Oder, genauer gesagt: nicht im Weltall – wohl aber an den Weltraumbahnhöfen der Erde, von denen aus der Start in die irdische Umlaufbahn und darüber hinaus erfolgt. Und wenn auch für die einzelnen Startrampen dort vorgestern jeder Start eine Rakete „das übliche Programm“ darstellte, so manifestierte sich die drangvolle Enge doch immerhin im Terminkalender des Betrachters. Ich habe es jetzt nicht für jeden Tag in der Geschichte der Raumfahrt nachverfolgt, aber eine solche Häufung, eine solche Taktfolge, wie sie vor 2 Tagen, am 4. August 2022, an den Tag gelegt wurde, hat es in diesen fast 65 Jahren noch nicht gegeben. Nicht eine, nicht zwei, auch drei, sondern gleich vier verschiedene Missionen haben, über den ganzen Tag verteilt, ihren Anfang genommen. (Als kleines Beseit: es gibt kein griffiges deutsches Pendant für die englische Wendung „a busy day“ – wie in „a busy day in space“: hier werden nur Teilaspekte betont: „ein stressiger Tag,“ „das volle Programm“.) (Auf dieser Seite der ESA, „Space Environment Statistics,“ kann man nachlesen, daß seit dem 4 Oktober 1957, als das Raumfahrtzeitalter durch „Sputnik“ eingeleitet worden ist, bei gut 6220 Starts insgesamt 13300 Satelliten ins All befördert worden sind, von denen gute 6100 zurzeit noch ihren Dienst versehen; zu beachten ist, daß mehr als 2950 davon aus die Konstellation entfallen, die seit dem Mai 2019 durch „Starlink“ gebildet wird.)
Gelegentlich ist es vorgekommen, daß zwei Starts am selben Tag stattfanden – aber dann waren die Starts in der Regel Teil einer gemeinsamen Mission. So etwa beim Start der gemeinsamen Apollo-Sojus-Mission im Juli 1975 zum „Rendezvous im Weltraum,“ einer symbolischen Aktion, die das „Ende des Wettlaufs ins All“, des „Space Race“ symbolisieren sollte – offiziell ASTP, Apollo-Sojuz-Test-Programm genannt, als umgerechnet auf Mitteleuropäische Zeit (der Flug fand 5 Jahre vor der Einführung der Sommerzeit in Deutschland statt) um 13:20 die Kosmonauten Alexej Leonov und Waleri Kubasow mit Sojus-19 vom Kosmodrom Baikonur starteten, gefolgt um 20:50 von Thomas Stafford, Vance Brand und Deke Slayton in einer „Apollo“-Kapsel von Cape Canaveral. (Ältere Zeitzeugen werden sich erinnern, daß Amerikas Raumfahrtbahnhof während des Mondlandeprogramms als „Cape Kennedy“ in den Medienberichten figurierte; die Rückänderung des in Florida unbeliebten Namens erfolgte im Oktober 1973.) Möglich geworden war das Unternehmen dadurch, daß der US-Kongreß im Januar 1972 die Mittel für die drei letzten geplanten Mondflüge, Apollo 18 bis 20, gestrichen hate, die „Hardware“ aber schon gefertigt worden war.
So war es auch im Fall des letzten „Doppelstarts“ am gleichen Kalendertag von der amerikanischen „Space Coast“ aus, im März 1966, als Gemini 8 von der Startrampe 19 mit den Raumfahrern Neil Armstrong und David Scott abhob, um ein Rendezvous mit der Zweitstufe einer Atlas Agena-Rakete durchzuführen, die 100 Minuten zuvor vom benachbarten „Launch Complex-14“ auf den Weg gebracht worden war. Das Manöver diente zur Erprobung der Navigations- Kopplungstechniken, die für die Durchführung der Landung auf dem Mond notwendig werden sollten. Das Unternehmen stand unter keinem guten Stern: das Andocken gelang zwar, aber ein Ventil in der Agenda-Stufe hatte sich beim Start verklemmt, und bei dem Versuch, die instabile Lage mit dem dortigen Antrieb zu korrigieren, hatte zur Folge, daß Kapsel und Rakete in ein sich beschleunigendes Rotieren gerieten, bis sie sich einmal pro Sekunde drehten. Nach der Trennung und der händischen Korrektur der Lage des Raumschiffs durch Kommandant Armstrong war der Treibstoffvorrat der Kapsel so weit erschöpft, daß die Mission nach nur 10 Stunden abgebrochen wurde. (Beim ersten „gemeinsamen Raumflug“ drei Jahre zuvor, mit den Kapseln Wostok 5 und Wostok 6 im Juni 1963, mit den Kosmonauten Walentina Tereschkowa und Waleri Bykowski, lagen übrigens zwei Tage zwischen den beiden Starts)
Aber der Reihefolge nach; und zwar der zeitlichen.