Ja, es herrscht Klassenkampf in Deutschland. Nur nicht zwischen denen, die das nach marxistischer Orthodoxie sein müßten; die Lohnabhängigen also auf der einen und die Besitzer von Produktionsmitteln auf der anderen Seite.
Das ist Folklore. Es ist Neunzehntes Jahrhundert. Die Fronten verlaufen heute völlig anders.
Auf der einen Seite befinden sich die Unkündbaren oder Quasi-Unkündbaren - die Beamten, die Angestellten im Öffentlichen Dienst und seinem Umfeld von Beratern, Helfern und Schützern; dem Umfeld der irgendwie irgendwo Untergebrachten jeder Art. Die Quasi-Unkündbaren in den Sendern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in den Redaktionen der großen Verlage.
Auf dieser Seite sind auch die Transferempfänger, unabhängig von der Höhe der Transferleistung, die sie beziehen. Der pensionierte Spitzenbeamte ist in dieser Hinsicht in keiner andern Position als derjenige, der von Sozialleistungen lebt.
Auf der anderen Seite stehen Diejenigen, die im Konkurrenzkampf sind.
Diese andere Seite vereint Menschen, die nach der marxistischen Orthodoxie eigentlich Klassenfeinde sein müßten. Kleine Selbständige gehören ebenso dazu wie die meisten Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft. Aber auch die "Besserverdienenden" gehören dazu, sofern sie jederzeit gekündigt werden können, wenn sie nicht die verlangte Leistung erbringen. Die Leitenden Angestellten, die Vorständler, die Inhaber mittelständischer Unternehmen gehören dazu.
Auch der Arzt, der Rechtsanwalt gehören dazu; der Deutsche türkischer Herkunft, der ein Kiosk betreibt. Wer selbständig ist, der muß sich anstrengen, damit sein Geschäft, seine Praxis, seine Kanzlei Gewinn abwirft; der Arbeitnehmer muß sich anstrengen, damit er seinen Job behält, damit er vielleicht in der Hierarchie aufsteigt.
Kein Lehrer, kein Verwaltungsangestellter, kein Professor und kein Lokomotivführer muß das. Kürzlich habe ich in einer Lokalzeitung gelesen, daß die Stellen der Rektoren von Grund- und Hauptschulen kaum noch zu besetzen sind. Ja, da müßte man ja mehr arbeiten als der einfache Lehrer. Und genug verdienen tut man doch eh.
Die Weltsicht in den beiden Klassen ist radikal verschieden. Wer versorgt ist, auf welchem Niveau auch immer, der macht sich Gedanken über ein "gutes Leben". Wer kämpfen muß, den interessiert vorrangig die Sicherung seines Lebens.
Der rbb hatte kürzlich eine schöne Sendung über den Stuttgarter Platz in Berlin. Da konnte man diese Welten sehen; durch wenige hundert Meter voneinander getrennt:
Auf der einen Seite die, wie es hieß, "Lehrer und Psychologen", die sich mit Küßchen begrüßen und die diesen Kiez wunderbar finden, auch wenn sie sagen, daß Kiez nicht das richtige Wort ist. Die in Lokalen mit gepflegtem Ambiente verkehren, wo man gute Gespräche über Bücher führt, über die angesagte Ausstellung, über Emanzipation und die richtige Erziehung der Kinder.
Auf der anderen Seite das gemeine Volk; laut, herzlich, vulgär, bei der dicken Wirtin sein Bier trinkend. Am Stuttgarter Platz eher Unterschicht; aber ähnlich geht es auch im Biergarten in Bayern zu, in dem die Handwerksmeister und Geschäftsinhaber verkehren; ähnlich geht es zu an der Hotelbar, wo sich die reisenden Leitenden Angestellten treffen.
Das sind nicht verschiedene Schichten oder Milieus, es sind zwei Klassen. Das Lebensgefühl ist verschieden, weil man sich in radikal verschiedenen sozioökonomischen Situationen befindet.
Nein, natürlich ist es nicht so einfach, wenn man genauer hinsieht. Auch im schicken Milieu auf der einen Seite des Stuttgarter Platzes gibt es kleine Selbständige, die um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen; die Künstlerin etwa, die ihre Bilder verkaufen möchte, die Buchhändlerin. Und auf der anderen Seite wird man vermutlich auch den Müllkutscher, den Polizisten finden, die unkündbar sind.
Aber es gibt in der Tat in Deutschland "die da unten" und "die da oben". Nur ist das nicht mehr eine Frage des Einkommens.
"Die da oben", das sind die Diejenigen, die wenig oder gar nichts zu unserem Wohlstand beitragen; die ihn aber sorgenfrei genießen.
"Die da unten", das sind - auch wenn sie ausgezeichnet verdienende Angestellte und Selbständige sind - die auf der anderen Seite der Klassenschranke. Diejenigen, die diesen Wohlstand erwirtschaften.
