Vernünftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt
30. März 2011
Biografien. Ein deutscher Dialog. Zettel an Andrea (1)
29. März 2011
Zeitenwende?: I wo! Ein optimistisches Wort zum Wahlsonntag
Logbuch Narrenschiff: Neuer Kurs der FDP
Liebe Leser,
Das neue "Neue Deutschland". Schlagzeilen bei "Spiegel-Online"
28. März 2011
Nicht hilfreich: Wahlanalyse von Lyllith
Die Wahlergebnisse dienen lediglich als Anlass, Agitation und Propaganda fortzusetzen und möglichst noch ein Schippchen draufzulegen. Von einer Rückkehr zur Tagesordnung ist nichts zu erkennen. Nachdem man jetzt Blut geleckt hat, steht das große Ziel, die Bundesregierung zu stürzen, auf der Tagesordnung.
27. März 2011
Marginalie: Es ist passiert. Die grüne Machtergreifung findet statt
Ein "gerechter Krieg" gegen Libyen? Welche Interessen stecken hinter der Intervention Frankreichs und Großbritanniens?
Jo mei. Alberner geht es schwerlich.
Zitat des Tages: Der "Spiegel" wundert sich über die Japaner
26. März 2011
Kurioses, kurz kommentiert: Schweigeminute für ein Todesopfer. Kein Schweigen für 20.000 Todesopfer. Der deutsche Atomwahn wird grotesk
sueddeutsche.de heute unter der Überschrift "Anti-Atom-Bewegung mobilisiert 200.000 Menschen".
Kommentar: Bisher hat der Unfall im KKW Fukushima Daiichi genau ein Todesopfer gefordert: Ein Kranführer kam bei den Rettungsarbeiten ums Leben.
Aufruhr in Arabien (17): Israels Dilemma. Dreißig Jahre nach dem Friedensvertrag mit Ägypten ist das Land wieder bedroht
25. März 2011
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (13): Der Sprecher von NISA zieht seine Aussage zurück (Stand: Freitag, 18.30 Uhr)
Die Befürchtung eines Risses im Containment, über die ich heute Mittag berichtet hatte, war von Hidehiko Nishiyama vom NISA geäußert worden. Wie die japanische Zeitung Mainichi Daily News jetzt meldet, hat Nishiyama inzwischen klargestellt, daß dies nur eine persönliche Vermutung gewesen war:
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (12): Ein Riß im Containment von Block 3? (Stand: Freitag, 11.30 Uhr)
Zum einen war dies der Reaktor gewesen, an dem drei Männer Verstrahlungen an den Füßen erlitten hatten, weil sie nicht hinreichend gegen das radioaktiv verseuchte Wasser geschützt gewesen waren, in dem sie standen. Was nun dazu gemeldet wird, ist in der Tat alarmierend: Die Radioaktivität dieses Wassers (gemessen in Bq/kg) lag beim 10.000fachen des Werts im normalem Reaktorbetrieb.
Zitat des Tages: Des Ministers Brüderle Wahrheit. Die Unehrlichkeit hier, die Heuchelei da
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle laut Protokoll am vorletzten Montag, dem 14. März vor dem Präsidium des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin.
Stratfors Analysen: "Gaddafi könnte wieder die terroristische Karte spielen". Scott Stewart über Libyen und den internationalen Terrorismus
24. März 2011
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (11): Die Temperaturen sinken jetzt schnell. "Kein zweites Tschernobyl" (Stand: Donnerstag, 17.00 Uhr)
Die Temperaturen sind in mehrfacher Hinsicht kritisch: Zum einen müssen die Reaktoren und die Abklingbecken gekühlt werden, damit aus dem Schmelzen oder Anschmelzen einzelner Brennstäbe keine umfassende Kernschmelze hervorgehen kann. Das ist der langfristige, der sozusagen strategische Aspekt. Kurzfristig - gewissermaßen auf der taktischen Ebene - geht es darum, die Temperaturen zu senken, um damit auch die ionisierende Strahlung, die vor allem von den Brennstäben in den Abklingbecken ausgeht, weiter zu reduzieren.
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (10): Die negativen Nachrichten überwiegen heute (Stand: Donnerstag, 9.30 Uhr)
Das ist eine Momentaufnahme. Es kann sich bald wieder ändern, wie das schon mehrfach der Fall gewesen ist, nachdem es Rückschläge gegeben hatte. Aber es ist die momentane Situation. Edano sagte in der vergangenen Nacht (MEZ) nicht mehr, daß es vorangehe, sondern daß man damit rechne, eine Verschlechterung vermeiden zu können.
23. März 2011
Aus dem Lehrerzimmer: Der Kampf gegen die Atomkraft im politisch korrekten Unterricht. Mit einem Nachtrag.
Die Einstellung der Generation der heute bis 40-Jährigen zumindest in Westdeutschland dürfte nicht unwesentlich geprägt sein durch den Jugendroman "Die Wolke" von Gudrun Pausewang (vgl. T. Spreckelsen: "Das Angstmacherbuch unserer Schulzeit"). Erschienen ein Dreivierteljahr nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, handelt er von dem Schicksal eines 14-jährigen Mädchens nach einem (fiktiven) Super-GAU im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Mit 1,5 Millionen verkauften Exemplaren ist "Die Wolke" ein sehr erfolgreiches Jugendbuch und eine verbreitete Schullektüre im politisch korrekten Deutschunterricht, und nach Fukushima ist das Buch wieder in den Beststellerlisten der Jugendliteratur.
Stratfors Analysen: Anschlag in Jerusalem. Silvan Shalom spricht von einer möglichen neuen Operation "Gegossenes Blei". Die Spannungen steigen
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (9): Die aktuelle Falschmeldung bei "Spiegel-Online"; diesmal Extraklasse (Stand: Mittwoch, 13.30 Uhr)
Bis vor einer Stunde stand dort auf der Hauptseite als Aufmacher die Schlagzeile "Erhöhte Radioaktivität - AKW Fukushima komplett evakuiert". Der zugehörige Artikel ist datiert mit "23. März 2011, 09:33 Uhr". Dies war mehr als drei Stunden lang der Aufmacher. Um 12.52 wurde die Schlagzeile geändert.
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (8): Fortschritte bei der Aufnahme des Normalbetriebs, aber noch hohe Strahlenbelastung (Stand: Mittwoch, 7.00 Uhr)
Noch geht aber auch die externe Kühlung weiter. Bei Block 4 wird jetzt seit 2.00 Uhr MEZ die Betonpumpe eingesetzt, deren Pumpröhre bis zu einer Höhe von mehr als 50 Metern ausgefahren werden kann. Gegenüber den Löschfahrzeugen der Feuerwehr hat das vor allem den Vorteil, daß damit das Wasser zielgenau zum Abklingbecken geleitet werden kann, während die Feuerwehrfahrzeuge es nur in dessen Richtung spritzen können.
Zitat des Tages: "Wir haben uns geirrt". Verteidigungsminister Gates über die Entscheidung, Angehörigen von Soldaten das Verlassen Japans anzubieten
SEC. GATES: Well, I think first of all, we've certainly erred on the side of caution in terms of women and children, dependents, in terms of offering them the opportunity to leave.
22. März 2011
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (7): Die Instandsetzung geht jetzt schnell voran. Die Katastrophe findet nicht statt (Stand: Dienstag, 19.30 Uhr)
Interessant an den Meldungen der letzten Stunden ist das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Maßnahmen, die einander teils bedingen, die sich teils aber auch gegenseitig ausschließen.
Solche Wechselwirkungen gab es seit Beginn des Störfalls:
Stratfors Analysen: "Der Vergleich mit dem Irak liegt auf der Hand". George Friedman über Ideologie und Interessen hinter der Libyen-Intervention
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (6): Die positiven Nachrichten überwiegen wieder (Stand: Dienstag, 15.00 Uhr)
Das erlaubte es, die vorübergehend unterbrochenen Arbeiten (siehe Die Arbeiten sind vorläufig unterbrochen; ZR vom 22. 3. 2011) wieder uneingeschränkt fortzusetzen.
