19. März 2011

Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (1): Die Lage stabilisiert sich weiter (Stand am Samstag um 4.30 Uhr)

Gut eine Woche nach der doppelten Naturkatastrophe vom 11. März hat sich die Lage im KKW Fukushima Diichi so weit entspannt, daß ich von heute an weniger Zeit auf die Erstellung von Lageberichten verwenden werde. Ich möchte Sie aber weiter auf dem Laufenden halten; allerdings in einer vereinfachten Form.

Für die mit diesem Artikel beginnende Abfolge von Kurzberichten stütze ich mich nur noch auf die aktuellen Nachrichten des japanischen Senders NHK. Es wird auch in der Regel keine Aktualisierungen innerhalb eines Artikels mehr geben, sondern je nach Nachrichtenlage erscheint ein neuer Artikel in dieser Serie.

Die Serie enthält damit weniger Analysen und Hintergrundinformationen als die bisherigen Artikel zu diesem Thema. Wenn Sie sich genauer darüber informieren wollen, was eigentlich Radioaktivität und ionisierende Strahlung ist, was eine Kernschmelze ist und was nicht, worin der Unterschied zwischen einem Reaktorgebäude, einem Containment und einem Reaktorkern besteht usw., dann mögen Sie vielleicht in diesen Artikeln nachsehen:
  • Welche Formen ionisierender Strahlung können in Fukushima aus den Reaktoren austreten? Wie gefährlich sind sie? Was ist überhaupt Radioaktivität?; ZR vom 13. 3. 2011

  • Wie groß ist die Gefahr einer Kernschmelze in Fukushima?; ZR vom 13. 3. 2011

  • Hier können Sie das Live-Programm des englischsprachigen japanischen Nachrichtensenders NHK-World verfolgen; ZR vom 14. 3. 2011

  • Zitat des Tages: Dramatischer Rückgang der Radioaktivität im KKW Fukushima Daiichi; ZR vom 15. 3. 2011

  • Einige Quellen, die Sie zuverlässig über die Lage in den beiden Kernkraftwerken bei Fukushima informieren; ZR vom 15. 3. 2011

  • Die Lage in Fukushima Daiichi; ZR vom 17. 3. 2011

  • Die "Tagesschau" gestern über Fukushima: Vierzehn sachliche Fehler; ZR vom 18. 3. 2011

  • Die Lage in Fukushima Daiichi (Fortsetzung); ZR vom 18. 3. 2011
  • Vielleicht interessieren Sie auch diese Artikel zu sozialen und historischen Aspekten der jetzigen öffentlichen Diskussion:
  • Die Deutschen und das Atom (8): Besessen von der Kernschmelze. Die seltsame deutsche Reaktion auf die Katastrophe in Japan; ZR vom 12. 3. 2011. (Dies ist der vorerst letzte Artikel einer Serie, deren frühere Folgen Sie hier verlinkt finden).

  • Lissabon 1755. Japan 2011. Die Parallelen sind beklemmend. Die Erdbeben und die geistige Befindlichkeit der Zeit. Ist es heute wie damals?; ZR vom 14. 3. 2011

  • Zitat des Tages: "Statt Trauer und Mitgefühl eine selbstbezogene Diskussion". Deutscher Narzißmus. Furor Teutonicus; ZR vom 17. 3. 2011



  • Die aktuellen Meldungen zu Fukushima Daiichi betreffen hauptsächlich zwei Themenkomplexe: Die fortdauernden Arbeiten zur Kühlung der Reaktorblöcke und - zunehmend - die Frage der Strahlenbelastung sowohl der auf dem Gelände Arbeitenden als auch der Bevölkerung in der Umgebung.

    Als die geeignete Methode zur Kühlung der Reaktorblöcke hat sich (nachdem man zuvor auch den Einsatz von Wasserwerfern und Hubschraubern erprobt hatte) inzwischen die Verwendung von Löschfahrzeugen erwiesen. Zunächst waren das nur Löschfahrzeuge von Flughäfen, die das Militär einsetzte. Dann wurde zusätzlich ein aus den USA eingeflogenes Spezialgerät eingesetzt.

    Gestern nun sind aus Tokio 44 Löschzüge mit 141 Feuerwehrleuten eingetroffen. Es handelt sich, wie NHK meldet, um "Eliteeinheiten". Einer der Löschzüge verfügt über einen unbemannt funktionierenden Löschturm von 22 Metern Höhe, der für das Löschen von Feuern an schwer zugänglichen Orten konstruiert ist. Daneben setzt das Militär auch weiterhin fünf Löschfahrzeuge ein. Heute wurden bereits 60.000 Liter Wasser auf Block 3 gespritzt; insgesamt soll der heutige Einsatz sieben Stunden dauern.

    Der Einsatz von Wasserwerfern und von Hubschraubern wird hingegen im Augenblick nicht weiter verfolgt.



