9. März 2011

Hat Guttenberg seinen Doktorvater Häberle plagiiert? Hätte dieser etwas bemerken müssen? Noch einmal zur Hypothese der gekauften Dissertation (Teil 1)

Als Guttenbergs Plagiate bekannt geworden waren, gab es bald die Vermutung, er hätte die Dissertation gar nicht selbst verfaßt, sondern es handle sich um einen Text, den er von einem Anderen oder von Anderen gegen Bezahlung hatte schreiben lassen.

Er war aber - so ging diese These - hereingelegt worden. Statt für gutes Geld einen Text von Qualität anzufertigen, lieferte der - oder lieferten die - Ghostwriter ein Machwerk voller Plagiate.

Für diese Hypothese schien zu sprechen, daß Guttenberg zunächst den Vorwurf des Plagiierens "abstrus" genannt hatte. Hätte er die Arbeit selbst geschrieben und also von den zahllosen Plagiaten gewußt, dann hätte es ihm klar sein müssen, daß dies nunmehr von Journalisten, von Wissenschaftlern, daß es im Internet nachgeprüft werden würde. Ein intelligenter Mensch lügt doch nicht derart, daß er es damit nachgerade programmiert, beim Lügen ertappt zu werden.

Sinn machte Guttenbergs anfängliche Reaktion aber eben unter der Hypothese, daß er selbst vom Umfang der Plagiate zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts gewußt hatte. Sinn macht dann auch seine Erklärung vom 18. Februar, in der er versicherte:
Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat, und den Vorwurf weise ich mit allem Nachdruck von mir.
"Meine von mir verfaßte". Warum diese pleonastische Beteuerung? Von wem denn sonst verfaßt? Die Theorie vom Ghostwriter war an diesem Freitag noch gar nicht im Umlauf gewesen. Dementierte Guttenberg hier, was nur er selbst wußte? Und an anderer Stelle:
Ich werde selbstverständlich aktiv mithelfen festzustellen, inwiefern darin ein wissenschaftliches, ich betonte ein wissenschaftliches Fehlverhalten liegen könnte. Und ich werde gerne bis zum Ergebnis dieser Prüfung vorübergehend, ich betone vorübergehend, auf das Führen des Titels verzichten, allerdings nur bis dahin, anschließend würde ich ihn wieder führen.
Dem Freiherrn zu Guttenberg als Verfasser der Arbeit hätte es klar sein müssen, zu welchem verheerenden Ergebnis eine solche Prüfung führen mußte. Wieder erscheint es im Rückblick fast wie ein politisches Harakiri, wenn er in Kenntnis des Umfangs der Plagiate an jenem Freitag ankündigte, er würde nach abgeschlossener Prüfung den Doktortitel wieder führen. Wieder macht diese Aussage aber dann Sinn, wenn er diese Kenntnis damals noch nicht gehabt hatte.

Dann die Kelkheimer Rede, die ich hier dokumentiert habe. Sie fand am Montag nach jenem Freitag statt, in dem er die Erklärung abgegeben hatte. Guttenberg sagte dort:
Ich habe in der - wenn man so will - in der Affäre um Plagiat ja oder nein an diesem, wie ich sagte schon [sic], besonders gemütlichen Wochenende, mir auch die Zeit nehmen dürfen, nicht das zu lesen und anzusehen, was da alles so geschrieben wurde und was gesendet wurde, sondern mich auch noch einmal mit meiner Doktorarbeit zu beschäftigen. Und ich glaube, das war auch geboten und richtig, das zu tun. Und nach dieser Beschäftigung, meine Damen und Herren, habe ich auch festgestellt, wie richtig es war, daß ich am Freitag gesagt habe, daß ich den Doktortitel nicht führen werde.