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (5): Die Arbeiten sind vorläufig unterbrochen (Stand: Dienstag 5.30 Uhr)
Der Grund sind die Rauchwolken, die gestern aus den Blöcken 2 und 3 aufgestiegen waren, verbunden mit einer vorübergehenden massiven Erhöhung der Strahlung in der Umgebung der beiden Reaktoren. Diese klang zwar schnell ab (auf 0,27 mSv/h um 21.00 MEZ), aber TEPCO entschied dennoch, alle Arbeiten vorerst zu unterbrechen.
21. März 2011
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (4): Die aktuelle Falschmeldung von "Spiegel-Online" (Stand: Montag, 23.30 Uhr)
Das wäre allerdings schlimm, wenn es wahr wäre. Nur ist es eine der vielen Unwahrheiten, mit denen "Spiegel-Online" unverdrossen Panik zu machen versucht.
Kein Arbeiter hat das AKW Fukushima verlassen müssen. Was tatsächlich der Fall ist, hat NHK (zuletzt aktualisiert um 11.35 Uhr) berichtet: Von Block 3 war heute gegen 8.00 Uhr MEZ grau-schwarzer Rauch bisher unbekannter Verursachung aufgestiegen. Daraufhin wurden die Arbeiter aus der Nähe dieses Blocks 3 abgezogen und mußten keineswegs das Gelände des KKW verlassen.
Stratfors Analysen: "Der Libyenkrieg 2011 hat begonnen". George Friedman über anfängliche Erfolge und spätere Probleme
20. März 2011
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (3): Alles läuft gut. "Spiegel-Online" sucht offenbar verzweifelt nach Horrormeldungen (Stand: Sonntag, 20.00 Uhr)
Natürlich wird das nicht explizit zugegeben, aber beispielsweise bei "Spiegel-Online" ist das Thema hinter Sachsen-Anhalt und Libyen inzwischen auf Platz 3 gerutscht. Und da aus dem KKW Fukushima Daiichi leider gar keine Horrormeldungen mehr herauszuziehen sind, muß jetzt eine angebliche Angst in der japanischen Bevölkerung herhalten: "Fukushima-Katastrophe - Japans Bevölkerung fürchtet verstrahlte Lebensmittel" wird dort seit heute 17.25 Uhr getitelt. Im Text findet sich dann freilich kein Hinweis, der auf ein solches "Fürchten" schließen ließe.
Marginalie: Überraschung in Sachsen-Anhalt - es hat keine Überraschung gegeben. Nebst einer Anmerkung zum Desaster der FDP
19. März 2011
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (2): Die Lage hat sich heute massiv verbessert (Stand: Samstag, 15.00)
Zum einen ist jetzt nicht mehr nur von einer Stabilisierung die Rede, sondern es ist ein optimistischer Ton in die Verlautbarungen eingekehrt.
Um 13.23 Uhr MEZ berichtete beispielsweise NHK:
Chief Cabinet Secretary Yukio Edano says the situation at the Fukushima Daiichi nuclear power plant is improving. He says unpredictable factors remain but the government will do its best to fix the problem.(...) He said he believes the water-spraying over the spent fuel rod pool in the No.3 reactor was successful. He added that the current situation is more stable than before.(...)
Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (1): Die Lage stabilisiert sich weiter (Stand am Samstag um 4.30 Uhr)
Für die mit diesem Artikel beginnende Abfolge von Kurzberichten stütze ich mich nur noch auf die aktuellen Nachrichten des japanischen Senders NHK. Es wird auch in der Regel keine Aktualisierungen innerhalb eines Artikels mehr geben, sondern je nach Nachrichtenlage erscheint ein neuer Artikel in dieser Serie.
18. März 2011
Stratfors Analysen: "Die Reaktoren waren Japans Sicherheitsnetz". George Friedman über die Katastrophe, die Lage am Golf und Japans Verwundbarkeit
Over the past week, everything seemed to converge on energy. The unrest in the Persian Gulf raised the specter of the disruption of oil supplies to the rest of the world, and an earthquake in Japan knocked out a string of nuclear reactors with potentially devastating effect. Japan depends on nuclear energy and it depends on the Persian Gulf, which is where it gets most of its oil. It was, therefore, a profoundly bad week for Japan, not only because of the extensive damage and human suffering but also because Japan was being shown that it can’t readily escape the realities of geography.
Die Lage in Fukushima Daiichi (Fortsetzung; Stand: Freitag, 13.30 Uhr)
Ein wesentlicher positiver Faktor ist, daß im Lauf des heutigen Tags das KKW Fukushima Daiichi wieder an das Stromnetz angeschlossen werden wird. Das war schon für gestern (japanische Zeit) geplant gewesen, mußte aber wegen zu hoher Strahlung verschoben werden. Inzwischen ist die Strahlung so weit zurückgegangen, daß es wahrscheinlich nur noch einen halben Tag dauern wird, bis die Stromversorgung wieder hergestellt ist.
Die "Tagesschau" gestern über Fukushima: Vierzehn sachliche Fehler
17. März 2011
Neue Lage. Die Kanzlerin rechtfertigt das Moratorium
Zitat des Tages: "Statt Trauer und Mitgefühl eine selbstbezogene Diskussion". Deutscher Narzißmus. Furor Teutonicus
Cora Stephan am Montag in ihrem Blog BLogisch über die deutsche Reaktion auf die Katastrophe in Japan.
Die Lage in Fukushima Daiichi (Stand: Donnerstag, 1.00 Uhr)
15. März 2011
Einige Quellen, die Sie zuverlässig über die Lage in den beiden Kernkraftwerken bei Fukushima informieren (Letzte Aktualisierung: Dienstag 23.30 Uhr)
Im Kraftwerk Daini gibt es vier Blöcke, die alle erfolgreich abgeschaltet wurden und bei denen die Nachzerfallswärme unter Kontrolle ist. Probleme bereiten drei der sechs Blöcke des Kraftwerks Daiichi; die übrigen drei waren zum Zeitpunkt der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe wegen Wartungsarbeiten nicht in Betrieb.
Wo kann man sich zuverlässig und aktuell über das informieren, was sich im Kraftwerk Daiichi zuträgt?
Zitat des Tages: Dramatischer Rückgang der Radioaktivität im KKW Fukushima Daiichi
At 00:00 UTC on 15 March a dose rate of 11.9 millisieverts (mSv) per hour was observed. Six hours later, at 06:00 UTC on 15 March a dose rate of 0.6 millisieverts (mSv) per hour was observed.
These observations indicate that the level of radioactivity has been decreasing at the site.
Was interessiert mich mein Gesetz von gestern?
14. März 2011
Hier können Sie das Live-Programm des englischsprachigen japanischen Nachrichtensenders NHK-World verfolgen
Sie werden dann eine Vorstellung davon bekommen, wie einseitig und agitatorisch in Deutschland berichtet wird.
Lissabon 1755. Japan 2011. Die Parallelen sind beklemmend. Die Erdbeben und die geistige Befindlichkeit der Zeit. Ist es heute wie damals?
13. März 2011
Marginalie: Wie groß ist die Gefahr einer Kernschmelze in Fukushima? (Um 22.30 Uhr aktualisierte Fassung)
Welche Formen ionisierender Strahlung können in Fukushima aus den Reaktoren austreten? Wie gefährlich sind sie? Was ist überhaupt Radioaktivität?
