Jean Ray, „Der Klub der Hundertjährigen“ (1964)
Als mein Großonkel sein fünfundneunzigstes Lebensjahr erreicht hatte, gründete er den „Klub der demnächst Hundertjährigen.“ Zu den Mitgliedern gehörten Martin Cobb, Jack Salwin, bob Raven, Ben Hass und mein Onkel Tim. Vom Alter her unterschieden sie sich nur in wenigen Monaten, und Onkel Tim wurde zum Vorsitzenden gewählt, weil es seine Idee gewesen war.
Er ließ mich zu sich kommen und sagte:
„Thomas: die Regeln unseres Klubs sind schlicht und einfach. Im Grunde gibt es nur eine einzige. Jedes der Mitglieder vermacht mit seinem Tod den Überlebenden etwas Wertvolles. Um was es sich dabei handelt, haben wir bereits festgehalten:
„Martin Cobb: ein Bauernhof mit Viehbestand.
„Jack Salwin: ein Landsitz.
„Bob Raven: sechs Rennpferde.
„Ben Hass, der Kunstsammler ist: ein Selbstbildnis von Rembrandt.“
„Und du selber, Onkel?“ fragte ich.
Der alte Mann bedachte mich mit einem schalkhaften Zwinkern.
„Meinen gesamten Besitz, Tom. Aber mach dir keine Sorgen. Ich werde es noch erleben, wenn man sie beerdigt. Ich werde nämlich hundert.“
„Bist du dir da so sicher?“ fragte ich.
„Ganz sicher. Schau mal: Martin Cobbs Herz fängt an, ihm Beschwerden zu machen; Salvin hustet, daß man davon taub werden könnte; Raven plagt die Gicht und Ben Hass schmilzt jeden Tag mehr dahin als Schnee auf einem heißen Ofen. Ich dagegen …“
Er klopfte sich auf die Brust und zwinkerte mir nochmals zu. Ich mußte zugeben, daß er für sein Alter noch verflixt gut aussah.
„Versteh‘ mich richtig,“ fuhr er fort. „Ich muß es nur so lange aushalten, bis ich die Hundert erreicht habe – und alle diese Schätze sind meine. Und wenn ich dann den Löffel abgebe, wer erbt alles? Wer anders als mein treu ergebener Neffe, Thomas Isidorus Trent?“