31. Dezember 2016

MMXVII - 2017



1. Abermals ist eins dahin /
Von der zeiten anbeginn /
Abermal ist dieses jahr /
Wie wir selber / wandelbar /
Es ist nunmehr alt und kalt:
Höret / wie die zeitung bald /
Von dem neuen jahr erschallt.

2. GOtt sey lob / daß abermal /
Eins dahin ist von der zahl /
Unser jahre / die wir sehn /
Schneller als der rauch vergehn /
Da von unser pilgramschafft /
Aber eins ist hingerafft /
Durch so schneller zeiten krafft.

3. HErr / wie groß ist deine gut! /
Ach / wie fromm ist dein gemuht! /
Hast du doch zu tag und nacht /
Dieses jahr an uns gedacht /
Da doch wir nur staub und koht /
Nichts verdienet als den tod/
Ja sogar der höllen noht.

4. HErr / dein nachtmahl / rat und wort /
Hastu noch an unserm ort /
Rein erhalte und dazu /
Den gewünschten fried und ruh /
Und so mildiglich beschert /
Ja was unser herz begehrt /
Hastu reichlich uns gewährt.

5. Willig sagen wir dir danck /
Für die kleidung / speis und tranck /
Für gesundheit ehr und gut: /
Lob sei dir / doch auch die glut / /
Noch das wasser / noch der wind /
Uns / die wir so sträfflich sind /
Nicht verderbt so gar geschwind.

6. Daz hat du uns lassen sehn /
Was den Sündern muß geschehn /
Aber deine gut und treu /
War doch alle morgen neu.
Ach! regier uns hertz und sinn /
Daß wir itzt zum anbeginn /
Alle bosheit legen hin.

- Johann Rist (1607-1667)



Die Verse finden sich als Lied Nr. 215 im von Caspar Hermann Sandhagen (1639-1697) zusammengestellten Lüneburgisches Gesangbuch : Darinn 2000. so wol alte als neue geistreiche Lieder, Aus den besten Autoren gesamlet, und mit vielen neuen wolgesetzten Melodeyen und Kupffern gezieret, nebst angefügtem Gebetbüchlein, Welches tägliche Morgen- und Abend-Segen, auch kurtzen Unterricht von der Busse, Beichte und Abendmahl, samt zugehörigen Gebeten, und andere mehr begreiffet, aus geistreicher Männer Schrifften kurtz verfasset, verlegt 1686 bei Johann Stern in Lüneburg.



Zettels Raum wünscht alles Lesern ein friedliches und hoffnungsvolles 2017.


Ulrich Elkmann

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2016 - Das Jahr, in dem der Mehltau schwand

Wenn es nach den Reaktionen so mancher Menschen geht, denen man zuhört, dann ist das sich verabschiedende Jahr ein annus horribilis (gewesen). Einige der öffentlichen Ablehungsbekundungen sind in einem Interview zusammengefasst, das Felix Dachsel für ZEIT-Online mit dem Jahr 2016 [sic!] führte. (Man kann diesen postfaktischen Einfall freilich albern finden. Er ist jedoch gewitzter als vieles andere, was unsere Mainstream-Journalisten gemeinhin für geistreich halten.)

In den Massenmedien, insbesondere auch in deren Online-Ablegern, wird zum Jahresende traditionell auf die wichtigsten Ereignisse und auf prominente Todesfälle der vorangegangenen 52 Wochen zurückgeblickt. Die nachstehende Rekapitulation soll sich dagegen mit dem Wandel des geistigen Klimas beschäftigen, den der Verfasser in den heurigen 366 Tagen festzustellen geglaubt hat. Diese Veränderung ging natürlich nicht im luftleeren Raum vor sich, sodass einiges, was heuer geschehen ist, in den nachstehenden Zeilen Erwähnung findet.

30. Dezember 2016

Tetzel 2.0

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten.
Kurz vor Jahresschluß verkündet uns Margot Käßmann, daß sie ganz persönlichen Einsatz bringen wird:
Margot Käßmann begrüßt das Reformations-Jubiläumsjahr 2017 im Südpazifik. Sie verbringe den Jahreswechsel auf den Chatham-Inseln, teilte die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Mittwoch kurz vor ihrem Abflug mit.

Also nicht in Deutschland, wo Luther wirkte und die Reformation ihre wesentlichen Schauplätze hatte.
Nicht im heiligen Land, weil sich deutsche Bischöfe da so gerne blamieren.
Nein, in den Südpazifik geht der Urlaub mit Gottesdienst, maximal weit weg von den Kirchensteuerzahlern, die den Spaß finanzieren müssen.

Nur etwas hat die fröhliche Bischöfin übersehen:
Das Reformationsjahr hat längst begonnen, nämlich am 31. Oktober 2016.
Und das Kirchenjahr hat ebenfalls schon begonnen, nämlich am 1. Advent.
Nicht daß man von evangelischen Amtskirchenfunktionären heutzutage noch besondere Theologie-Kenntnisse erwarten würde. Aber die Startfeier zu vergessen? Mit Festgottesdienst, Staatsakt und Rede des Bundespräsidenten? War vielleicht doch ein Glas zuviel ...

Aber das Wichtigste hat Käßmann nicht vergessen: Für "klimaschädliche" Sünden wie einen Langstreckenflug ans andere Ende der Welt muß natürlich Ablaß bezahlt werden. Das geschieht ganz modern durch einen "Kompensationsfonds", in den Käßmann einen sündengerechten Betrag zahlt. Oder genauer: Bezahlen läßt - denn mit der Übernahme der Reisespesen ist der treue Kirchensteuerzahler noch lange nicht ausgelastet.

Das Lutherjahr mit einem amtskirchlichen Ablaßhandel zu beginnen: Das hat schon eine gewisse Symbolik.
R.A.

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Gedanken zur Rhetorik der Alternativlosigkeit

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Etwas mehr als ein Jahr ist nun vergangen, seit die Kanzlerin, mit dem wohl am häufigsten zitierten Satz der letzten Jahre - "Wir schaffen das." -, sehr erfolgreich den Ton der Debatte um die Migrationskrise gesetzt hat. Erfolgreich deswegen, da der durch ihre Aussage für gewöhnlich induzierte Widerspruch, "Wir schaffen das nicht", welcher sogar als Überschrift den Weg in Zettels Raum fand, keine inhaltliche Debatte zu ihrer wohl, gemeinsam mit der Energiewende, weitreichendsten politischen Entscheidung zulässt. Dieses geschickte Umgehen der inhaltlichen Diskussion wirkt bis heute und mag mit ein Grund dafür sein, dass die Konsequenzen aus dem Handeln der Kanzlerin für sie selbst bisher überschaubar blieben: Denn warum sollte jemand Konsequenzen für ein Handeln ziehen sollen, welches keine Alternativen hatte?

Köln ist sicher. In diesem Jahr.

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Man muss es kaum rekapitulieren: Die allermeisten erinnern sich inzwischen sehr gut daran, was sich vor einem knappen Jahr, in der Sylvesternacht 2015, auf der Kölner Domplatte ereignete. Und auch wenn es vier Tage lang versucht wurde totzuschweigen (schönen Gruss vom Thema Fakenews), kam es nach und nach ans Licht. Die Ereignisse in Köln, für die der Ort inzwischen unfreiwillig Namenspate gestanden hat, zeigten ein anderes Bild des "neuen und so weltoffenen Deutschlands" (Helldeutschlands). Und es war ein sehr verheerendes und schlimmes Bild. Und es schepperte das erste mal seit langer Zeit im deutschen, politischen Gebälk.

28. Dezember 2016

Im Zweifel falsch zitiert

In der am 22.12.2016 erschienenen Ausgabe seiner SPIEGEL-Online-Kolumne Im Zweifel links tischt Jakob Augstein ein Zitatenmenü auf, als deren Köche er in der Öffentlichkeit stehende Personen, überwiegend bekannte Politiker und Publizisten, identifiziert. Der Kontext legt nahe, dass der Tenor der angeführten Passagen Kritik an Merkels Politik der offenen Grenzen und deren Folgen sei. Jedenfalls in zwei stichprobenartig überprüften Fällen zitiert Augstein nicht korrekt oder ohne die zu einem adäquaten Verständnis erforderliche Texteinbettung.

27. Dezember 2016

Satyrs Saitenspiel: Die beste aller möglichen Regierungen

Berlin ist eine weltoffene, tolerante und bunte Stadt. Damit dies so bleibt, haben ihre Bewohner richtig gewählt und sich mit einer rot-rot-grünen Koalition (im coolen Journo-Newspeak: R2G) im Senat beschenkt. Die neuen Besen kehren bereits sehr gut.

26. Dezember 2016

Weihnachtswunschkonzert

"Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!", rief der heilige Stephanus, dessen wir heute gedenken, vor seinem gewaltsamen Tod (Apostelgeschichte 7, 60) und flehte damit um Vergebung für seine Peiniger. "Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen", soll der Duke of Wellington vor der Schlacht von Waterloo geäußert haben. Und George Bailey, der von James Stewart verkörperte Protagonist in Frank Capras Tragikomödie Ist das Leben nicht schön? lässt sich, akut suizidgefährdet, von einem Engel die Entwicklung der Kleinstadt Bedford Falls vor Augen führen, welche diese ohne Georges segensreiches Wirken genommen hätte.

25. Dezember 2016

Christfest und Weihnachten: Eine Ruhestörung

Als Ausweis für die religiösen Bildungsdefizite seiner Schäfchen zitiert der katholische Theologe meines Vertrauens gerne den ihm gegenüber geäußerten Satz, dass Weihnachten auf den 24. Dezember falle. Natürlich ist das Datum des Christfestes der 25. Dezember. Was bei der Osternacht (die häufig schon am Karsamstag gefeiert wird) noch allgemein intellektuell nachvollzogen wird, rückt beim Jahresendfest in den Bereich des Unbegreiflichen.

Hat der Autor gerade wirklich vom "Jahresendfest" gesprochen?

23. Dezember 2016

Politische Paralleluniversen

Man kann den sogenannten Rechtspopulisten viel vorwerfen. Aber wenigstens eine positive Entwicklung muss man ihnen zugutehalten. Ihre Erfolge haben nämlich dafür gesorgt, dass die bisher immer so grämlichen Linken, bei denen es stets fünf vor zwölf schlug, die von sozialen Scheren phantasierten und allenthalben Anfänge sahen, denen es zu wehren galt, plötzlich eine schon fast unglaubwürdig gute Stimmung an den Tag legen.

22. Dezember 2016

Der Riss. Ein kleiner Brief an den Bundespräsidenten.


Vielfach ist derzeit in Politik und Medien die Rede davon, dass wir uns jetzt nicht spalten lassen dürfen. Wir sollen zusammenstehen, niemanden ausschliessen (am besten noch Kumbaya singen) weil ansonsten "die Terroristen ihr Ziel erreicht haben". Den vordersten aller Vereiniger macht unser Bundespräsident und führte aus: "Unser Deutschland bleibt ein Land der Freiheit, des Zusammenhalts und des inneren Friedens"­. Deshalb habe ich ein paar Zeilen an ihn.

19. Dezember 2016

Marginalie: Das neue Jobwunder

Was haben wir heute einen schönen Tag, der Focus titelt: "Flüchtlinge schaffen neue Arbeitsplätze für Deutsche". Na, das ist doch was. Die Flüchtlinge (eigentlich neudeutsch Geflüchtete) schaffen neue Arbeitsplätze. Endlich mal eine positive Nachricht. 

Zweifelt, aber verzweifelt nicht - Eine Weihnachtsbesinnung

Die Exegeten stellten in den letzten Jahrzehnten fest: Jesus von Nazareth war und blieb Jude und war kein Christ. Ob diese historische Wahrheit künftig etwas am christlichen Antijudaismus ändern wird?

Dieser Jude definiert das Wesen des von den Kirchen verehrten Gottes. Reduziert sich dann nicht der Unterschied zwischen Juden und Christen auf den Satz: Juden leben nach ihrem Gesetzbuch, - Christen folgen einer Person, welche dieses Gesetzbuch lebte?

18. Dezember 2016

Freiheit ist Salami. Eine Widerrede gegen Zensursulas Epigonen

"Die Reu ist kurz, der Wahn ist lang", ließe sich in Umkehrung eines bekannten Schiller-Verses (aus dem Lied von der Glocke) die Reaktion der politisch-medialen Eliten auf das Ergebnis des Brexit-Referendums und die Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten (respektive die Kür der entsprechenden Wahlmänner) zusammenfassen. Wenig nachhaltige Momente der Unsicherheit, in denen sich der eine oder andere Angehörige des Establishments fragte, ob man in den letzten Jahren am Publikum vorbeiregiert beziehungsweise -publiziert hatte, wichen sofort wieder der Gewissheit, dass man selbst nichts falsch gemacht hatte. Die Schuld wurde den alten, weißen Männern zugeschoben, die angeblich mit der schönen, neuen, diversifizierten Welt nicht zurechtkamen und ihre eigene historische Marginalisierung verzögern wollten.

16. Dezember 2016

Randbemerkung: Darf man einem Dieb glauben?

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Stellen Sie sich folgende Situation vor, lieber Leser: Es gibt einen kleinen Ort, nennen wir ihn Obastein, und in Obastein regiert ein alter Bürgermeister schon eine ganze Weile vor sich hin. Er ist nicht unbeliebt und lebt vor allem davon, dass die meisten Bürger ihn für einen integren Menschen halten. Nun gibt es im Dorf auch ein altes Unternehmen das von einem Herrn Putz geführt wird. Und der Herr Bürgermeister und der Herr Putz, die mögen sich nicht. Warum spielt keine wirkliche Rolle, nur das die beiden sich absolut nicht leiden können. Nun ist der Herr Putz ziemlich sauer, aber vor allem ist er nicht arm. Er engagiert einen Privatdetektiv, der herausfinden soll, was der gute Herr Bürgermeister alles so treibt. Und nach einiger Suche stösst der Detektiv auf eine Verbindung zu einer schweizer Bank. Er besticht einen Mitarbeiter der Bank und dieser händigt ihm Unterlagen aus, die recht gut belegen, dass der gute Herr Bürgermeister seit Jahren ein erhebliches Bankkonto bei der Schweizer Bank führt. Soweit, so "normal".

13. Dezember 2016

Meckerecke: Index und Pranger oder: Das Ministerium für Wahrheit

Sogenannte "Fake News" sind im postfaktischen Zeitalter (ZR vom 02.10.2016; ZR vom 19.11.2016) in aller Munde. Was man unter diesem flotten Anglizismus zu verstehen hat, erklärt ein Medium, dem man eine diesbezügliche Expertise wohl zutrauen kann.

11. Dezember 2016

Marginalie: Ronaldos Millionen und die Umwegrentabilität des Leistungssports

Cristiano Ronaldo hat nach Angaben seines Managements im vergangenen Jahr circa 227 Millionen Euro verdient. Das ist eine Menge Geld, welche jedoch - frei nach Maas - von dem portugiesischen Fußballstar erwirtschaftet und niemandem weggenommen wurde. Es gibt eben Vertragspartner, die bereit sind, dem 31-Jährigen für seine Leistungen derart ansehnliche Summen zu bezahlen.

10. Dezember 2016

Marginalie: Burger in London

­Es ist am Ende vermutlich kaum eine Schlagzeile wert (im Sprech der ARD ein Ereignis von eher regionaler Bedeutung), aber der größte Burgerschmied der Welt (McDonalds) verlegt seine außeramerikanische Zentrale von Luxemburg nach London.

9. Dezember 2016

"Patria, peccavi." Postscriptum

Zu meiner kleinen Medienschelte im Kielwasser der amerikanischen Präsidentenwahl vom 23. November hat die Welt selbst - oder die Medien, für die aus eigener Sicht in diesem Belang sicher kein nennenswerter Unterschied bestehen dürfte - einen hübschen abschließenden Kommentar geliefert.




Es handelt sich um die Titelbilder des Ausgaben des TIME Magazine vom 24. August 2016, 22. Oktober 2016 und der in der nächsten Woche an die Kioske kommenden Ausgabe.

6. Dezember 2016

Statistik und kognitive Dissonanz im Jahr 2016

Die Reaktion der ARD auf den Mord von Freiburg dürfte an Armseeligkeit nur schwer zu überbieten sein, aber da das ausnahmsweise sogar mal in der Presse laut thematisiert wird, soll das nicht das Thema diesen Artikels sein. Etwas anderes brennt diesem Autor auf den Nägeln und das widerum hat vor allem nicht zuletzt mit den Artikeln zum Thema ARD, aber auch mit der Reaktion diverser Politiker auf den Fall zu tun. Politik wie Presse ist bemüht vor allem eine Nachricht zu transportieren: Es handelt sich um einen (tragischen) Einzelfall und generell sind Flüchtlinge (ersatzweise Geflüchtete, Zuwanderer, Migranten, etc. pp) nicht krimineller als Deutsche. Diese Aussage ist derart in Stein gemeisselt, dass man sich schon seltsam vorkommt, sie zu diskutieren. Im Gegenteil, man muss vielleicht sogar befürchten, dass die pure Behauptung des Gegenteils strafbar sein könnte. 

"Abteilung: Erzählt den Witz!"



Liebe Närrinnen und Narrhallesen,
Viel zu lang ist's ernst gewesen....

Zu den unverbrüchlichen Grundsätzen im Spaßgewerbe gehört es, einen Witz, einen Joke, einen Gag nicht zu erklären. Erläuterte Pointen fallen flach. (In abgeschwächter Form gilt dieses eiserne Naturgesetz für die Übersetzung von grapjes, weswegen es ein sicheres Zeichen ist, daß wir uns in utopischen Gefilden bewegen, wenn Voltaires Unglücksrabe Candide im 18. Kapitel seiner Odyssee durch alle Unbillen der Weltgeschichte konstatiert, daß die Scherze des König von Eldorado sogar in der Übersetzung funktionieren.) Die Versuchung liegt da nahe, dieses Prinzip der Aussparung zu steigern, indem dem geneigten pp. Publico erst gar nicht mitgeteilt wird, daß es nunmehr ernsthaft bespaßt wird, getreu dem altbewährten englischen Schauspielermotto "Dying is easy - comedy is hard". Hinzu tritt die Mißlichkeit des hiesigen Festkalenders, die zwischen die Eröffnung der Fünften Jahreszeit und deren Kulmination im Februar die Nüchternheit der vorweihnachtlichen Fastenzeit und den Besinnlichkeitstreß des Jahresendfestes schaltet und der Fröhlichkeitsindustrie ein hemmendes Stakkato aufnötigt.

5. Dezember 2016

"Seguitate a suonar, buona gente" - Eine Hommage an Wolfgang Amadeus Mozart

Heute vor 225 Jahren starb Wolfgang Amadeus Mozart.

4. Dezember 2016

Der Hofer wird's ... oder doch nicht?

In Österreich findet heute die Wiederholung der Stichwahl zum Amt des Bundespräsidenten statt. Wie auch in diesem Blog berichtet (die entsprechenden Beiträge sind am Schluss dieses Textes verlinkt), setzte sich Alexander van der Bellen bei der ersten, vom Verfassungsgerichtshof kassierten Auflage des entscheidenden Urnenganges mit einer hauchdünnen Mehrheit vor Norbert Hofer durch. Nicht nur deshalb ist der Ausgang der Kür des alpenrepublikanischen Staatsoberhauptes völlig offen. (Der erste Halbsatz des Titels dieses Postings ist keine Prognose, sondern lediglich eine Anspielung auf eines der bekanntesten Werke des Austropop.)

3. Dezember 2016

Kauft nicht beim Thor

Am Ende ist es in der Bedeutung eine Nickeligkeit, aber eine Nickeligkeit, die mir, umso länger ich darüber nachdenke, immer weniger aus dem Kopf geht. Das Hamburger Abendblatt berichtet von einer Geschichte um eine Geschäftseröffnung, die nach zwei Stunden bereits wieder beendet war. Ungewöhnlich erst einmal, so ungewöhnlich, dass es sich lohnt sich die Umstände näher anzusehen.

30. November 2016

Marginalie: Eiserne Fäuste und Samthandschuhe

Wenn es nach den Grünen geht, sollen Sanktionen gegen Steuerhinterzieher künftig entfallen. Denn die Androhung von Strafen verhindere, dass sich Finanzämter und abgabepflichtige Bürger auf Augenhöhe begegneten. Applaus kommt von einigen versprengten Mitgliedern der FDP.