12. März 2011
Die Deutschen und das Atom (8): Besessen von der Kernschmelze. Die seltsame deutsche Reaktion auf die Katastrophe in Japan
International wurde und wird von allen Aspekten der Katastrophe berichtet - von den Schäden in Japan, von denen immer deutlicher wird, daß sie viel schlimmer sind als zunächst erwartet; von den (zum Glück im Gegensatz dazu glimpflichen) Auswirkungen auf die anderen Inseln des Pazifik und dessen Anrainerstaaten; von den Problemen in den beiden Atomkraftwerken bei der Stadt Fukushima, Daiichi und Daini.
Stratfors Analysen: Kernschmelze in Fukushima? Mögliche Abläufe des Unglücks
A March 12 explosion at the earthquake-damaged Fukushima Daiichi nuclear power plant in Okuma, Japan, appears to have caused a reactor meltdown.
The key piece of technology in a nuclear reactor is the control rods. Nuclear fuel generates neutrons; controlling the flow and production rate of these neutrons is what generates heat, and from the heat, electricity. Control rods absorb neutrons — the rods slide in and out of the fuel mass to regulate neutron emission, and with it, heat and electricity generation.
11. März 2011
Anmerkungen zur Wahrnehmung der Regierung Merkel - und zur Entfernung der Regierung von den Wählern
Dieser Einstand greift ein Thema auf, das in Zettels Kleinem Zimmer regelmäßig und höchst kontrovers diskutiert wird, nämlich die Beurteilung der Regierung Merkel und insbesondere der Kanzlerin selbst; wer in Zettels Kleinem Zimmer mitliest, weiß, dass dort deutlich(st)er Kritik (die mit schlechten Umfragewerten für die CDU parallelisiert werden könnte) die ebenso hartnäckige Verteidigung gegenübersteht.
Marginalie: Ungeordnete Gedanken zur Tsunami-Katastrophe
Liebe Leser,
10. März 2011
Stratfors Analysen: Geht es am morgigen Freitag in Saudi-Arabien los?
Kurioses, kurz kommentiert: "Hartz-IV-Empfänger dürfen keine Sportwetten abschließen". Ein Satz aus dem Kölner Karneval? Nein, vom Kölner Landgericht
Stratfors Analysen: "Libyen könnte erneut zum Waffenarsenal des Terrorismus werden". Scott Stewart über die Waffen von Terroristen und ihre Herkunft
9. März 2011
Hat Guttenberg seinen Doktorvater Häberle plagiiert? Hätte dieser etwas bemerken müssen? Noch einmal zur Hypothese der gekauften Dissertation (Teil 2)
Aber die heutigen Meldungen, daß sich in der Arbeit auch zahlreiche Plagiate aus Werken seines Doktorvaters Häberle fänden, schienen mir auf den ersten Blick statt nur Indizien nunmehr einen starken Beleg, ja fast einen Beweis zu liefern. Auf den ersten Blick, denn zunächst hatte ich nur Überschriften wie die in der FAZ gesehen: "Guttenberg schrieb auch bei seinem Doktorvater ab".
Hat Guttenberg seinen Doktorvater Häberle plagiiert? Hätte dieser etwas bemerken müssen? Noch einmal zur Hypothese der gekauften Dissertation (Teil 1)
Er war aber - so ging diese These - hereingelegt worden. Statt für gutes Geld einen Text von Qualität anzufertigen, lieferte der - oder lieferten die - Ghostwriter ein Machwerk voller Plagiate.
8. März 2011
Marginalie: Zum Weltfrauentag sechs Argumente gegen eine Frauenquote
Eine Partei, ein Unternehmen, eine Organisation sind selbstverständlich frei darin, welche Regeln sie für die Besetzung von Posten festlegen. Gesetzliche Einschränkungen sind aber in einem freiheitlichen Staat nur dann zu rechtfertigen, wenn es dafür eine Notwendigkeit gibt. Für die Frauenquote gilt das aus meiner Sicht nicht. Ich möchte dafür diese Argumente ins Feld führen:
1. Eine Frauenquote ist ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Unternehmen werden dadurch gezwungen, Führungspositionen nicht so zu besetzen, wie sie es nach ihren Kriterien für optimal halten. Damit können wirtschaftliche Nachteile einhergehen, zum Beispiel im internationalen Wettbewerb. Der Staat zwingt den Unternehmen dieses Risiko auf, dessen Folgen aber allein diese selbst tragen müssen.Diese Punkte fassen das zusammen, was ich teilweise in früheren Artikeln genauer ausgeführt habe:
2. Es wird argumentiert, eine stärkere Repräsentanz von Frauen in den Führungspositionen diene aber ja im Gegenteil dem Erfolg der Unternehmen. Im Nachtstudio des ZDF hat am vergangenen Sonntag Gertrud Höhler diese Position eloquent vertreten. Aber wenn das so ist - wozu dann gesetzliche Vorschriften? Dann werden die Unternehmen doch aus eigenem Interesse mehr Frauen in diese Positionen holen. Dieses Argument zugunsten einer gesetzlichen Quote ins Feld zu führen, impliziert, daß der Gesetzgeber besser wisse als die Unternehmen selbst, was in deren Interesse ist.
3. Das Ziel, daß in irgendwelchen Positionen Frauen gleich oder annähernd gleichstark vertreten sein müßten, ist bereits als solches nicht begründbar. Zum einen, weil das dann nicht nur für Führungspositionen von Unternehmen gelten dürfte, sondern für alle Führungspositionen. Wenn die Bundeswehr demnächst eine Berufsarmee sein sollte, dann werden Frauen ebenso wie Männer dort Zugang zu allen Rängen haben. Wenn man die Führungspositionen von Unternehmen nach Proporz besetzt - wieso dann nicht auch die Offiziersstellen in der Bundeswehr? Wieso nicht die Professorenstellen an den Universitäten?
Mindestens vierzig Prozent weibliche Generale, das wäre für das Militär dann die logische Konsequenz. Vierzig Prozent Frauen in eventuellen Kampfeinsätzen. Oder will man argumentieren, daß Frauen zum Kämpfen schlechter geeignet seien als Männer? Wenn ja - wieso setzt man dann voraus, daß sie für den kompetetiven Job des Managers ebenso geeignet sind?
4. Es gibt viele andere interessante, attraktive Berufe; den des Lehrers beispielsweise. An bayrischen Grundschulen waren 2008 86 Prozent der Lehrkräfte Frauen. Wie will man, wenn man die Quote für Führungskräfte will, begründen, daß nicht auch hier eine Quote eingeführt wird; allerdings für Männer?
5. Wenn man meint, ein Quote mit Gerechtigkeit gegenüber Bevölkerungsgruppen begründen zu können - warum soll das dann nur für die Gruppe der Frauen gelten? Warum nicht auch, beispielsweise, für Ostdeutsche? Warum des weiteren keine Quotierung nach Alter, nach Religionszugehörigkeit, nach sexueller Orientierung? Wie ist es, wenn man gleiche Repräsentanz will, zu rechtfertigen, daß in vielen Berufen Homosexuelle vermutlich unterrepräsentiert sind, daß sie andererseits in bestimmten Berufen, etwa bei den Modedesignern, überrepräsentiert sind?
6. Das läßt sich alles im Kern in einem einzigen Argument zusammenfassen: In einer freien Gesellschaft, in einer freiheitlichen Wirtschaft ergeben sich die meisten Entscheidungen aus einem Wechselspiel von Faktoren, das zu einem optimalen Ergebnis führt. Denn ist ein Ergebnis nicht optimal, dann wird es von anderen, besseren Ergebnissen verdrängt. Die Quotierung - der Proporz, wie man das früher nannte - wirkt dem entgegen. Sie ist ein Stück Sozialismus in unserer freiheitlichen Gesellschaft. Es ist beklemmend, daß ausgerechnet eine Liberale, Sylvana Koch-Mehrin, als Protagonistin dieses Stücks Sozialismus hervortritt.