Ich sage das ganz bewußt, weil ich am Wochenende - auch, nachdem ich diese Arbeit mir intensiv noch einmal angesehen habe - feststellen mußte, daß ich gravierende Fehler gemacht habe; gravierende Fehler, die den wissenschaftlichen Kodex, den man so ansetzt, nicht erfüllen.
Wenn man voraussetzt, daß Guttenberg der Autor ist, dann ist diese Passage nachgerade absurd.

Er hat sieben Jahre an einem Text gesessen; er hat ihn vor der Einreichung bei der Schlußredaktion geprüft, die man am Ende der Arbeit an jedem wissenschaftlichen Werk vornimmt. Er hat ihn dann nach der Promotion druckfertig gemacht - also alles noch einmal nachgeprüft, wie das vor jeder Drucklegung erforderlich ist -; und die Plagiate sind ihm nicht aufgefallen.

Jetzt, fünf Jahre später, setzt er sich an einem Wochenende hin, sieht sich die Arbeit noch einmal an - und es fällt ihm wie Schuppen von den Augen: Da habe ich ja Quellenangaben vergessen! Da habe ich ja Texte anderer Autoren fast auf jeder Seite ohne Kennzeichnung übernommen! Da habe ich diese Zitate, die zu kennzeichnen ich vergessen habe, auch noch versehentlich verändert, indem ich wie in Trance Jahreszahlen aktualisiert und deutsche Begriffe durch Fremdwörter ersetzt habe!

Das zu glauben mutete Guttenberg dem Kelkheimer Publikum, mutet er dem politischen Deutschland zu. Eine Verhöhnung unserer Intelligenz, wenn denn Guttenberg der Verfasser ist. Aber plausibel, wenn er einen für ihn geschriebenen Text erst an diesem Wochenende genau unter die Lupe genommen hat.

Und lesen Sie auch noch diesen Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 23. Februar 2011:
Thomas Oppermann (SPD):
Herr Minister, ich habe eine Frage, die man mit Ja oder Nein beantworten kann. Können Sie ausschließen, dass andere Personen als Sie selbst an der Erstellung der Doktorarbeit mitgewirkt haben?

Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-minister der Verteidigung:
Ich habe mehrfach gesagt, dass ich diese Doktorarbeit persönlich geschrieben habe.
Guttenberg hat die Frage nicht beantwortet. Er hat nicht gesagt, daß keine andere Person an der Erstellung der Arbeit mitgewirkt hat, sondern nur, daß er sie "persönlich geschrieben" habe. Was man sehr verschieden deuten kann. Zur Zeit der alten Bundesrepublik wurden zur Abschöpfung von Mitteln der Berlinförderung fertig produzierte Mäntel nach Berlin geschickt, wo nur noch die Knöpfe angenäht wurden. Sie galten dann als "in Berlin hergestellt". Jedenfalls wurde es damals so kolportiert.

Außerdem: Die Aussage "Ich habe mehrfach gesagt, daß ich diese Doktorarbeit persönlich geschrieben habe" wäre ja in jedem Fall kein Belügen des Bundestags. Denn gesagt hatte er das ja in der Tat.



Das sind alles Indizien. Aber es sind auch nicht mehr als Indizien. Es sind keine Belege, geschweige denn Beweise. Man kann das alles auch anders erklären; etwa durch eine unglaubliche Dreistigkeit Guttenbergs, gepaart mit einer katastrophalen Fehleinschätzung der Reaktion von Wissenschaft und Öffentlichkeit.

Als ich deshalb heute die Überschrift eines Artikels in der FAZ "Guttenberg schrieb auch bei seinem Doktorvater ab" gelesen habe, dachte ich, jetzt ist der Beweis da. Case closed.

Denn wäre er selbst der Autor gewesen, dann hätte doch Guttenberg nicht so wahnwitzig sein können, den eigenen Doktorvater zu plagiieren. Er hätte doch fest damit rechnen müssen, daß dieser das merken würde.

Warum diese Überlegung irrig gewesen war, lesen Sie im zweiten Teil.



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