27. September 2020

Die amerikanische Wahl: And the winner is...



Da der geschätzte Blogger-Kollege Llarian zu Beginn dieser Woche hinsichtlich der Ausgestaltung des Parcourses für die in gut fünf Wochen anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA eine gute Übersichtkarte entworfen hat und die Regeln des Spiels als allgemein bekannt vorausgesetzt werden dürfen, kann ich es mir leicht machen und brauche nur noch wie beim letzten Wahlgang vor vier Jahren den Ausgang des Matches mitzuteilen.

Ich habe es mir in den letzten Jahren (die Wahl von 2016 war hier der Anlaß) zur Angewohnheit gemacht, einen anstehenden Wahlgang nicht unter der Perspektive "wer könnte es werden?", "was spricht für oder gegen diesen oder jenen Kandidaten?" zu sehen, sondern es auf die schlichte Frage "wer WIRD es?" herunterzubrechen. Es wird einen Wahlausgang geben, der Gewinner wird feststehen (wenn auch womöglich mit einiger legalistischer Verzögerung), und die Unwägbarkeiten, die "known knowns" und "known unknowns", vor allem die eigenen Präferenzen werden nach Feststehen des Endergebnisses keine Rolle mehr spielen. Das mag wie ein semantischer Taschenspielertrick wirken, es läßt die Angelegenheit aber in anderer Perspektive erkennen, es taucht sie in ein anderes Licht. (Man beachte auch, daß aus dieser Optik ein Faktor des üblichen wahltaktischen Rasenschachs weitgehend entfällt, nämlich Überlegungen der Art: "wenn Trump die 'swing states' nicht für sich entscheiden kann, aber statt dessen auf die Stimmen aus Minnesota, Wisconsin und Michigan zählen kann..." Es reicht, daß ein Kandidat auf eine Mehrheit an Wahlmännern aus seiner Partei zählen kann - deren Anzahl von der Bevölkerungszahl der jeweils entsendenden Bundesstaaten abhängt - die ihn im Dezember in sein Amt wählen.)

Freilich ist die Gemengelage dieses Mal etwas anders als 2016.

22. September 2020

Die amerikanische Wahl

Es sind noch sechs Wochen bis zur amerikanischen Wahl, einer ziemlich wichtigen Wahl in Anbetracht der Tatsache wie gegensätzlich die Standpunkte sind, die von den beiden großen Parteien derzeit eingenommen werden. Die deutsche Presse beschäftigt sich derzeit lieber mit wichtigeren Themen, beispielsweise der "Hochzeit von Sylvie" (Bild), den letzten Ausfällen von Jan Böhmermann (Welt) oder den letzten Eskapaden der aktuellen Sea-Watch-Weltenretter (Focus). Die reinen Fiktionsmaschinen wie Spargel, Prantlhausener Zeitung und Kinderstürmer nicht einmal erwähnt. 

Dabei wäre zur amerikanischen Wahl sehr viel zu sagen, denn wenn man die letzten Wochen in den USA nicht gerade durch das Kaleidoskop eines ARD-Faktenverdrehers wahrgenommen hat, so bahnt sich in den USA eine sehr seltsame Wahl an, die leider sehr dunkle Schatten auf das wirft, was die Amerikaner (und damit indirekt auch Europa) in den nächsten Jahren so erwartet.

17. September 2020

Leben auf der Venus?

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Ja. Vielleicht. Eher nicht. Möglicherweise. Doch der Reihe nach.

1.
Für ein knappes Jahrhundert, nachdem die Darwinsche Evolutionstheorie dem Nachdenken über die Entstehung des Lebens und die Entwicklung höherer Lebensformen ein theoretisches Grundgerüst verliehen hatte, also ab den sechziger Jahren der 19. Jahrhunderts, bis zum Anbruch des "Raumfahrtzeitalters" fast genau 100 Jahre später, als die technischen Möglichkeiten entwickelt wurden, die Bedingungen, die anderenorts im Sonnensystem vorherrschen, aus der Nähe in Augenschein zu nehmen, war neben dem Mars unser Nachbarplanet Venus immer der aussischtsreichste Kandidat für eine weitere Wiege des Lebens. Anders als beim roten Planeten, dessen Temperaturen und Oberflächenformationen zumindest schemenhaft in den damaligen Teleskopen auszumachen waren, verwehrte die undurchdringliche Wolkendecke den Forscheraugen jeglichen Einblick. Nicht einmal die Dauer eines Tages ließ sich vor den ersten Visiten durch Raumsonden Mitte der 1960er Jahre angeben. Daher blieb den Spekulationen nur, sich an der Größe, die der der Erde beinahe entspricht, sowie an der größeren Nähe zur Sonne festzumachen. Der schwedische Physiker und Nobelpreisträger Svante Arrhenius (1859 geboren, dem Erscheinungsjahr von Darwins "The Origin of Species" und 1927 gestorben), der Entdecker des Treibhauseffektes, und, ja doch, ein entfernter Verwandter von Greta Thunberg, mutmaßte kurz nach der Jahrhundertwende folgendermaßen:

11. September 2020

Bundeswhahaharntag

"Nun haben aber die Sirenen eine noch schrecklichere Waffe als den Gesang, nämlich ihr Schweigen. Es ist zwar nicht geschehen, aber vielleicht denkbar, daß sich jemand vor ihrem Gesang gerettet hätte, vor ihrem Schweigen gewiß nicht." - Franz Kafka, "Das Schweigen der Sirenen"
Vorausgeschickt sei, daß am heutigen Morgen, dem 10. September 2020, dem "Bundeswarntag", in meinem Kleinstädtchen um Punkt 11 Uhr tatsächlich eine Sirene geheult und zwanzig Minuten darauf Entwarnung gegeen hat. Auf der lokalen Ebene, auf der seit Anfang der 1990er Jahre, nach der Auflösung der zehn bis dahin dafür zuständigen zehn Warnämter, die Verantwortung für die Auslösung des Alarms liegt, funktioniert die Durchführung also durchaus noch. Jedenfalls soweit vor Ort noch eine solche Vorrichtung montiert und in Betriebsbereitschaft ist. Von den 80.000 Sirenen, die in den Anfangsjahrzehnten der Bundesrepublik (für die ehemaligen DDR habe ich keine Zahlen finden können) als flächendeckendes Alarmsystem installiert worden sind, sind mindestens die Hälfte nach der deutschen Wiedervereinigung demontiert worden; man findet Angaben, daß der Bestand aktuell bei gut 15.000 Vorrichtungen liegt. Aber gemäß den Meldungen, die am Nachmittag nicht nur in den sozialen Netzen (allem voran natürlich das sekundenaktuelle Dorftratsch-Hightech-Äquivalent Twitter, sondern auch in Berichten etwa bei der "Welt" und im "Focus" zu lesen waren, darf man den Probelauf des bundesweiten Alarmsystems unumwunden als Fiasko bezeichnen. Der Münchner "Merkur" schrieb sogar von einer "riesigen Panne". Das mag dem Tonfall des Boulevards geschuldet sein; in der Sache kann man dem Befund beipflichten.

9. September 2020

Stella Benson, "Tchotl" (1932)

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Der erste Gedanke, der Nielsen durch den Kopf schoß, als der weiße Tropenhelm in seinem Blickfeld auftauchte, war, daß ihn jetzt ein ausländischer Reisender besuchen wollte. Das hätte ihn überrascht, denn soweit er wußte, hielten sich in der chinesischen Stadt Laopao ausschließlich Chinesen auf; er selbst bildete die Ausnahme. Es war etwas, das er nicht verdrängen konnte: auf allen Straßen scharten sich Menschenmengen um ihn, als ob er eine Art Fabelwesen wäre, das es aus der Zukunft in die Vergangenheit verschlagen hätte. Als der Besucher die Eingangsstufen erreicht hatte, wurde Nielsen freilich klar, daß ihn die helle Farbe des Tropenhelms genarrt hatte; es war nur ein Besucher, wie man ihm in Laopao erwarten konnte: ein junger chinesischer Geschäftsmann. Nielsen, der aus Minnesota stammte, besaß ein geschäftsmäßiges, freundliches Temperamt, und er wälzte sofort seine stämmigen Beine von dem Liegestuhl, auf dem er lag, um seinen Gast zu begrüßen. In seinen großen, hungrigen, leicht vorstehenden Augen blitzte es erwartungsvoll.

Das Gesicht des Neuankömmlings stand in markantem Gegensatz zum den perfekten Rundungen des Tropenhelms: es war schwermütig; die Wangenknochen verliehen ihm etwas Trauriges, obwohl (da es sich um ein chinesisches Gesicht handelte) keine Falten ihre Spur der Enttäuschung dort hinterlassen hatten.

5. September 2020

Wenn "Meinung" und "Person" nicht mehr getrennt werden dürfen.

Ein Gastbeitrag von Frank2000.

Ist eigentlich noch im kollektiven Gedächtnis verankert, dass es mal eine Zeit gab, in der das "Pseudonym" nichts anrüchiges war, sondern völlig normal?