Zettels Meckerecke: Weg mit der Quotitis! Nebst einem Lob für die Kanzlerin; ZR vom 29. 10. 2009 Marginalie: Der "Spiegel" und die Frauenquote. Ein Blick in die Redaktion des "Spiegel". Und ein Blick auf sein aktuelles Titelbild; ZR vom 29. 1. 2011 Die FDP und die Frauenquote: Eine vertane Chance. Wie, wenn nicht bei solch einem Thema, will sich die FDP überhaupt noch gegen die CDU profilieren?; ZR vom 2. 2. 2011
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.
Stratfors Analysen: "Bahrain ist wichtiger als Libyen". George Friedman über die explosive Situation am Golf und die wachsende Macht des Iran
The world’s attention is focused on Libya, which is now in a state of civil war with the winner far from clear. While crucial for the Libyan people and of some significance to the world’s oil markets, in our view, Libya is not the most important event in the Arab world at the moment. The demonstrations in Bahrain are, in my view, far more significant in their implications for the region and potentially for the world. To understand this, we must place it in a strategic context.
As STRATFOR has been saying for quite a while, a decisive moment is approaching, with the United States currently slated to withdraw the last of its forces from Iraq by the end of the year. Indeed, we are already at a point where the composition of the 50,000 troops remaining in Iraq has shifted from combat troops to training and support personnel. As it stands now, even these will all be gone by Dec. 31, 2011, provided the United States does not negotiate an extended stay. Iraq still does not have a stable government. It also does not have a military and security apparatus able to enforce the will of the government (which is hardly of one mind on anything) on the country, much less defend the country from outside forces.
Filling the Vacuum in Iraq
The decision to withdraw creates a vacuum in Iraq, and the question of the wisdom of the original invasion is at this point moot. The Iranians previously have made clear that they intend to fill this vacuum with their own influence; doing so makes perfect sense from their point of view. Iran and Iraq fought a long and brutal war in the 1980s. With the collapse of the Soviet Union, Iran is now secure on all fronts save the western. Tehran’s primary national security imperative now is to prevent a strong government from emerging in Baghdad, and more important, a significant military force from emerging there. Iran never wants to fight another war with Iraq, making keeping Iraq permanently weak and fragmented in Tehran’s interest. The U.S. withdrawal from Iraq sets the stage for Iran to pursue this goal, profoundly changing the regional dynamic.
Iran has another, more challenging strategic interest, one it has had since Biblical times. That goal is to be the dominant power in the Persian Gulf.
For Tehran, this is both reasonable and attainable. Iran has the largest and most ideologically committed military of any state in the Persian Gulf region. Despite the apparent technological sophistication of the Gulf states’ militaries, they are shells. Iran’s is not. In addition to being the leading military force in the Persian Gulf, Iran has 75 million people, giving it a larger population than all other Persian Gulf states combined.
Outside powers have prevented Iran from dominating the region since the fall of the Ottoman Empire, first the United Kingdom and then the United States, which consistently have supported the countries of the Arabian Peninsula. It was in the outsiders’ interests to maintain a divided region, and therefore in their interests to block the most powerful country in the region from dominating even when the outsiders were allied with Iran.
With the U.S. withdrawal from Iraq, this strategy is being abandoned in the sense that the force needed to contain Iran is being withdrawn. The forces left in Kuwait and U.S air power might be able to limit a conventional Iranian attack. Still, the U.S. withdrawal leaves the Iranians with the most powerful military force in the region regardless of whether they acquire nuclear weapons. Indeed, in my view, the nuclear issue largely has been an Iranian diversion from the more fundamental issue, namely, the regional balance after the departure of the United States. By focusing on the nuclear issue, these other issues appeared subsidiary and have been largely ignored.
The U.S. withdrawal does not mean that the United States is powerless against Iran. It has been reconstituting a pre-positioned heavy brigade combat team set in Kuwait and has substantial air and naval assets in the region. It also can bring more forces back to the region if Iran is aggressive. But it takes at least several months for the United States to bring multidivisional forces into a theater and requires the kind of political will that will be severely lacking in the United States in the years ahead. It is not clear that the forces available on the ground could stop a determined Iranian thrust. In any case, Iraq will be free of American troops, allowing Iran to operate much more freely there.
And Iran does not need to change the balance of power in the region through the overt exercise of military force. Its covert capability, unchecked by American force, is significant. It can covertly support pro-Iranian forces in the region, destabilizing existing regimes. With the psychology of the Arab masses changing, as they are no longer afraid to challenge their rulers, Iran will enjoy an enhanced capacity to cause instability.
As important, the U.S. withdrawal will cause a profound shift in psychological perceptions of power in the region. Recognition of Iran’s relative power based on ground realities will force a very different political perception of Iran, and a desire to accommodate Tehran. The Iranians, who understand the weakness of their military’s logistics and air power, are pursuing a strategy of indirect approach. They are laying the foundation for power based on a perception of greater Iranian power and declining American and Saudi power.
Bahrain, the Test Case
Bahrain is the perfect example and test case. An island off the coast of Saudi Arabia, Bahrain and Saudi Arabia are linked by a causeway. For most purposes, Bahrain is part of Saudi Arabia. Unlike Saudi Arabia, it is not a major oil producer, but it is a banking center. It is also the home of the U.S. 5th Fleet, and has close ties to the United States. The majority of its population is Shia, but its government is Sunni and heavily linked to Saudi Arabia. The Shiite population has not fared as well economically as Shia in other countries in the region, and tensions between the government and the public have long existed.
The toppling of the government of Bahrain by a Shiite movement would potentially embolden Shia in Saudi Arabia, who live primarily in the oil-rich northeast near Bahrain. It also would weaken the U.S. military posture in the region. And it would demonstrate Iranian power.
If the Saudis intervened in Bahrain, the Iranians would have grounds to justify their own intervention, covert or overt. Iran might also use any violent Bahraini government suppression of demonstrators to justify more open intervention. In the meantime, the United States, which has about 1,500 military personnel plus embassy staff on the ground in Bahrain, would face the choice of reinforcing or pulling its troops out.
Certainly, there are internal processes under way in Bahrain that have nothing to do with Iran or foreign issues. But just as the internal dynamic of revolutions affects the international scene, the international scene affects the internal dynamic; observing just one of the two is not sufficient to understand what is going on.
The Iranians clearly have an interest in overthrowing the Bahraini regime. While the degree to which the Iranians are involved in the Bahraini unrest is unclear, they clearly have a great deal of influence over a cleric, Hassan Mushaima, who recently returned to Bahrain from London to participate in the protests. That said, the Bahraini government itself could be using the unrest to achieve its own political goals, much as the Egyptian military used the Egyptian uprising. Like all revolutions, events in Bahrain are enormously complex — and in Bahrain’s case, the stakes are extremely high.
Unlike Libya, where the effects are primarily internal, the events in Bahrain clearly involve Saudi, Iranian and U.S. interests. Bahrain is also the point where the Iranians have their best chance, since it is both the most heavily Shiite nation and one where the Shiites have the most grievances. But the Iranians have other targets, which might be defined as any area adjoining Saudi Arabia with a substantial Shiite population and with American bases. This would include Oman, which the United States uses as a support facility; Qatar, headquarters of U.S. Central Command and home to Al Udeid Air Base; and Kuwait, the key logistical hub for Iraqi operations and with major army support, storage and port facilities. All three have experienced or are experiencing demonstrations. Logically, these are Iran’s first targets.
The largest target of all is, of course, Saudi Arabia. That is the heart of the Arabian Peninsula, and its destabilization would change the regional balance of power and the way the world works. Iran has never made a secret of its animosity toward Saudi Arabia, nor vice versa. Saudi Arabia could now be in a vise. There is massive instability in Yemen with potential to spill over into Saudi Arabia’s southern Ismaili-concentrated areas. The situation in Iraq is moving in the Iranians’ favor. Successful regime changes in even one or two of the countries on the littoral of the Persian Gulf could generate massive internal fears regardless of what the Saudi Shia did and could lead to dissension in the royal family. It is not surprising, therefore, that the Saudis are moving aggressively against any sign of unrest among the Shia, arresting dozens who have indicated dissent. The Saudis clearly are uneasy in the extreme.
