In einem gestrigen Artikel (nur Abonnenten zugänglich) analysiert Stratfor die Rolle Ägyptens in Libyen und geht dabei auch auf die dortige militärische Lage ein, wie sie sich im Augenblick darstellt.
Ostlibyen wird nicht mehr von Gaddafi kontrolliert. Aber zwischen dem Bevölkerungszentrum um Bengasi, also dem Kern der alten Cyrenaika, und dem alten Tripolitanien mit der Hauptstadt Tripoli liegen 800 km Wüste (siehe Die Stämme Libyens und ihre Rolle im jetzigen Machtkampf; ZR vom 26. 2. 2011). Daß diejenigen, die dort jetzt an der Macht sind, nach Tripolitanien aufbrechen, um ihre Revolution auch dorthin zu tragen, ist also schwierig. Ein solcher Marsch durch die Wüste wird nach den Informationen von Stratfor dennoch vorbereitet.
Ein Marsch auf Tripoli ist nicht nur aus geographischen Gründen schwierig, sondern auch deshalb, weil die militärischen Möglichkeiten der Revolutionäre begrenzt sind. Die rund 8.000 Mann seien, schreibt Stratfor, eine Mischung aus Deserteuren, Politikern, Juristen und Jugendlichen; die meisten ohne Kampfausbildung und schlecht ausgerüstet. Gaddafi andererseits verfügt noch immer über eine Luftwaffe, mit der er einer solchen nach Westen marschierenden Streitmacht große Verluste zufügen könnte. Seine Bodenstreitkräfte werden auf 5.000 gut ausgebildete Berufssoldaten geschätzt.
Hier nun kommt Ägypten ins Spiel. Es versorgt nach den Informationen von Stratfor die Revolutionäre mit Waffen und hat auch Ausbilder geschickt. Laut einer hochrangigen Quelle von Stratfor, deren Informationen aber noch nicht verifiziert werden konnten, soll an der Westgrenze Libyens jetzt Tunesien etwas Ähnliches vorbereiten. Tripoli könnte also von beiden Richtungen her in die Zange genommen werden.
Warum engagiert sich Ägypten in Libyen? Zum einen wegen zwei Befürchtungen: Erstens würde ein lang anhaltender Bürgerkrieg Massen von Flüchtlingen nach Ägypten treiben. Zweitens fürchtet man in Kairo ein islamistisches Regime in der Cyrenaika, das den eigenen Islamisten Auftrieb geben könnte. Ein "Islamisches Emirat Bengasi" wurde ja bereits ausgerufen; siehe Berlusconi und Gaddafi - nur eine Männerfreundschaft? Nein, es geht um Interessen; ZR vom 25. 2. 2011. (Allerdings beherrschen die Islamisten keineswegs die Cyrenaika. Es gibt zwei konkurrierende "Nationale Räte"; der eine angeführt von Gaddafis bisherigem Justizminister Mustafa Abdul Jalil, der andere von dem Rechtsanwalt Hafiz Ghoga).
Aus ägyptischer Sicht ist Libyen dabei zu zerbrechen. Also versucht man die Cyrenaika zu stabilisieren. Zugleich wird hier, meint Stratfor, ein neues Selbstverständnis Ägyptens als arabische Ordnungsmacht sichtbar, das sich seit dem Sturz Mubaraks herausbildet: Ägypten fehlen zwar die Petrodollar, aber es ist eine Militärmacht.
Ägyptens Handeln wird aber nicht nur von Befürchtungen bestimmt, sondern auch von positiven Erwartungen. Ein von Ägypten abhängiges, von Tripoli losgelöstes Ostlibyen wäre für Kairo aus verschiedenen Gründen attraktiv: Wegen seiner Ölfelder, aber auch als ein Arbeitsmarkt für Ägyptens oft gut ausgebildete Arbeitslose.
Die Geschichte der ägyptisch-libyschen Beziehung ist im vergangenen halben Jahrhundert wechselvoll gewesen. Einerseits hat man in Libyen (rund 6 Millionen Einwohner gegenüber 80 Millionen Ägyptern) den großen Nachbarn stets als eine Bedrohung gesehen. Andererseits gab es auch die panarabische Idee. Im Jom-Kippur-Krieg von 1973 schickte Gaddafi den Ägyptern Flugzeuge zur Verstärkung ihrer Luftwaffe.
Dann trennten sich die Wege, als Saddat auf Friedenskurs mit Israel ging. 1977 gab es sogar einen kurzen Grenzkrieg zwischen Libyen und Ägypten. Libyen warf einerseits Saddat wegen dieser Friedensverhandlungen Verrat an der arabischen Sache vor; andererseits fürchtete Gaddafi auch die Übermacht eines Ägypten, das nicht mehr durch den Konflikt mit Israel belastet sein würde. 1980 versuchte er deshalb eine Union mit Syrien gegen Ägypten zu zimmern, was aber scheiterte.
Wie andere - wie die USA, wie Rußland und vor allem Italien - versucht Ägypten jetzt also, auf eine neue Ordnung in Libyen Einfluß zu nehmen. Die Erfolgschancen beurteilt Stratfor skeptisch. Gaddafi hätte, argumentieren die Autoren, seine Macht immer darauf gegründet, die verschiedenen Kräfte in seinem Land gegeneinander auszuspielen. Was aus der Dynamik dieser Kräfte entstehen wird, wenn Gaddafi gehen muß, ist kaum vorherzusagen.
