31. Dezember 2020

Tsai Chin, "Die letzte Nacht" 最後一夜 - (zuìhòu yī yè)



Wie es an dieser Stelle üblich geworden ist, sei das scheidende Jahr mit diesem Walzer verabschiedet, den Tsai Chin 1984 aufgenommen hat.



踩不完惱人舞步
喝不盡醉人醇酒
良夜有誰為我留
耳邊語輕柔
走不完紅男綠女
看不盡人海沉浮
往事有誰為我訴
空對華燈愁

我也曾陶醉在兩情相悅
像飛舞中的彩蝶?
我也曾心碎於黯然離別
哭倒在露濕台階?
紅燈將滅酒也醒
此刻該向它告別
曲終人散
回頭一瞥
嗯......最後一夜



Tsai Chin, "Die letzte Nacht" (Text: Shen Zhi, Musik: Chen Zhiyuan)

Ich werde mich nicht mehr im endlosen Tanz drehen
Den benehmenden milden Wein trinke ich nicht aus.
Niemand wird diese Nacht bei mir sein
Und mir tröstende Worte zuflüstern.
Zahllose hübsche junge Männer und schöne Frauen
Das ewige Auf und Ab des Lebens
An nichts davon kann ich mich halten.
Ratlos schaue ich ins Licht der Laterne.

Habe ich je den Zauber gekannt,
der zwischen zwei Liebenden herrscht?
Hat mir je ein Abschied das Herz gebrochen
und ich saß in Tränen auf den kalten Stufen?
Bald verlöschen die Lichter,
die Gäste erwachen aus ihrem Rausch,
und auch ich gehe fort...
Der Vorhang fällt, und die Bühne ist leer -
... diese letzte Nacht.

* * *

Zettels Raum wünscht allen Lesern ein friedliches, gesundes und vor allem: viel hoffnungsvolleren neues Jahr, als es uns das verflossene beschert hat.

U.E.

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Ein Anruf von ET? - Das mysteriöse Signal von Proxima Centauri



(Lori Nix, "The Outpost", 2004)

Das Jahr 2020 begann, in der Wissenschaft und auf diesem Netztagebuch, mit einem kosmischen Ereignis - der Möglichkeit, daß wir Zeugen einer Supernovaexplosion in unserer galaktischen Nachbarschaft werden würden. (Wie sich herausgestellt hat, handelte es sich freilich "nur" um einen massiven Materieausstoß, der das Licht des zweithellsten Sterns in Sternbild Orion über Wochen hinweg verdunkelte.) Es scheint nur passend, daß das Jahr mit einem weiteren "galaktischen Rätsel" endet.

* * *

Wie vor drei Monaten, als an dieser Stelle die Frage nach "Leben auf der Venus" gestellt wurde - allerdings auf einem anderen Level, denn dort ging es um den möglichen Nachweis von Leben überhaupt an einem Ort außerhalb unseres Heimatplaneten und nicht um einen möglichen Nachweis von intelligentem Leben - muß auch in diesem Fall die Antwort lauten: Möglicherweise. Eher nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht. Aber es ist nicht auszuschließen.

Aber der Reihe nach: bei dem Signal, das in den Tagen vor dem Weihnachtsfest für ein wenig Echo in den Medien sorgte, handelt es sich um einen Radiopuls, der im Zug der vor fünf Jahren gestarteten "Breakthrough Initiatives" aus der Richtung des nächsten Sterns, Proxima Centauri, im vorigen Jahr registriert wurde, über eine Dauer von 30 Stunden hinweg.

Die am Projekt beteiligten Fachleute haben einhellig betont, daß sie sehr stark davon überzeugt sind, daß es sich bei diesem Signal um einen Fehlalarm handelt. "Wenn ich sage, daß es höchstwahrscheinlich menschlichen Ursprungs ist, meine ich 'in der Größenordnung von 99.9 %," wie es der Leiter des Projekts, Pete Worden, ausdrückte: "The most likely thing it that it's some human cause. And when I say it's most likely, it like 99.9 percent."

29. Dezember 2020

"Das Phonogramm von Pompeji." Zwei Ausgrabungen



(Alle Bilder Parco Archeologico di Pompei)



Tod und Leben, nahe hier beisammen,
Aschenurnen neben Rosenflammen;

Jeder Morgen ist ein Blumenbringer,
Jeder Blick streift einen Totenzwinger.

Und den Trümmerrest von Architraven
Überdecken siegreich der Agaven

Bläulichgrüne, riesige Rosetten;
Auf dem Boden nackte Amoretten,

Tonfiguren, Statuettentrümmer;
Und ich frag mich: Ob nicht auch im Zimmer,

Wo ich Fremdling gestern übernachtet,
Eine Aschenurne eingeschachtet,

Da im Traum ein Weib mit Kahn und Ruder
Mich willkommen hieß als ihren Bruder?

Christian Wagner (1835-1918), "Im Garten des Albergo del Sole. Pompeji" (1906)

