mit Analysen und Kommentaren begleitet. In der Ankündigung der Serie im Januar 2011 konnten Sie zu Tunesien lesen:

12. Oktober 2012

Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU? Eine seltsame Entscheidung. Vielleicht doch eine kluge Entscheidung?

Auf den ersten Blick ist das eine seltsame, ja eine nachgerade skurrile Entscheidung: Der diesjährige Friedens­nobelpreis ist an die EU vergeben worden. Das norwegische Kommittee, dessen Obliegenheit die Vergabe ist, begründete dies so:

Marginalie: Ryan vs. Biden - ein Hornberger Schießen. Aber aus allen Rohren. Ergebnisse der CNN-Umfrage

Sie ist ausgegangen wie das sprichwörtliche Hornberger Schießen, die Debatte zwischen Joe Biden und Paul Ryan. Es gibt keinen Sieger und keinen Verlierer.

Wer Polemik mag, der sah eine Sendung nach seinem Geschmack. Der Unterhaltungswert war beträchtlich. Der Wert für die Siegeschances des einen oder des anderen Teams dürfte gering sein. Das Transkript der Debatte können Sie hier lesen.

Es war alles wie in der Debatte zwischen Romney und Obama, und es war doch alles anders.

Zitat des Tages: "Die Energiewende als Planwirtschaft"

Den umweltbewegten Erfindern des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, einem Instrument zur Umverteilung von unten nach oben, wird ihr Erfolg nun unheimlich, da die Förderung auf 20 Milliarden Euro steigen wird. (...) Mit detaillierten Plänen für die Marktanteile einzelner Energieträger und dem Schrauben an Fördersätzen will Altmaier die Energiewende als Planwirtschaft zu seinem Projekt machen. (...) Hat Deutschland aus seinen schlimmen Erfahrungen mit der Planwirtschaft so wenig gelernt?
Kernsätze eines Kommentars von Holger Steltzner, Mitherausgebers der FAZ, in deren heutiger Ausgabe. Titel: "Die Energiewende als Planwirtschaft".

Kommentar: Es war ja alles absehbar. Wenn Sie die Serie Deutschland im Öko-Würgegriff verfolgen, wenn Sie lesen, was zu diesem Thema an ausgezeichneten Artikeln im ScienceSkepticalBlog und bei NovoArgumente zu finden ist, dann sind Sie seit langem informiert. Dann wissen Sie, daß die "Energiewende" zugleich eine Entscheidung für Planwirtschaft im Energiebereich war.

11. Oktober 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (36): Romneys Aufschwung - "Bounce" oder Wende? Die Lage vor der heutigen Debatte zwischen Paul Ryan und Joe Biden

Heute findet die zweite der Debatten vor der Präsident­schaftswahl statt; diesmal aber gewissermaßen als Stellvertreterduell: Zwischen dem fast 70jährigen Joseph Robinette Biden, Jr; genannt Joe Biden und Obamas Vizepräsident, und Paul Ryan, 42, der ihn gern in dieser Position beerben möchte.

Meist sind diese Duelle zwischen den Vize-Kandidaten eher Nebenschausplätze. Vor vier Jahren galt das Interesse eigentlich nur der Kandidatin Sarah Palin, die bis zu ihrer Nominierung ziemlich unbekannt gewesen war. Sie hielt sich damals, gemessen an den Erwartungen, erstaunlich wacker, auch wenn eine Mehrheit Biden als den Sieger sah.

Diesmal ist alles anders. Dieser Debatte wird eine wichtige, wenn auch vielleicht noch nicht die vorentscheidende Bedeutung für die letzte Phase des Wahlkampfs zugeschrieben. Das liegt an der Konstallation, die sich nach dem Duell Romney-Obama vor einer Woche ergeben hat. Sie ist durch fünf Aspekte gekennzeichnet:

10. Oktober 2012

Marginalie: Wie die rotgrüne Regierung von NRW die Schulen zu politisieren sucht. Beispiel Bundeswehr

Im bwForum - Diskussionsforum rund um die Bundeswehr werden heute zwei Presseartikel verlinkt, die Bemerkens­wertes melden: Die rotgrüne Landesregierung von NRW hat neue Bestimmungen für die Kooperation zwischen Schulen und Bundeswehr erlassen. Die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (WAZ) berichtet:

Zettels Meckerecke: Die Arroganz der RegisseurInnen, ihr schleichender Putsch. Zur Diktatur des Regietheaters

Seit gestern Abend ist in "Zeit-Online" ein Artikel aus der gedruckten "Zeit" der vergangenen Woche zu lesen, der sich wieder einmal mit dem beschäftigt, was mit einem verharmlosenden Ausdruck als "Regietheater" bezeichnet wird. In diesem Fall geht es um die Oper; die Autorin Barbara Beyer ist Regisseurin und seit drei Jahren auch Professorin für das Fach "Musikdramatische Darstellung – szenische Interpretation" am Musiktheaterinstitut der Kunstuniversität Graz.

Zu meckern habe ich weniger über diesen Artikel, der kenntnisreich ist, freilich in der Aussage ein wenig unbestimmt; sondern - wieder einmal - über die Praxis des Regietheaters, welche die Autorin schildert

9. Oktober 2012

Mal wieder ein kleines Quiz: Wer geißelte die Gier der Reichen?

X hat mit harten Worten die "Maßlosigkeit" der Privilegierten und Reichen gegeißelt. (...) Die Gesellschaft sei nicht gefährdet durch Rechts- oder Linksausleger, sondern durch die Protagonisten des Systems selbst. "Es sind die Privilegierten, die durch Maßlosigkeit, den mangelnden Sinn für Balance und Proportionen, durch eine Bereicherungs­mentalität an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen. (...)".

Über diese Äußerungen von X wurde im September 2010 unter der Überschrift "X prangert die Gier der Reichen" an" berichtet. Quizfrage: Wer ist X?

Zitat des Tages: "Romney kündigt aggressivere Außenpolitik an". Mitt Romneys Rede, von "Zeit-Online" in ihr Gegenteil verkehrt

General Marshall once said, "The only way human beings can win a war is to prevent it." Those words were true in his time—and they still echo in ours. [...] The 21st century can and must be an American century. It began with terror, war, and economic calamity. It is our duty to steer it onto the path of freedom, peace, and prosperity.

(General Marshall hat einmal gesagt: "Menschen können einen Krieg nur auf eine einzige Art gewinnen - indem sie ihn verhindern". Diese Worte galten zu seiner Zeit, und ihr Widerhall trägt bis in unsere Zeit. [...] Das 21. Jahrhundert kann und muß ein amerikanisches Jahrhundert sein. Es begann mit Terror, Krieg und wirtschaftlichem Unheil. Es ist unsere Pflicht, es auf den Weg der Freiheit, des Friedens und des Wohlstands zu steuern.)
Aus der Rede, die Mitt Romney gestern am Virginia Military Institute in Lexington, Virginia, gehalten hat. Das Transkript der Rede finden Sie hier.

Romney kündigt aggressivere Außenpolitik an
Überschrift des Artikels in "Zeit-Online", in dem über diese Rede berichtet wird.

Kommentar: Mehr als mit dieser Überschrift kann man den Inhalt einer Rede kaum in sein Gegenteil verkehren.

Deutschland im Öko-Würgegriff (35): Senkt eigentlich Wärmedämmung die Heizkosten? Sie kann durchaus den gegenteiligen Effekt haben

Allmählich dämmert es auch unseren großen Medien, was Deutschland mit der "Energiewende" auf sich geladen hat. Im aktuellen gedruckten "Spiegel" (41/2012 vom 8. 10. 2012, S. 25 - 29) kann man einen von fünf Autoren geschriebenen Artikel lesen, der die Umrisse des Desasters zeigt, auf das Deutschland zusteuert.

Unter der Überschrift "Merkels Blackout" erfährt man beispielsweise, daß bereits jetzt der deutsche Strompreis mit 25,30 Euro je 100 Kilowattstunden weit über dem Preis in Frankreich (14,20 Euro) und in Großbritannien liegt (15,80 Euro). Er ist schon gegenwärtig der zweithöchste in Europa; und wir stehen ja erst am Anfang der Energiewende.

8. Oktober 2012

"Frankreich, Großbritannien und die Türkei werden Deutschland überholen". Stratfor über Deutschlands Zukunft. Nebst einer Erinnerung an Sarrazins erstes Buch



Thilo Sarrazins erstes Buch "Deutschland schafft sich ab" befaßte sich bekanntlich nicht zentral mit dem Thema der Einwanderung von Moslems oder gar mit der Erblichkeit der Intelligenz, sondern mit der Zukunft Deutschlands.

Als einen entscheidenden Parameter für Deutschlands künftige Entwicklung stellte Sarrazin die niedrige Geburten­rate heraus; mit der Folge einer nicht nur schrumpfenden, sondern zugleich vergreisenden Bevölkerung.

Das ging damals fast unter in dem Krakeelen wegen angeblichen Rassismus. Insofern war das Buch, trotz seines riesigen Erfolgs als Bestseller (rund 1,5 Millionen verkaufte Exemplare), ein Mißerfolg.

Zettels Meckerecke: Obszön. "Pussy Riot" soll nach Vorschlag der Stadt Wittenberg den Lutherpreis 2013 erhalten

Wer tot ist, der kann sich nicht mehr wehren. Martin Luther, der ein grobes Wort nicht scheute, hätte wohl mehr als ein grobes Wort für die Obszönität gehabt, die in seinem Namen begangen werden soll; vielleicht hätte er den Urheber "des Satans leibhaftige Wohnung" genannt, den "ärgsten Buben aller Buben auf Erden", einen "Eselskopf" oder "des Teufels Sau"

Marginalie: Der fliegende Drachen - eine beeindruckende Leistung privaten Unternehmertums

Jetzt ist es so weit. Weniger als ein halbes Jahr nach einem erfolgreichen Testflug beginnen die regulären Versorgungs­flüge zur ISS mit dem Raumschiff Dragon; zu deutsch "Drachen". Gestern Abend startete das Raumschiff.

Was ist daran bemerkenswert? Zweierlei.

7. Oktober 2012

Zitat des Tages: Vertrauen in die Demokratie und ein grölender Intelligenzpöbel. Zur Nicht-Affäre Steinbrück

Demokratie braucht Vertrauen, und die meisten Politiker - ja, auch Peer Steinbrück - verdienen dieses Vertrauen. Wer es dennoch nicht aufbringen kann und hinter jeder Säule des Parlaments einen Korruptionsskandal wittert, sollte es sich im Utopia des grölenden Intelligenzpöbels bequem machen, der nichts als Verachtung für Politiker übrig hat. .
Jasper von Altenbockum in der FAZ über die Kritik daran, daß Peer Steinbrück als Abgeordneter gegen hohe Honorare Vorträge gehalten hat.

Kommentar: Von Altenbockum hat in seinem zentralen Punkt Recht: Einem Abgeordneten kann und sollte es nicht verboten werden, neben seinen Diäten - die ja eben dies sind und kein Gehalt - Geld zu verdienen; mit welcher Tätigkeit auch immer. Wer das unterbinden will, schreibt der Autor, der "degradiert das Mandat des Abgeordneten zu einer beamtenhaften Existenz unter staatlicher Kontrolle".

Marginalie: Romneys Umfragewerte steigen deutlich an. Warum Obama trotzdem weiter die besseren Chancen hat

Sehen Sie sich bitte einmal diese interaktive Grafik von Pollster an. Es ist ein sogenannter poll of polls, eine Erhebung über die Erhebungen der Umfrageinstitute zu den Präsidentschaftswahlen.

Pollster wertet fortlaufend die Daten aller Institute, Universitäten und sonstigen Einrichtungen aus, die Umfragen zu diesem Thema veranstalten, und berechnet daraus in Abständen von wenigen Stunden die jeweiligen aktuellen Mittelwerte für die beiden Kandidaten.

6. Oktober 2012

Zitat des Tages: "Die Kinder fragen mich: 'Was hast du für ein Auto und für ein Handy?" Buschkowskys Realismus, Naika Foroutans Schönfärberei

Weil die Veranstalter dann aber irgendwie doch nicht mit 800 Gästen diskutieren können oder wollen, führt die Journalistin Güner Balci durch den Abend. Balci will wissen, was die Kinder den Bürgermeister so fragen. Doch sicher, wie das früher gewesen sei in Neukölln, denn von der wechselhaften Bezirksgeschichte handelt auch ein Kapitel in seinem Buch. Sicher nicht, antwortet Buschkowsky. Es kämen für gewöhnlich drei Fragen: "Bist Du reich? Was hast Du für ein Auto? Was hast Du für ein Handy?"
Aus einem Bericht von Katharina Schmitz über eine Lesung von Heinz Buschkowsky aus seinem Buch "Neukölln ist überall", seit gestern zu lesen in "Zeit-Online".

Kommentar: Berliner Schnauze - bei Buschkowsky, der die Fragerin Balci (sie ist selbst in Neukölln aufgewachsen) mit seiner Antwort auf den Boden der Realität holt; aber natürlich auch bei diesen Kindern, denen es ums Handfeste geht und nicht um die Geschichte des Bezirks Neukölln.

Zettels Meckerecke: "Immer mehr Arbeitnehmer brauchen einen Zweitjob, um ihre Existenz zu sichern". Wie Medien die Sprachreglung der Kommunisten übernehmen

"Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland brauchen einen Zweitjob, um ihre Existenz zu sichern. Die Zahl hat sich laut Arbeitsagentur in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Die Politik macht vor allem die Arbeitgeber für die Entwicklung verantwortlich". So kann man es heute beispielsweise im "Kölner Stadt-Anzeiger" lesen. Auch "Spiegel-Online" titelt, wie ähnlich viele andere Medien, "Immer mehr Deutsche brauchen einen Zweitjob".

Brauchen immer mehr Deutsche einen Zweitjob, um ihre Existenz zu sichern? Es gibt dafür nicht den Schatten eines Hinweises.

Bibo und Romney. Die Sesamstraße wird zum Wahllkampfthema

Richtig gelungen ist eine presidential debate, eine Debatte zwischen den Präsident­schafts­kandidaten erst dann, wenn ein Satz eines der Kandidaten haften bleibt, wenn er sozusagen zum geflügelten Wort wird.

Ein klassisches Beispiel ist das, was in der presidential debate von 1984 Ronald Reagan seinem Widerpart Walter Mondale sagte. Reagan war damals schon 73, und es waren im Wahlkampf Zweifel gesät worden, ob er überhaupt noch fit für das Amt sei. In der Debatte versicherte Reagan dem damals 56jährigen Mondale: "I am not going to exploit, for political purposes, my opponent's youth and inexperience" - Ich werde darauf verzichten, die Jugend und Unerfahrenheit meines Kontrahenten für politische Ziele auszuschlachten.

Es scheint, daß Mitt Romney in der Debatte am Mittwoch eine ähnliche Zeile gelungen ist; ein zinger.

5. Oktober 2012

Marginalie: Noch einmal Cuba. Erinnern Sie sich an Yoani Sánchez?

Wenn Sie schon lange ZR lesen und ein gutes Gedächtnis haben, dann erinnern Sie sich vielleicht an Yoani Sánchez. Ich habe diese unerschrockene cubanische Bloggerin vor viereinhalb Jahren gewürdigt; in diesem Artikel:

"Forscher haben jetzt herausgefunden, daß ...". Plädoyer für einen skeptischeren Umgang mit Forschungsergebnissen in den Medien


Lesern von ZR und vor allem denen, die auch die eine oder andere Diskussion in Zettels kleinem Zimmer verfolgen, ist das Thema vertraut: Unter Überschriften wie "Forscher haben jetzt herausgefunden, daß ..." wird als Ergebnis der Wissenschaft dargestellt, was kein Ergebnis der Wissenschaft ist, sondern bestenfalls ein kleiner Schritt auf dem steinigen Weg zu gesicherten Ergebnissen; oft auch ein Schritt, der sich bei näherer Untersuchung als ein Fehltritt erweist.

Von den vielleicht 4000 bis 5000 wissenschaftlichen Artikeln, die jeden Tag publiziert werden, gelangt nur ein winziger Bruchteil an die Öffentlichkeit außerhalb der betreffenden Scientific Community. Es sind meist solche Artikel, die von der Pressestelle der Universität oder sonstigen wissenschaft­lichen Einrichtung verbreitet werden, an denen die Hauptautoren tätig sind.

Mal wieder ein kleines Quiz: Menüservice. Wer darf hier schmausen?

In welcher Einrichtung kann man täglich für die Hauptmahlzeit zwischen - so ein Pressebericht - "sechs Menüoptionen" wählen, "von ballaststoffreich bis vegetarisch"?

4. Oktober 2012

Marginalie: Romney vs. Obama - einige weitere Informationen zur gestrigen Debatte

Zu der Debatte in Denver, Colorado, über deren Verlauf ich in der vergangenen Nacht berichtet habe, gibt es inzwischen weitere Informationen und, wie man sich denken kann, zahlreiche Kommentare.

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (35): Klarer Sieg für Romney. Ein Live-Kommentar zur Debatte

Ich schreibe diesen Kommentar, während die Debatte läuft. Für den Hintergrund und die Bedeutung des Duells vor allem für Mitt Romney siehe die vorausgehende Folge.

3.01 Uhr Jim Lehrer, der vor den beiden Kandidaten sitzt (sie stehen an Stehpulten) eröffnet die Debatte mit der Zusammenfassung der Formalien: Sechs thematische Abschnitte von je ungefähr 15 Minuten. Lehrer hat die Fragen ausgewählt; unter Berücksichtigung von Vorschlägen, die via Internet eingesandt worden waren. Die erste Antwort wird - das wurde ausgelost - Obama geben; die letzte dafür Romney. Jeder hat zunächst zwei Minuten, dann wird nachgefragt und diskutiert.


Erstes Thema: Schaffung neuer Arbeitsplätze. Obama erinnert an die Krise vor vier Jahren und lobt die Schaffung neuer Arbeitsplätze vor allem in der Autoindustrie; auch der Wohnungsbau ziehe wieder an. Er spricht die Mittelklasse an; um diese gehe es, und um einen "ökonomischen Patriotismus".

Romney beginnt mit einem Beispiel für das Schicksal von Arbeitslosen.

3. Oktober 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (34): Die Ausgangslage vor dem entscheidenden Duell. Romneys fünf Probleme und seine Chance

Seit vor anderthalb Wochen die letzte Folge dieser Serie erschienen ist, hat sich die demoskopische Situation deutlich gewandelt; und zwar zugunsten Barack Obamas. Sie können das an Gallup's daily tracking sehen, den täglichen Befragungen von rund 3000 registrierten Wählern, über deren Daten ein siebentägiges gleitendes Mittel gebildet wird.

Als ich diese Folge 33 schrieb, lagen Obama und Romney gleichauf bei je 47 Prozent. Der Aufwind Obamas aus dem Parteitag der Demokraten war zu Ende gegangen, der convention bounce verschwunden. Das hatte dem üblichen Bild solcher Verläufe entsprochen; die demoskopischen Daten hatten sich so entwickelt, wie es in den Lehrbüchern der Politologie steht.

Zum Tag der Deutschen Einheit: Wie sah man in der Bundesrepublik im Jahr 1978 die DDR? Beschönigung durch die Medien, Realismus von Schülern

Ein Buch nach Jahrzehnten wieder in die Hand zu nehmen ist oft eine interessante Erfahrung. Manchmal lese ich mich wieder fest und erliege zum zweiten Mal dem Zauber eines Textes. Manchmal schüttle ich aber auch den Kopf, wenn ich mich daran erinnere, wie ich das Buch damals wahrgenommen habe, und wie anders es mir heute erscheint.

So ist es mir vor ein paar Tagen mit diesem Taschenbuch gegangen:
Dieter Boßmann (Hg.) Schüler über die Einheit der Nation. Ergebnisse einer Umfrage. Mit einem Vorwort von Dirk Sager. Frankfurt: Fischer, 1978
Ich kann mich noch gut an das Buch erinnern und das gewisse Aufsehen, das es damals erregt hat.

Ich gehöre zu Deutschland. Zum Tag der Deutschen Einheit

Das Thema des Nationalfeiertags, des Tags der Deutschen Einheit ist für mich Zugehörigkeit.

Ich gehöre dazu, zu Deutschland.