Iran’s Powerful Position
The Iranians would be delighted to cause regime change throughout the region, but that is not likely to occur, at least not everywhere in the region. They would be equally happy simply to cause massive instability in the region, however. With the United States withdrawing from Iraq, the Saudis represent the major supporter of Iraq’s Sunnis. With the Saudis diverted, this would ease the way for Iranian influence in Iraq. At that point, there would be three options: Turkey intervening broadly, something it is not eager to do; the United States reversing course and surging troops into the region to support tottering regimes, something for which there is no political appetite in the United States; and the United States accepting the changed regional balance of power.
Two processes are under way. The first is that Iran will be the single outside power with the most influence in Iraq, not unlimited and not unchallenged, but certainly the greatest. The second is that as the United States withdraws, Iran will be in a position to pursue its interests more decisively. Those interests divide into three parts:
- eliminating foreign powers from the region to maximize Iranian power,
- convincing Saudi Arabia and other countries in the region that they must reach an accommodation with Iran or face potentially dangerous consequences, and
- a redefinition of the economics of oil in the Persian Gulf in favor of Iran, including Iranian participation in oil projects in other Persian Gulf countries and regional investment in Iranian energy development.
The events in the Persian Gulf are quite different from the events in North Africa, with much broader implications. Bahrain is the focal point of a struggle between Saudi Arabia and Iran for control of the western littoral of the Persian Gulf. If Iran is unable to capitalize on events in Bahrain, the place most favorable to it, the moment will pass. If Bahrain’s government falls, the door is opened to further actions. Whether Iran caused the rising in the first place is unclear and unimportant; it is certainly involved now, as are the Saudis.
The Iranians are in a powerful position whatever happens given the U.S. withdrawal from Iraq. Combine this with a series of regime changes, or simply destabilization on the border of Saudi Arabia, and two things happen. First, the Saudi regime would be in trouble and would have to negotiate some agreement with the Iranians — and not an agreement the Saudis would like. Second, the U.S. basing position in the Persian Gulf would massively destabilize, making U.S. intervention in the region even more difficult.
The problem created by the U.S. leaving Iraq without having been able to install a strong, pro-American government remains the core issue. The instability in the Persian Gulf allows the Iranians a low-risk, high-reward parallel strategy that, if it works, could unhinge the balance of power in the entire region. The threat of an uprising in Iran appears minimal, with the Iranian government having no real difficulty crushing resistance. The resistance on the western shore of the Persian Gulf may be crushed or dissolved as well, in which case Iran would still retain its advantageous position in Iraq. But if the perfect storm presents itself, with Iran increasing its influence in Iraq and massive destabilization on the Arabian Peninsula, then the United States will face some extraordinarily difficult and dangerous choices, beginning with the question of how to resist Iran while keeping the price of oil manageable.
Bahrain and the Battle Between Iran and Saudi Arabia is republished with permission of STRATFOR. Für Kommentare bitte hier klicken. Lesen Sie zu "Stratfors Analysen" bitte auch die Ankündigung dieser Rubrik.
Marginalie: Bushs Guantánamo, Obamas Guantánamo. Warum das Lager nicht geschlossen wird
Fachleuten war immer schon klar gewesen, daß das kaum gehen würde; siehe zum Beispiel Von Bush zu Obama (3): Guantánamo schließen. Prima! Und dann?; ZR vom 21. 11. 2008. Aber zunächst versucht Obama nach seinem Amtsantritt im Januar 2009, die Gefangenen teils zu entlassen und teils ihnen in den USA den Prozeß zu machen; so daß Guantánamo allmählich von Gefangenen entleert werden sollte.
Das Ergebnis der Entlassungen war, daß nicht wenige der Freigelassenen alsbald in den Dschihad zurückkehrten. Das Ergebnis des Versuchs, Häftlinge aus Guantánamo vor reguläre US-Gerichte zu stellen, waren massive Proteste in den USA. Beides habe ich, mit Links zu früheren Artikeln, im Oktober letzten Jahres zusammengefaßt (Guantánamo schließen? War halt so 'ne Idee ...; ZR vom 7. 10. 2010).
Gestern nun ist in der New York Times ein Bericht erschienen, wonach Obama angeordnet hat, die Militärgerichts-Prozesse in Guantánamo, die er nach seiner Amtsübernahme gestoppt hatte, wieder aufzunehmen.
Zugleich hat er angeordnet, bei Gefangenen, die dort ohne Anklage und Prozeß festgehalten werden, im Abstand von mindestens vier Jahren (!) das Fortbestehen der Haftgründe zu überprüfen. Er rechnet also nicht mehr mit einer Schließung des Lagers auf absehbare Zeit.
Ein Stück Vernunft hält Einzug in Obamas Politik.
Denn sein Plan, Guantánamo zu schließen, krankte nicht nur daran, daß fast niemand in Amerika die Insassen in den USA hatte haben wollen - sei es als Angeklagte, sei es als Verurteilte, sei es gar als Freigelassene.
Er krankte nicht nur an der Unlogik, in Kriegszeiten Gefangene zu entlassen, die dann wieder in den Kampf zurückkehren können. Der entscheidende weitere Punkt ist, daß nicht jedem, dessen Gefährlichkeit bekannt ist, individuelle Straftaten nachgewiesen werden können; so, wie man in klassischen Kriegen nicht jedem Kriegsgefangenen nachweisen kann, wen von den eigenen Soldaten er wann getötet oder verletzt hat.
Deshalb sieht das Kriegsrecht es vor, daß Gefangene bis zum Ende der Kampfhandlungen auch dann festgehalten werden dürfen, wenn ein solcher Nachweis nicht möglich ist; er wird ja in der Regel gar nicht versucht. Kriegsgefangenschaft ist keine Strafe, sondern eine militärische Maßnahme. Auch in den heutigen asymmetrischen Kriegen kann man auf sie nicht verzichten.
Obama scheint das jetzt verstanden zu haben. Mit anderen Worten, es ist jetzt fast alles wieder wie unter George W. Bush.
Fast. Denn unter dem Präsidenten Bush empörte sich die "Weltöffentlichkeit" gegen die Existenz des Lagers Guantánamo. Jetzt darf man gespannt sein, wie groß die weltweite - auch die deutsche - Empörung über die Entscheidung des Präsidenten Obama sein wird.
Eine erste Fassung dieses Artikels erschien gestern um 23.51 Uhr unter dem Titel "Marginalie: Was ist eigentlich mit Guantánamo?"
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7. März 2011
Aufruhr in Arabien (16): "Piraten in Sizilien". Liegt ein Sturz Gaddafis eigentlich im Interesse Europas? Libyen und Afrika
Libya may become the Somalia of the North Africa, of the Mediterrean. You will see pirates in Sicily, in Greece and in Lampedusa. You will see millions of illegal immigrants. The terror will be next to your door.Der Mann könnte Recht haben, leider. Dies ist eine reale Möglichkeit, wenn Libyen zerfällt, ohne daß eine neue staatliche Ordnung entsteht.
Libyen kann das Somalia des [sic] Nordafrika, des Mittelmeers werden. Sie werden Piraten in Sizilien, in Griechenland, in Lampedusa sehen. Sie werden Millionen illegaler Einwanderer sehen. Der Terror wird vor Ihrer Haustür sein.
Gaddafis Sohn spricht eine Frage an, die seltsamerweise in unseren Medien kaum diskutiert wird: Liegt eigentlich ein Sturz von Gaddafi im Interesse Europas?
Präsident Obama scheint zu meinen, daß er jedenfalls im Interesse der USA liegt. Nach Informationen von Robert Fisk, der darüber im heutigen Independent schreibt, haben die USA Saudi-Arabien gebeten, Waffen an die Rebellen in Bengasi zu liefern.
