„Ich will euch etwas von dem kleinen Johannes erzählen. Meine Geschichte erinnert zwar sehr an ein Märchen, aber dennoch ist alles in Wirklichkeit so geschehen. Sobald ihr das nicht mehr glaubt, sollt ihr nicht weiterlesen, denn ich schreibe dann nicht für euch. Auch dürft ihr nie zu dem kleinen Johannes darüber sprechen, wenn ihr ihm jemals begegnen solltet, denn das würde ihm Kummer bereiten und ich würde es bereuen, euch dies alles erzählt zu haben.“
Frederik van Eeden, Der kleine Johannes (1885/1887/1892/1906)
Namenswitze sind zurecht verpönt und man sollte sie sich tunlichst verkneifen, auch wenn es im Bereich der sozialen Medien mitunter en vogue ist, wie im Fall von Ursula-fond-of-Lying oder Greta Thunfisch. Manche Verehrer von Marcel Proust tragen es ihrem Idol bis heute nach, daß der Verfasser der „Suche nach der verlorenen Zeit“ sich in jungen Jahren ein mattes Wortspiel mit dem Namen seines Freundes Marcel Plantevignes erlaubt hat, als er seinen Namen zum Anlaß dafür nahm: „… Wenn ich Rebstockpflanzer hieße / ließ ich auf dem Balkon die Reben sprießen.“ Und dennoch … mitunter gilt der Satz Oscar Wildes: „I can resist anything but temptation.“ Johann Wadephul, seit jetzt 167 Tagen Nachfolger der glanzlosen Frau Baerbock im Amt des deutschen Außenministers, hat nämlich am Freitag aus Gelegenheit seiner Visite in der Türkei aus Anlaß des 64. Jahrestags des Anwerbeabkommen mit der damaligen türkischen Regierung ganz offiziell auf dem Twitter- (Entschuldigung: X)-Account des Auswärtigen Amtes dies erklärt, bzw. erklären lassen:
„Es waren Menschen aus der Türkei, die das Wirtschaftswunder möglich gemacht & Deutschland mit aufgebaut haben. Heute ist die #Türkei ein wichtiger strategischer Partner, sowohl innerhalb der NATO als auch der G20“ – @AussenMinDE im Gespräch mit @Hurriyet: 12:04 PM Oct 17, 2025
Wörtlich lautet der Passus aus dem Interview mit der Zeitung „Hürriyet“ (die sich übrigens mit „ü“ schreibt, liebes Social-Media-Team unseres Außenminderleisters), das das Auswärtige Amt am Freitag hochgeladen hat (immerhin in deutscher Übersetzung, was mittlerweile nicht mehr selbstverständlich scheint angesichts der Tipps zum Bürgergeld und zur Abschiebungsumgehung auf Arabisch, bei denen man auf deutsche Fassungen aus nachvollziehbaren Gründen verzichtet):
Frage:
Das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei wurde vor ca. 64 Jahren unterzeichnet. Was bedeutet die Beschäftigung dieser Menschen für Deutschland?
Johann Wadephul:
Das Anwerbeabkommen ist auch heute noch bedeutend und prägend für Deutschland. Es waren ganz entscheidend auch Frauen und Männer aus der Türkei, die mit harter Arbeit unter teils sehr schwierigen Umständen das sogenannte „Wirtschaftswunder“ möglich gemacht haben – sie haben das moderne Industrieland Deutschland mit aufgebaut. Das ist viel zu lange nicht ausreichend gewürdigt worden.