29. November 2016

Werbepause



Ach, was muß man oft von bösen
Werbemenschen wieder lesen!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
Welche Jung und von Matt hießen;
Die, anstatt durch weise Lehren
Sich zum Guten zu bekehren,
Oftmals noch darüber lachten
Und sich heimlich lustig machten.
Ja, zur Übeltätigkeit,
Ja, dazu ist man bereit!
In das UBW von Muggeln
Bössignale einzuschmuggeln,
Adolfs kaum geheilte Erben
Wieder schwarzbraun einzufärben;
Und mit höchst suspekten Zahlen
Deren Netzhaut zu bestrahlen.
"Heile Welt" zu suggerieren
Und sie damit zu verführen.
Das ist freilich angenehmer,
Und zudem noch viel bequemer
Denn als Masi wachsam walten
Und das #Neuland rein zu halten!
Doch gottlob! nun ists vorbei
Mit der Übeltäterei:
So weist man dem Pack die Schranken:
Frau Sabine ist zu danken,
Denn sie dachte sich ihr Teil
Und fand dies gar nicht supergeil.
Und sie ließ uns alle wissen
Worauf wir künftig achten müssen!
Auch angesichts von Spott und Hohn
Denn Undank ist der Mühe Lohn.
Dementsprechend vorgewarnt
Sehen wir den Feind enttarnt.
Und von diesem Bubenstück
Bleibt kein Fitzelchen zurück.

Erschreckendes, ja nachgerade Bedenkliches war in der vorigen Woche im angesehenen Manager-Magazin zu lesen. Dort teilte die Direktorin der Landeszentrale für Politische Bildung in Hamburg, Sabine Bamberger-Stemmann, in einem Interview die Befunde mit, zu denen sie angesichts der diesjährigen weihnachtszeitlichen Werbekampagne der Supermarktkette "Edeka", in der es nur vordergründig um die Suggerierung einer stressfreien, entspannten Alternative zur feiertäglichen Hektik geht, gelangt war, ja hatte gelangen müssen.

28. November 2016

Sie sterben als alte Männer

Als Fidel Castro vor ein paar Tage das Zeitliche segnete war er 89 Jahre alt (nach eigener Meinung 90, doch darauf kommt es nicht an). Er starb wohl eines natürlichen und friedlichen Todes. Mao Zedong war 82 Jahre alt, auch er starb vergleichsweise friedlich (Herzinfarkt) eines natürlichen Todes. Pol Pot ist hier mal eine Ausnahme, er wurde "nur" 69, als er sich selbst die Fahrkarte knipste. Idi Amin wurde 75 Jahre, bevor er eines natürlichen Todes starb. Josef Stalin widerum wurde im zarten Alter von 74 Jahren von einem Schlaganfall ins Jehenseits befördert und, um auch mal ein deutsches Beispiel einzuwerfen, Erich Honecker starb mit 81 Jahren vergleichsweise friedlich im Beisein seiner Familie.

27. November 2016

Kein Nachruf

Fidel Castro ist also tot.

23. November 2016

"Patria, peccavi." Eine Ohrenbeichte



Es gehört zu den guten Traditionen der Römisch-Katholischen Kirche, daß sie über das Sakrament der Ohrenbeichte verfügt - in Gegensatz zum Protestantismus, bei dieses zwischen den reumütigen (oder zumindest geständigen) Sünder und sein finales Sündenkonto gefügte Bußinstrument abgeht (und der sich im Gegenzug im Hinblick auf diese finale Rechnungslegung salvierte, daß er den christlichen Himmel samt seiner Bewohnerschaft nach und nach entleerte, bis im Zuge etwa der "death-of-God"-Theologie des mittigen 20. Jahrhunderts mit nur das Als-ob eines besenreinen Vakuums zurückblieb).  Nicht vergeben werden können durch diese Institution freilich die sieben Todsünden, die peccata mortalia; Superbia, Avaritia, Luxuria, Ira, Gula, Invidia und Acedia (wobei in diesem Fall freilich nicht die leibliche Trägheit, sondern die Gleichgültigkeit des Herzens gemeint ist), und deren Siebenzahl sich eher antiker Zahlenmystik verdanken dürfte als einer strikten ontologischen Feldvermessung. Ob darunter etwa auch jene Sündenkategorie einzureichen wäre, für die es im Englischen die schöne Vokabel schadenfreude gibt (vermeintlicherweise seit der Ausstrahlung der 3. Folge der II. Staffel von The Simpsons;  obwohl mir als Leser das Wort in englischen Texten schon in den 1970ern zuhauf untergekommen ist) - bleibe dahingestellt. Da aber Vorsicht die Mutter der Porzellankisten ist, zumal jener jenseitig transzendentaler Natur, ist es geraten, auch ohne theologische Rückversicherung auf Nummer Sicher zu gehen. Einem Religionslosen bleibt da, in Ermangelung des Beichtvaters in den Weiten des Cyberspace, nur das allseits einsehbare quasiöffentliche Geständnis seiner Fehlbarkeit.

Lisa: Dad, do you know what Schadenfreude is?
Homer: No, I don't know what "shaden-frawde" is. [sarcastic] Please tell me, because I'm dying to know.
Lisa: It's a German term for "shameful joy", taking pleasure in the suffering of others.
...
Homer: What's the opposite of that shameful joy thing of yours?
Lisa: Sour grapes.
Homer: Boy, those Germans have a word for everything!
("When Flanders Failed", 1991)

20. November 2016

Merkel geht nicht weg

Habemus candidatam. Wenig überraschend hat sich Angela Merkel bereit erklärt, für eine vierte Amtszeit als deutsche Bundeskanzlerin zur Verfügung zu stehen. Glaubt man einer Umfrage, entspricht sie damit dem Willen der Mehrheit der Wähler. Freilich: Nicht jeder, der in der Öffentlichkeit Gehör findet, ist mit dieser erneuten Bewerbung einverstanden. So zeichnet Rainer Hank in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die wirtschaftspolitische "Negativbilanz einer Kanzlerin".

Doch Merkel hat sich, um ein von ihr gern verwendetes Wort zu reproduzieren, alternativlos gemacht. Jedenfalls für die Partei, der sie angehört. Gab es zu Beginn ihrer Kanzlerkarriere in den eigenen Reihen noch potenzielle Konkurrenz in Form von landesfürstlichen Schwergewichten, herrscht nunmehr zwischen Merkel und dem schwarzen Rest gähnende Leere, woran Madame Non bekanntlich nicht ganz unschuldig ist.

19. November 2016

Postfaktisch - die gefühlte Realität

Das Oxford Dictionary hat die Formulierung „post-truth" zum internationalen Wort des Jahres gekürt, weil es in jüngster Zeit erfunden und immer mehr gebraucht wurde, um die Verwechslung der Realität mit gefühlten Tatsachen zu bezeichnen. Meinungen, die durch Einbildung oder durch die Werbung oder durch politische Propaganda verbreitet wurden, stammen gar nicht aus der Erfahrung der Wirklichkeit, sondern waren Lügen und werden z. T. hartnäckig gegen diese geglaubt, z. B. Verschwörungstheorien. Gefühle verändern also die Fakten oder erschaffen Unwahrheiten. Mit dieser verspäteten Einsicht in die Alltagswelten der Unter- und Mittelschicht erklärt man jetzt auch die unzutreffenden Vorhersagen des Wahlsiegers in den USA. Die Klugen täuschten sich.

Kurze Anmerkung: Der lange Schatten von 2009.

In der Samstagsausgabe der FAZ findet sich ein Interview mit Christian Lindner. Als Appetizer ist in der online Ausgabe der FAZ ein kleiner Artikel erschienen, in dem einige Aussagen von Lindner dann auch zitiert werden. ­
Die zentrale Aussage ist, dass die CDU, insbesondere Merkel eine Durchgrünung der Politik durchführe. Der Klimaschutzplan sei nicht nur ökologisch und ökonomisch schädlich, nein, die FDP würde diesen auch sofort stoppen (!), wenn sie in der Regierung säße. Und abschließend kommt dann noch die schöne Bemerkung: "Die Richtung muss stimmen".

18. November 2016

Hofreiters Hühner

Grünen-Vorsitzender Hofreiter ist nicht nur ein extrem schöner Mann, sondern immer auch für originelle Aussagen gut. Zum Wahlkampfauftakt behauptet er nun:
"Deutsche Agrarpolitik für Flüchtlingskrise mitverantwortlich".
Konkret gemeint sind subventionierte deutsche Produkte, insbesondere Geflügelerzeugnisse, die in diversen afrikanischen Ländern verkauft werden und dort nach Meinung Hofreiters die Leute in die Flucht schlagen.

Nun haben Subventionen viele Nachteile. Insbesondere für die Leute, die sie bezahlen müssen - hier also die deutschen Steuerzahler. Dagegen profitieren die Leute, denen diese Gelder zugute kommen - hier also deutsche Bauern und afrikanische Konsumenten. Gerade in ärmeren Ländern sind die Ausgaben für Nahrungsmittel der teuerste Anteil der Lebenshaltung und jede Erleichterung ist hochwillkommen.
Nicht so glücklich wie ihre Landsleute sind natürlich afrikanische Hühnerzüchter, denen Geschäft entgeht. Aber diese Leute sollen nun so frustriert sein, daß sich sie zu Tausenden auf den Weg nach Europa machen?

Eigentlich eine ziemlich hanebüchene Behauptung, die Hofreiter natürlich auch nicht belegt. Aber hanebüchen oder nicht - das läuft unkritisiert und unrecherchiert durch die deutschen Medien.
Dabei ist es gar nicht so schwer, das nachzuprüfen.

14. November 2016

Leonard Cohen. Ein Kaddisch



Wenn so jemand - einer der ganz Großen - von uns geht, erübrigen sich eigentlich alle Worte. Wen seine Lieder durch das Leben begleitet haben, braucht keine Belehrung oder Einführung, und wem seine Musik nie nahe gewesen ist, dem werden auch so gut gewählte Worte nichts vermitteln können. Es bleibt, seine Songs zu spielen, ihnen zu lauschen, in den Klang der Worte und Verse einzutauchen. Musik wie aus tiefen Weltraumfernen, zeitlos und tief persönlich.

Als Beispiel soll das Titelstück seines letzten, vor drei Wochen erschienen Albums gelten, "You Want It Darker", das als Auskoppelung am Tag seines 82. Geburtstags erschien und das jetzt zu seinem Vermächtnis geworden ist.

