47:23:18:50
Langggedienteren Lesern dieses Blogs wird es aufgefallen sein, daß die Wahlen zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika in diesem Blog bislang keine (und nur in sehr eingeschränktem Maß im angeschlossenen Diskussionsforum) Aufmerksamkeit gefunden haben. Ganz im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Wahlen, die vom Gründer dieses Netztagebuchs in ausführlichen Serien detailliert begleitet worden sind (
hier und
hier nachzulesen). Das liegt natürlich am Naturell von "Zettels Erben", ihrer Aufmerksamkeitsökonomie, ihrer Präferenzen, und, zumindest im Fall des Endunterfertigten, am doppelten Gefühl, vor den verlinkten Beispielen nur trübseliges Pfuschwerk präsentieren zu können und auf die anderen Seite angesichts des Dauersperrfeuers, mit dem unsere Medien den nun seit 18 Monaten laufenden Wahl- und Vorwahlkampf abdecken, wenig bis nichts Substanzielles zum Thema beitagen zu können.
Nicht, daß es sich nicht lohnen würde, der unisono entschiedenen proaktiven Heiligsprechung der demokratischen Kandidatin Hillary Rodham Clinton nebst der ebenso flächendeckenden Perhorreszierung ihres satanischen Gegenparts Donald John Trump, dem eigentlich nur noch eine tiefrote Hautfärbung nebst zwei Stirnhörnchen zur Komplettierung des Leibhaftigen abgehen, durch die hiesigen Medien sanft zu widersprechen, allein schon aus Gründen einer mephistophelischen Lust am Widerspruch halber ("Ein Kerl, den alle Menschen hassen: Der muß was sein", meinte Arno Schmidt einmal). Aber zum einen neigen auch die Mehrzahl de Media outlets der Anglosphäre, die man salopp, aber nicht ganz unzutreffend ausgedrückt, als "linksdrehend" bezeichnen könnte, zumeist zu einer polarisierten Sicht auf beide Kandidaten, die dem hiesigen Medienstadl kaum nachsteht. Zudem ist eine solche manichäische Präsentation, streng in weißgutdemokratisch versus schwarzargrepublikanisch geschieden, seit dem legendären Kampf um die Thronfolge Dwight D. Eisenhowers zwischen John F. Kennedy und Richard Mulhouse Nixon im Herbst 1960 mit dem legendären ersten Fernsehduell zu einer unveränderlichen Tradition geronnen wie der alljährliche Sturz Freddy Frintons über den Tigerkopf. The same procedure as every four years.
Und schließlich zählen für den Endunterzeichner (im weiteren Verlauf als "ich" figurierend; das Adorno'sche Verdikt Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie ich sagen ignoriert dieses schreibend unlyrische Ich als alteuropäische Dünkelhaftigkeit) nicht die Fürfallenheiten des Wettbewerbs um die Stimmen der Wähler, sondern das Endresultat. Nicht also: "wen würdest du am liebsten gewinnen sehen?", auch nicht "wer sollte die Wahl gewinnen?" (Zwei Fragen, die durchaus nicht deckungsgleich sind, wenn auch der Endunt..., wenn auch ich freimütig zugebe, daß ich mich, hätte ich je die Staatsbürgerschaft meines so nur portativen Vaterlands erworben, mich ins Wählerverzeichnis der Partei im Zeichen des Elefanten eingetragen hätte. Bekanntlich ist das, nicht die bloße Gegenheit der Staatsbürgerschaft, die Voraussetzung, sein Kreuzchen setzen zu dürfen.) Sondern: "wer wird die Wahl gewinnen?" Nicht zuletzt verdankt sich das einem über Jahrzehnte konditionierten Pawlowschen Reflex wider bundesdeutsche Wahlkrämpfe von den Straußstops bis zur Guidomobilisierung, dem ein fortwährendes unaufgehobenes Moratorium sämtlicher Gladiatorenwettstreite das liebste wäre. Die amerikanische Variante dieses Schaukampfs mit monatelangen Vorwahlen in allen Bundesstaaten, der Bestimmung der Wahlmänner, der endlosen Kavalkade der Spendengalas zur Einwerbung von Wahlkampfgeldern, dient freilich einem weiteren, wichtigeren Zweck: Wer diese Ochsentour unbeschadet übersteht, von dem kann der Wähler sicher sein, daß er (bislang nur "er") sämtliche denkbaren Fährnisse der kommenden Inkumbenzperiode lässig zu meistern versteht. Wer also wird die Wahl am 8. November, in genau sieben Wochen, für sich verbuchen?