In seinem regelmäßigen Rechenschaftsbericht nach Weimar über die Abenteuer des "Maler Müller" im Land, wo die Zitronen blühen, schreibt Goethe, der sich nach zehn Jahren unablässiger Tätigkeit im Kabinett seines Großherzogs, wo er von den wöchentlichen Arbeitssitzungen nur insgesamt sechs versäumt hatte (zwei fielen mit einer Dienstreise zusammen), endlich eine kleine und anonyme Auszeit gegönnt hatte, am Dienstag, dem 13. März 1787 an seine Confidante Frau von Stein: "Sonntag waren wir in Pompeji. - Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das den Nachkommen so viel Freude gemacht hätte. Ich weiß nicht leicht etwas Interessanteres." Aus der Tatsache, daß der Herr Geheimbde Rath weiter kein Wort über die Örtlichkeit verliert, darf man aber freilich schließen, daß er sich sehr wohl allerlei Interessanteres vorstellen konnte. Die Enge und Kleinheit der freigelegten Behausungen, die verwinkelten Gäßchen mit ihren Trittsteinen, die aufdringliche Tünchung der Wände in ihrem benehmenden dunklen Rotton, das bis heute unter "pompejanischem Rot" geläufig ist; die nicht selten ungeschlachten Proportionen der auf den Wandmalereien dargestellten Personen, das fettglänzende Grau, das oft dunkle Hauttöne andeutet, nicht zuletzt die Begattungsszenen auf den Fresken der "Lupanare," der öffentlichen Bordelle - all das konnte seinen am klassischen Ideal ausgerichteten Kunstsinn mit verschwimmendem Chiaroscuro, wie er es in den Kupferstichen seiner Studienzeit kennengelernt hatte, eigentlich nur beleidigen. Auch bei heutigen Betrachtern stellt sich beim Durchblättern von Bildbänden über die im Jahr 832 ab urbe condita von den pyroklastischen Lavaströmen des Vesuvs begrabenen Stadt am Golf von Neapel eher ein Gefühl von Beklemmung und Befremdung ein als ein ästhetischer Genuß - ein Eindruck, den übrigens Bauten und auch Gemälde aus der Anfangszeit der italienischen Frührenaissance oft hervorrufen, eine Art ästhetischer Atembeklemmung. Dennoch war die Entdeckung von Pompeji und dem benachbarten Herculaneum in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Wendepunkt, weil sie einen unmittelbaren Einblick in die gelebte Alltagswirklichkeit der als Ideal verklärten Antike gestattete - und weil man an ihrem Beispiel zuerst die Techniken entwickelte, die diese handgreifliche Ans-Licht-Beförderung einer verlorenen Vergangenheit erst ermöglichte. In das Sortiment des bildungsbürgerlichen Kanons stieg die Stadt freilich erst im Lauf der neunzehnten Jahrhunderts auf - vor allem durch einen der größten "Bestseller" der frühen viktorianischen Zeit, Edward Bulwer Lytton "The Last Days of Pompeji" von 1834 (dessen frühe Popularität sich auch dem Zufall verdankt, daß wenige Monate nach dem Erscheinen des Buchs die Medien der Zeit voll von Berichten über einen neuen - wenn auch weitaus glimpflicher verlaufenen - neuen Ausbruch des Vesuvs berichteten. "Die letzten Tage von Pompeji" begründeten zwei Schulen der literarischen Vergangenheitsschau: zum einen den Historienroman, der sich an Topographie und dem Quellenstand und der historischen Forschung orientierte und die geschilderte Zeit nicht einfach als bunte Abenteuerkulisse benutzte (nach dem Muster von Alexandre Dumas pêres "Drei Musketiere") - und, weil sich Bulwers Roman auf das Schicksal und die drohende Verfolgung einer frühen christlichen Gruppe durch die heidnische Priesterschaft konzentriert, auf die Befestigung oder Evozierung des christlichen Ursprungs der westlichen Tradition, die durch den wissenschaftlichen Fortschritt wie auch die quellenkritische vergleichende Religionsforschung von zwei Seiten "unter Beschuß gekommen" war. Dieser Traditionsschiene verdanken sich spätere Beispiele des Genres, wie etwa Henryk Sienkiewicz' "Quo Vadis" (1896), Lew Wallaces "Ben Hur" (1880) oder auch Charles Kingsleys "Hypatia" (1853) - wobei Kingsley als anglikanischer Geistlicher seinen Strauß mit der katholischen Kirche in Gestalt des Bischofs von Alexandria ausficht, der den ungebildeten, abergläubischen Mob zum Mord an der antiken Philosophin aufstachelt.

25. Dezember 2020

Arnold Bennett, "Veras zweites Weihnachtsabenteuer" (1907)



(Mince Pies)

I.

Vera war es gewöhnt, daß ihr seltsame und merkwürdige Dinge widerfuhren - vielleicht, weil sie so eine außergewöhnlich feminine Frau war. Aber von alle den seltsamen und merkwürdigen Dingen, die ihr je zugestoßen waren, war dies mit Abstand das seltsamste und merkwürdigste. Es war eine nicht wirklich befriedigende Geschichte, weil die Affäre mit einem Rätsel endete - oder besser: weil Vera sie beendete. Der Leser kann sich aber damit trösten, daß er vielleicht vor einem unlösbaren Rätsel steht, daß Vera von genau denselben Fragen und Rätseln noch viel mehr gequält wurde.

Zwei Tage vor Weihnachten, etwa um drei Uhr nachmittags, als draußen gerade die Dämmerung hereinbrach und die ferne Rauchglocke, die über den Fünf Städten hing, im allgemeinen Grau des Himmels im Norden verschwamm, saß Vera vor dem Erkerfenster im Salon von Stephen Cheswardines neuerworbenen Haus in Sneyd. Sneyd ist die fashionabelste Wohngegend der Fünf Städte, geadelt durch die Gegenwart einer Gräfin. Und als die schlanke, dreißigjährige Vera nun dort leicht verstimmt saß (aus Gründen, die gleich klar sein werden), in ihrem reizenden Teekleid, fuhr ihr Gatte mit dem Einspänner vor dem Tor vor, und er war nicht allein. Er war in Begleitung eines Mannes von kraftvollem und schneidigen Äußeren, höchst ansehnlich und mit feingeschnittenen Gesichtszügen, lebhaften Augen und in einen prächtigen Pelzmantel gehüllt. Als sie seiner ansichtig wurde, klopfte Veras Herz zwar nicht heftig, aber es stand kurz davor.

Einen Moment später geleitete Stephen seinen Bekannten in den Salon.

"Meine Gattin," sagte Stephen, der sich die Hände rieb. "Vera, das ist Mr. Bittenger aus New York. Er wird uns die Ehre geben, heute bei uns zu übernachten."

Und jetzt klopfte Veras Herz tatsächlich heftig.

24. Dezember 2020

Arnold Bennett, "Veras erstes Weihnachtsabenteuer" (1907)





I.

