Der Sohn des Obersten Gaddafi, Saif al-Islam Gaddafi, hat dem französischen Fernsehen ein Interview gegeben, das Sie hier bei der BBC sehen können. Darin warnt er vor den Folgen, die ein Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Libyen bei einem anhaltenden Bürgerkrieg für Europa haben könnte. Hier ist ein Auszug, so wie ich sein nicht ganz leicht zu verstehendes Englisch transskribiere:
Gaddafis Sohn spricht eine Frage an, die seltsamerweise in unseren Medien kaum diskutiert wird: Liegt eigentlich ein Sturz von Gaddafi im Interesse Europas?
Präsident Obama scheint zu meinen, daß er jedenfalls im Interesse der USA liegt. Nach Informationen von Robert Fisk, der darüber im heutigen Independent schreibt, haben die USA Saudi-Arabien gebeten, Waffen an die Rebellen in Bengasi zu liefern.
Bisher gibt es noch keine Antwort, aber Stratfor meint dazu, daß die Saudis liefern könnten, weil sie sich damit die USA verpflichten würden. Diese könnten ihnen beispielsweise im Gegenzug freie Hand bei der etwaigen Niederschlagung eines schiitischen Aufstands im Osten des Landes lassen (siehe Die aktuelle Lage in den arabischen Ländern und im Iran. Teil 2: Jordanien und Bahrain; ZR vom 20. 2. 2011).
Libyen wird meist lediglich als Teil der arabischen Welt gesehen. Aber es ist auch ein Land mit ungewöhnlich engen Beziehungen zum subsaharischen Afrika. Das Land hat eine Minderheit von nomadisierenden Tuareg; auch seine Geografie begünstigt diese Beziehungen.
Der Afrika-Spezialist von Stratfor, Mark Schroeder, hat das kürzlich analysiert (Video und Transkript nur Abonnenten zugänglich):
Was hat Europa von einem Zusammenbruch von Gaddafis Regime zu erwarten? Eine auch nur annähernd stabile Entwicklung, wie man sie im günstigsten Fall für Tunesien und Ägypten erwarten kann, ist unwahrscheinlich.
Das Land könnte zerfallen; es könnten in der Tat somalische Verhältnisse einkehren, mit einer Verlagerung der Macht von der Regierung in Tripoli auf die einzelnen Stämme (siehe Aufruhr in Arabien (14): Die Stämme Libyens und ihre Rolle im jetzigen Machtkampf; ZR vom 26. 2. 2011, sowie Aufruhr in Arabien (15): Zusammenfassung, Zwischenbilanz, Wertung; ZR vom 6. 3. 2011). Immigranten aus ganz Afrika könnten über ein solches Libyen vergleichsweise frei nach Europa gelangen.
Natürlich freut man sich, wenn ein schlimmer Diktator gehen muß. Aber daß uns Europäer auch das freuen wird, was nach ihm kommt, ist sehr fraglich.
Libya may become the Somalia of the North Africa, of the Mediterrean. You will see pirates in Sicily, in Greece and in Lampedusa. You will see millions of illegal immigrants. The terror will be next to your door.Der Mann könnte Recht haben, leider. Dies ist eine reale Möglichkeit, wenn Libyen zerfällt, ohne daß eine neue staatliche Ordnung entsteht.
Libyen kann das Somalia des [sic] Nordafrika, des Mittelmeers werden. Sie werden Piraten in Sizilien, in Griechenland, in Lampedusa sehen. Sie werden Millionen illegaler Einwanderer sehen. Der Terror wird vor Ihrer Haustür sein.
Gaddafis Sohn spricht eine Frage an, die seltsamerweise in unseren Medien kaum diskutiert wird: Liegt eigentlich ein Sturz von Gaddafi im Interesse Europas?
Präsident Obama scheint zu meinen, daß er jedenfalls im Interesse der USA liegt. Nach Informationen von Robert Fisk, der darüber im heutigen Independent schreibt, haben die USA Saudi-Arabien gebeten, Waffen an die Rebellen in Bengasi zu liefern.
Bisher gibt es noch keine Antwort, aber Stratfor meint dazu, daß die Saudis liefern könnten, weil sie sich damit die USA verpflichten würden. Diese könnten ihnen beispielsweise im Gegenzug freie Hand bei der etwaigen Niederschlagung eines schiitischen Aufstands im Osten des Landes lassen (siehe Die aktuelle Lage in den arabischen Ländern und im Iran. Teil 2: Jordanien und Bahrain; ZR vom 20. 2. 2011).
Libyen wird meist lediglich als Teil der arabischen Welt gesehen. Aber es ist auch ein Land mit ungewöhnlich engen Beziehungen zum subsaharischen Afrika. Das Land hat eine Minderheit von nomadisierenden Tuareg; auch seine Geografie begünstigt diese Beziehungen.
Der Afrika-Spezialist von Stratfor, Mark Schroeder, hat das kürzlich analysiert (Video und Transkript nur Abonnenten zugänglich):
Gaddafis Libyen war also in Afrika durchaus so etwas wie eine Macht, wenn auch in bescheidenem Umfang. Dazu gehörte auch, daß es eine Barriere gegen Flüchtingsströme nach Europa war.Libyen hat erstens Handelsbeziehungen mit den Ländern Afrikas und pflegt zweitens politische Kontakte. Drittens verteilt Libyen auch Finanzhilfen. Dahinter steckt eine strategische Neuorientierung Gaddafis seit einigen Jahren, mit der er sich vom Nahen Osten ab- und Afrika zugewandt hat. Politisch hatte Gaddafi Erfolg vor allem in den Ländern der Sahel-Zone (Ländern wie Mauretanien, Bukina Faso und Mali). Beispielsweise trat er dort bei Konflikten als Vermittler auf. Für Handelsbeziehungen mit diesen, aber auch mit südlicheren Staaten Afrikas hat Gaddafi seine "Libysch-Arabisch-Investment-Gesellschaft" gegründet. Mit dem Ausbau der Handelsbeziehungen hoffte er zugleich politischen Einfluß zu gewinnen.
Was hat Europa von einem Zusammenbruch von Gaddafis Regime zu erwarten? Eine auch nur annähernd stabile Entwicklung, wie man sie im günstigsten Fall für Tunesien und Ägypten erwarten kann, ist unwahrscheinlich.
Das Land könnte zerfallen; es könnten in der Tat somalische Verhältnisse einkehren, mit einer Verlagerung der Macht von der Regierung in Tripoli auf die einzelnen Stämme (siehe Aufruhr in Arabien (14): Die Stämme Libyens und ihre Rolle im jetzigen Machtkampf; ZR vom 26. 2. 2011, sowie Aufruhr in Arabien (15): Zusammenfassung, Zwischenbilanz, Wertung; ZR vom 6. 3. 2011). Immigranten aus ganz Afrika könnten über ein solches Libyen vergleichsweise frei nach Europa gelangen.
Natürlich freut man sich, wenn ein schlimmer Diktator gehen muß. Aber daß uns Europäer auch das freuen wird, was nach ihm kommt, ist sehr fraglich.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Großmoschee von Kairouan, Tunesien. Vom Autor Wotan unter Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0-Lizenz freigegeben. Bearbeitet. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier.