6. März 2011

Pizza macht sexy


Noch ist Zeit, sich auf den Wonnemonat sowie anschließenden Sommer vorzubereiten, etwa was die Figur betrifft, aber auch am Teint läßt sich noch arbeiten. Neueste wissenschaftliche Ergebnisse helfen dabei, Irrtümer zu vermeiden, wie etwa den Besuch von Solarien.

Ian Stephen und Kollegen von der St. Andrews Universität in Schottland haben nämlich herausgefunden, daß die Attraktivität der Haut - im Gegensatz zum populären Vorurteil - durch Bräunung kaum verbessert wird.

In einem ersten Experiment legte Stephen im Jahre 2009 etlichen Probanden Fotos von Gesichtern vor, die sie farblich so verändern sollten, daß sie "gesünder" aussehen. Dabei zeigte sich, daß die Farbe der Gesichtshaut hauptsächlich in Richtung Rot- und Gelbwert verschoben wurde, Farben, die auch im Tierreich Gesundheit signalisieren.

Ende 2010 erschien eine weitere Studie, die drei Tests schildert:
1. Sowohl hellhäutige Europäer als auch dunkelhäutige Südafrikaner bevorzugen einen leicht gelbstichigen Teint.
2. Probanden haben umso deutlicher gelblich-rötliche Haut, je mehr Obst und Gemüse sie verzehren. Spektralmessungen zeigen, daß die Farbänderung der Haut von den darin enthaltenen "Karotinoiden" herrührt.
3. Werden Fotos wie bei der ersten Studie verändert, um die Gesichter gesünder aussehen zu lassen, dann entsprechen die Manipulationen gerade der durch Karotinoid-Aufnahme bewirkten Hautverfärbung.

Etwas ausführlicher werden die Versuche auf dem food-monitor geschildert: Mehr Obst und Gemüse essen für die Schönheit?

In der ersten Studie wurde die Bevorzugung der rötlichen Hautfarbe damit erklärt, daß sie auf sauerstoffreiches Blut zurückgehe, welches ein Zeichen für die Gesundheit der Lunge und des Herzens sei. In der zweiten Studie verknüpfte Stephen das gesündere Aussehen der gelblich-rötlichen Hauttöne mit der größeren Gesundheit von Obst- und Gemüse-Essern (was eine, wie mir scheint, etwas wackligere Konstruktion ist).

Gesünder aussehende Haut sei, so Stephen, auch attraktiver bei der Partnerwahl, ein Gedanke, den er so beiläufig äußert, daß er anscheinend wissenschaftliches Gemeingut ist. Plausibel genug ist er ja.

(Wer übrigens möchte, kann durch Teilnahme an einem Online-Test die Forschung auf diesem Gebiet weiter fördern.)


Die Karotinoide sind eine Gruppe von Kohlenwasserstoffen, die eine gelbliche bis rötliche Farbe hervorrufen. Sie sind in vielen Gemüse- und Obstsorten enthalten, wobei das bekannte β-Carotin am häufigsten vorkommt (z.B. in Karotten, Kürbissen, Brokkoli, Spinat, Chicorée, Aprikosen, Pfirsichen u.v.a.).

Wie sofort ins Auge fällt, handelt es sich dabei gerade um solche Lebensmittel, deren verstärkter Verzehr offiziell beworben wird.

Um dergleichen geht es Stephen allerdings nicht, wie er dem "Guardian" erklärte:
"I don't really care what people do," he insists. "I'm an experimental psychologist, not a public health PR man. However, our results suggest that eating well and staying out of the sun would make you look healthier."

"Es interessiert mich eigentlich nicht, was die Leute machen", erklärt er. "Ich bin ein empirischer Psychologe, kein PR-Mensch im Gesundheitswesen. Allerdings legen unsere Ergebnisse den Schluß nahe, daß man besser aussieht, wenn man sich gut ernährt und sich aus der Sonne hält."
(How vegetables can give you that golden glow. Scientists prove that your five a day make you more attractive – by subtly altering your skin colour, The Guardian, 8.2.2011.)

Andere sind hingegen weniger zurückhaltend:
Professor Janet Allen, research director of Biotechnology and Biological Sciences Research Council, which part-funded the work, said it could give policymakers "persuasive evidence of a short-term benefit to encourage people to eat more healthily, to go alongside the acknowledged long-term advantages of a diet rich in fruit and vegetables".

Prof. Janet Allen, Forschungsmanagerin (?) beim Forschungsrat für Biotechnologie und Biowissenschaft, der die Arbeit zum Teil finanziert hat, meinte, diese könnte Politiker mit "überzeugenden Argumenten vom kurzfristigen Nutzen gesünderer Ernährung" ausstatten, "die Hand in Hand mit dem anerkannten langfristigen Nutzen einer obst- und gemüsereichen Ernährungsweise gehen."
(Fruity glow is better than a tan, The Sunday Times May 23, 2010.)

Wie die Überschriften der zitierten Artikel zeigen, wurde eben diese Botschaft von den Artikeln über Stephens Ergebnisse gerne unters Volk gebracht.