Die wöchentlich oszillierenden Polls, die Wahlumfragen, haben in den letzten Wochen kaum nennenwerte Schwankungen gezeigt, zumeist mit einem leichten Vorsprung von 1 bis 2 Prozent für Frau Clinton: also einem nicht nennenwerten Bonus - vor den gut 9 Prozent für den Kandidaten der Libertarian Party, Gary Johnson, und gut dreieinhalb für das Aushängeschild der Green Party, Jill Stein. (Sollte es Sie überraschen, daß es in den USA überhaupt eine Partei der Grünen gibt, geschweige denn, daß man dort als Wettbewerber ums höchste Staatsamt antritt: beide Kandidaten vereinigen auf sich ein reines Protestwählerpotenzial: die Stimmen derer, die am politischen Prozeß teilnehmen möchten - Nichtwähler dürfen sich nicht über ihnen mißliebige Ergebnisse beklagen - aber ihr Mißfallen an der eingefahrenen, zementierten zweihundertjährigen bipolaren Tradition zum Ausdruck bringen wollen. Eine Rolle in der politischen Willensbildung spielen sie nie; ein Faktum, daß auch allen ihren Wählern - naiven Idealisten ausgenommen, die es in den USA nicht weniger gibt als auf unserer Seite des Großen Teiches - völlig klar ist. "Third party politics" haben seit den Know-Nothings der 1850er Jahre in der amerikanischen Politik nie eine Chance gehabt; ihre Anliegen finden erst dann wirksamen Ausdruck, wenn sie Einlaß in die Agenda der beiden großen Monolithe gefunden haben; zuletzt hat die Tea Party diese Erfahrung machen müssen.)
(Apropos Tea Party: bei näherer und unaufgeregter Betrachtung ist es frappant, welche Ähnlichkeiten, welche Parallelen die amerikanische Tea Party mit der bundesdeutschen AfD aufweist: vom staatspolitisch eingefleischtesten Konservatismus bei gleichzeitig breiten, teilweise durchaus liberalismus-kompatiblen Ausrichtung auf anderen Gebieten, etwa der Wirtschaft; der vehementen Rückbesinnung auf die eigenen demokratischen Startpositionen, ob nun die Gründerväter oder die "Väter des Grundgesetzes" benebst den Römischen Verträgen; die Rekrutierung der Wählerschaft aus der gesamten Breite des politischen Spektrums; die systematische Verteufelung bis hin zur Perfidie und blanken Lüge, über Jahre und zumeist ohne jede Faktenabprüfung, durch die meinungsbildenden Hauptstrommedien; nicht zuletzt das weibliche Führungspotential, von diesen diesen Medien als entweder spleenig-bizarr oder als autoritäre Hexe verteufelt; bei denen nüchternen Betrachter es dagegen schwerfällt, ihnen ob ihrer bisherigen Lebensleistung einen tiefen Respekt zu versagen. Neither Michelle Bachmann nor Ms von Storch may be you cup of tea - no pun intended - but Frauke Petry is our Sarah Palin.)
Der Gleichstand der beiden Spitzenkandidaten Clinton und Trump schien bislang das Urteil zu rechtfertigen: "es bleibt weiterhin spannend". Zumal die oft als ausschlaggebend angesehenen drei Fernsehduelle (am Montag, dem 26. September an der Hofstra University in Hempsted im Bundesstaat New York; am Sonntag, dem 9. Oktober am der Universität von St. Louis, und zuletzt am Mittwoch, dem 19. Oktober an der Universität von Nevada in Las Vegas. Vier; wenn man den Schlagabtausch zwischen den Kandidaten fürs Vizepräsidentenamt am 4. Oktober mitzählt.)
Jetzt sind freilich drei Facetten, kleine Aspektchen eigentlich nur, hinzugekommen, die mir jedenfalls doch hinreichend scheinen, an dieser Stelle meinen Hut in den Ring zu werfen - auch wenn meine track record als politische Kassandra höchst deplorabel ist. Nach meinem Dafürhalten ist das Rennen entschieden, gelaufen. finito. And, wie man seit einiger Zeit im Deutschen sagt, the winner is -