Fünf Tage vor Weihnachten kam Cheswardine heim zu seiner Frau, nachdem er eine Woche in Geschäftsangelegenheiten in London verbracht hatte. Vera empfing ihn an der Haustür (oder in deren Nähe) ihres hübschen, aber kinderlosen Heims in ihrer Eigenschaft als bestgekleidete Dame in Bursley in einem Teekleid, das auch ein wesentlich unempfänglicheres Mannsbild als ihren Gatten beindruckt haben würde; während er, in seiner Eigenschaft als nüchterner und erfolgreicher Steingutproduzent vorgab, daß das Teekleid nichts besonderes sei, und ihr den nüchternen, kurzen Kuß eines Mannes gab, der seit sechs Jahren im Stand der Ehe weilt und sich daran gewöhnt hat.

Trotzdem: das Teekleid gefiel ihm, und Vera konnte an den gewissen kleinen Zeichen ablesen, daß es ihm gefiel. Sie hatte auch darauf gehofft, daß das Teekleid diese Wirkung erzielte. Sie hatte gehofft, daß er in versöhnlicherer Stimmung heimkommen würde, als er abgereist war, und daß sie doch noch ihren Willen bekommen würde.

Nun darf man mit Fug und Recht gewisse Erwartungen hegen, wenn ein Ehemann, der über einen gewissen Wohlstand verfügt und ein schönes und verwöhntes Weib sein eigen nennt, eine Woche in London verbringt und fünf Tage vor Weihnachten heimkehrt. Es würde nicht nur gewaltigen Mut, sondern auch einen beeindruckenden Mangel an Takt und Anstand im Hinsicht auf den ehelichen Hausfrieden zeigen, diese Erwartungen zu enttäuschen. Und Cheswardine, der durchaus imstande war, den Extravaganzen seiner besseren Hälfte strenge Zügel anzulegen, war ein anständiger Kerl. Er hatte nicht vor, sie zu enttäuschen; er kannte seine Pflichten.

Und so begann er an jenem Nachmittag, während das Teekleid den Reiz des großen, im Chippendalestil eingerichteten Salons noch erhöhte, die kleine hölzerne Kiste zu öffnen, die er eigenhändig ins Haus getragen hatte; öffente sie mit großer Vorsicht, verstreute Verpackungsmaterial auf dem Teppich und holte schließlich ein Paar Vasen aus venezianischem Glas ans Tageslicht. Er stellte sie auf den Kaminsims.

"Da, bitte!" sagte er stolz.

Arnold Bennett, "Der Einbruch am Heiligabend" (1906)



I.
Lady Dain sagte: "Jee, wenn dieses Bild hier noch länger hängt, kannst du mich demnächst in Pirehill einliefern."

In Pirehill befindet sich das große Bezirkskrankenhaus, aber auch die große örtliche Nervenheilanstalt, und wenn die Leute in den Five Towns, den Fünf Städten, von "Pirehill" (ohne Zusatz) sprechen, meinen sie die Irrenanstalt.

"Ich will dir ganz offen sagen, daß mir mittlerweile aller Appetit vergangen ist," sagte Lady Dain, "und das liegt nur an diesem Porträt!" Sie schaute finster auf das gewaltige Ölgemälde, das vor ihr an der Wand des geräumigen und teuer ausgestatteten Speisezimmers hing.

Sir Jehoshophat sagte nichts.

22. Dezember 2020

Niemand hat die Absicht eine Impfpflicht einzuführen. Ein Gedankensplitter.

Nun ist sie da, die berühmte Corona-Impfung, ein medizinisches Novum, hergestellt in einer absoluten Rekordzeit von weniger als 12 Monaten und mehr oder minder auch gleich in großen Dosen verfügbar. Die Lösung des Corona-Problems zeichnet sich ab, endlich kann die Gesellschaft wieder aufatmen, endlich kann man das Ende der verhassten Lockdowns absehen, endlich triumphiert der Mensch über das böse Virus, dass uns so lange das Leben vermiest hat. 

18. Dezember 2020

Arthur Quiller-Couch, "Das Veilchen der Zarin" (1913)



Prince! your armies, horse and foot,
Cannot kill a violet.
Call your engineers to root it,
Your artillery to shoot it;
See, the flower defies you yet.
Drum, drum, fife and drum -
Pass and let the children come!




Einst, vor vielen Jahren, wünschte sich der deutsche Kaiser, in Frieden mit dem Zaren von Rußland zu leben. Zwar herrschte in seinem Reich schon lange Frieden, aber es verlangte ihn, ihn noch zu befestigen, denn er war alt, und alte Männer sehnen sich nach einem gesicherten Frieden ringsum. Es macht es ihnen so viel leichter, ihre Angelegenheiten zu ordnen, und wenn sie die Augen schließen, heißt es im Volk: "Er hat gewußt, wie nutzlos Streit und Zank ist!"

Leider aber war er vom Alter schon so geschwächt, daß er die Strapazen einer Reise nach Sankt Petersburg nicht auf nicht nehmen konnte. Deshalb schrieb er einen Entschuldigungsbrief und übergab ihn seinem Kanzler - der niemand anderes war als der berühmte Fürst Bismarck.

Fürst Bismarck traf erst spät in der Nacht in Sankt Petersburg ein. Aber der Hofmarschall war noch auf und lud ihm zu einem Abendmahl ein, und wies ihm ein prächtiges Schlafzimmer zu, in dem ein Kaminfeuer loderte, denn Rußland ist ein kaltes Land.

Am nächsten Morgen erwachte er bei hellem Sonnenschein, und da er ein Frühaufsteher war (er schrieb dieser Angewohnheit seinen Erfolg im Leben zu), verlor er keine Zeit, kleidete sich an und machte sich zu einem Morgenspaziergang im Park auf.