In der Tat scheinen die Forschungsergebnisse bestens zur Kampagne "5 am Tag" zu passen, die darauf abzielt, daß wir täglich 650 g Obst und Gemüse in fünf Portionen zu uns nehmen sollen, was mehr als das Doppelte der tatsächlichen Menge ist, die wir verzehren. Ins Leben gerufen wurde die Aktion 1991 vom nationalen Krebsforschungsinstitut der USA, und später auch in Deutschland nachgeahmt, da man sich von dieser Diät eine vorbeugende Wirkung gegen Krebserkrankungen versprochen hat, eine Hoffnung, die sich allerdings nicht bestätigte. Gleichwohl wird die Kampagne unverdrossen fortgesetzt, da es zum Glück eine Untersuchung gibt, die darauf hindeutet, daß diese Diät das Risiko von koronarer Herzkrankheit und Schlaganfall geringfügig vermindern könnte. (Siehe Ärzteblatt, 7.4.2010.)

Nun ist leider der Ansatz, durch drastisch vergrößerten Gemüsekonsum innerhalb von ein, zwei Monaten eine schöne rosige Hautfarbe zu bekommen, etwas riskant: es könnten massive Verdauungsbeschwerden auftreten, wie das zu Beginn der "5 am Tag"-Aktion vor 10 Jahren nach Aussage von Udo Pollmer schon der Fall gewesen ist.

Außerdem liegt ein Denkfehler vor. "Fünf Portionen Obst und Gemüse" ist nämlich nicht, wie in der englischen Presse allzu eilig assoziiert wurde, die einzige oder auch nur die effektivste Methode, unsere Haut gülden zu verfärben.

Beispielsweise enthalten Lachs, Hummer und Garnelen, deren Verzehr noch niemals offiziell empfohlen wurde, eine große Menge von Astaxanthin, ebenfalls ein Karotinoid, dem diese Tiere ihre rote Farbe verdanken. Folglich dürfte es nicht schaden, wenn man einen Teil der Rohkostmenge damit substituiert.

(Die gelbe Farbe des Bieres führt übrigens leider in die Irre - das sie verursachende Melanoidin gehört bedauerlicherweise nicht zu Karotinoiden. Die Anthocyane, die den Wein rot färben, sind allerdings mit den Karotinoiden chemisch eng verwandt, daher wäre eine Untersuchung der Hautfarbe von Rotweintrinkern durchaus angezeigt.)

Die Hautfarbe durch Nahrungsmittel zu verändern, ist nebenbei gesagt eine Idee, deren Umständlichkeit kaum zu übertreffen ist. Statt den Darm mit Grünzeug zu quälen, tut es ja auch das warme gelbe Kerzenlicht beim gemeinsamen Abendessen - oder einfach etwas Rouge auflegen. Davon haben, wie wir jetzt wissen, sich die Damen immer zurecht etwas versprochen.

Möchte man jedoch den Weg der Ernährung beschreiten, dann erscheint es viel sinnvoller, Gemüsesorten mit hoher Verfügbarkeit der Farbstoffe zu bevorzugen, statt die Gesamtmenge in die Höhe zu treiben.

Die gängige Rohkostempfehlung geht dabei über Bord:
Je stärker die Zellwände durch Kauen, Kleinschneiden, Pürieren und Erhitzen zerstört werden, desto größer ist die aufgenommene Menge. Die Resorption der Carotinoide ist eng mit der Fettverdauung verknüpft. Damit die Verbindungen für den Organismus verfügbar werden, müssen in der Mahlzeit gleichzeitig Fette enthalten sein.
(Dipl. oec. troph. Claudia Gaster, UGB-Forum 1/99, S. 18-21.)

Ferner kann man sich auf besonders karotinoidhaltige Lebensmittel konzentrieren. Eine extreme Dosis Karotinoide enthält etwa die vietnamesische Gacfrucht, die man vielleicht in Asienmärkten erwerben kann; eine denkbare Lösung für jene, die Gemüse nicht mögen.

Eine Frucht mit bekannter hautfärbender Wirkung ist die Tomate, die das Karotinoid Lycopin enthält (vgl. Stahl W, Sies H (1996). "Lycopene: a biologically important carotenoid for humans?". Arch. Biochem. Biophys. 336 (1), S. 6.). Wohl nicht zufällig wurde sie früher als "Liebesapfel", und wird heute noch in Österreich als "Paradeiser" bezeichnet. Der springende Punkt bei der Tomate, weswegen sie uns den Verzehr von großen Mengen Gemüse erspart, ist der starke Anstieg der Lycopin-Konzentration bei der Verarbeitung, vor allem durch das Erhitzen: Tomatenmark enthält viermal soviel bioverfügbares Lycopin wie eine rohe Tomate.

Die optimale Weise, hautverschönernde Karotinoide aufzunehmen, dürfte demzufolge nicht der "gesunde" Rohkostverzehr darstellen, sondern eher der Genuß von Gerichten wie Pasta mit Tomatenmark, Öl und Scampi.

Oder Pizza; Pizza macht sexy. Solche Überschriften wollen wir lesen.

© Kallias. Für Kommentare bitte hier klicken. Bild: Rouge von Estée Lauder, gemeinfrei publiziert vom Urheber GorillaWarfare.