Die
Geburt ist die Urkatastrophe des Lebens und wie der Tod eine Konstante
desselben. Alle Menschen werden geboren, alle Menschen sterben. Deshalb
hat jeder Mensch einen Geburts- und einen Todesort.
Mit
dem Geburtsort sind wir zeit unseres Lebens auf gar nicht wunderbare,
sondern bürokratische Weise verbunden. In so manchem offiziellem
Dokument ist er verzeichnet, und auch diejenigen, die gleich nach ihrem
Erblicken des Lichtes der Welt an andere Gestade verschifft werden und
nimmermehr zurückkehren, bleiben durch ihre
Personenstands- und Identitätsdokumente von der Wiege bis zur Bahre an denjenigen Erdenpunkt erinnert, an dem sie zum
ersten Mal Festland betraten.
Einer der größten propagandistischen Erfolge der Linken (gemeint ist
das Lager, nicht die SED) dürfte es sein, im kollektiven Bewusstsein die
Vorstellung von einem rechten Spektrum verankert zu haben, in dem
zwischen den konservativen Parteien und den Nazis respektive Faschisten
angeblich nur ein gradueller Unterschied besteht. Die von dieser Mär Betroffenen sind
an dieser Mystifikation freilich nicht ganz unschuldig. Denn so weist
zum Beispiel die Strauß-Doktrin, der zufolge es rechts von der CSU keine
Partei geben darf, in genau diese konzeptuelle Richtung.
Dabei drängen sich Zweifel an einer derartigen Theorie geradezu auf: Wer die Bezeichnung Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei als Etikettenschwindel abtun möchte, gerät schnell in einen Beweisnotstand. Das 25-Punkte-Programm
der Bewegung aus dem Jahr 1920 dürfte jedenfalls ab der Forderung Nummer 12 in linken
Gehirnen einen gewissen Appeal entfalten. (Exkursweise sei vermerkt,
dass in Punkt 23 zum "gesetzlichen Kampf gegen
die bewußte politische Lüge und ihre Verbreitung durch
die Presse" aufgerufen wird. Nur gut, dass heutzutage dergleichen nicht zur Debatte steht.)
Kennen Sie Garzweiler, lieber Leser? Den Älteren mag es ein Begriff sein, den Jüngeren vermutlich eher weniger. Garzweiler war (oder ist) eine Ortschaft im westliche Rheinland und musste in den achtziger Jahren dem gleichnamigen Braunkohletagebau weichen. Weichen bedeutet in diesem Fall, dass die ganze Ortschaft ins benachbarte Jüchen umgesiedelt wurde. Was wiederum sich erklärt, als das man den Dorfbewohnern ihren Grundbesitz nahm und ihnen neue Häuser in einigen Kilometern Entfernung baute. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch auf der Schule war, hatte ich die Gelegenheit in einem Tagesausflug sowohl den Tagebau zu besichtigen als auch das anschließende "Neu-Garzweiler" zu besuchen. Meine liberale Seele war damals wohl noch zu unterentwickelt, aber ich weiß bis heute, dass der eigentliche Fakt, dass man den Leuten mit staatlichem Zwang im Namen des "Höheren Gutes" ihren Besitz enteignet hat, mich nicht so sehr angefochten hat. Aber was bis heute in Erinnerung blieb war die Ortschaft "Neu-Garzweiler". Denn sie war erschreckend.
Glücklicherweise sind SPD-Spitzenpolitiker Menschen und keine von
Meister Geppetto zum Leben erweckten Holzfiguren, denn sonst würden ihre
Nasen in einem branchenüblichen deutschen Pressekonferenzsaal keinen
Platz mehr finden. Sigmar Gabriel verzichtet also auf die Kanzlerkandidatur und lässt Martin Schulz den Vortritt. Der hatte zwar noch vor kurzer Zeit auch keinen richtigen Zug zum Tor
und dürfte nach Meinung vieler Stimmberechtigter den Negativcharme des
Eurokraten versprühen, aber es gibt offenbar Umfragen, die dem
ehemaligen Bürgermeister von Würselen bessere Wahlchancen einräumen als
dem Noch-Wirtschaftsminister. Der Brexit und Trump grüßen mit schadenfrohem
Lächeln.
Björn Höcke hat die AfD-Strategie der "sorgfältig geplanten Provokation" erfolgreich angewendet. Mit der Gewissheit im Rücken, dass seine Vorstandskollegen ihm entweder zustimmen oder sich aus Gegnerschaft zu Petry auf seine Seite schlagen, konnte er eines der letzten nicht herbeiphantasierten Tabus brechen - nämlich einen Schlussstrich mit der Nazivergangenheit von rechts zu verkünden (von links geht das unter dem Deckmantel der Israelkritik mittlerweile ganz gut).
Mir geht es hier nicht darum irgendwelche Apologeten der Rede oder sein anschließendes Halbdementi zu entkräften - damit sollen sich die Parteigremien oder Wähler der AfD beschäftigen, wenn sie sich die Frage stellen, ob sie ihn für tragbar oder unterstützbar halten. Da habe ich keine Aktien, drum kann es mir auch vollkommen egal sein, ob das tatsächlich Höckes innerste Überzeugung ist oder nur ein PR-Gag - die Rede ist in der Welt und wird diskutiert - auch hier im kleinen Zimmer. Und da der User schattenparker eine Frage zum Inhalt gestellt hat, möchte ich gerne darauf eingehen und meine Sicht schildern.
In den nächsten Wochen werden wahrscheinlich Dutzende von Artikeln erscheinen, die sich mit der Präsidentschaft von Barrack Obama beschäftigen. Gerade in der deutschen Presse werden vermutlich einige Artikel, gerade in Bezug auf Donald Trump erscheinen, die seine Präsidentschaft in ein letztes großes Licht tauchen werden, bevor Amerika dann in den Abgrund versank.
Deswegen möchte ich ein bischen vorgreifen, und vielleicht die eine oder andere Aussage zu Obamas Präsidentschaft in den Raum stellen.
"So to all Americans, in every city near and far, small and large,
from mountain to mountain, from ocean to ocean, hear these words.
You will never be ignored again.
Your voice, your hopes and your dreams will define our American destiny.
And your courage and goodness and love will forever guide us along the way."
(Es gibt Momente, da ist es ratsam - um die passenderen Vokabeln wie "Fairness" oder "Anstand" außen vor zu lassen - ein Geschehen, eine Äußerung einfach nur zu dokumentieren: zum Nachlesen, zum Anschauen. Und um in diesem Fall - der, so scheint es mir, im Nachhinein wirklich "historisch" genannt werden wird - von der Häme, der mutwilligen Hintansetzung aller journalistischen Tugenden, der, es gibt kein anderes Wort dafür: Niederträchtigkeit abzugehen, mit denen sich unsere Medien in den letzten Tagen und Wochen vor der Amtseinführung von Präsident Trump überboten haben. Aus diesem Grund sei es erlaubt, die Rede, die Donald J. Trump heute in Washington aus Anlaß seines Amtsantritts als fünfundvierzigster Präsident der Vereinigten Staaten gehalten hat, vollständig und im Wortlaut zu dokumentieren. - U.E.)
* * * * *
Chief Justice Roberts, President Carter, President Clinton, President Bush, President Obama, fellow Americans, and people of the world: thank you.
We, the citizens of America, are now joined in a great national effort to rebuild our country and restore its promise for all of our people. Together we will determine the course of America and the world for many, many years to come. We will face challenges. We will confront hardships, but we will get the job done.
Every four years we gather on these steps to carry out the orderly and peaceful transfer of power, and we are grateful to President Obama and First Lady Michelle Obama for their gracious aid throughout this transition. They have been magnificent. Thank you.
Endlich hat Theresa May ihre große Rede zum Brexit gehalten. In einem "12-Punkte-Konzept" legt sie ihren Wählern dar, was die britische Regierung nun eigentlich sieben Monate nach dem Referendum zu tun gedenkt.
Die Reaktionen waren vorhersehbar: Diverse Politiker auf dem Kontinent zeigen sich wieder einmal geschockt darüber, daß das UK austreten möchte. Und die Brexit-Anhänger auf beiden Seiten des Kanals jubeln, weil es May ihrer Ansicht nach den EU-Offiziellen mal so richtig gegeben hätte.
Aber wenn man sich die Rede mal genauer anschaut, dann findet man da: Gar nichts. Jedenfalls nichts Neues.