Ostlibyen wird nicht mehr von Gaddafi kontrolliert. Aber zwischen dem Bevölkerungszentrum um Bengasi, also dem Kern der alten Cyrenaika, und dem alten Tripolitanien mit der Hauptstadt Tripoli liegen 800 km Wüste (siehe Die Stämme Libyens und ihre Rolle im jetzigen Machtkampf; ZR vom 26. 2. 2011). Daß diejenigen, die dort jetzt an der Macht sind, nach Tripolitanien aufbrechen, um ihre Revolution auch dorthin zu tragen, ist also schwierig. Ein solcher Marsch durch die Wüste wird nach den Informationen von Stratfor dennoch vorbereitet.
Ein Marsch auf Tripoli ist nicht nur aus geographischen Gründen schwierig, sondern auch deshalb, weil die militärischen Möglichkeiten der Revolutionäre begrenzt sind. Die rund 8.000 Mann seien, schreibt Stratfor, eine Mischung aus Deserteuren, Politikern, Juristen und Jugendlichen; die meisten ohne Kampfausbildung und schlecht ausgerüstet. Gaddafi andererseits verfügt noch immer über eine Luftwaffe, mit der er einer solchen nach Westen marschierenden Streitmacht große Verluste zufügen könnte. Seine Bodenstreitkräfte werden auf 5.000 gut ausgebildete Berufssoldaten geschätzt.
Hier nun kommt Ägypten ins Spiel. Es versorgt nach den Informationen von Stratfor die Revolutionäre mit Waffen und hat auch Ausbilder geschickt. Laut einer hochrangigen Quelle von Stratfor, deren Informationen aber noch nicht verifiziert werden konnten, soll an der Westgrenze Libyens jetzt Tunesien etwas Ähnliches vorbereiten. Tripoli könnte also von beiden Richtungen her in die Zange genommen werden.
Warum engagiert sich Ägypten in Libyen? Zum einen wegen zwei Befürchtungen: Erstens würde ein lang anhaltender Bürgerkrieg Massen von Flüchtlingen nach Ägypten treiben. Zweitens fürchtet man in Kairo ein islamistisches Regime in der Cyrenaika, das den eigenen Islamisten Auftrieb geben könnte. Ein "Islamisches Emirat Bengasi" wurde ja bereits ausgerufen; siehe Berlusconi und Gaddafi - nur eine Männerfreundschaft? Nein, es geht um Interessen; ZR vom 25. 2. 2011. (Allerdings beherrschen die Islamisten keineswegs die Cyrenaika. Es gibt zwei konkurrierende "Nationale Räte"; der eine angeführt von Gaddafis bisherigem Justizminister Mustafa Abdul Jalil, der andere von dem Rechtsanwalt Hafiz Ghoga).
Aus ägyptischer Sicht ist Libyen dabei zu zerbrechen. Also versucht man die Cyrenaika zu stabilisieren. Zugleich wird hier, meint Stratfor, ein neues Selbstverständnis Ägyptens als arabische Ordnungsmacht sichtbar, das sich seit dem Sturz Mubaraks herausbildet: Ägypten fehlen zwar die Petrodollar, aber es ist eine Militärmacht.
Ägyptens Handeln wird aber nicht nur von Befürchtungen bestimmt, sondern auch von positiven Erwartungen. Ein von Ägypten abhängiges, von Tripoli losgelöstes Ostlibyen wäre für Kairo aus verschiedenen Gründen attraktiv: Wegen seiner Ölfelder, aber auch als ein Arbeitsmarkt für Ägyptens oft gut ausgebildete Arbeitslose.
Die Geschichte der ägyptisch-libyschen Beziehung ist im vergangenen halben Jahrhundert wechselvoll gewesen. Einerseits hat man in Libyen (rund 6 Millionen Einwohner gegenüber 80 Millionen Ägyptern) den großen Nachbarn stets als eine Bedrohung gesehen. Andererseits gab es auch die panarabische Idee. Im Jom-Kippur-Krieg von 1973 schickte Gaddafi den Ägyptern Flugzeuge zur Verstärkung ihrer Luftwaffe.
Dann trennten sich die Wege, als Saddat auf Friedenskurs mit Israel ging. 1977 gab es sogar einen kurzen Grenzkrieg zwischen Libyen und Ägypten. Libyen warf einerseits Saddat wegen dieser Friedensverhandlungen Verrat an der arabischen Sache vor; andererseits fürchtete Gaddafi auch die Übermacht eines Ägypten, das nicht mehr durch den Konflikt mit Israel belastet sein würde. 1980 versuchte er deshalb eine Union mit Syrien gegen Ägypten zu zimmern, was aber scheiterte.
Wie andere - wie die USA, wie Rußland und vor allem Italien - versucht Ägypten jetzt also, auf eine neue Ordnung in Libyen Einfluß zu nehmen. Die Erfolgschancen beurteilt Stratfor skeptisch. Gaddafi hätte, argumentieren die Autoren, seine Macht immer darauf gegründet, die verschiedenen Kräfte in seinem Land gegeneinander auszuspielen. Was aus der Dynamik dieser Kräfte entstehen wird, wenn Gaddafi gehen muß, ist kaum vorherzusagen.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Lesen Sie zu "Stratfors Analysen" bitte auch die Ankündigung dieser Rubrik.