Aber obwohl Fürst Bismarck so früh aufgestanden war, waren die Wachen des Zaren noch eher auf. An jeder Ecke der großen Palastes standen sie, an jeder Stelle, an dem sich die Wege gabelten, und entlang jeder akkurat gestutzten Allee. Jeder Soldat präsentierte das Gewehr, als er vorbeikam, mit abgezirkelten, steifen Bewegungen. Das begann Fürst Bismarck zu stören, denn die Vögel sangen mit aller Macht, der Tau blitzte im Gras, und zudem wünschte er, allein zu sein und nachdenken zu können, denn der Zar würde ihn sicherlich nach dem Frühstück empfangen, und es gab noch ein paar strittige Punkte, die es zu klären galt, bevor der Vertrag unterzeichnet werden konnte.

17. Dezember 2020

Streiflicht: Kauft nicht bei Amazon

Es wurde erfolgreich "nachgeschärft", der mehr oder minder volle Lockdown ist nun da und der Handel sieht sich zurückversetzt in den Horror des ersten Lockdowns, mit dem Unterschied dass dieser zeitlich deutlich befristeter war und nicht das überlebensnotwendige Weihnachtsgeschäft betroffen hat. Kurz gesagt: Der Handel steht vor der selben Katastrophe, die schon die Gastronomen erfasst hat, eine zweistellige Prozentzahl von Betrieben ist direkt von der Insolvenz bedroht, wie viele es am Ende werden, lässt sich derzeit nicht einmal vernünftig schätzen.

12. Dezember 2020

Panik, aber wann?

Unser Land ist in Panik. Daran gibt es wenig zu rütteln. Seit dem zweiten Weltkrieg hat es keine derartig tiefgehende Einschnitte in die Bürgerrechte gegeben, selbst die Radikalenerlässe aus den 70er Jahren kommen da nicht mit. Bayern hat den Katastrophenfall ausgerufen, was der Landesregierung einmalige Rechte einräumt sogar noch die verbleibenden Rechte weiter einzuschränken. Das Freizeitleben ist eingefroren, seit sechs Wochen kann man keinen organisierten Sport mehr treiben, nicht mehr Schwimmen gehen, die Schulen bereiten sich auf erneute Schliessungen vor und die Gastronomie steht vor einer einmaligen Katastrophe mit Schätzungen um die 50% Insolvenzen. Und das ist noch nicht genug. "Team Merkel" will unbedingt nachschärfen, nachdem die Gastronomie zu guten Teilen erdrückt wurde, ist der Einzelhandel dran. Was,  da das Weihnachtsgeschäft diesen Jahres ohnehin in den Seilen hängt, sicher ebenso gut funktionieren wird. 

2. Dezember 2020

Einer lügt. Oder: Framing am Beispiel.

Vor zwei Tagen fiel diesem Autor in der ehemals renommierten Zeitung Welt folgende Schlagzeile auf:

"Intensivmediziner warnen - Das haben wir noch nie erlebt".

Was folgt ist ein ziemlich alarmistischer Artikel, der uns beschreibt wie ein Prof. Dr. Genot Marx, seines Zeichens Sprecher des Arbeitskreises Intensivmedizin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, darüber informiert, wie schlimm die Situation derzeit in deutschen Krankenhäusern, bzw. deren Intensivstationen derzeit ist. Und dass es so etwas noch nie gegeben habe und was natürlich nicht fehlen darf ist der Hinweis, dass der Lockdown ruhig noch ein bischen schärfer hätte ausfallen können (das Problem der Nachschärfung haben ja derzeit viele).

29. November 2020

Willy, "Ernüchterte Märchen" (1894)



(Willy. Zeichnung von Felix Valloton)

"Je me promenais dans un bois, affamé, quand je vis venir le Petit Chaperon Rouge qui me dit:" A cinq cent mètres d'ici demeure mère-grand, une méchante vieille qui me fait mille misères; petit Loup, tu serais gentil comme un petit loup chéri d'aller lui tordre le cou. Elle est très grasse." Comme un imbécile, j''étranglai la mégère; pendant ce temps, le Petit Chaperon Rouge prévenait les gendarmes de m'arrêter comme anarchiste. J'ai fait vingt ans de Nouvelle , et le drôlesse a hérité les économies de sa grand-mère, qu'elle convoitait pour épouser un garçon coiffeur. N'essayez pas de venger les rancunes d'autrui." (Histoire du loup)

Eines Nachmittags wartete ein Wolf in einem dunklen Wald darauf, daß ein kleines Mädchen vorbeikäme, das seiner Großmutter einen Korb mit Speisen bringen würde. Schließlich kam ein kleines Mädchen des Wegs und sie hatte einen Korb mit Speisen bei sich. "Bringst du den Korb deiner Großmutter?" fragte der Wolf. Das kleine Mädchen sagte, ja, das tue es. Also fragte der Wolf sie, wo ihre Großmutter wohnte, und sie erzählte es ihm, und er verschwand im Wald.

Als das kleine Mädchen die Tür des Hauses ihrer Großmutter öffnete, sah sie, daß jemand mit einer Nachtmütze und im Nachthemd in ihrem Bett lag. Sie war noch zehn Schritt entfernt, als sie erkannte, daß es nicht ihre Großmutter war, sondern der Wolf, denn selbst mit einer Nachtmütze hat ein Wolf so wenig Ähnlichkeit mit eurer Großmutter wie der Löwe von Metro Goldwyn Mayer mit Calvin Coolidge. Also zog das kleine Mädchen eine Automatik aus seinem Korb und schoß den Wolf über den Haufen. Moral: Kleine Mädchen sind heute auch nicht mehr so leicht hereinzulegen wie früher.

- James Thurber, "The Little Girl and the Wolf" (1939)

* * *

Es waren einmal zwei entzückende Kinder, von denen das eine Daphnis und das andere Chloë hieß, und die nichts vom Leben wußten, denn sie hatten eine sehr fromme Erzeihung genossen.

Am Vorabend ihres Hochzeitstages geschah es, daß sie sich in einem Wald verliefen und nicht mehr weiterwußten, denn sie fürchteten, sich noch weiter im Dunkeln zu verirren. Die Nacht war undurchdringlich, und Daphnis und Chloë zitterten wie Unschuldige, wenn sie vor dem Untersuchungsrichter stehen.