Man sollte meinen mit ein paar Tagen Abstand würde auch die altehrwürdige FAZ bemerken, dass der "etwas" weinerliche Artikel von Herrn Hanfeld zur Ausladung seines Kollegen eher etwas über die FAZ verrät als über die AfD. Und das man angesichts einer solchen Selbstdemontage vielleicht doch etwas stiller zu dem Thema sein könnte. Doch weit gefehlt, die FAZ legt nach, oder, wie der Kollege Danisch wohl schreiben würde, dreht jetzt endgültig hohl.
Die NPD wird nicht verboten. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in
seinem heute verkündeten, mehr als 1000 Randnummern umfassenden Urteil
entschieden. Wer sich nicht durch den Entscheidungsvolltext quälen
möchte (der Verfasser dieser Zeilen wollte dies jedenfalls bislang auch
nicht), kann mit der Pressemitteilung und/oder der Kurzbesprechung von Sven Jürgensen auf dem Verfassungsblog vorliebnehmen.
"Ich
heirate den Islam" ist ein in der ZEIT Nr. 51/2016 vom 8.12.2016
erschienener, auf ZEIT-Online offenbar noch leicht veränderter Beitrag
überschrieben, der von der schwierigen Liebesgeschichte zwischen einem
"deutschen Atheisten mit christlichen und jüdischen Wurzeln" und einer
muslimischen Tunesierin erzählt. Der Text zeigt in erschreckender Art
und Weise auf, dass seit den 1980er-Jahren im linksliberalen Milieu ziemlich viel in die falsche Richtung gegangen ist.
"Die spielen nicht nicht mit mir, die sind alle doof" dürfte vielleicht einer der Sätze sein, die nahezu jeder Vater oder jede Mutter vom Nachwuchs in der einen oder anderen Form schon einmal gehört hat. Meistens von einem verheulten Kind, dass die Welt nicht mehr versteht und nun ganz dringend getröstet werden muss. Das Kind möchte in dieser Situation nicht darüber diskutieren, dass es vielleicht nicht so clever war den Ball in den Fluss zu schiessen oder die anderen eben alle als doof bezeichnet zu haben, es will eigentlich nur getröstet werden und sucht nicht zuletzt auch eine Bestätigung beim liebenden Vater, respektive der liebenden Mutter, dass "die anderen" tatsächlich alle blöd sind. Und wenn der Vater oder die Mutter das Kind auch lieb hat, dann wird es im ersten Moment dem nicht nur nicht widersprechen, sondern eher zustimmende Worte finden.
In der FAZ ist ein interessanter Artikel zur politischen Entwicklung in einer Kleinstadt (Haßloch) irgendwo in Deutschland. Es ist ein Rührstück über zwei Lokalpolitiker (CDU & SPD) die ausziehen um dem Bürger aufs Maul zu schauen und sich zu erkundigen, warum ihnen die Wähler wegbrechen. Das Motiv der beiden mag ehrenhaft sein (schließlich sollte es die Aufgabe von Politikern sein, sich auch für das zu interessieren, was die Bürger eigentlich wollen), aber Vorgehensweise wie insbesondere Berichterstattung darüber sind in sich selbst ein wunderbarer Eulenspiegel warum das ganze vollkommen schief geht.
Es gibt viele, allerdings völlig unsachliche Gründe, weshalb der Verfasser dieser Zeilen den heute verstorbenen Altbundespräsidenten Roman Herzog mochte. Einigermaßen objektivieren lässt sich vielleicht noch die Anerkennung, die der Endunterfertigte dem früheren Verfassungsrichter für seine federführende Rolle bei der Ausarbeitung der Europäischen Grundrechtecharta zollt.
Herzog war das vorletzte Staatsoberhaupt, das nicht - wie später Horst Köhler und Christian Wulff - infolge von Medienkampagnen zurücktrat und das nicht wie der derzeitige Amtsinhaber zur Spaltung der deutschen Gesellschaft auch noch beitrug.
Herzog stand dem Land während des Reformstaus in der späten Kohl-Ära vor. Seine sogenannte Ruck-Rede ist Teil des kollektiven Gedächtnisses der Bundesrepublik. Es seien daraus nur einige Passagen zitiert, die auch heute noch Gültigkeit besitzen:
Wer bestimmt überhaupt noch den
Gang der Gesellschaft: diejenigen, die die demokratische Legitimation
dazu haben, oder jene, denen es gelingt, die Öffentlichkeit für ihr
Thema am besten zu mobilisieren?
[...]