    Die Wiederherstellung des Anschlusses an das Starkstromnetz verzögert sich weiter. Sie war von der TEPCO ursprünglich für Donnerstag, dann für Freitag angekündigt worden. Jetzt hat die NISA mitgeteilt, daß der Anschluß der Blöcke 1 und 2 am heutigen Samstag und derjenige der Blöcke 3 und 4 am Sonntag fertig sein soll.

    In den Blöcken 5 und 6 funktionieren seit dem heutigen Samstag die Kühlsysteme wieder. Sie werden aber noch nicht aus Netzstrom gespeist, sondern durch wieder in Gang gebrachte Diesel-Generatoren; jedenfalls wird das für Block 6 gemeldet und gilt dann vermutlich auch für Block 5.

    Die Strahlung auf dem Gelände nimmt weiter ab, unterliegt aber Schwankungen. Am Freitag Morgen wurden nach Angabe der NISA am Haupttor nur noch 0,27 mSv/h gemessen. Am Samstag um 0.10 Uhr MEZ lag der Wert allerdings wieder bei 0,83 mSv/h, fiel jedoch bis 1.00 Uhr MEZ wieder auf 0,35 mSv/h. Das zeigt, wie wenig aussagekräftig ein einzelner Meßwert ist; offenbar gibt es auch kurzfristig starke Veränderungen.

    In der Nähe von Block 3 war trotz der massiven Bemühungen, das Abklingbecken aufzufüllen, die Strahlung mit 3,28 mSv/h noch sehr hoch. Dieser Wert wurde allerdings bereits gestern um 17.10 MEZ gemessen.

    Trotz des generellen Rückgangs der Strahlung sind die in dem KKW Tätigen häufig einer höheren Strahlendosis ausgesetzt, als es die bisher gültigen Grenzwerte erlauben. Diese beziehen sich in der Regel auf die Gesamtdosis, der jemand im Jahr oder sogar auf Lebenszeit ausgesetzt werden darf. In Katastrophenfällen wird der Grenzwert in der Regel heraufgesetzt.

    Für die deutsche Feuerwehr sind bei einem Einsatz zur Lebensrettung beispielsweise 100 mSv erlaubt, aber nur einmal im Jahr. Im Katastrophenfall liegt der Grenzwert bei 250 mSv; diese Dosis darf aber nur einmal im Leben erreicht werden.

    Ähnlich sind die Grenzwerte in Japan. Anfangs galt für die Mechaniker und Helfer, die in Fukushima Daiichi eingesetzt werden, ein Grenzwert von 100 mSv. Inzwischen wurde er vom Japanischen Gesundheitsministerium für die Arbeit auf dem KKW-Gelände auf 250 mSv heraufgesetzt. Die TEPCO hat sich aber entschlossen, unter dieser Grenze zu bleiben. Ihre Arbeiter werden, sobald sie eine Dosis von 100 mSv erreicht haben, nicht mehr auf dem Gelände eingesetzt.

    (Zum Verständnis: Die Werte für Strahlungsbelastung, die Sie in den Zeitungsberichten finden, sind in der Regel mSv/h, also die Belastung pro Stunde. Die Grenzwerte beziehen sich aber auf die Summe dieser Belastungen, also mSv. Hat jemand zum Beispiel 10 Stunden unter einer Belastung von 1 mSv/h gearbeitet, dann hat er eine Dosis von 10 mSv erhalten).

    Rund um das KKW gibt es eine 20-km-Zone, aus der die Bevölkerung evakuiert wurde, und eine 30-km-Zone, in der die Menschen aufgefordert sind, in ihren Häusern zu bleiben. Die meisten Messungen außerhalb dieser Zonen zeigen erhöhte, aber nicht gefährliche Strahlungswerte (zwischen 0,0005 mSv/h und 0,052 mSv/h). An einer Meßstelle 30 km im Nordwesten des KKW wurden aber erheblich höhere Werte gemessen, nämlich 0,15 und 0,17 mSv/h. Bei einem Auftenthalt im Freien von sieben bis acht Stunden würde dann die Dosis erreicht, die als gerade noch unschädlich gilt. Warum ausgerechnet - und anscheinend nur - an diesem Ort die Strahlung erhöht ist, scheint unklar zu sein.



    Die vielleicht wichtigste Nachricht ist, was in den heutigen Meldungen von NHK fehlt: Informationen, die Anlaß zur Besorgnis geben. In keinem der Reaktoren gibt es Prozesse, bei denen die Gefahr besteht, daß sei außer Kontrolle geraten könnten. Die nukleare Katastrophe findet nicht statt.
    Zettel



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Die Titelvignette zeigt ein von Tungsten in die Public Domain gestelltes Schema der fünf "Verteidigungslinien", die einen Reaktor schützen. Näheres finden Sie hier.