Schließlich ging der Mond auf, und sie sahen, daß sie eine verlassene Lichtung erreicht hatten. Aber alsbald näherten sich im Gänsemarsch ein räudiger Wolf, ein verschlagen dreinschauender kleiner Schurke, ein rothaariges Mädchen mit einem Schnurrbart, eine prachtvoll gewandete Gestalt, die verschlafen aussah, ein Riese, ein Schmutzfink, ein altes Weib, das in eine Eselhaut gehüllt war, und noch viele andere.

27. November 2020

嫦娥, 把我传送上去! China auf dem Weg zum Mond



嫦娥, 把我传送上去! "Beam me up, Chang'e!"

I

Die letzten Nachrichten zuerst: Heute nacht, am Mittwochabend um 10 Uhr und 6 Minuten Pekinger Zeit (beziehungsweise 04:06 Mitteleuropäischer Zeit) hat nach Angaben der Nationalen Chinesischen Raumfahrtbehörde CNSA die Mondsonde Chang'e 5 ihre zweite Bahnkorrektur ausgeführt, in einer Entfernung von 270.000 Kilometern von der Erde, indem die beiden 3000 Newton liefernden Bordtriebwerke für sechs Sekunden gezündet wurden, nach einer Flugdauer von 41 Stunden. Das Manöver folgte einer ersten Bahnanpassung genau zwölf Stunden zuvor, als die Triebwerke in einer Entfernung von 160.000 Kilometern für zwei Sekunden lang die Bahnparameter anpaßen, damit die Sonde am Samstag, den 28. November in eine Umlaufbahn in 80 Kilometern Höhe über der Mondoberfläche einschwenken kann. Die Landung der an Bord befindlichen Landekapsel im Oceanus Procellarum ist für den 30. November geplant, der Start der Probenkapsel für den zweiten Dezember. Diese Kapsel selbst wird den Rückflug zur Erde nicht antreten; die bis zu zwei Kilogramm Mondgestein, die der Greifarm des Landers aus einer Tiefe bis zu 1.80 gewinnen soll, werden in das vierte Modul der Sonde, die Rückflugkapsel umgeladen. Am 16. oder 17. Dezember soll dann die Landung in der Inneren Mongolei erfolgen. Als Zielgebiet ist der Mons Rümker festgelegt wurden, der seinen Namen seit 1935 nach dem deutschen Astronomen Karl Ludwig Christian Rümker (1788-1862) trägt, der viele Jahrzehnte zweiter Direktor der Hamburger Sternwarte war, nachdem das erste provisorische Observatorium am Stintberg aufgegeben worden war und der Hamburger Senat 1830 den Neubau am Millerntor genehmigt hatte (die Pfeffersäcke machten das nicht allein zur Förderung der abstrakten Wissenschaft, sondern wünschten sich eine Stätte, an der die zu Schiffsoffizieren ausgebildeten Söhne der Stadt den praktisch-faktischen Umgang mit nautischen Positionsbestimmungen erlernen konnten). Rümker war zuvor Direktor der bis dahin einzigen Sternwarte in Australien, in Parramatta, gewesen, hatte sich aber mit seinem englischen Kollegen und der örtlichen Verwaltung schwer überworfen. Der flache Schildvulkan (chinesisch 吕姆克山 / Lǚmǔkè shān; die klangliche Nachbildung ist deutlich) auf der Position 41°30' nördlicher Breite und 59°30' westlicher Länge ist mit dem Feldstecher leicht aufzufinden: der "Ozean der Stürme" bildet die dunkle Lavafläche am linken oberen Rand der sichtbaren Mondscheibe, wenn man sie sich als ein Zifferblatt denkt, ist er die verbreitete Spitze eines Zeigers, der auf die 11-Uhr-Position weist. Das Massiv mit seiner Basis von gut 70 Kilometern und seiner gut von 1500 Metern ist aus zwei Gründen als Landeort ausgesucht worden: zum einen handelt es sich um vulkanisches Ergußgestein, anders als bei den Bodenproben, die die Apollo-Missionen vor einem halben Jahrhundert, und zuletzt die beiden russischen Zond-Sonden 1976 zur Erde zurückgebracht haben: dies war der dunkle Basalt der "Mondmeere," die ihre Entstehung dem "schweren Bombardement," dem "heavy bombardement" durch Asteroiden von 4-3 Milliarden Jahren verdanken. Anhand der Kraterdichte läßt sich ermitteln, daß der Mons Rümker nicht älter als gut 1,3 Milliarden Jahre sein kann und damit unter den Mondformationen zu den jüngsten zählt.

26. November 2020

Bischen nachschärfen....

Liest man dieser Tage (gerade gestern) mal wieder Zeitung und kommt das Stichwort auf das allgegenwärtige Virus, respektive die staatlichen Maßnahmen, steht in gefühlt jedem zweiten Artikel der Wunsch der Frau Bundeskanzler die akuten Maßnahmen oder die vorgeschlagenen nachzuschärfen. Da wo orange das neue schwarz ist, scheint die Nachschärfung die neue Alternativlosigkeit zu sein. Ich will es gleich vorweg nehmen, schon die permanent und dauerhaft bemühte Vokabel der Schärfung löst inzwischen bei mir ähnliches, körperliches Unbehagen aus wie ein Bild von Karl Lauterbach.

