Gealtert fühlte sich Professor Faust;
Die Wissenschaft ließ ihn so unbefriedigt.
Er schließt, in einem seltsam kom'schen Zwielicht,
Mit Satan einen Pakt (jawohl, da schaust!).
Wird wieder jung (daß dich der Affe laust!),
Treibt's mit 'nem Backfisch (Hand vom Nähen schwielicht),
Und saust nach Griechenland (ist das ein Vieh nicht?).
Sie stirbt als Kindesmörderin (mir graust!).
Zurückgekehrt, wagt er sich an den Thron;
Der Teufel hilft, er wird des Staats Erretter.
Endet als Fürst mit eignem Schloß am Meer -
Natürlich graptscht der Satan jetzt voll Hohn
Nach seiner Seele. Doch ('s wird immer netter!)
Der Hölle jagt sie ab das Engelsheer.
- Mynona (aus: "Hundert Bonbons. Sonette," 1918)
Wenn John Collier, auf dessen 120. Geburtstag gestern an dieser Stelle verwiesen wurde, im deutschen Sprachbereich (und mittlerweile wohl auch im englischen), zu den unbekannten Autoren zu rechnen ist, dann ist Salomo Friedländer, der heute vor genau 150 Jahren, am 4. Mai 1871 im heute polnischen Gollantsch geboren wurde und der seine literarischen Werke unter dem Nom de plume "Mynona" veröffentlichte, zu den völlig Vergessenen. Manche Leser von Kurt Tucholsky werden sich vielleicht noch an diesen Namen im Zusammenhang mit Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neuues" erinnern, als "Mynona" die Veröffentlichung des Antikriegsromans zum Anlaß für eine scharfe Polemik nahm und "Tucho" ebenso scharf zurückschoß. Viellicht ist dem einen oder anderen Kenner der "Roaring Twenties" noch die "Tarzaniade" ein vage erinnerter Titel, mit der Mynona die Popularität, der Edgar Rice Burroughs' Dschungelheld Mitte der zwanziger Jahre auch in Deutschland erlebtge, kommentierte. Aber ansonsten zählt er zu den unzähligen Verschollenen der Literaturgeschichte. Überraschend ist das nicht. "Mynona" gehörte zu den Parodisten, zu den Verfassern von Grotesken - und solche verzerrenden Echowerfer ereilt die "Furie des Verschwindens" eher als die Originale, denen ihr Echo galt. Auch Robert Neumann, Friedländers Zeit- und Zunftgenossse und vielleicht der brillanteste Stimmenimitator der deutschedn Literatur, ist heute weitgehend vergessen, ebenso Franz Blei, dessen "Literarisches Bestiarium" gut zeigt, WARUM das Haltbarkeitsdatum solcher Echos knapp bemessen ist: viele zeitgenössische Bestseller und Modeautoren sind ihrerseits genauso vergessen, und wirkliche Klassiker, die es geschafft haben, von Generation zu Generation weiter gelesen und gekannt zu werden, stehen oberhalb jeder Parodie.