Das ist es ja, was eine Klassengesellschaft ausmacht: Die einen arbeiten für die anderen.
Das ist Folklore. Es ist Neunzehntes Jahrhundert. Die Fronten verlaufen heute völlig anders.
Auf der einen Seite befinden sich die Unkündbaren oder Quasi-Unkündbaren - die Beamten, die Angestellten im Öffentlichen Dienst und seinem Umfeld von Beratern, Helfern und Schützern; dem Umfeld der irgendwie irgendwo Untergebrachten jeder Art. Die Quasi-Unkündbaren in den Sendern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in den Redaktionen der großen Verlage.
Auf dieser Seite sind auch die Transferempfänger, unabhängig von der Höhe der Transferleistung, die sie beziehen. Der pensionierte Spitzenbeamte ist in dieser Hinsicht in keiner andern Position als derjenige, der von Sozialleistungen lebt.
Auf der anderen Seite stehen Diejenigen, die im Konkurrenzkampf sind.
Diese andere Seite vereint Menschen, die nach der marxistischen Orthodoxie eigentlich Klassenfeinde sein müßten. Kleine Selbständige gehören ebenso dazu wie die meisten Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft. Aber auch die "Besserverdienenden" gehören dazu, sofern sie jederzeit gekündigt werden können, wenn sie nicht die verlangte Leistung erbringen. Die Leitenden Angestellten, die Vorständler, die Inhaber mittelständischer Unternehmen gehören dazu.
Auch der Arzt, der Rechtsanwalt gehören dazu; der Deutsche türkischer Herkunft, der ein Kiosk betreibt. Wer selbständig ist, der muß sich anstrengen, damit sein Geschäft, seine Praxis, seine Kanzlei Gewinn abwirft; der Arbeitnehmer muß sich anstrengen, damit er seinen Job behält, damit er vielleicht in der Hierarchie aufsteigt.
Kein Lehrer, kein Verwaltungsangestellter, kein Professor und kein Lokomotivführer muß das. Kürzlich habe ich in einer Lokalzeitung gelesen, daß die Stellen der Rektoren von Grund- und Hauptschulen kaum noch zu besetzen sind. Ja, da müßte man ja mehr arbeiten als der einfache Lehrer. Und genug verdienen tut man doch eh.
Die Weltsicht in den beiden Klassen ist radikal verschieden. Wer versorgt ist, auf welchem Niveau auch immer, der macht sich Gedanken über ein "gutes Leben". Wer kämpfen muß, den interessiert vorrangig die Sicherung seines Lebens.
Der rbb hatte kürzlich eine schöne Sendung über den Stuttgarter Platz in Berlin. Da konnte man diese Welten sehen; durch wenige hundert Meter voneinander getrennt:
Auf der einen Seite die, wie es hieß, "Lehrer und Psychologen", die sich mit Küßchen begrüßen und die diesen Kiez wunderbar finden, auch wenn sie sagen, daß Kiez nicht das richtige Wort ist. Die in Lokalen mit gepflegtem Ambiente verkehren, wo man gute Gespräche über Bücher führt, über die angesagte Ausstellung, über Emanzipation und die richtige Erziehung der Kinder.
Auf der anderen Seite das gemeine Volk; laut, herzlich, vulgär, bei der dicken Wirtin sein Bier trinkend. Am Stuttgarter Platz eher Unterschicht; aber ähnlich geht es auch im Biergarten in Bayern zu, in dem die Handwerksmeister und Geschäftsinhaber verkehren; ähnlich geht es zu an der Hotelbar, wo sich die reisenden Leitenden Angestellten treffen.
Das sind nicht verschiedene Schichten oder Milieus, es sind zwei Klassen. Das Lebensgefühl ist verschieden, weil man sich in radikal verschiedenen sozioökonomischen Situationen befindet.
Nein, natürlich ist es nicht so einfach, wenn man genauer hinsieht. Auch im schicken Milieu auf der einen Seite des Stuttgarter Platzes gibt es kleine Selbständige, die um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen; die Künstlerin etwa, die ihre Bilder verkaufen möchte, die Buchhändlerin. Und auf der anderen Seite wird man vermutlich auch den Müllkutscher, den Polizisten finden, die unkündbar sind.
Aber es gibt in der Tat in Deutschland "die da unten" und "die da oben". Nur ist das nicht mehr eine Frage des Einkommens.
"Die da oben", das sind die Diejenigen, die wenig oder gar nichts zu unserem Wohlstand beitragen; die ihn aber sorgenfrei genießen.
"Die da unten", das sind - auch wenn sie ausgezeichnet verdienende Angestellte und Selbständige sind - die auf der anderen Seite der Klassenschranke. Diejenigen, die diesen Wohlstand erwirtschaften.
Das ist es ja, was eine Klassengesellschaft ausmacht: Die einen arbeiten für die anderen.
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