Bisher gibt es noch keine Antwort, aber Stratfor meint dazu, daß die Saudis liefern könnten, weil sie sich damit die USA verpflichten würden. Diese könnten ihnen beispielsweise im Gegenzug freie Hand bei der etwaigen Niederschlagung eines schiitischen Aufstands im Osten des Landes lassen (siehe Die aktuelle Lage in den arabischen Ländern und im Iran. Teil 2: Jordanien und Bahrain; ZR vom 20. 2. 2011).
Libyen wird meist lediglich als Teil der arabischen Welt gesehen. Aber es ist auch ein Land mit ungewöhnlich engen Beziehungen zum subsaharischen Afrika. Das Land hat eine Minderheit von nomadisierenden Tuareg; auch seine Geografie begünstigt diese Beziehungen.
Der Afrika-Spezialist von Stratfor, Mark Schroeder, hat das kürzlich analysiert (Video und Transkript nur Abonnenten zugänglich):
Gaddafis Libyen war also in Afrika durchaus so etwas wie eine Macht, wenn auch in bescheidenem Umfang. Dazu gehörte auch, daß es eine Barriere gegen Flüchtingsströme nach Europa war.Libyen hat erstens Handelsbeziehungen mit den Ländern Afrikas und pflegt zweitens politische Kontakte. Drittens verteilt Libyen auch Finanzhilfen. Dahinter steckt eine strategische Neuorientierung Gaddafis seit einigen Jahren, mit der er sich vom Nahen Osten ab- und Afrika zugewandt hat. Politisch hatte Gaddafi Erfolg vor allem in den Ländern der Sahel-Zone (Ländern wie Mauretanien, Bukina Faso und Mali). Beispielsweise trat er dort bei Konflikten als Vermittler auf. Für Handelsbeziehungen mit diesen, aber auch mit südlicheren Staaten Afrikas hat Gaddafi seine "Libysch-Arabisch-Investment-Gesellschaft" gegründet. Mit dem Ausbau der Handelsbeziehungen hoffte er zugleich politischen Einfluß zu gewinnen.
Was hat Europa von einem Zusammenbruch von Gaddafis Regime zu erwarten? Eine auch nur annähernd stabile Entwicklung, wie man sie im günstigsten Fall für Tunesien und Ägypten erwarten kann, ist unwahrscheinlich.
Das Land könnte zerfallen; es könnten in der Tat somalische Verhältnisse einkehren, mit einer Verlagerung der Macht von der Regierung in Tripoli auf die einzelnen Stämme (siehe Aufruhr in Arabien (14): Die Stämme Libyens und ihre Rolle im jetzigen Machtkampf; ZR vom 26. 2. 2011, sowie Aufruhr in Arabien (15): Zusammenfassung, Zwischenbilanz, Wertung; ZR vom 6. 3. 2011). Immigranten aus ganz Afrika könnten über ein solches Libyen vergleichsweise frei nach Europa gelangen.
Natürlich freut man sich, wenn ein schlimmer Diktator gehen muß. Aber daß uns Europäer auch das freuen wird, was nach ihm kommt, ist sehr fraglich.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Großmoschee von Kairouan, Tunesien. Vom Autor Wotan unter Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0-Lizenz freigegeben. Bearbeitet. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier.
Mal wieder in kleines Quiz: Welcher US-Präsident förderte die Demokratiebewegung in Ägypten, welcher nicht?
Zitat A:
[Nach ihrem Amtsantritt] halbierte die Regierung sofort das Geld für die Förderung der Demokratie in Ägypten; die Mittel für die Zivilgesellschaft wurden um 70 Prozent auf 7 Millionen Dollar gekürzt. Später wurde das Geld, das an Bürgerrechtsgruppen gegangen war, ganz gestrichen, und die Regierung sagte [der ägyptischen Regierung] zu, nur noch solche Einrichtungen zu unterstützen, bei denen Mubaraks ausdrückliche Zustimmung vorlag.Zitat B:
Die Regierung (...) versuchte, die Dynamik in Bezug auf die Finanzierung für eine Zivilgesellschaft zu ändern, obwohl dieses Bemühen auf den heftigen Widerstand der ägyptischen Regierung stieß. (...) Erstmals vergab ein US-Botschafter Geld an Institutionen, die unabhängig von Mubaraks Regime waren. (...) "Die USA haben eine strategische Partnerschaft mit Reformern aus der ägyptischen Zivilgesellschaft und innerhalb von Einrichtungen der Regierung geschaffen" erklärte die [US-]Regierung in einem Dokument für den Kongreß.Die Lösung zusammen mit Angaben über die Quelle und weiteren Informationen finden Sie wie immer in Zettels kleinem Zimmer.
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6. März 2011
Pizza macht sexy
Ian Stephen und Kollegen von der St. Andrews Universität in Schottland haben nämlich herausgefunden, daß die Attraktivität der Haut - im Gegensatz zum populären Vorurteil - durch Bräunung kaum verbessert wird.
In einem ersten Experiment legte Stephen im Jahre 2009 etlichen Probanden Fotos von Gesichtern vor, die sie farblich so verändern sollten, daß sie "gesünder" aussehen. Dabei zeigte sich, daß die Farbe der Gesichtshaut hauptsächlich in Richtung Rot- und Gelbwert verschoben wurde, Farben, die auch im Tierreich Gesundheit signalisieren.
Ende 2010 erschien eine weitere Studie, die drei Tests schildert:
1. Sowohl hellhäutige Europäer als auch dunkelhäutige Südafrikaner bevorzugen einen leicht gelbstichigen Teint.
2. Probanden haben umso deutlicher gelblich-rötliche Haut, je mehr Obst und Gemüse sie verzehren. Spektralmessungen zeigen, daß die Farbänderung der Haut von den darin enthaltenen "Karotinoiden" herrührt.
3. Werden Fotos wie bei der ersten Studie verändert, um die Gesichter gesünder aussehen zu lassen, dann entsprechen die Manipulationen gerade der durch Karotinoid-Aufnahme bewirkten Hautverfärbung.
Etwas ausführlicher werden die Versuche auf dem food-monitor geschildert: Mehr Obst und Gemüse essen für die Schönheit?
In der ersten Studie wurde die Bevorzugung der rötlichen Hautfarbe damit erklärt, daß sie auf sauerstoffreiches Blut zurückgehe, welches ein Zeichen für die Gesundheit der Lunge und des Herzens sei. In der zweiten Studie verknüpfte Stephen das gesündere Aussehen der gelblich-rötlichen Hauttöne mit der größeren Gesundheit von Obst- und Gemüse-Essern (was eine, wie mir scheint, etwas wackligere Konstruktion ist).
Gesünder aussehende Haut sei, so Stephen, auch attraktiver bei der Partnerwahl, ein Gedanke, den er so beiläufig äußert, daß er anscheinend wissenschaftliches Gemeingut ist. Plausibel genug ist er ja.
(Wer übrigens möchte, kann durch Teilnahme an einem Online-Test die Forschung auf diesem Gebiet weiter fördern.)
Die Karotinoide sind eine Gruppe von Kohlenwasserstoffen, die eine gelbliche bis rötliche Farbe hervorrufen. Sie sind in vielen Gemüse- und Obstsorten enthalten, wobei das bekannte β-Carotin am häufigsten vorkommt (z.B. in Karotten, Kürbissen, Brokkoli, Spinat, Chicorée, Aprikosen, Pfirsichen u.v.a.).
Wie sofort ins Auge fällt, handelt es sich dabei gerade um solche Lebensmittel, deren verstärkter Verzehr offiziell beworben wird.