24. November 2020

Arecibo. Das Ende einer Ikone



I

Zu den Besonderheiten, die die Astronomie unter ihren Schwesterdisziplinen im Bereich der "exakten" Naturwissenschaften - den messenden, quantifizierenden, mathematisch bis auf diverse Nachkommastellen präzisen wie der Physik, der Chemie und der Biologie (soweit sie sich auf das Individuum und dessen körperliche Vorgänge kapriziert) - auszeichnet, ist das, was man ihre "Ikonizität" nennen könnte: der Wiedererkennungswert ihrer Instrumente, namentlich der großen Teleskope, die auch von flüchtigen Zaungästen sofort wiedererkannt werden. Die Labore und Forschungsstätten der anderen Abteilungen der exakten Auslotung dessen "was die Welt / im Innersten zusammenhält" sind zumeist gesichtslos und austauschbar. Bilder des Caltech oder des Fermilab führen selbst bei Betrachtern, die mit der Geschichte der Naturwissenschaften gut vertraut sind, nicht zu einem "Aha!"-Effekt; eine Einrichtung von Weltrang zur Meeresforschung wie Woods Hole in Massachusetts würde ohne Bildlegende nicht von einem von hundert Nicht-Fachleuten nicht erkannt (die Ausnahme stellt auf diesem Gebiet sicher Jacques Cousteaus "Calypso" dar, das für Generationen von Fernsehzuschauern neben der roten Pudelmütze zum Markenzeichen dieses Tauchpioniers wurde). Der Speicherring des LHC, des Large Hadron Collider des CERN dürfte für die Teilchenphysik auch eine solche Ausnahme darstellen (daß der gut neun Kilometer durchmessende Tunnelring den Alterssitz des Aufklärers Voltaire, Ferney, umschließt, dürfte diesen im Elysium, an das er nicht glaubte, nicht wenig erfreuen). Und vielleicht noch die Kaverne des Neutrinodetektors Super Kamiokande in der japanischen Präfektur Gifo: die vierzig Meter messende kugelförmige Höhle, in einem ehemaligen Bergwerk in einem Kilometer Tiefe vor aller Strahlung abgeschirmt, ist mit 13.000 Photodetektoren ausgekleidet, deren Wartung und Austausch durchs Bootsmannschaften bei entsprechend reguliertem Wasserstand erfolgt, was den Bildern davon genau diesen "Wiedererkennungswert" verleiht, weil es wirkt, es sei hier in einem unterirdischen Venusberg eine Inzsenierung der "Zauberflöte" mit dem Bühnenbild Karl Friedrich Schinkels wahr geworden.

22. November 2020

Max Haushofer, "Der Thanatograph" (1888)



Im ärztlichen Vereine zu A. erregte unlängst ein Vortrag über den Thanatographen bedeutendes Aufsehen. Der Vortragende berichtete hierüber folgendes:

Der Apparat, dessen Beschaffenheit ich später angeben werde, wurde dem Sterbenden zu Häupten gestelle. Der Griff des Apparates ward in die erkaltende Hand des Sterbenden gelegt und dieselbe mit einem seidenen Tuche sanft zusammengebunden, so daß sie den Griff nicht fallen lassen konnte. Ein Assistent beobachtete den Puls des Sterbenden, und in dem Augenblicke, als er das gänzliche Stillstehen des Pulses durch ein Kopfnicken konstatierte, flüsterte der dirigierende Arzt in das Ohr des Verstorbenen: "Schreibe!"

Der Thanatograph begann zu arbeiten. Erst sehr langsam; dann mit zunehmender Geläufigkeit. Etwa drei Stunden nach dem Tode erreichte diie Thätigkeit des Apparates ihre höchste Geschwindigkeit, sodann nahm sie fortwährend ab. Als die Totengräber am folgenden Tage den Gestorbenen abholten, war der Apparat seit einer halben Stunde völlig regungslos gewesen. In der ersten hatte er siebzehn Worte geschrieben, in der zweiten hundertneununddreißig, in der dritten schon über siebenhundert. Dann hatte er allmählich nachgelassen.

Was bis jetzt über den Thanatographen bekannt ist, läßt sich dahin zusammenfassen, daß derselbe ein Appparat ist, welcher den Elektromagnetismus dazu benutzt, um das Nervensystem eben verstorbener Menschen zu schriftlichen Mitteilungen zu veranlassen. Es sind nur die nächsten Stunden nach dem Tode, welche der Thanatopgraph benutzen kann; jene Stunden, ehe der völlige Zerfall des Menschen beginnt. Vielleicht wird eine spätere Zeit noch bessere Apparate ersinnen, die geeignet sind, uns Kunde von dem zu geben, was nach des Menschen Tode in ihm vorgeht.

18. November 2020

Jean Lorrain, "Das verschlossene Zimmer" (1891)



Das Abweisende, Feindselige mancher Häuser und Zimmer auf dem Land, ihre abgestandene Luft, die an eine Totenkammer gemahnt, hatte ich noch sie so stark empfunden wie an jenem verregneten, tristen Oktobermorgen, als der Hausknecht meinen Koffer auf dem Boden jener Kammer im Obergeschoß abgestellt hatte und die Tür hinter mir von selbst ins Schloß fiel.

Welches herbstliche Mißgeschick hatte mich, den unfähigsten Jäger der Welt, mit einem beinahe körperlichen Abscheu vor Schußwaffen, in dieses einsame Haus mitten im Wald verschlagen? Welcher kranke Spleen hatte mich dazu getrieben, den Treibern des Marquis de Hauthère zu folgen, die Boulevards von Paris und die Arbeit für meine Zeitung zu verlassen und mich hier in diesem finsteren Forst zu vergraben, am Vorabend vor der Premiere von Cléopâtre und Réjanes langerwartetem Comeback in dem Stück von Meilhac?

Auch wenn es verrückt klingt: ich bin der festen Überzeugung, daß es mich gegen meinen Willen in diesen vom Herbst verwüsteten, einsamen Forst gezogen hatte, daß ich, ohne daß ich mir dessen bewußt gewesen wäre, dazu ausgesucht war, eine Rolle in einem Drama aus dem Jenseits zu spielen.

Wer hatte früher einmal in diesem alten Waldhaus aus der Zeit Louis des Dreizehnten gelebt,das da mit seinem von winzigen Fenstern durchbrochenen steilen Schieferdach neben dem von toten Blättern bedeckten Teich an der einsamsten Stelle des großen Waldes stand?

Es befand sich seit Jahrhunderten in Besitz der Familie de Hauthère, und der Vater des jetzigen Marquis hatte es zu einem Gästehaus umbauen lassen, in dem während der Jagdsaison die Gäste untergebracht wurden, die im Schloß keinen Platz mehr fanden.