Die Deutschen in der DDR vor 22 Jahren wollten auch dazugehören: Wir sind ein Volk.

Schwierig damals und in den letzten 22 Jahren wurde es immer, wenn diese Zugehörigkeit infrage gestellt wurde. Das Gefühl: Diese Ossis gehören eigentlich nicht zu uns; sie sind anders. Das hat sie verletzt, die doch auch Deutsche waren, sich vielleicht mehr noch als Deutsche gefühlt haben als mancher westdeutsche Internationalist, dem nach eigenen Bekunden Paris oder Mailand näher war als Dresden oder Rostock.

2. Oktober 2012

Marginalie: Eine Ampelkoalition unter Steinbrück? Wie eine Stellungnahme von Philipp Rösler in ihr Gegenteil verkehrt wurde. Beteiligte hier: taz.de und dpa

Sie kennen sicher das Kinder- oder auch Partyspiel "Die stille Post". Die Anwesenden stellen sich nebeneinander auf oder sitzen nebeneinander. Der erste bekommt eine Nachricht auf einem Blatt Papier, die er seinem Nachbarn zuflüstert; dieser gibt sie wiederum leise an seinen Nachbarn weiter und so fort. Der Letzte teilt laut mit, was bei ihm angekommen ist. Dazu wird die ursprüngliche Nachricht verlesen. Meist unter großem Hallo und Gelächter.

Wenn sich die Weitergabe von Nachrichten durch die Medien nach diesem Prinzip abspielt, dann ist das weniger lustig.

Marginalie: Das Papier des "Spiegel". Griff in die Vergangenheit, ein wenig zu tief. Friedrich der Große im Bärenfell

Wer sich diese Woche den "Spiegel" gekauft oder ihn als Abonnent am Montag in seinem Briefkasten vorgefunden hat, dem fiel daraus eine Beilage entgegen: Sozusagen ein "Spiegel" im "Spiegel"; ein kleineres, im gewohnten Rot umrandetes Heftchen, das die beiden Artikel "Bedingt abwehrbereit" und "Sie kamen in der Nacht" aus dem Jahr 1962 enthält, dazu ein wenig weiteres Material zur "Spiegel"-Affäre

Zettels Meckerecke: Steinbrücks Kür, Mitt Romneys Kür. Amerika, du hast es besser

Am Freitag habe ich auf die Parallele zwischen dem Kandidaten Peer Steinbrück und dem Kandidaten Mitt Romney aufmerksam gemacht: Beide sind Politiker der Mitte, gekürt von einer Partei, die zum Rande hin tendiert; die SPD zum linken Rand, Romneys GOP zum rechten. Ihre jeweilige Partei hat den Kandidaten nicht als einen Helden auf den Schild gehoben, sondern eher gleich einer Kröte geschluckt. Man will schließlich die Macht; und die könnte man mit einem Rick Santorum, mit einem Ralf Stegner oder auch nur einem Sigmar Gabriel nicht erringen.

Marginalie: Welch Jammer, die Jugend von heute. Anmerkungen zu zwei aktuellen Wehklagen

Im aktuellen "Zeit-Magazin" beklagt Harald Martenstein das Verhalten der heutigen Jugend; der männlichen, genauer gesagt. Er schildert das Gespräch mit einem Kollegen:
Der Kollege sagte, sein Sohn schlafe meist bis zum frühen Nachmittag. Danach dusche er und setze sich an den Computer. Dort spiele er und chatte. Manchmal gehe er aus. Aber meistens sei er zu Hause. Er steht auf, er spielt, er isst, dann legt er sich wieder schlafen.
Dieser Kollegensohn ist Abiturient. Auch Martenstein hat einen Sohn, der Abiturient ist.

1. Oktober 2012

Marginalie: Schweden, ein sozialdemokratisches Erfolgsmodell? Nein. Der Erfolg kam mit der Abkehr vom sozialdemokratischen Modell

Wie stellen Sie sich Schweden politisch vor? Als das Musterland der Sozialdemokratie; als den klassischen Beweis dafür, daß eine hohe Staatsquote und Wohlstand Hand in Hand gehen können? Daß Sozialismus also erfolgreich sein kann, jedenfalls in seiner sozialdemokratischen Variante? Falsch.