Um dergleichen geht es Stephen allerdings nicht, wie er dem "Guardian" erklärte:
"I don't really care what people do," he insists. "I'm an experimental psychologist, not a public health PR man. However, our results suggest that eating well and staying out of the sun would make you look healthier."(How vegetables can give you that golden glow. Scientists prove that your five a day make you more attractive – by subtly altering your skin colour, The Guardian, 8.2.2011.)
"Es interessiert mich eigentlich nicht, was die Leute machen", erklärt er. "Ich bin ein empirischer Psychologe, kein PR-Mensch im Gesundheitswesen. Allerdings legen unsere Ergebnisse den Schluß nahe, daß man besser aussieht, wenn man sich gut ernährt und sich aus der Sonne hält."
Andere sind hingegen weniger zurückhaltend:
Professor Janet Allen, research director of Biotechnology and Biological Sciences Research Council, which part-funded the work, said it could give policymakers "persuasive evidence of a short-term benefit to encourage people to eat more healthily, to go alongside the acknowledged long-term advantages of a diet rich in fruit and vegetables".(Fruity glow is better than a tan, The Sunday Times May 23, 2010.)
Prof. Janet Allen, Forschungsmanagerin (?) beim Forschungsrat für Biotechnologie und Biowissenschaft, der die Arbeit zum Teil finanziert hat, meinte, diese könnte Politiker mit "überzeugenden Argumenten vom kurzfristigen Nutzen gesünderer Ernährung" ausstatten, "die Hand in Hand mit dem anerkannten langfristigen Nutzen einer obst- und gemüsereichen Ernährungsweise gehen."
Wie die Überschriften der zitierten Artikel zeigen, wurde eben diese Botschaft von den Artikeln über Stephens Ergebnisse gerne unters Volk gebracht.
In der Tat scheinen die Forschungsergebnisse bestens zur Kampagne "5 am Tag" zu passen, die darauf abzielt, daß wir täglich 650 g Obst und Gemüse in fünf Portionen zu uns nehmen sollen, was mehr als das Doppelte der tatsächlichen Menge ist, die wir verzehren. Ins Leben gerufen wurde die Aktion 1991 vom nationalen Krebsforschungsinstitut der USA, und später auch in Deutschland nachgeahmt, da man sich von dieser Diät eine vorbeugende Wirkung gegen Krebserkrankungen versprochen hat, eine Hoffnung, die sich allerdings nicht bestätigte. Gleichwohl wird die Kampagne unverdrossen fortgesetzt, da es zum Glück eine Untersuchung gibt, die darauf hindeutet, daß diese Diät das Risiko von koronarer Herzkrankheit und Schlaganfall geringfügig vermindern könnte. (Siehe Ärzteblatt, 7.4.2010.)
Nun ist leider der Ansatz, durch drastisch vergrößerten Gemüsekonsum innerhalb von ein, zwei Monaten eine schöne rosige Hautfarbe zu bekommen, etwas riskant: es könnten massive Verdauungsbeschwerden auftreten, wie das zu Beginn der "5 am Tag"-Aktion vor 10 Jahren nach Aussage von Udo Pollmer schon der Fall gewesen ist.
Außerdem liegt ein Denkfehler vor. "Fünf Portionen Obst und Gemüse" ist nämlich nicht, wie in der englischen Presse allzu eilig assoziiert wurde, die einzige oder auch nur die effektivste Methode, unsere Haut gülden zu verfärben.
Beispielsweise enthalten Lachs, Hummer und Garnelen, deren Verzehr noch niemals offiziell empfohlen wurde, eine große Menge von Astaxanthin, ebenfalls ein Karotinoid, dem diese Tiere ihre rote Farbe verdanken. Folglich dürfte es nicht schaden, wenn man einen Teil der Rohkostmenge damit substituiert.
(Die gelbe Farbe des Bieres führt übrigens leider in die Irre - das sie verursachende Melanoidin gehört bedauerlicherweise nicht zu Karotinoiden. Die Anthocyane, die den Wein rot färben, sind allerdings mit den Karotinoiden chemisch eng verwandt, daher wäre eine Untersuchung der Hautfarbe von Rotweintrinkern durchaus angezeigt.)
Die Hautfarbe durch Nahrungsmittel zu verändern, ist nebenbei gesagt eine Idee, deren Umständlichkeit kaum zu übertreffen ist. Statt den Darm mit Grünzeug zu quälen, tut es ja auch das warme gelbe Kerzenlicht beim gemeinsamen Abendessen - oder einfach etwas Rouge auflegen. Davon haben, wie wir jetzt wissen, sich die Damen immer zurecht etwas versprochen.
Möchte man jedoch den Weg der Ernährung beschreiten, dann erscheint es viel sinnvoller, Gemüsesorten mit hoher Verfügbarkeit der Farbstoffe zu bevorzugen, statt die Gesamtmenge in die Höhe zu treiben.
Die gängige Rohkostempfehlung geht dabei über Bord:
Je stärker die Zellwände durch Kauen, Kleinschneiden, Pürieren und Erhitzen zerstört werden, desto größer ist die aufgenommene Menge. Die Resorption der Carotinoide ist eng mit der Fettverdauung verknüpft. Damit die Verbindungen für den Organismus verfügbar werden, müssen in der Mahlzeit gleichzeitig Fette enthalten sein.(Dipl. oec. troph. Claudia Gaster, UGB-Forum 1/99, S. 18-21.)
Ferner kann man sich auf besonders karotinoidhaltige Lebensmittel konzentrieren. Eine extreme Dosis Karotinoide enthält etwa die vietnamesische Gacfrucht, die man vielleicht in Asienmärkten erwerben kann; eine denkbare Lösung für jene, die Gemüse nicht mögen.
Eine Frucht mit bekannter hautfärbender Wirkung ist die Tomate, die das Karotinoid Lycopin enthält (vgl. Stahl W, Sies H (1996). "Lycopene: a biologically important carotenoid for humans?". Arch. Biochem. Biophys. 336 (1), S. 6.). Wohl nicht zufällig wurde sie früher als "Liebesapfel", und wird heute noch in Österreich als "Paradeiser" bezeichnet. Der springende Punkt bei der Tomate, weswegen sie uns den Verzehr von großen Mengen Gemüse erspart, ist der starke Anstieg der Lycopin-Konzentration bei der Verarbeitung, vor allem durch das Erhitzen: Tomatenmark enthält viermal soviel bioverfügbares Lycopin wie eine rohe Tomate.
Die optimale Weise, hautverschönernde Karotinoide aufzunehmen, dürfte demzufolge nicht der "gesunde" Rohkostverzehr darstellen, sondern eher der Genuß von Gerichten wie Pasta mit Tomatenmark, Öl und Scampi.
Oder Pizza; Pizza macht sexy. Solche Überschriften wollen wir lesen.
© Kallias. Für Kommentare bitte hier klicken. Bild: Rouge von Estée Lauder, gemeinfrei publiziert vom Urheber GorillaWarfare.
Zitat des Tages: "17 Genehmigungen für eine Barrikade". Wieder einmal Treffliches von Arnulf Baring. Nochmal Guttenberg
Arnulf Baring in einem Gespräch mit Henryk M. Broder und Claus Christian Malzahn, das man seit eineinhalb Stunden in "Welt-Online" lesen kann.
Kommentar: Das ist eines dieser Interviews, bei denen ich Schwierigkeiten habe, mich zu entscheiden, was ich aus ihnen als "Zitat des Tages" nehmen soll.
Arnulf Baring ist in dem Gespräch klug, engagiert und bissig wie immer. Es macht Freude, das zu lesen.
Es geht hauptsächlich um den Freiherrn zu Guttenberg. Ja, ist denn zu dieser Affäre nicht alles gesagt; jetzt, wo sie das Spaßstadium erreicht hat?
Ja, fast. Auch Baring sagt zu Guttenberg im wesentlichen - nur pointierter -, was andere schon gesagt haben. Lesenswert ist das Interview vor allem wegen der anderen Themen; zum Beispiel wegen Barings prägnanten Feststellungen zu den Parteien und zur Geschichte der Bundesrepublik.