If you are the dealer, I'm out of the game
If you are the healer, it means I'm broken and lame
If thine is the glory then mine must be the shame
You want it darker
We kill the flame

There's a lover in the story
But the story's still the same
There's a lullaby for suffering
And a paradox to blame
But it's written in the scriptures
And it's not some idle claim
You want it darker
We kill the flame

Magnified, sanctified, be thy holy name
Vilified, crucified, in the human frame
A million candles burning for the help that never came
You want it darker

Hineni, hineni
I'm ready, my lord

12. November 2016

Von der kulturellen Hegemonie der Grünen und der Zerstörung der Gesellschaft

Eine typisch deutsche Feuilleton-Debatte lässt sich in einem Satz resümieren: Jemand schreibt das Offensichtliche und löst damit einen Sturm im Wasserglas aus. Giovanni di Lorenzo, seines Zeichens Chefredakteur der ZEIT, sinniert in der Ausgabe Nr. 40/2016 des Hamburger Wochenblattes über die "kulturelle Hegemonie" der Grünen und erntet dafür eine Woche später regen Widerspruch von Renate Künast (ZEIT Nr. 41/2016). Die Behauptung, der Erfolg der AfD stehe mit dem Ergrünen der deutschen Gesellschaft im Zusammenhang, weist die ehemalige Bundesministerin vehement zurück.

(Der guten Ordnung halber ist zu betonen, dass di Lorenzos Reflexionen nicht ohne Vorläufer sind. Alexander Marguier hat im CICERO bereits dreieinhalb Jahre früher über die heimliche Herrschaft der Grünen nachgedacht. Jedenfalls in diesem Blog blieb dies nicht unbemerkt.)

Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der ZEIT, springt in deren Ausgabe Nr. 43/2016 seinem Vorgesetzten zur Seite und benennt das besonders Ungenießbare an Künasts Gestus, nämlich die Attitüde, sich - obschon lupenreine Vertreterin des Establishments - zur Rebellin gegen eine angeblich weiterhin latent vorhandene Rechtslastigkeit ihrer Mitbürger zu stilisieren. Andererseits: In gewisser Weise bilden die Grünen immer noch eine Minderheit. Denn wie bei jeder dominanten Ideologie ist die strenge Observanz die Sache Weniger; die Vielen nehmen ob ihrer Schwachheit mit einer verwässerten Version vorlieb. Dies mag auch ein Grund dafür sein, weshalb die grüne Lufthoheit über den Köpfen in nicht allzu ferner Zukunft in Gefahr geraten könnte.

11. November 2016

Aphorismen und ungeordnete Gedanken zu Trump

1. Und sie bewegt sich immer noch.

2. Trump ist lupenreines weißes Establishment. Aber eben nicht lupenreines weißes Polit-Establishment. Würde die veröffentlichte Meinung in Deutschland Kohl, Schröder oder gar Strauß und Wehner heute noch (er)tragen?

3. Die Käßmannisierung des politischen Diskurses gebiert Rechtspopulisten.

4. Trumps Nachfolger ist zu beneiden. Er darf sich berechtigte Hoffnungen auf einen Ex-ante-Friedensnobelpreis machen.

5. Wer adjustiert die Kristallkugeln der Meinungsforscher?

6. Trump hat es leicht. Er muss sich nur mit einem extrem schwachen Vorgänger messen.

7. Trump wird die USA nicht in den Ruin führen. Er wird das Land aber auch nicht wieder groß machen.

8. Der Marsch durch die Institutionen verändert im Allgemeinen eher die Marschierenden als die Institutionen.

9. Weshalb hat man vor einem Mann, der im Wahlkampf den Mund recht voll genommen hat, mehr Angst als vor einer Frau, welche die Energieversorgung und die Sicherheit des von ihr regierten Landes nachweislich aufs Spiel setzt?

10. Was hat das alles mit mir zu tun?
Noricus

© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.

10. November 2016

Die Sache mit der Demokratie

Das man mehrheitlich in Deutschland mit dem amerikanischen Wahlausgang nicht allzu glücklich ist, ist wenig überraschend wie auch naheliegend und das diese Wunde besonders in der öffentlichen Zunft (sprich: Politik und Medien) am meisten blutet ist auch nicht besonders verwunderlich. Wochenlang hat man die Wahl als praktisch gelaufen beschrieben, hat sich in ziemlich wilder Verleumdung des (nun gewählten) Kandidaten versucht gegenseitig zu übertreffen, ist zufrieden mit sich am Dienstag schlafen gegangen. Und nun? 

8. November 2016

"Trumpery Insanity"

"Postremo petitio cura ut pompae plenae sit, ut inlustris, ut splendida, ut popularis sit, ut habeat summam speciem ac dignitatem, ut etiam, si qua posit ratione, competoribus tuis exsistat aut sceleris aut libidinis aut largitionis accomodata ad eorum mores infamia."
- Quintus Tullius Cicero, Commentariolum petitionis, §52

Vor drei Jahren, zu Ende des Jahres 2013, hat der Verfasser dieser Zeilen verschiedentlich in Gesprächen geäußert, daß es jetzt genau ein halbes Jahrtausend, exakt ein Jahrfünfhundert her sei, daß das älteste Buch fertiggestellt wurde, aus dem in der modernen Welt noch direkt, unverstellt, durch unmittelbare Lektüre das zu ziehen sei, was altfränkischer gepolte Gemüter unter "Nutz und Frommen" einsortieren könnten  - nicht als historische Quelle, als Darlegung einer Philosophie oder Religion, als Dichtwerk - ob nun geistlicher oder schnöde weltlicher Art. Da sind Werke wie Lukrez` De rerum natura oder die Gedichte des Tang-zeitlichen Dichters 李商隱 (Li Shangyin), die Genji monogatari der Murasaki Shikibu oder die Canterbury Tales noch unverstellt zugänglich und genießbar, solange man den Mut - oder die schnöde Wurstigkeit - hat, sich darauf einzulassen (obwohl ein Anmerkungsapparat mitunter gute Dienste als Räuberleiter in versunkene Zeiten tut) . Sondern als lebenspraktische Lektüre, als Ratgeber, als ein unmittelbar Orientierung gebendes opusculum. Werke wie das Laus stultorum, das "Lob de Torheit" des Erasmus von Rotterdam oder Castigliones Hofmann sind uns, bei allem Bemühen, letztlich fern und fremd; das zeitlich am weitesten zurückreichende Werk dürften in aller Regel die Essais von Montaigne darstellen. Nun: im Lauf des Jahres 1513 schloß Niccolò Machiavelli sein erstes bleibendes Werk ab, die Discorsi - eine Darlegung politisch nützlicher oder schädlicher Strategien, der Auswirkungen auf das Gemeinwesen, der Verantwortlichkeit und den Möglichkeiten politischen Handelns. Daß er als Beispiele für diese Erörterungen die ersten fünfzehn Bücher der Ab urbe condita, der Darstellung der römischen Geschichte durch Titus Livius wählte, die nach dem Dafürhalten heutiger Historiker wohl keinerlei historische Geschichtlichkeit für sich beanspruchen können, tut der Sache keinen Abbruch: die dargestellten Ereignisse mit ihren Folgen, die Überlegungen, unter welchen Umständen ein anderes Handeln vorteilhaftere Ausgänge nach sich gezogen hätte: all das wird ungeachtet der "historischen Korrektheit" nicht tangiert. Auch Barbara Tuchman wählte ja noch für ihre Beispielsammlung desaströser politischer Weichenstellungen, The March of Folly (deutsch unter dem Titel Die Torheit de Regierenden) das Beispiel des Trojanischen Krieges, von dessen Historizität vor Heinrich Schliemann niemand überzeugt war wie nach ihm. (Es gibt freilich in dieser Liste zwei Ausnahmen, die die Doppelkriterien des Alters wie der Nützlichkeit erfüllen: die beiden unter dem gleichen Titel Die Kunst des Krieges überlieferten Abhandlungen von Sun Tse und Sun Bin - wobei bei letzterem der wohl einmalige Fall vorliegt, daß ein Werk der Antike, das komplett verlorengegangen war, durch einen glücklichen archäologischen Fund - in diesem Fall die Entdeckung der Yinqueshan-Bambustexte im Jahr 1972 - wiederentdeckt wurde. Da ich aber momentan nicht damit beschäftigt bin, Feldzüge zu planen, nicht einmal solche, die Johann Georg Hamann unter dem Titel Kreuzzüge des Philologen subsumiert hat, bleibt deren Praxistauglichkeit fürs Erste suspendiert.)

Gar nichts weiß man.

7. November 2016

Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion

Nach dem Ende der traditionellen Samstagabendshow dürfte der Tatort das letzte verliebene Lagerfeuer der deutschsprachigen Fernsehkulturnation darstellen. Freilich hat die seit 1970 über den Bildschirm flimmernde Krimireihe den Verdacht eines Etikettenschwindels zu gewärtigen: Denn die - häufig ohnehin wenig realistisch abgebildete - Polizeiarbeit spielt in den meisten Folgen lediglich den Part einer Rahmenhandlung. Im Mittelpunkt steht in einer Vielzahl von Episoden die Beleuchtung einer gesellschaftlich relevanten Problematik, was bisweilen sehr hanebüchen, da zu dick aufgetragen grünfromm daherkommt, aber manchmal ganz gut gelingt.

6. November 2016

Warum ich Donald Trump viel Erfolg wünsche. Aber nicht daran glaube.

Ich gebe zu, ich bin nicht gerade der größte Fan von Donald Trump. Nicht weil ich ihn unsympathisch finde, sondern eher weil ich meine, dass jemand, der sich auf das mächtigste Amt dieses Planeten bewirbt, besser auf dieses vorbereitet sein sollte. "Make America great again" mag ein schöner Slogan sein (wir erinnern uns ja auch an "I like Ike"), aber die Idee wie und mit welchen Methoden Amerika nun wieder groß werden soll, die fehlen mir so ein bischen.

Die Geister des Mars



a.
Und wieder einmal, so die unabweisbare Erkenntnis, ist eine Raumsonde auf dem Weg zum Roten Planeten ein Opfer des Großen Galaktischen Ghuls geworden. Und wie es sich für einen Fall von spukhafter Fernwirkung gehört, beginnt es mit mit einem Fall von déjà vu, der bis ins Jahr 1969, dem Jahr der ersten bemannten Mondlandung, zurückblendet.