15. November 2020

Jean Lorrain, "Die Löcher in der Maske" (1895)



(Jean Lorrain; Portrait von Antonio de la Gandara, 1861-1917)

« Vous voulez en voir, m’avait dit mon ami de Jakels, soit, procurez-vous un domino et un loup, un domino assez élégant de satin noir, chaussez des escarpins et, pour cette fois, des bas de soie noire et attendez-moi chez vous mardi. Vers dix heures et demie, j’irai vous prendre. »

* * *

I

"Wenn Sie sich das ansehen möchten," hatte mir mein Freund de Jakels gesagt, "dann besorgen Sie sich einen Domino und einen anständigen Umhang aus schwarzer Seide, ziehen Sie Tanzschuhe und aus diesem Anlaß auch schwarze Seidenstrümpfe an und erwarten Sie mich nächsten Dienstag. Ich hole Sie dann um halb elf ab."

Am darauffolgernden Dienstag wartete ich also auf meinen Freund de Jakels in meiner Junggesellenwohnung in der Rue Taitbout, eingehüllt in die Falten eines langen Kapuzenmantels und mit einer Samtmaske mit einem künstlichen Bart, deren Seidenbänder ich hinter den Ohren zusammengebunden hatte und wärmte mir die Füße am Kamin. Das ungewohnte Gefühl von Seide auf der Haut irritierte mich; von draußen drang das undeutliche Lärmen und Musizieren eines Karnevalsabends herein.

Die ganze Situation hatte etwas Merkwürdiges und, bei Licht betrachtet, durchaus Beunruhigendes an sich: diese maskierte Gestalt, die da ausgestreckt im Sessel Nachtwache hielt, im Dämmerlicht der Erdgeschoßwohnung mit den vielen Nippsachen und den schweren Behängen und den Spiegeln an den Wänden, im Licht einer weit hochgedrehten Petroleumlampe und zweier hoher schmaler, weißer Kerzenflammen wie bei einer Totenwache - und de Jakels kam nicht. Das Gelärm des Maskierten verklang in der Ferne und die Stille wurde bedrückender, und die beiden Kerzenflammen brannten so regungslos, daß mich diese drei Lichter so nervös machten, daß ich schließlich aufstand, um eins davon zu löschen.

13. November 2020

Stella Benson, "Der Mann, der den Bus versäumte" (1928)



Als Mr. Robinson in St. Pierre anlangte, war seine Stimmung längst auf den Nullpunkt gesunken. Die beiden Plagen, die seinem Nervenkostüm am zuverlässigsten zusetzten, waren Lärm und grelles Licht, das seine Augen blendete. Und wie er Monsieur Dupont, dem Wirt des "Tres Moines" in St. Pierre, mit Nachdruck darlegte: "Wenn es etwas wirklich wirklich Lästiges gibt, Monsieur, etwas Störendes, etwas zutiefst Störendes - was sage ich: eine Gefahr - was ich sagen will: Geräusche stehen nicht für etwas, sondern der Lärm an sich..." "Numéro trente," sagte Monsieur Dupont zum Hoteljungen. Mr. Robinson hatte stets Mühe, sich klar genug auszudrücken, um anderen Leuten klarzumachen, worum es ihm ging, und daß er es ernst meinte, und zumeist blieben sie jedes Zeichen schuldig, daß er verstanden worden war. Aber er war ein bescheidener Mann, und er tröstete sich damit, sich das Schweigen und die Gleichgültigkeit seiner Mitmenschen, auf die er fortwährend stieß, damit zu erklären, daß seine Worte leider nie ausreichten, um ihnen das tiefe, intensive Interesse zu vermitteln, die alle Aspekte des Lebens in ihm auslösten. Sein Geist floß über von all dem, was seine Sinne ihm darboten. Mit jedem neuen Augenblick bot sich ihm neues dar, das seine Aufmerksamkeit beanspruchte. Andere Menschen ließen diese Augenblicke achtlos verstreichen, das sah er wohl, aber er fühlte, daß er seine Mitmenschen aus ihrer Lethargie und der Blindheit ihres alltäglichen Dahinlebens hätte aufwecken können - wenn er nur den Mut dazu und die richtigen Worte dafür gefunden hätte. Freilich klang das, was er ausführte, sogar in in seinen eigenen Ohren so banal und dumm wie ein aufwühlender Traum, von dem man am Frühstückstisch erzählt. Was er mit seiner Bemerkung über den Lärm ausdrücken wollte, war, daß er schon als solcher bedrohlich und grauenvoll war - nicht bloß als Warnung vor Gefahr, sondern als körperlichen Angriff. Die meisten Menschen empfinden Lärm nur als ein Signal, das etwas anderes anzeigt, hatte er sagen wollen, aber in Wirklichkeit stand der Lärm für sich selbst, so wie Zwang und Gewalt unmittelbar sind und nicht für etwas anderes stehen. Es gab keinen harmlosen häßlichen Lärm. Das Dröhnen eines Schnellzugs, der durch einen stillen Bahnhof donnert - das Prasseln einer Regenfront im Wald, die näherkommt - das schrille Gelächter als Reaktion auf einen Witz, den man nicht gehört hat - all diese Geräusche, die harmlos genug waren, wenn man sie isoliert sah, stellten nichtsdestoweniger Katastrophen dar. Das wars, was Mr. Robinson Monsieur Dupont hatte erklären wollen, solange, bis Monsieur Dupont es verstanden hatte - aber wie üblich wurden die Worte schal und banal, sobald er sie ausgesprochen hatte.