Wäre es nicht ein Ziel, eine Gesellschaft der Selbständigkeit
anzustreben, in der der Einzelne mehr Verantwortung für sich und andere
trägt, und in der er das nicht als Last, sondern als Chance begreift?
[...]
Bildung muß das Megathema unserer Gesellschaft werden. Wir brauchen
einen neuen Aufbruch in der Bildungspolitik, um in der kommenden
Wissensgesellschaft bestehen zu können.
Der Verfasser dieser Zeilen hat das Wort "Anstand" in den vergangenen
Monaten sicher häufiger im öffentlichen Diskurs gehört und gelesen als im Vierteljahrhundert zuvor. Oft begegnete die Vokabel in einem Kontext mit dem Wahlkampf Donald Trumps, obwohl seine Konkurrentin auch den einen oder anderen Ordnungsruf verdient
hätte. Bei den Umkleidekabinenparolen des designierten US-Präsidenten stellte sich das aparte Ergebnis ein, dass Altkonservative (die in den Medien freilich so gut wie nicht repräsentiert sind) und das linksliberale Mehrheitsmilieu (das in der Presse überproportional vertreten ist) in der Ablehnung dieser Aussagen übereinstimmen dürften, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung.
Wie immer auch das Wahljahr 2017 ausgehen wird - mit den Landtagswahlen im Saarland am 26. März, am 7. Mai in Schwesig-Hohlstein und eine Woche darauf in Nordrhein-Westfalen und nach der anstehenden Sommerpause mit der Bundestagswahl am 24. September (die GRÜNEN scheinen aktuell im Distinktionswettbewerb um die Terminierung mit dem schlechteren Blatt gepokert zu haben) - eins kann man bereits konstatieren, ohne sich als Prophet zu verausgaben: Frau Merkel wird weiterhin den Kurs des Staatsschiffes "Deutschland" bestimmen, egal, in welchem Verhältnis die Offiziere und Mannschaften aus nominell unterschiedlichen Lagern rekrutiert werden, ob zwei, vier oder gar sechs Parteien im Kabinett Merkel IV auf ihr Kommando hören werden (zum sechsten Rad am Wagen könnte in diesem Fall "Die Partei" werden - da die Piraten, wie es sich für eine Spaßpartei im #Neuland gehört, ihre Selbstversenkung schon vor diversen subjektiv gefühlten Ewigkeiten erfolgreich ins Werk besetzt haben). Das Zusammenstehen gegen den altbösen Feind, gekoppelt mit der eigenen kompletten inhaltlichen Entkernung aller satisfaktionsfähigen Parteiungen (nicht nur in der gegenwärtigen Krise Nr. 1, sondern schon in den beiden vorangegangenen Akten des Kollektivtrauerendspiels, übertitelt "Eurorettung" und "Energiewende"), läßt andere Erwartungen als so komplett realitätsenthoben erscheinen wie die Politik unserer gegenwärtigen (und zukünftigen) Regierung. Nur für den Fall, daß jene alt- (oder besser: neu-)bösen Kräfte ein Wahlergebnis jenseits der absoluten Mehrheit einfahren sollten und keinerlei elektiveAffinitäten auf der hellen Seite der Macht ihnen ein wirksames "Expelliarmus" neutralisierend entgegensetzen könnten, wäre dies anders. Aber mit dieser Möglichkeit rechnet man wohl selbst im innersten Zirkel der Finsternis - wo man dem Vernehmen nach zumeist mit der Lektüre der Bücher II bis IV von John Miltons "Paradise Lost" (1667) beschäftigt ist - niemand ernsthaft.
(Als Fußnote sei noch erwähnt, daß sich das Erscheinen von Miltons Epos - dem William Blake bekanntlich beschied he was of the Devil's party without knowing it - beim Londoner Verleger Samuel Simmons in diesem Jahr zum 350. Mal jährt.)
Nun,
jetzt ist Sylvester vorbei und man kann hoffen, dass dieses Jahr die
Berichterstattung wohl etwas besserer Qualität sein dürfte als im vergangenen.
Köln hat, so wie andere deutsche Großstädte auch, einen vergleichsweise
friedlichen Jahreswechsel erlebt. Da macht es, gerade in Bezug auf die
Prognosen, die auch in diesem Blog standen, durchaus Sinn zu diskutieren, warum
es ruhig blieb. Und warum das trotzdem nicht viel Hoffnung auf die Zukunft
macht.