25. Juli 2021

Acqua alta. Noch einmal zum Hochwasser



Fünf Minuten im Studio
und schon steht für euch fest,
dass wir Verbrecher sind,
Ungeziefer, das die Erde
befallen hat.

(Hans Magnus Enzensberger, "Propheten im Studio". Aus "Wirrwarr", 2020)



Jetzt, elf Tage, also anderthalb Wochen nach dem verheerenden Überflutungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit mehr als 200 Toten (allein in Deutschland sind aktuell 184 geborgen worden) und einem noch immer nicht abzuschätzenden Ausmaß an Zerstörungen, wird immerhin eines deutlich: diese Katastrophe ist das Zeichen, das Signum, das als Bild für das Ende der Ära Merkel stehen wird, das den Zustand des Landes, dem sie nun seit 16 Jahren vorsteht, in Bilder faßt. Nicht nur, weil diese Bilder der Schlammfluten, der zerstörten Gebäude, der grabenden Helfer im Schlick alle anderen Bilder des Jahres überlagern werden, sondern weil darin der katastrophale Zustand, in dem sich dieses Land mittlerweile befindet, unmittelbaren Ausdruck findet.

Und die Spaltung dieses Gemeinwesens wurde hier, zum ersten Mal, unmittelbar mit gewissenmaßen mit den Händen greifbar, deutlich. Während auf der Ebene der engagierten Helfer, der Feuerwehren, der THW (meistens jedenfalls), auch der im Katastrophengebiet aufgebrochen Bundeswehreinheiten die Rettungs- und Räumarbeiten unverzüglich und mit großen Engagement in Angriff genommen wurden, hat dieses Land, dieser Staat, auf seiner institutionellen Ebene in jeder Hinsicht versagt. Daß der WDR es in der Katastrophennacht nicht schaffte, sein Programm zu ändern, den Zuhörern Warnungen zu übermitteln und sie nach Möglichkeit über die Lage vor Ort aufzuklären, steht bespielhaft für dieses totale Versagen. Daß die Leitung des größten Sendehauses der ARD, jährlich mit einem Budget von 1,38 Milliarden Euro zwangsfinanziert, mit einem Stab von 4000 Mitarbeitern, nicht in der Lage ist, die Bürger vor der unmittelbaren Bedrohung für Leib und Leben zu waren, ist ja nur das eine. Daß im Rheinisch-Bergischen Kreis in NRW nach Aussage der Einsatzleitung die dort immerhin noch vorhandenen Sirenen bewußt nicht Alarm gaben, um „die Leute nicht in Panik zu versetzen,“ macht selbst hartgesottene Zyniker denn doch ein wenig sprachlos. Um die Leiterin der Pressestelle des Kreises, Birgit Bär, wörtlich zu zitieren:

21. Juli 2021

Streiflicht: Der erste gute Vorschlag.

Ein schönes, urdeutsches (und wahnsinnig langweiliges) Ritual ist es immer wieder, wenn nach Extremereignissen die Politiker aus ihrem Winterschlaf (okay, Sommerruhe) kommen und Vorschläge machen. Gerne auch solche, die am Ende mit dem Ereignis nur am Rande zu tun haben, aber vor allem ihrer politischen Richtung Wind geben.

20. Juli 2021

Jetzt will es keiner gewesen sein. Mehr Geschichten von der Flut.

Das mit dem Klimawandel war dann vielleicht doch ein bischen zu offensichtlich und inzwischen wird offenbar, dass es doch etwas seltsam anmutet, dass bei der letzten großen Flut vor etwas mehr als fünfzig Jahren, mitten in einer heute als so dunkel und verspiessert wahrgenommenen Zeit, die Vorkehrungen und Maßnahmen irgendwie besser funktioniert haben als im modernen 2021.

17. Juli 2021

Frau Baerbock, die Grünen, und die "Kobayashi Maru"



Logbuch “Zettels Raum,” Sol III, Sternzeit -301457,58.

Kirk : You're bothered by your performance on the Kobayashi Maru. Saavik : I failed to resolve the situation. Kirk : There's no correct resolution. It's a test of character.