Einen Gedanken Barings zur Guttenberg-Affäre fand ich aber doch neu und bemerkenswert:
Die Behauptung, das Machwerk habe sieben Jahre gedauert, halte ich für Quatsch. Das schaffen wir in wenigen Wochen. Alles Inszenierung!Mir ist das mit den sieben Jahren - "Ich hab' es getragen sieben Jahr" heißt es bei Fontane - auch schon durch den Kopf gegangen. Ich habe noch keine Doktorarbeit erlebt, an der jemand sieben Jahre gesessen hätte, und dann noch in "mühevoller Kleinstarbeit".
Man macht das so nicht; denn jeder weiß, daß man an einem solchen Text konzentriert arbeiten muß. Nur dann hat man die Fakten parat, hat man die Struktur der Arbeit gegenwärtig. Wer promovieren will, der wird immer Wege finden, sich die Zeit für eine solche Phase konzentrierten Arbeitens zu nehmen; zumal der Baron hätte das gekonnt. Manchmal sammelt man lange das Material, aber die Niederschrift dauert nicht sieben Jahre.
Wie Arnulf Baring glaube ich dem Baron also nicht, daß er sieben Jahre brauchte, um die Collage zusammenzukleben. Es sind nur sieben Jahre zwischen seinem Ersten Staatsexamen und der Einreichung dieses "Machwerks" verstrichen. Irgendwann in dieser Zeit hat irgendwer Material zusammengetragen und aus den Schnipseln einen Text gebastelt.
Vielleicht war es Guttenberg. Man weiß das nicht, wie Dittsche sagt.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.
Aufruhr in Arabien (15): Zusammenfassung, Zwischenbilanz, Wertung
1. Das Schema "Es finden Revolutionen gegen Diktaturen statt" stimmt nicht.
2. Etwas, das man als eine Revolution bezeichnen könnte, hat allenfalls in Tunesien stattgefunden. Es ist auch das einzige der bisher von der Aufstandswelle erfaßten Länder, in dem sich die Möglichkeit einer langfristigen Entwicklung zur Demokratie abzeichnet. Dabei spielt eine wesentliche Rolle, daß es dort eine westlich denkende, in Frankreich ausgebildete Elite gibt; ein Erbe der Zeit, in der Tunesien ein französisches Protektorat gewesen war.
3. In Ägypten gab es keine demokratische Revolution, sondern das nach wie vor herrschende Militär hat sich Mubaraks entledigt, als dieser seinen Sohn als Nachfolger inthronisieren wollte; die Unruhen kamen dabei zupaß. Vielleicht wird es dort künftig etwas mehr Freiheit geben. Aber auch unter Mubarak waren schon demokratische Parteien zugelassen gewesen und durften sogar die Moslembrüder sich am politischen Leben beteiligen; wenn auch nicht unter diesem Namen.
4. In Bahrain findet keine demokratische Revolution statt, sondern eine Auseinandersetzung zwischen der herrschenden sunnitischen Minderheit und der schiitischen Mehrheit. Im Hintergrund schürt der Iran diesen Konflikt. Auf der Seite der Sunniten versucht sich Saudi-Arabien einzuschalten, vor dessen Küste Bahrain liegt.
5. Der Jemen ist ein Kunstprodukt aus der ehemaligen britischen Kronkolonie Aden, die nach der Unabhängigkeit eine sozialistische Republik geworden war, und dem alten Jemen, in dem noch weit bis ins 20. Jahrhundert hinein mittelalterliche Verhältnisse geherrscht hatten. Das Land droht jetzt wieder in diese beiden Teile zu zerfallen.
6. Dasselbe könnte Libyen bevorstehen. Es ist ebenfalls ein künstlicher Staat, der dadurch entstand, daß Italien sich 1911 drei Provinzen des Osmanischen Reichs aneignete. Unter Mussolini wurden dieses Italienisch-Nordafrika in "Libya" umbenannt. Die dortigen Kämpfe sind weitgehend Auseinandersetzungen zwischen dem Gaddafi-Stamm und anderen Stämmen. Zwischen Ost- und Westlibyen liegen 800 km Wüste; ein Auseinanderbrechen in die frühere Cyrenaika und das ehemalig Tripolitanien (mit Fezzan) würde also von der Geographie begünstigt werden. Im Osten versucht Ägypten, im Westen Tunesien auf die Entwicklung Einfluß zu nehmen.
7. In den beiden konstitutionellen Monarchien Marokko und Jordanien ist schon lange der Prozeß einer vorsichtigen Demokratisierung im Gang. Es gibt dort legale Oppositionsparteien, deren Rechte jetzt erweitert werden. Revolutionen sind in diesen beiden Ländern nicht zu erwarten; lediglich eine Beschleunigung des Prozesses der Demokratisierung.
8. In den beiden nach Libyen schlimmsten Polizeistaaten Arabiens, Algerien und Syrien, ist es - eben wegen dieses ihres Charakters - noch weitgehend ruhig. In Algerien wurden gerade Demonstrationen verboten.
9. Überall in Arabien gibt es mehr oder weniger starke und unterschiedlich radikale islamistische Gruppen. Die Kaida ist am stärksten im Jemen und könnte jetzt in Ostlibyen Fuß fassen. Die Hamas könnte über die Moslembrüder auf Ägypten einwirken. Algerien hat einen blutigen Bürgerkrieg gegen die Islamisten der FIS hinter sich. In Bahrain bekämpfen sunnitische und schiitische Fundamentalisten einander, treten aber gemeinsam gegen einen säkularen Staat auf.
10. Ein Schlüsselaspekt ist der bevorstehende Rückzug der USA aus dem Irak. Drei Staaten stehen bereit, das damit entstehende Machtvakuum zu füllen: Der Iran, dessen Verbündeter al-Sadr inzwischen im Irak eine entscheidende Rolle spielt; die Türkei, deren offensichtliches Bestreben die Wiederherstellung des Osmanischen Reichs in Gestalt von Einflußzonen ist; und Ägypten, das als Militärmacht und mit einer ähnlich großen Bevölkerung wie die beiden anderen Länder (alle drei knapp achtzig Millionen) nach dem Sturz Mubaraks eine aktivere Machtpolitik betreiben dürfte.
Die Türkei mischt sich bereits massiv in dem einst von den Osmanen regierten Ägypten ein; der Staatspräsident und der Außenminister waren gerade dort zu Besuch und haben Gespräche mit dem Militär, der demokratischen Opposition und den Moslembrüdern geführt.
In diesem komplexen und sich schnell verändernden Gefüge "Arabien" gibt es Dreierlei, das als einigermaßen sicher gelten kann:
Die USA werden in dieser Region aufgrund von Obamas Rückzugspolitik nicht mehr die bisherige Rolle spielen; jedenfalls nicht, solange dieser Präsident im Weißen Haus regiert. Israel ist damit stärker bedroht als in den letzten Jahrzehnten. Daß es sich unter diesen Umständen dem Risiko eines möglicherweise bald von der Hamas regierten Palästinenserstaats auf der West Bank aussetzt, ist schwer vorstellbar. Der Islamismus wird an Bedeutung gewinnen.
Die früheren Artikel, in denen die einzelnen Länder (allerdings manchmal nicht als das Hauptthema) erwähnt werden, können Sie unter diesen Links lesen:
Die größeren Artikel finden Sie auch unter diesem Link, der zu der Rubrik "Stratfors Analysen" führt. Oder Sie mögen vielleicht den Link im Fußtext nutzen.Tunesien Algerien Marokko Libyen Ägypten Irak Bahrain Türkei Iran.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Großmoschee von Kairouan, Tunesien. Vom Autor Wotan unter Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0-Lizenz freigegeben. Bearbeitet. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier.