Wenn man die deutsche mit der internationalen Berichterstattung zum Tsunami in Japan und seinen Folgen vergleicht, dann fällt vor allem eines auf:
International wurde und wird von allen Aspekten der Katastrophe berichtet - von den Schäden in Japan, von denen immer deutlicher wird, daß sie viel schlimmer sind als zunächst erwartet; von den (zum Glück im Gegensatz dazu glimpflichen) Auswirkungen auf die anderen Inseln des Pazifik und dessen Anrainerstaaten; von den Problemen in den beiden Atomkraftwerken bei der Stadt Fukushima, Daiichi und Daini.
Bis heute Nacht war das ungefähr auch die Reihenfolge der Wichtigkeit, die diesen Themen beigemessen wurde. Als die Probleme in den beiden Kraftwerken, vor allem in Daiichi, in der vergangenen Nacht gravierender wurden, trat dieser Themenkomplex vorübergehend in den Vordergrund; neben den anderen, die weiter ebenfalls im Mittelpunkt stehen.
Denn seit dem heutigen Morgen, seit man also die Schäden bei Tageslicht sehen kann, wird immer deutlicher, wie gewaltig sie sind. Nur ein Beispiel: Soeben berichtet BBC, daß in der Stadt Minimisanriku die Hälfte der Einwohner nicht mehr auffindbar ist; rund zehntausend Menschen. Nach einer Meldung der BBC wurde die gesamte Stadt Ofunato zerstört.
Das Leiden ist groß, die Zerstörung immens. Darüber berichten BBC, CNN und Al Jazeera rund um die Uhr; neben dem Thema Fukushima.
Und in Deutschland? Wenn man sich die "Tagesschau" ansieht, wenn man die Berichterstattung beim Sender Phoenix verfolgt, dann hat man den Eindruck, daß es zu den Folgen des Tsunami nachgerade nur ein einziges Thema gibt: Die Schäden am Block 1 des Kernkraftwerks Daiichi bei Fukushima.
Unter der Überschrift "Deutsche Prioritäten" schreibt dazu in antibuerokratieteam.net Daniel Fallenstein:
Natürlich ist der schwere nukleare Störfall ein wichtiges Thema. Aber er ist doch nicht das einzige im Zusammenhang mit dieser Katastrophe. Und dies ist vor allem ein Thema, zu dem die Medien - ganz besonders die öffentlich-rechtlichen - ihrer Pflicht nachkommen sollten, sachlich und ohne wildes Spekulieren zu berichten.
Bis heute am frühen Nachmittag stand auf der WebSite der "Tagesschau" eine Meldung, die inzwischen ausgetauscht wurde. In Zettels Kleinem Zimmer hat aber Leibniz die Kernsätze dokumentiert:
Der Reaktorraum ist von dem Container umgeben, einem Stahlbehälter, der ihn von der Umwelt abschließt. Dieser Container wiederum befindet sich in dem Reaktorgebäude. Man kann sich das so vorstellen: Der Reaktorraum ist der Kern einer Walnuß. Er sitzt fest verschlossen in deren Schale. Das entspricht dem Containment. Diese Nuß nun hat jemand in eine kleine Pappschachtel getan; das ist das Reaktorgebäude. Was jetzt geschehen ist, das ist eine Zerstörung eines Teils der Pappschachtel. - Weiter FAZ.Net:
So sind die Fakten. Alles andere ist gegenwärtig Spekulation.
Es kann natürlich immer noch zu einer Kernschmelze kommen. Man kann noch nicht einmal ausschließen, daß sie schon im Gang ist. Man kann in einer solchen Situation überhaupt kaum etwas ausschließen. Aber es gibt keine Fakten, keine Indizien, die darauf im Augenblick hindeuten.
Und selbst wenn es zu einer Kernschmelze kommen sollte, muß das keineswegs ein "zweites Tschernobyl" bedeuten. Solange das Containment und die Bodenwanne intakt bleiben, wird es keine erhebliche radioaktive Verstrahlung der Umgebung geben. Im Einzelnen können Sie das in der Analyse von Stratfor nachlesen, die ich heute Mittag dokumentiert habe (Kernschmelze in Fukushima? Mögliche Abläufe des Unglücks; ZR vom 12. 3. 2011).
Warum also diese deutschen Aufgeregtheiten?
Zum einen natürlich, weil bei uns die Kernkraft ein Politikum ist wie in kaum einem Land der Welt. Die SPD und die Grünen hatten mit diesem Thema 1998 Wahlkampf gemacht. Als sie an die Macht gekommen waren, wurde der "Ausstieg aus der Atomenergie" als eine große politische Tat gefeiert. Das Thema hat zwar heute nicht mehr die Brisanz wie damals; aber noch immer läßt sich damit Wahlkampf machen.
Also war die in Berlin wahlkämpfende Renate Künast heute auf allen Kanälen zu sehen. sueddeutsche.de:
Und damit bin ich beim zweiten Aspekt: Es ist nicht nur die jetzige politische Situation, die diese besondere "Betroffenheit" in Deutschland erklärt, wenn im fernen Japan ein - gewiß schwerer - Störfall in einem KKW eingetreten ist. Es ist vielmehr diese lange, seltsame Geschichte die uns Deutsche mit der Atomkraft verbindet.
Oder vielmehr nicht verbindet. Ich habe diese Geschichte nachzuzeichnen versucht; sie umfaßt die Folgen eins bis vier dieser Serie:
International wurde und wird von allen Aspekten der Katastrophe berichtet - von den Schäden in Japan, von denen immer deutlicher wird, daß sie viel schlimmer sind als zunächst erwartet; von den (zum Glück im Gegensatz dazu glimpflichen) Auswirkungen auf die anderen Inseln des Pazifik und dessen Anrainerstaaten; von den Problemen in den beiden Atomkraftwerken bei der Stadt Fukushima, Daiichi und Daini.
Bis heute Nacht war das ungefähr auch die Reihenfolge der Wichtigkeit, die diesen Themen beigemessen wurde. Als die Probleme in den beiden Kraftwerken, vor allem in Daiichi, in der vergangenen Nacht gravierender wurden, trat dieser Themenkomplex vorübergehend in den Vordergrund; neben den anderen, die weiter ebenfalls im Mittelpunkt stehen.
Denn seit dem heutigen Morgen, seit man also die Schäden bei Tageslicht sehen kann, wird immer deutlicher, wie gewaltig sie sind. Nur ein Beispiel: Soeben berichtet BBC, daß in der Stadt Minimisanriku die Hälfte der Einwohner nicht mehr auffindbar ist; rund zehntausend Menschen. Nach einer Meldung der BBC wurde die gesamte Stadt Ofunato zerstört.
Das Leiden ist groß, die Zerstörung immens. Darüber berichten BBC, CNN und Al Jazeera rund um die Uhr; neben dem Thema Fukushima.
Und in Deutschland? Wenn man sich die "Tagesschau" ansieht, wenn man die Berichterstattung beim Sender Phoenix verfolgt, dann hat man den Eindruck, daß es zu den Folgen des Tsunami nachgerade nur ein einziges Thema gibt: Die Schäden am Block 1 des Kernkraftwerks Daiichi bei Fukushima.
Unter der Überschrift "Deutsche Prioritäten" schreibt dazu in antibuerokratieteam.net Daniel Fallenstein:
Deutschland: Menschen und Medien, die sich schon vor einer nicht zwangsläufig stattfindenden Kernschmelze mehr für diese interessieren, als für tausende bereits zermalmte, ertrunkene und sonst qualvoll gestorbene, sterbende, verletzte, obdachlose, verwitwete, verwaiste Menschen.Wie wahr.
Natürlich ist der schwere nukleare Störfall ein wichtiges Thema. Aber er ist doch nicht das einzige im Zusammenhang mit dieser Katastrophe. Und dies ist vor allem ein Thema, zu dem die Medien - ganz besonders die öffentlich-rechtlichen - ihrer Pflicht nachkommen sollten, sachlich und ohne wildes Spekulieren zu berichten.
Bis heute am frühen Nachmittag stand auf der WebSite der "Tagesschau" eine Meldung, die inzwischen ausgetauscht wurde. In Zettels Kleinem Zimmer hat aber Leibniz die Kernsätze dokumentiert:
Explosion und Kernschmelze in AKWInzwischen ist so gut wie sicher, daß das eine Ente war. Der tatsächliche Ablauf stellt sich gegenwärtig so dar, wie ihn zum Beispiel FAZ.Net schildert:
In dem beschädigten Atomkraftwerk in Fukushima hat es eine Kernschmelze gegeben. Das bestätigte die Nationale Behörde für Kernkraftsicherheit nach Informationen von ARD-Korrespondent Robert Hetkämper in Tokio. Zuvor hatte bereits die Atomaufsichtsbehörde erklärt, in einem Reaktor des AKW Fukushima 1 habe es möglicherweise eine Kernschmelze gegeben.
[Kabinettssekretär Yukio] Edano sagte, durch das Absinken des Kühlwasserstandes in dem Siedewasserreaktor habe sich Wasserstoff gebildet, der in das Reaktorgebäude ausgetreten sei. Dort habe sich der Wasserstoff beim Kontakt mit Sauerstoff entzündet und habe die Explosion verursacht, durch die das Reaktorgebäude eingestürzt sei.Also eine klassische Knallgas-Explosion, wie sie im kleinen Maßstab im Chemieunterricht vorgeführt wird, und kein nukleares Ereignis.
Der Reaktorraum ist von dem Container umgeben, einem Stahlbehälter, der ihn von der Umwelt abschließt. Dieser Container wiederum befindet sich in dem Reaktorgebäude. Man kann sich das so vorstellen: Der Reaktorraum ist der Kern einer Walnuß. Er sitzt fest verschlossen in deren Schale. Das entspricht dem Containment. Diese Nuß nun hat jemand in eine kleine Pappschachtel getan; das ist das Reaktorgebäude. Was jetzt geschehen ist, das ist eine Zerstörung eines Teils der Pappschachtel. - Weiter FAZ.Net:
Im Inneren der Stahl-Reaktorhülle habe es aber keine Explosion gegeben. Es sei auch noch keine große Menge Radioaktivität ausgetreten, sagte Edano, der die Bevölkerung erneut aufrief, Ruhe zu bewahren. Um Druck aus dem Reaktorkern abzulassen, hatten die Betreiber ein Ventil geöffnet. Dadurch war auch erhöhte radioaktive Strahlung in die Umgebung gelangt.Das ist der Stand der Dinge, soweit bekannt. Weitere Einzelheiten und Links hat der promovierte Physiker Jörg Rings im Blog Diax's Rake zusammengestellt.
So sind die Fakten. Alles andere ist gegenwärtig Spekulation.
Es kann natürlich immer noch zu einer Kernschmelze kommen. Man kann noch nicht einmal ausschließen, daß sie schon im Gang ist. Man kann in einer solchen Situation überhaupt kaum etwas ausschließen. Aber es gibt keine Fakten, keine Indizien, die darauf im Augenblick hindeuten.
Und selbst wenn es zu einer Kernschmelze kommen sollte, muß das keineswegs ein "zweites Tschernobyl" bedeuten. Solange das Containment und die Bodenwanne intakt bleiben, wird es keine erhebliche radioaktive Verstrahlung der Umgebung geben. Im Einzelnen können Sie das in der Analyse von Stratfor nachlesen, die ich heute Mittag dokumentiert habe (Kernschmelze in Fukushima? Mögliche Abläufe des Unglücks; ZR vom 12. 3. 2011).
Warum also diese deutschen Aufgeregtheiten?
Zum einen natürlich, weil bei uns die Kernkraft ein Politikum ist wie in kaum einem Land der Welt. Die SPD und die Grünen hatten mit diesem Thema 1998 Wahlkampf gemacht. Als sie an die Macht gekommen waren, wurde der "Ausstieg aus der Atomenergie" als eine große politische Tat gefeiert. Das Thema hat zwar heute nicht mehr die Brisanz wie damals; aber noch immer läßt sich damit Wahlkampf machen.
Also war die in Berlin wahlkämpfende Renate Künast heute auf allen Kanälen zu sehen. sueddeutsche.de:
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, sieht durch die kritische Situation der japanischen Atomkraftwerke nach dem Erdbeben die Laufzeitverlängerung der deutschen Kraftwerke in Frage gestellt. Künast sagte, zwar sei Deutschland kein Erdbebengebiet. Dennoch zeige das Ereignis: "Wir beherrschen nicht die Natur, sondern die Natur herrscht über uns." Deshalb müsse die Frage gestellt werden, ob nicht die falschen Entscheidungen getroffen worden seien - zum Beispiel der Beschluss durch die schwarz-gelbe Bundesregierung, die Laufzeit um zwölf Jahre zu verlängern.Die Natur herrscht über uns! Grüner Muff; Deutsche Romantik, zur Kolportage herabgesunken.
Und damit bin ich beim zweiten Aspekt: Es ist nicht nur die jetzige politische Situation, die diese besondere "Betroffenheit" in Deutschland erklärt, wenn im fernen Japan ein - gewiß schwerer - Störfall in einem KKW eingetreten ist. Es ist vielmehr diese lange, seltsame Geschichte die uns Deutsche mit der Atomkraft verbindet.
Oder vielmehr nicht verbindet. Ich habe diese Geschichte nachzuzeichnen versucht; sie umfaßt die Folgen eins bis vier dieser Serie:
Noch eine Anmerkung: Nach Beendigung dieses Artikels sehe ich, daß jetzt immerhin FAZ.Net und "Welt-Online" nicht mehr "Kernschmelze" als ihren Aufmacher haben, sondern die Katastrophen in japanischen Städten. Seit 16.15 Uhr jetzt auch "Spiegel-Online".1. Der Sonderweg 2. Kampf dem Atomtod 3. Die APO entläßt ihre Kinder 4. Tschernobyl und die Folgen 5. Verursachen AKWs Leukämie bei Kindern? 6. Seriöse Wissenschaft und ihr Mißbrauch durch Politiker 7. Deutsche Irrationalität, französische Rationalität
Zettel
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