I.
Lieber Leser: Ist Ihnen der „Kobayashi-Maru-Test“ ein Begriff?

Es ist kein Zeichen von Unbildung, auch nicht popkultureller Unbedarftheit, wenn dem so sein sollte. Aber nicht weniger Begriffe aus dem Bereich des Star-Trek-Universums, vor allem dem, was unter „Trekkies“ nur als „TOS“ bezeichnet wird (das Kürzel steht für „The Original Series,“ bei uns allgemein als „Raumschiff Enterprise“ geläufig, die drei Staffeln um Captain Kirk, „Pille“ MyCoy und Mr Spock, die in der USA in den Jahren 1967 bis 1969 ausgestrahlt wurden). Etwa der Ausdruck „Beam me up, Scottie!“ – der in dieser Form in dem 79 Folgen nie so fiel, der aber im englischen Sprachgebrauch zur stehenden Redenswendung wurde, stets mit ironisch-verzweifeltem Augenrollen geäußert wird und etwa unserem „Nun reichts aber endgültig!“ entspricht. Das Konzept des Beamens selbst, das Entmaterialisieren und Wiedererscheinens von Gegenständen und Personen durch technische Zauberei. Die Logik sagt zwar, daß für die Rückverwandlung aus einem Energiepuls mindestens eine der Sendestation entsprechende Empfangsvorrichtung vorhanden sein sollte (man stelle sich vor, mit einem Smartphone jemanden ohne „Händy“ anrufen zu können, weil die Schallwellen „in der leeren Luft“ erzeugt werden können, um die Absurdität des Konzept zu ahnen). Gene Roddenberry hatte sich für diesen Trick entschieden, um nichts von den 42 Minuten jeder Sendefolge mit umständlichen Anreise- und Landeszenen zu verschwenden, um „unsere Helden“ (und die unvermeidlichen „Rothemden“ als Kanonenfutter) an den Ort des Geschehens zu befördern. „Pilles“ ausdrucksloser Blick, wenn er den Sensorkopf seines Tricorders über einen leblosen Körper führte und das stets überraschende „Er ist tot, Jim!“ konstatierte. (Bei diesem „Sensorkopf“ handelte es sich übrigens um einen schlichten Salzstreuer aus Kunststoff.) Und eben den „Kobayashi-Maru“-Test.

16. Juli 2021

Keine Krise ungenutzt lassen

"Wer jetzt noch nicht begriffen hat, dass der Klimawandel seine Folgen hat, dem kann man nicht mehr helfen." 
                                                - Marie-Luise Anna Dreyer, MP
So manchem ist nicht mehr zu helfen. Angesichts der Fluten, die sich in den letzten Tagen über große Teile von NRW und dem nördlichen Teil von Rheinland-Pfalz ergossen haben, haben nicht wenige Menschen ihre Existenz verloren, einige ihr Leben und noch viel mehr ihr Dach über dem Kopf. Das ist nicht witzig und für den Betroffenen mit Sicherheit ein Schicksalsschlag härtester Sorte. Was es jedoch dummerweise nicht ist: Ein Zeichen für den Klimawandel. 

14. Juli 2021

Symbolbild II: "Der Dank des Vaterlandes"



Motto: „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.“

Vor ein paar Wochen schrieb ich an dieser Stelle, daß die Politik in diesem Land, wie es scheint, zu nichts mehr fähig außer dazu, für ihre Versagen vor den Aufgaben eines Staates mit traumwandlerischer Sicherheit symbolische Gesten und Sinnbilder zu finden. Ich schrieb es nicht zum ersten Mal – seit nun sechs Jahren ist es so etwas wie ein Basso continuo, ein Generalbaß, der sich in meinen Begleitungen zu der Politik in diesem Land zeigt. Auch bei der Rückkehr der letzten Bundeswehrsoldaten vom Einsatz in Afghanistan, dem Kommando Spezialkräfte (KSK) in den niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf, vor nun zwei Wochen, am 30 Juni, wurde dies wieder einmal deutlich. Weder die oberste Dienstherrin der Soldaten, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, noch die Bundeskanzlerin oder der Bundespräsident als Vertreter dieser Regierung, kein Bundestagsabgeordneter, kein Staatssekretär hat es für nötig gefunden, den Abschluß des fast zwei Jahrzehnte dauernden längsten Nachkriegseinsatzes deutscher Soldaten im Ausland zu würdigen.