Der Höhenmesser zeigte einhunderttausend Fuß an, und John Gant hörte von draußen das stete, dumpfe Dröhnen der Marsatmosphäre, die von dem gedrungenen Körper des Moduls, des Landsflugzeugs, zerteilt wurde. Aber immer noch gellte das Alarmzeichen mit unverminderter Lautstärke. 
     "Ist etwas nicht in Ordnung?" sagte John Gant mit einem Blick auf Luftwaffenmajor Ben Lockwood, der neben ihm im Pilotensitz des Moduls saß.
      "Der Fallgeschwindigkeitsamzeiger spielt verrückt," erwiderte Lockwood. Gant blickte auf die Armatur und sah den dünnen, roten Zeiger zitternd nach rechts wandern.
     John Gant bewegte sich nicht in seinem Co-Pilotensitz. Er lauschte dem Dröhnen der Masratmosphäre, die an der Außenwand des Moduls entlangraste. Es wurde immer mehr zu einem gellenden, sich zur Unerträglichkeit steigernden Heulen und Pfeifen. Die Thermometer zeigten, daß die äußere Hülle des Landeflugzeugs bereits rotglühend sein mußte.
(...)
"Mach 1,05!" sagte Lockwood mit automatenhaft klingender Stimme. "Wir hanen die Schallgeschwindigtkeit überschritten und nähern uns Mach 1,5. Wenn wir bei dieser Geschwindigkeit den Marsboden berühren, bleibt keine Schraube von uns übrig, selbst wenn die Stelle, an der wir landen, so eben ist wie ein Spiegel."
(...)
Gant warf dem Sprechfunkgerät neben seiner rechten Hand einen Blick zu. Lockwood hatte recht. Es war zu spät, einen Versuch zu unternehmen, mit dem in seiner Marsumlaufbahn kreisenden Raumschiff, von dem sie gestartet waren, Funkverindung aufzunehmen. Wahrscheinlich blieben ihnen nur noch wenige Minuten bis zum Aufschlag, und solange sich ihr Modul mit einer solchen wahnsinnigen Geschwindigkeit durch die Marsatmosphäre bewegte, war es von eine Hülle ionisierter Luft umgeben, die keinen Funkkontakt zuließ. 
     Blitzartig schoß John Gant durch den Kopf, was er im Ausbildungszentrum der NASA gelernt hatte: Die Gravitation, die Schwerkraft des Mars, beträgt nur wenig mehr als ein Drittel der irdischen. Und nun rasten sie, angezogen von einer mächtigen Gravitation, der Oberfläche des vierten Planeten entgegen, um auf ihr zu zerschellen. (S. 7-10)

31. Oktober 2016

Happy Reformation

Jedes Jahr wieder führen Strenggläubige den Kreuzzug gegen die Halloween-Unsitte. Zum Beispiel mit einem Aufkleber: "Ich bin evangelisch", steht da drauf, und "ich feiere am 31. Oktober den Reformationstag". Und damit klar ist, was nicht gefeiert werden darf ist zentral eine Gruppe verkleideter Kinder abgebildet, mit rotem Verbotszeichen darüber.

Das kommt rüber wie "Ich bin evangelisch, und bin deswegen ein intoleranter Spießer". Selber den Reformationstag zu feiern ist eine Sache. Aber weder in der Bibel noch bei Luther wird man Belege finden, daß man wegen Reformation den Kindern ihren Spaß nicht mehr gönnen darf.

30. Oktober 2016

Justitia. Schland im Herbst 2016

In dem diesem Blog beigeordneten Diskussionsforum, Zettels kleinem Zimmer, findet sich unter der Hausordnung der Forumsregeln an erster Stelle der Satz  "Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat." Der Endunterzeichner möchte hiermit ausdrücklich klarstellen, daß es sich beim Folgendem nicht um eine intendierte Verletzung der letzten Regel handeln soll, sondern nur um den Hinweis auf zwei konträr gelagerte Fälle, über deren unterschiedliche Gewichtung von Seiten der Jurisprudenz nachzudenken sich lohnen könnte. Auch aus diesem Grund wurde, bis auf einen einzigen Absatz, auf eigene Kommentierung verzichtet. Bei den folgenden Passagen handelt es sich ausschließlich um Zitate aus der Berichterstattung der Onlineportale diverser Zeitungen, die hier - ausnahmsweise - in längerer Form zum Zweck der Dokumentation des Facetten beider Fälle wiedergegeben sein sollen..

Daß der Rechtsstaat in diesem Land, bei allen Friktionen und scheinbarer Schieflage, durchaus funktioniert, ergibt sich aus der Tatsache, daß im ersten Fall das erstinstanzlich ergangene Urteil  durch die übergeordnete Instanz aufgehoben wurde; im zweiten die Anfechtung des Urteils angekündigt worden ist. Es scheint dem Verfasser allerdings wünschenswert, wenn es einer solchen nachgeordneten Klärung der Rechtsfindung nicht erst bedürfte.

27. Oktober 2016

Was erlaube Pöbel ? Ein Gedankensplitter zu Polarisierung und dem Dagegen

Was haben Donald Trump, die AfD, Pegida, der Front Nationale und die UKIP gemeinsam? Ganz einfach, wird der geneigte Leser des neuen Süddeutschlandes aus der Pistole geschossen sagen können: Das sind alles ganz furchtbare Populisten, mit "kruden" Ansichten und dem Willen die Welt ins Chaos zu stürzen.

19. Oktober 2016

Moral und der Mob

Mit großer Werbeankündigung inszenierte die ARD das Theaterstück "Terror" und ließ die Zuschauer darüber abstimmen, ob der im Stück angeklagte Pilot dafür bestraft werden soll, daß er durch den Abschuß eines von Terroristen entführten Passagierflugzeugs die Menschen eines Fußballstadions rettete. Verkürzt gesagt und einige unrealistische Nebenannahmen ignorierend ging es um die Frage, ob man den Tod einer kleinen Anzahl von Menschen in Kauf nehmen darf, um eine viel größere Anzahl von Menschen zu retten. Ein schwieriges moralisches Dilemma.

Den besonderen Spin erhielt die Inszenierung durch die Verknüpfung mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ein Gesetz zu einem solchen Abschußbefehl als verfassungswidrig verworfen hatte. Der Staat dürfe nach Gerichtsmeinung nicht zwischen den Menschenrechten der kleineren und der größeren Anzahl abwägen. Was im Stück verkürzt wurde zur Behauptung, die Handlung des Piloten wäre grundgesetzwidrig.

Wie zu erwarten stimmte aber der überwiegende Teil des Publikums dafür, den Piloten nicht zu bestrafen. Womit dann für viele Journalisten die Frontstellung klar war: Die breite Mehrheit des Volkes stellt sich gegen das Grundgesetz. Die FR geht in typisch linker Verachtung für die Normalbürger so weit, die Abstimmenden als "Mob" zu beschimpfen. Der allgemeine Tenor: Es wäre falsch, daß die ARD überhaupt so eine Abstimmung zugelassen hätte. Man könne die Rechtsprechung nicht den Bürgern überlassen. Und einige Kommentatoren zogen dann gleich die Linie weiter und nahmen die Sendung als Beleg, daß damit auch Volksabstimmungen in der Politik nicht vernünftig wären.

So weit, so falsch.

18. Oktober 2016

神舟十一号 / Shenzhou 11



Wenn man den Zeittakt noch im Ohr hat, mit dem vor einem halben Jahrhundert der erste "Wettlauf ins All" zwischen den USA und der weiland Union der Vereinten Sowjetrepubliken, der mit dem "kleinen Schritt für einen Menschen" im Mare Tranquillitatis seinen Abschluß fand, in Szene gesetzt wurde, kann man nicht umhin, einen Kontrast zu den gegenwärtigen Verhältnissen festzustellen, wie er größer nicht sein könnte, und ihn sich in jeden sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts selbst eingefleischte Pessimisten nicht hätten träumen lassen. Das gilt freilich nicht nur für die Raumfahrt - die die Idee des Aufbruchs, des Überwinden bisher eisen gesetzt geglaubter Grenzen freilich wie keine andere Technologie verkörperte - sondern auch für den Rest der technologischen befeuerten Visionen, die die Entgrenzung der Beschränkungen der menschlichen Möglichkeiten nicht nur denkbar, sondern als unausweichlich erscheinen ließen. Die Künstliche Intelligenz (in ihrer sogenannten "starken Form", mit Intentionalität, Verstehen eines Kontextes, innerer Reflexion) ist heute so weit von ihrer Realisierung entfernt wie zu der Zeit, als Marvin Minsky vor genau einem halben Jahrhundert die Visionen für die noch weit entfernt liegende Jahrtausendwende entwarf, die dann in HAL 9000 in Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" Gestalt gewannen. Die Biotechnologie, oft in den letzten sechzig Jahren als die entscheidende Kunstfertigkeit, τέχνη, ausgerufen, die im 21. Jahrhundert die Physik als Leitwissenschaft ablösen sollte, hat mitnichten chimärische Zwitterwesen erzeugt noch zu einer Panazee gegen jedwedes Leiden oder, negativer, einem gensequentierten Sozialdarwinismus geführt (wie die Albträume der Science Fiction von Brave New World bis GATTACA das in ermüdender Unablässigkeit ausgemalt haben), sondern ersetzt immer noch einzelne Gene mithilfe viraler RNS-Scheren - ein Verfahren, an dem sich in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten seit der Einführung der DNS-Rekombination nichts wesentliches geändert hat. (Wers nicht glaubt, der mache sich klar, daß die Geburt von Dolly dem Klonschaf am schottischen Roslin Institute in drei Monaten volle zwei Jahrzehnte in der Vergangenheit zurückliegt.) Die letzte Utopie in dieser Reihung, die Nanotechnologie, vor genau dreißig Jahren von K. Eric Drexler in seinem Buch "Engines of Creation" als alle Bereiche des Lebens revolutionierendes Atom-für-Atom Baukastenprinzip ausgemalt, ist heute so weit von der auch nur ansatzweisen Blaupause für einen Molekular-Assembler entfernt wie 1986. Die Befürchtungen für das Überflüssigwerden der Humanagenten, wie sie etwa Ray Kurzweil vor 17 Jahren in seinem Buch Homo S@piens umtrieben, dürften auch für etliche künftige Generationen bruchlos alle 20 Jahre neu ausgegraben und weitere 20 Jahre in die Zukunft projiziert werden, ohne Gefahr zu laufen, von der eingetretenen Wirklichkeit ad absurdum geführt zu werden.   

14. Oktober 2016

His Bobness




"It’s night time in the big city
Rain is falling, fog rolls in from the waterfront
A night shift nurse smokes the last cigarette in a pack"
(Theme Time Radio Hour, Ep. 1: "Weather")

I
Manche Dinge erfährt man als Internetizen zuerst durch die spontanen Reaktionen anderer Netzbürger. In diesem Fall durch einen heute mittag um 13:10 auf einem anderen Forum getätigten #aufschrei:

Bitte was? Ich habe mich gerade erstickungsreif verschluckt. Die Infantilisierung des Westens kennt keine Gnade.

Recht hatte der anonyme Kommentator.

II
Bob Dylan wurde am 24. Mai 1941 als Robert Zimmerman in Duluth, Minnesota geboren. Im August 1962 änderte er gerichtlich seinen Namen in Robert Dylan. Vom März 1962 bis zum Mai 2016 veröffentlichte er insgesamt 37 Studienalben und eine kleine Anzahl von Livemitschnitten, die von einer umso größeren Menge hal- und illegaler "Bootlegs" flankiert werden. Die Anzahl der von ihm geschriebenen Songs dürfte zwischen vier- und fünfhundert liegen (USA Today ist im vorigen November auf die Zahl von 359 gekommen), Im Oktober 2016 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

7. Oktober 2016

Alles freiwillig

Manche meinen, wir hätten derzeit das intellektuell schwächste Bundeskabinett seit Gründung der Republik. Das kann man in einigen Fällen bestreiten, aber daß "Justiz"-Minister Maas dieses Niveau nicht hebt hat er schon häufiger bewiesen.

Und tut dies aktuell wieder mit einem Ausspruch den er für so gut hält, daß er ihn auch über SPD-Twitter verbreiten läßt:
„Die Milliarden für die Integration wurden in diesem Land erwirtschaftet und wurden niemanden weggenommen.“

Er hätte recht wenn er damit darauf hinweisen wollte, daß die in Deutschland (unter anderem für Integration) ausgegebenen Steuermilliarden nicht durch Raubzug der Bundeswehr in fremden Ländern erbeutet wurden, sondern im Lande selber produziert wurden. Ginge ja auch gar nicht - beim aktuellen Zustand der Bundeswehr käme da maximal Liechtenstein als Beutobjekt in Frage, und das würden die Schweizer schon mit der Miliz von Sankt Gallen verhindern.

Er hätte auch recht, wenn die im deutschen Staatsbesitz befindlichen Unternehmen ausreichend Gewinne erwirtschaften würden, um den Staatshaushalt zu finanzieren. Ginge aber auch nicht - da geht es eher die Frage, wieviele Zuschüsse Bahn und Co. aus dem Steuersäckel benötigen.

Nein, er glaubt offenbar, daß alles was die Bürger in Deutschland erwirtschaften legitimerweise dem Staat zusteht. Der Ertrag ihrer Arbeit wird ihnen nicht "weggenommen", sondern das mit dem Steuerabführen passiert in seinen Augen alles freiwillig.

Ich werde das mal bei meiner nächsten Steuererklärung aufgreifen. Das Finanzamt wird doch bestimmt nicht wagen, dem "Justiz"-Minister zu widersprechen. Und wenn die mir nichts mehr wegnehmen, dann würde ich gerne freiwillig etwas spenden. Aber eher nicht für die Sachen, die sich Herr Maas so vorstellt.

4. Oktober 2016

An alle

Ich
bin nur der Staat.
Aber
das Volk ist das Volk.

Alle sind das Volk.
Nichts hat sich
geändert:
Wir sind wir alle.

Wir gehören zu uns.
Auch
die Rechten gehören zu uns.
Wie wollen Sie die aufhalten?
Können Sie nicht.
Wie und woher
kommen wir bloß?

Wer ein Problem hat,
soll zurecht
Vorschläge machen,
sich aber überlegen,
wie er es nutzt.
Das ist
gelebte Demokratie.

Rückführung
ist Rückführung.
Aber freundlich.
Mein Land ist nämlich
mein Land.
Auch wenn's mir leid tut.

Brexit ist Brexit.
Ungarn
erwähne ich ungern.
Kurz nur kurz.
Europa heißt Frieden.
Der Euro scheitert am Euro.

"Brücken bauen" heißt
natürlich auch
Brücken bauen.
Wir bauen die Zukunft.
Ich finde das
schön.
Ein Riesenerfolg!

Fakten sind Fakten.
Gefühle sind ebenfalls
Fakten.
Sie sind nunmal da.
Auch das
mussten wir lernen.

Wir schaffen's auf Sicht.
Indem wir Höchstes leisten,
wie immer.

Absolut richtig.

Kallias

© Kallias. Für Kommentare bitte hier klicken.

3. Oktober 2016

Zum 3. Oktober: Heiße Luft über den Stammtischen

In diesem Blog hat der Kollege Andreas Döding vor kurzem erläutert, warum ihm am 3. Oktober nicht so recht zum Feiern zumute ist. Sein Argument, dass der Staat an diesem Tag sich selbst und nicht seine Bürger in den Vordergrund stellt, halte ich für schlüssig.

Nicht so recht in Feststimmung scheint auch Adrian Lobe zu geraten, der in einem auf ZEIT-Online erschienenen Beitrag mit dem Titel "Fremd im eigenen Land" das schwierige Verhältnis der Deutschen zu ihrem Nationalfeiertag und dem Konzept der Nation mit zwei großen inländischen Volksfesten thematisch in Verbindung bringt, nämlich mit dem Münchner Oktoberfest und dem Cannstatter Wasen.

Die Idee ist an und für sich nicht schlecht: In der Tat bietet sich vorderhand nichts so sehr als Symbol für das Klischeedeutschtum an wie das Bierzelt, dieser Hort alkoholgeschwängerten Frohsinns. Doch leider hält Lobes Artikel nicht das, was die ersten Zeilen versprechen. Im Gegenteil: Je mehr sich der Autor über teutonische Stereotype in Rage schreibt, umso mehr erliegt er selbst den hanebüchensten publizistischen Gemeinplätzen.

2. Oktober 2016

Gedanken zur sogenannten postfaktischen Politik

Die Bundeskanzlerin spricht davon, dass sie diejenigen, die "Merkel muss weg" schrien, mit Fakten nicht erreichen könne und äußert andernorts, es heiße, "wir lebten in postfaktischen Zeiten." Dies bedeute, dass es nicht mehr um Fakten gehe, sondern "die Menschen [...] allein den Gefühlen" folgten. In der letzten September-Ausgabe von Anne Will wurde über das Thema "Emotionen statt Fakten - Warum ist Trump so erfolgreich?" diskutiert. Der tendenziöse Titel der Talksendung mag schon erahnen lassen, dass sich ein Betrachten der 60-minütigen Debatte nicht wirklich lohnt. Nach Ansicht des Verfassers genügt die Lektüre von Frank Lübberdings auf faz.net erschienener Kritik, um sich ein Bild von der Konversationsveranstaltung zu machen.

Was die höchsten Kreise der Politik und des beitragsfinanzierten Infotainments mit dieser Themensetzung aussagen möchten, scheint klar zu sein: Es findet eine Art asymmetrischer Kampf zwischen den auf Faktenbasis argumentierenden Vertretern der etablierten Parteien und den frei phantasierenden Rechtspopulisten statt, mit einem evidenten methodischen Vorteil für die Letzteren.

29. September 2016

Der weltweite Dorfsheriff

Der Casper aus Hamburg hat es wieder einmal geschafft. Erneut gelangt er mit seinem Kampf gegen die pösen US-Konzerne in den Schlagzeilen. Auch nachdem ihm schon längst gerichtlich bescheinigt wurde, überhaupt nicht zuständig zu sein - im Kampf um mehr Aufmerksamkeit und mehr Untergebene ist ihm kein Aufwand zu teuer. Sind ja schließlich nur Steuergelder.

Verbraucherschutz war schon wiederholt in Zettels Raum Thema. Die üblichen Vorbehalte gelten auch hier: Es geht um ein völlig freiwilliges und kostenloses Angebot. Die Nutzer müssen nicht "geschützt" werden, weil sie jederzeit auf das Angebot verzichten können. Und im Zweifelsfall arbeitet der "Verbraucherschützer" hier wieder gegen die Interessen der Verbraucher. Denn die Verbraucher mögen das Angebot von Facebook und WhatsApp so, wie es ihnen dort angeboten wird. Da Casper selber noch nie ein nützliches Angebot produziert hat, ist bei ihm deutlich weniger Sachkenntnis in dieser Richtung zu vermuten.

27. September 2016

Wenns unbedingt mit Frau sein muss: Eine Filmkritik

Normalerweise ist Zettels Raum nicht gerade der richtige Ort für eine Filmkritik, ist doch der Anspruch diesen Ortes der von vernünftigen Gedanken von Gott, der Welt, der menschlichen Seele und allen Dingen überhaupt. Weil aber diese Filmkritik auch ein paar gesellschaftliche Aspekte haben wird, mache ich hier eine Ausnahme. Wenn seichte Kinofilme halt nicht ihr Interesse sind und Sie lieber in metaphysicher Betrachtung verweilen, dann machen Sie um den folgenden Artikel einen kleinen Bogen und lesen lieber morgen hier weiter.

25. September 2016

Zitat des Tages: "Bei der Polizei wird jeder Übergriff, bei dem nicht erwiesen ist, daß er keine rechtsextreme Motivation hat, in die Statistik hineingezählt."

Eine bemerkenswerte Einlassung des Brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) in einem Interview mit dem Sender Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb). In diesem Interview referiert  Woidke, wie der "Kampf gegen rechts" aus seiner Sicht zu führen sei und meint offensichtlich unter anderem einen Kampf mit den Mitteln der Statistik.

24. September 2016

Warum mir am 3. Oktober nicht recht zum Feiern zumute ist

Am 3. Oktober wird der Beitritt der DDR zum Gültigkeitsbereich des Grundgesetzes im Jahr 1990 gefeiert. Ohne Zweifel ein erfreuliches Datum, das jedoch letztlich nur den formaljuristischen Schlußpunkt einer Entwicklung markiert, für die als Gedenkanlass andere Tage sehr viel kennzeichnender wären. Man könnte auch sagen: der Staat feiert am 3. Oktober in erster Linie wieder einmal sich selbst.

23. September 2016

Marginalie: Wir schaffen das nicht. "Rückführung"

Manchmal sind es die kleinen, versteckten Meldungen, unauffällig in den hinteren Seiten der Printmedien verborgen, oder auf den Netzportalen der größeren Outlets allein durch eine kurze, kaum auusagekräftige Kurzzeile verlinkten Meldungen, die die gutes Korrektiv zu den allfälligen Spins des tagespolitischen Geschäfts bilden und diese erst in ein aussagekräftiges Verhältnis rücken. Wer vor gut zwanzig Tagen über die Aussage "unser aller Domina und Geiselnehmerin" (Michael Klonovsky) aufgeschreckt worden ist, das Gebot der Stunde heiße jetzt "Rückführung"  -

Das Wichtigste sei nun, abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. Man müsse verstärkt auf die Sorgen der Bevölkerung eingehen, sagte sie laut Teilnehmerangaben. Um solchen Flüchtlingen helfen zu können, die wirklich Hilfe bräuchten, und die Akzeptanz dafür in der Bevölkerung zu erhalten, müsse man entschlossen jene in ihre Heimat zurückschicken, die nicht schutzbedürftig seien.
 „Für die nächsten Monate ist das Wichtigste Rückführung, Rückführung und nochmals Rückführung“, wurde Merkel zitiert. Es könnten nur jene bleiben, die wirklich verfolgt sind. (Die Welt vom 3. Sept, 2016)

- der darf sich beruhigt zurücklehnen. Bangemachen gilt nicht; auch für die Große Politik: the show must go on, und eine Gefahr zur Umsetzung einer solchen radikalen Umsteuerung der hierzulande geübten Praxis droht nicht einmal ansatzweise.

21. September 2016

USA: Präsidentschaftswahl 2016. And the winner is...

47:23:18:50


Langggedienteren Lesern dieses Blogs wird es aufgefallen sein, daß die Wahlen zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika in diesem Blog bislang keine (und nur in sehr eingeschränktem Maß im angeschlossenen Diskussionsforum) Aufmerksamkeit gefunden haben. Ganz im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Wahlen, die vom Gründer dieses Netztagebuchs in ausführlichen Serien detailliert begleitet worden sind (hier und hier nachzulesen). Das liegt natürlich am Naturell von "Zettels Erben", ihrer Aufmerksamkeitsökonomie, ihrer Präferenzen, und, zumindest im Fall des Endunterfertigten, am doppelten Gefühl, vor den verlinkten Beispielen nur trübseliges Pfuschwerk präsentieren zu können und auf die anderen Seite angesichts des Dauersperrfeuers, mit dem unsere Medien den nun seit 18 Monaten laufenden Wahl- und Vorwahlkampf abdecken, wenig bis nichts Substanzielles zum Thema beitagen zu können.

Nicht, daß es sich nicht lohnen würde, der unisono entschiedenen proaktiven Heiligsprechung der demokratischen Kandidatin Hillary Rodham Clinton nebst der ebenso flächendeckenden Perhorreszierung ihres satanischen Gegenparts Donald John Trump, dem eigentlich nur noch eine tiefrote Hautfärbung nebst zwei Stirnhörnchen zur Komplettierung des Leibhaftigen abgehen, durch die hiesigen Medien sanft zu widersprechen, allein schon aus Gründen einer mephistophelischen Lust am Widerspruch halber ("Ein Kerl, den alle Menschen hassen: Der muß was sein", meinte Arno Schmidt einmal). Aber zum einen neigen auch die Mehrzahl de Media outlets der Anglosphäre, die man salopp, aber nicht ganz unzutreffend ausgedrückt, als "linksdrehend" bezeichnen könnte, zumeist zu einer polarisierten Sicht auf beide Kandidaten, die dem hiesigen Medienstadl kaum nachsteht.  Zudem ist eine solche manichäische Präsentation, streng in weißgutdemokratisch versus schwarzargrepublikanisch geschieden, seit dem legendären Kampf um die Thronfolge Dwight D. Eisenhowers zwischen John F. Kennedy und Richard Mulhouse Nixon im Herbst 1960 mit dem legendären ersten Fernsehduell zu einer unveränderlichen Tradition geronnen wie der alljährliche Sturz Freddy Frintons über den Tigerkopf. The same procedure as every four years.

Und schließlich zählen für den Endunterzeichner (im weiteren Verlauf als "ich" figurierend; das Adorno'sche Verdikt Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie ich sagen ignoriert dieses schreibend unlyrische Ich als alteuropäische Dünkelhaftigkeit) nicht die Fürfallenheiten des Wettbewerbs um die Stimmen der Wähler, sondern das Endresultat. Nicht also: "wen würdest du am liebsten gewinnen sehen?", auch nicht "wer sollte die Wahl gewinnen?" (Zwei Fragen, die durchaus nicht deckungsgleich sind, wenn auch der Endunt..., wenn auch ich  freimütig zugebe, daß ich mich, hätte ich je die Staatsbürgerschaft meines so nur portativen Vaterlands erworben, mich ins Wählerverzeichnis der Partei im Zeichen des Elefanten eingetragen hätte. Bekanntlich ist das, nicht die bloße Gegenheit der Staatsbürgerschaft, die Voraussetzung, sein Kreuzchen setzen zu dürfen.) Sondern: "wer wird die Wahl gewinnen?" Nicht zuletzt verdankt sich das einem über Jahrzehnte konditionierten Pawlowschen Reflex wider bundesdeutsche Wahlkrämpfe von den Straußstops bis zur Guidomobilisierung, dem ein fortwährendes unaufgehobenes Moratorium sämtlicher Gladiatorenwettstreite das liebste wäre.  Die amerikanische Variante dieses Schaukampfs mit monatelangen Vorwahlen in allen Bundesstaaten, der Bestimmung der Wahlmänner, der endlosen Kavalkade der Spendengalas zur Einwerbung von Wahlkampfgeldern, dient freilich einem weiteren, wichtigeren Zweck: Wer diese Ochsentour unbeschadet übersteht, von dem kann der Wähler sicher sein, daß er (bislang nur "er") sämtliche denkbaren Fährnisse der kommenden Inkumbenzperiode lässig zu meistern versteht. Wer also wird die Wahl am 8. November, in genau sieben Wochen, für sich verbuchen?

Die wöchentlich oszillierenden Polls, die Wahlumfragen, haben in den letzten Wochen kaum nennenwerte Schwankungen gezeigt, zumeist mit einem leichten Vorsprung von 1 bis 2 Prozent für Frau Clinton: also einem nicht nennenwerten Bonus - vor den gut 9 Prozent für den Kandidaten der Libertarian Party, Gary Johnson, und gut dreieinhalb für das Aushängeschild der Green Party, Jill Stein. (Sollte es Sie überraschen, daß es in den USA überhaupt eine Partei der Grünen gibt, geschweige denn, daß man dort als Wettbewerber ums höchste Staatsamt antritt: beide Kandidaten vereinigen auf sich ein reines Protestwählerpotenzial: die Stimmen derer, die am politischen Prozeß teilnehmen möchten - Nichtwähler dürfen sich nicht über ihnen mißliebige Ergebnisse beklagen - aber ihr Mißfallen an der eingefahrenen, zementierten zweihundertjährigen bipolaren Tradition zum Ausdruck bringen wollen. Eine Rolle in der politischen Willensbildung spielen sie nie; ein Faktum, daß auch allen ihren Wählern - naiven Idealisten ausgenommen, die es in den USA nicht weniger gibt als auf unserer Seite des Großen Teiches - völlig klar ist. "Third party politics" haben seit den Know-Nothings der 1850er Jahre in der amerikanischen Politik nie eine Chance gehabt; ihre Anliegen finden erst dann wirksamen Ausdruck, wenn sie Einlaß in die Agenda der beiden großen Monolithe gefunden haben; zuletzt hat die Tea Party diese Erfahrung machen müssen.) 

(Apropos Tea Party: bei näherer und unaufgeregter Betrachtung ist es frappant, welche Ähnlichkeiten, welche Parallelen die amerikanische Tea Party mit der bundesdeutschen AfD aufweist: vom staatspolitisch eingefleischtesten Konservatismus bei gleichzeitig breiten, teilweise durchaus liberalismus-kompatiblen Ausrichtung auf anderen Gebieten, etwa der Wirtschaft; der vehementen Rückbesinnung auf die eigenen demokratischen Startpositionen, ob nun die Gründerväter oder die "Väter des Grundgesetzes" benebst den Römischen Verträgen; die Rekrutierung der Wählerschaft aus der gesamten Breite des politischen Spektrums; die systematische Verteufelung bis hin zur Perfidie und blanken Lüge, über Jahre und zumeist ohne jede Faktenabprüfung, durch die meinungsbildenden Hauptstrommedien; nicht zuletzt das weibliche Führungspotential, von diesen diesen Medien als entweder spleenig-bizarr oder als autoritäre Hexe verteufelt; bei denen nüchternen Betrachter es dagegen schwerfällt, ihnen ob ihrer bisherigen Lebensleistung einen tiefen Respekt zu versagen. Neither Michelle Bachmann nor Ms von Storch may be you cup of tea - no pun intended - but Frauke Petry is our Sarah Palin.)

Der Gleichstand der beiden Spitzenkandidaten Clinton und Trump schien bislang das Urteil zu rechtfertigen: "es bleibt weiterhin spannend". Zumal die oft als ausschlaggebend angesehenen drei Fernsehduelle (am Montag, dem 26. September an der Hofstra University in Hempsted im Bundesstaat New York; am Sonntag, dem 9. Oktober am der Universität von St. Louis, und zuletzt am Mittwoch, dem 19. Oktober an der Universität von Nevada in Las Vegas. Vier; wenn man den Schlagabtausch zwischen den Kandidaten fürs Vizepräsidentenamt am 4. Oktober mitzählt.)

Jetzt sind freilich drei Facetten, kleine Aspektchen eigentlich nur, hinzugekommen, die mir jedenfalls doch hinreichend scheinen, an dieser Stelle meinen Hut in den Ring zu werfen - auch wenn meine track record als politische Kassandra höchst deplorabel ist. Nach meinem Dafürhalten ist das Rennen entschieden, gelaufen. finito. And, wie man seit einiger Zeit im Deutschen sagt, the winner is

Der Nichterfinder des Pulvers

Was haben ein syrischer Arzt und ein senegalesischer Ministrant gemeinsam?

In beiden Fällen handelt es sich um Metaphern, Projektionen der politischen Meinung von Personen und Gruppen, die auf dem Rücken potenzieller Biografien einen von Tag zu Tag hässlicher werdenden politischen Streit austragen. Sie stehen sinnbildlich für den Verlauf der Diskussion.

20. September 2016

Marginalie: Wenn das Wickeln nicht so läuft

Ein ganz interessanter Artikel ist, wenn auch eher unter ferner liefen, in der FAZ erschienen und beschäftigt sich mit dem Elterngeld, speziell mit der Frage, warum es so wenig Väter (!) in Anspruch nehmen. Der Artikel selbst ist recht lesenwert, bleibt aber unterm Strich in einem Klischee haften, dass die wesentlichen Gründe warum Männer (!) keine Elternzeit nehmen, darin bestehen, dass zum einen das Geld dafür fehlt und sie zum anderen Männer keine Lust dazu haben. Am Ende bleibt der Leser mit der mehr oder weniger verhehlten Erkenntnis zurück, dass Männer, wenn sie nicht so faul und bequem wären, und sich Familien ein bischen mehr einschränken würden, mindestens ebenso oft Elternzeit nehmen würden, wie die Mütter. Oder sollten, je nach Leserart.

19. September 2016

Zeit zurückdrehen ? Frau Bundeskanzler simuliert Selbstkritik.

"Merkel gesteht Fehler in der Flüchtlingspolitik ein", so titelt die FAZ heute und zitiert gleich einen passenden Satz dazu: „Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen“.
Sapperlot mag dem einen oder anderen durch den Kopf gehen: Hat Sie jetzt, nachdem es ihr nun mehr als ein Jahr um die Ohren gehauen wird, endlich verstanden, welchen Schaden sie angerichtet hat, welch massives Problem sie verursachte? Um es kurz zu sagen: Nein, hat sie nicht. Ganz im Gegenteil. Die Aussagen von Merkel dienen eigentlich nur einem Zweck: Dem Nachlaufen der öffentlichen Diskussion, um so zu tun, als habe sie die Kritik nicht nur verstanden, sondern sei ja eigentlich auch schon immer dieser Meinung gewesen. Inhaltlich ist ihre Reflektion ohne jedwede Eigenerkenntnis, dafür mit viel Selbstgerechtigkeit und vielen Floskeln.

18. September 2016

Mimimi

Mimimi ist ein wunderschönes und ausgesprochen praktisches Wort. Es ist unglaublich hilfreich, wenn es darum geht sachliche Auseinandersetzung erst gar nicht bestreiten zu müssen und den adressierten Personen von vorneherein die Berechtigung zu entziehen sich zu beschweren.
So spart man sich nicht nur die Auseinandersetzung, man kann auch gleichzeitig ein Statement darüber abgeben, dass die Adressierten eigentlich eine Bande von Weicheiern sind, die gefälligst vom Herd wegbleiben sollen, wenn sie das Feuer nicht vertragen. Wunderschön. Einfach. Unsachlich. Und furchtbar praktisch.

14. September 2016

Neues vom Hausbau: Das Märchen vom Passivhaus

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Wenn man sich heute mit dem Thema Neubau von Wohnhäusern beschäftigt (was diesen Autor derzeit umtreibt), dann begegnet einem ab und an ein besonderes Wesen, dass seine Verwandtschaft mit dem gemeinen Einhorn nicht ganz von der Hand weisen kann: Das so genannte Passivhaus.

12. September 2016

Kurioses kurz kommentiert: Ist die Monarchie der Ausweg?

Der Verfasser dieser Zeilen glaubt ja gewöhnlich nicht daran, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als ihn seine Schulweisheit lehrt. Aber mittlerweile möchte er nicht mehr ausschließen, dass der große Kaiser in seinem hundertsten Todesjahr mit homerischem Gelächter auf die Nachkommen seiner Untertanen herabschaut: Die Stichwahl zum österreichischen Bundespräsidenten wird wohl verschoben werden - wegen funktionsuntüchtiger Klebestreifen auf den Wahlkarten. Dies ist in rechtlicher Hinsicht keineswegs unproblematisch.

5. September 2016

Ja, nein, vielleicht - Gedanken zur Änderung des Sexualstrafrechts, Teil 1

Führerscheinneulig Fritz fragt seinen Onkel Otto, der gerade ein nagelneues Sportwagenmodell Zuffenhausener Provenienz in seine Garage eingestellt hat: "Verkaufst du mir die Kiste für 100 Euro?" Daraufhin Onkel Otto, mit dem rechten Zeigefinger an seine Stirn tippend und in erkennbar ironischem Ton: "Aber natürlich, der Herr. Stets zu Diensten."

Andere Szene: Führerscheinneuling Fritz fragt seinen Onkel Otto, der einen in die Jahre gekommenen Kleinwagen aus Rüsselsheim sein Zweitfahrzeug nennt: "Leihst du mir mal bitte kurz deinen Corsa? Ich muss für meine Party heute Abend Getränke holen." Daraufhin Onkel Otto in strengem Ton: "Nein." Den irritierten Gesichtsausdruck seines Neffen erwidert er mit einem Lächeln und wirft ihm den Autoschlüssel zu.

4. September 2016

Drittstärkste politische Kraft im Bund: Anmerkungen zum AfD-Erfolg aus psychologischer Perspektive

Laut Meinungsumfragen bildet die AfD bundesweit aktuell die drittstärkste politische Kraft. Möglicherweise wird sie nach den heutigen Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern noch vor der CDU liegen. Auch wenn viele Entwicklungen der vergangenen Monate darauf hingedeutet haben, so ist dies dennoch ein bemerkenswerter Vorgang für eine Partei, die zunehmend völkisch und querfrontig grundiert erscheint und deren Flügelkämpfe eigentlich, den gängigen Regeln von Politik und Demoskopie folgend, zu deren Schwächung führen müßten. Aktuell kann die AfD augenscheinlich machen was sie will, sie wird, so scheint es, vom Wähler aus Prinzip goutiert.

30. August 2016

Sex, Lügen und Video. Ein kleiner Gedankensplitter zum Fall Gina-Lisa.

Eine bittere Pille für "Team Gina-Lisa", das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilte die C-Prominente Gina-Lisa Lohfink zu einer Strafe von 80 Tagessätzen wegen falscher Verdächtigung. Damit geht ein eigentlich vom Ergebnis her ziemlich irrelevanter Prozess (80 Tagessätze entsprechen nicht einmal einer Vorstrafe) in der ersten Runde vorerst zuende. Das Gericht lies am Ende wenig Zweifel an seiner Überzeugung daran, das nicht nur keine Vergewaltigung stattgefunden hat, sondern auch das Frau Lohfink bewusst gelogen hat, um eine falsche Verurteilung ihrer früheren Liebhaber zu erreichen.

Und beim nächsten mal sinds Steine. Ein Kommentar zu einer weiteren Torte.

Eigentlich war es zu erwarten. Da Torten ja in der politischen Auseinandersetzung der Bundesrepublik inzwischen eine anerkannte Methode des Kommentars geworden sind, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit bis sich wieder jemand für unglaublich kreativ hält mit einer solchen seinen Respekt vor der Demokratie zu unterstreichen. Genaugenommen ist es nach Torte Nummer eins auf Beatrix von Stroch (die Torte auf Bill Gates lassen wir mal weg, da er mit deutscher Politik ja nun nix zu tun hat), Torte Nummer zwei auf Sarah Wagenknecht und dem gescheiterten Tortenwurf auf Thilo Sarrazin (Nummer drei) nach bisheriger Zählung Nummer vier. Und wie es leider ebenso zu erwarten war, bei jedem "Gag" ist irgendwann so die Luft raus, so dass der Tortenwerfer meint etwas oben drauf packen zu müssen. Diese Packung oben drauf war diesmal die kleine Eigenschaft, dass die Torte gefroren war. Und selbst wenn man bei einem Hang zum Slapstick und derbem Humor das Werfen von Torten auf Politiker für witzig empfindet: Hier ist Schluss mit lustig.

29. August 2016

Marginalie: Der Ruck

Wenn Sie sich, liebe Leser, angesichts der Nennung des Urhebers und der Fundstelle des nachstehenden Zitats verwundert die Augen reiben, kann Ihnen das der Verfasser dieses Beitrages nicht verdenken.
Der Ausweis allein ist noch kein Ausweis für Integration. Aber das Festhalten an einer migrantischen Sonderidentität ist ihr Gegenteil. [...] die Einwanderungsgesellschaft wird auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn sie sich die Assimilation als Ziel setzt.
(Jakob Augstein, "Debatte über Doppelpass: Wer sind wir ...", Kolumne Im Zweifel links vom 25.08.2016, SPIEGEL-Online)

26. August 2016

Marginalie: Der gekränkte Journalist und das Beliebtheitsranking

Wie mag man es bezeichnen, wenn ein Journalist bei der Beantwortung einer vergleichsweise einfachen Frage völlig scheitert, im (unbeabsichtigten) Subtext ebenjene Frage jedoch auf das präziseste beantwortet? Ein Wunder? 
Aber der Reihe nach.
Unter dem Titel "Die AfD-Hetze zeigt erste zersetzende Wirkung" beklagt sich WELT-Autor Uwe Schmitt zunächst darüber, daß Journalisten in berufsbezogenen Beliebtheitsrankings (genau genommen wird bei diesem Ranking nach Vertrauenswürdigkeit gefragt) stets die letzten Plätze (zusammen mit Politikern) belegten.

25. August 2016

Digitale Erbschaft

Eine traurige Geschichte, eine grausame Krankheit, ein totes Kind.
Trauernde Eltern, die noch möglichst viele Erinnerungen aufbewahren wollen.
Und ein mitfühlender Reporter, der leider mit dem Neuland nicht zurecht kommt.

Es geht um die Frage, wie man an die verschlüsselten Daten auf einem iPhone kommt, wenn man die Zugangsdaten nicht kennt. Das beschriebene Beispiel mit den Eltern, die das Zugangspaßwort zum iPhone des verstorbenen Kindes nicht kennen, ist ja nur ein Sonderfall - es gibt viel mehr Konstellationen zu diesem Problem.

Der Journalist merkt noch, daß es schon sehr schwierig ist festzustellen, wer überhaupt berechtigt sein könnte an die gesperrten Daten heranzukommen. Ein eifersüchtiger Ehepartner, ein Geheimdienst, ein Handy-Dieb sind ja genau die Leute, gegen die eine Verschlüsselung überhaupt benutzt wird.
Und im konkreten Fall: Aus Sicht des trauernden Vaters mag es logisch erscheinen, daß er an die Daten des verstorbenen Sohns kommt. Es ist aber völlig offen, ob der Sohn das umgekehrt genauso gesehen hat. Pubertierende Kinder möchten nicht unbedingt, daß ihre Eltern Zugriff auf ihre Emails, Tagebucheinträge oder Photos haben.
Es gehört auch nicht zu den mitbezahlten Dienstleistungen eines Handy-Verkäufers, Entschlüsselungswünsche zu bedienen und die dafür nötigen aufwendigen Berechtigungsprüfungen vorzunehmen. Schließlich ist es alleine Kundenentscheidung, die Verschlüsselung überhaupt zu verwenden - man kann das Handy problemlos auch ohne Zugangscode verwenden.