9. November 2020

Die Blume des Paradieses. Eine Blütenspur

"Esas consideraciones (implícitas, desde luego, en el panteísmo) permitirían un inacabable debate; yo, ahora, las invoco para ejecutar un modesto propósito: la historia de la evolución de una idea, a través de los textos heterogéneos de tres autores." (Jorge Luis Borges, "La flor de Coleridge", La Nación, 23. September 1945)

Ziel dieser kleinen Miszelle ist, gemäß dem Verfahren von Borges, "ein vergleichsweise bescheidenes Vorhaben: die Entwicklungsgeschichte einer Idee, eines literatischen Motivs, in den unterschiedlich gearteten Texten verschiedener Autoren" anzuzeigen und als Coda zu Borges' kleinem Essay über "Die Blume Coleridges" zwei weitere Beispiele anzufügen und auf die ursprüngliche Quelle zu verweisen, die bislang keinem Literaturhistoriker aufgefallen zu sein scheint. Das Motiv ist das des aus einem Traum in die Tagwirklichkeit hinübergeretteten Gegenstands; im Fall der von Borges angeführten Beispiele eine Blume, die das Traumgeschehen auf ihre paradoxe Weise bestätigt - und gleichzeitig ein ontologisches Paradox aufwirft: wenn dem "Traumgeschehen" der gleiche Wirklichkeitsstatus zukommt wie der Alltagsrealität, worin liegt dann der Unterschied? Und könnte es nicht sein, daß das, was wir für "real" halten, ebenso nur eine Illusion, ein Traum ist: "La vida es sueño," wie es der Titel des Versdramas von Calderón de la Barca von 1635 nennt. Diese erkenntnistheoretische Mise en abyme, die wenige Jahre zuvor, am Martinstag des Jahres 1619 (also fast auf den Tag genau vor vierhundertundeinem Jahr) im oberbayerischen Neuburg an der Donau René Descartes zu seiner radikalen Bottom-Up-Existenzphilosophie anregte, bleibt in den im folgenden angeführten Texten außen vor. Der Sicherheit des Bestehens, der Wirklichkeit, wird nicht radikal der Stöpsel gezogen - der Vorhang wird nur durchlässiger, und dahinter zeichnet sich eine vage angedeutete umfassendere Realität ab, von der das irdische Geschehen nur einen Ausschnitt darstellt, ohne ihm Konturen und Regeln zu verleihen. (Dies ist ein zentrales Problem in der Literatur des Schreckens und des Erstaunens, das die Evokation des "Sense of wonder," das "Mysterium Tremendum" in den Kernpunkt eines Textes rückt: wird der Schleier ganz gehoben, ist der Autor verpflichtet, das sichtbar Werdende konkret vorzustellen, ihm Gestalt und Regeln beizulegen, und es letztlich als Teil der Lebenswirklichkeit einzureihen, dem man bei Bedarf durch den wirkmächtigeren Bannfluch beikommen kann. Ein Paradies - wir werden diesem Ort im Folgenden noch begegnen - von dem eine Karte gezeichnet werden kann, ist kein Elysium mehr, sondern nur noch ein Locus amoenus.) Natürlich muß es sich bei dem handfesten Beweis aus der Traumwirklichkeit nicht um eine Blume handeln; die beiden ersten Beispiele zeigen dies; tatsächlich läßt sich anhand dieser Corpora delicti recht gut zeigen, welche von welchem Motiv der jeweilige Text inspriert wurde.

8. November 2020

Wahlfälschung leicht gemacht

In einer Diskussion in Zettels Raum wurde ich von unserem geschätzten Zimmermann Florian just geziehen eine Verschwörungstheorie zu verfolgen, weil ich das Wahlverhalten in Michigan auffällig finde. Das wäre nichts besonders erwähnenswertes, aber etwas dahinter ist mir schon öfter aufgefallen: Man fällt schnell in Ungnade wenn man die Integrität von Wahlen in Frage stellt. Viele Leute können sich nicht vorstellen, dass Wahlen in großem Umfang gefälscht werden, zumindest nicht im "freien Westen". Es mag der Instinkt sein, dass nicht sein soll was nicht sein darf und das ein solches Infragestellen alleine schon die Grundfesten unserer Gesellschaft beschädigt.
Was in dem Sinne auch sicher nicht falsch ist, denn wenn kein Vertrauen in die Wahlen existiert, dann verliert unsere Gesellschaft einen Teil ihrer Legitimation, nach Meinung einiger die zentrale Legitimation.

5. November 2020

Pfeif auf deine Freiheit. Ein Gedankensplitter zum Lockdown.

Der Gedanke war mir schon früher gekommen (und dann wieder gegangen), aber erst unser geschätzter Zimmermann Gorgasal brachte mich auf eine genauere Version, als er bemerkte, dass unter den Kunden des von ihm frequentierten Fitness-Studios sich wohl auch vermehrt viele Lockdown-Gegner befinden würden. Dies kann ich, ausgehend von dem von mir frequentierten Studio, genauso wie auch von meinem Sportverein, genau so bestätigen. Die "Freunde des Lockdowns", die es ja laut Medien und einschlägigen Umfragen zu großen Teilen geben soll, sind dort eher nicht zu finden. Allerdings muss ich auch zugeben, ich kenne generell sehr wenige echte Lockdown-Freunde. Dies mag zu einem guten Teil daran liegen, dass mein Umfeld vielleicht doch zu den aktiveren zählen mag.

Dennoch: Die Beobachtung habe ich auch beim ersten Lockdown schon machen können. 

4. November 2020

Jetzt haben sie den Salat

Manchmal würde ich lieber nicht Recht haben, diesmal war das leider der Fall. Hier habe ich vorhergesagt was gestern und in den nächsten Tagen passieren würde. Und genau so kam es dann auch: Als ich heute morgen um fünf dann doch zur Ruhe gegangen bin, hatte Donald Trump die Wahl auf dem Papier praktisch gewonnen. Er hatte die wesentlichen Swing-States North-Carolina,. Michigan und Pennsylvania gewonnen, damit war der -unerwartete- Verlust von Arizona zu verschmerzen. Doch dann passierte genau das, was ich ebenso vorhergesagt habe: Plötzlich tauchten (zu hunderttausenden) Stimmen auf. Und diese Stimmen kippten in den darauffolgenden das Ergebnis ins Gegenteil. 

31. Oktober 2020

W. W. Jacobs, "Das Zollhaus" (1907)



"Das ist doch alles Unfug," sagte Jack Barnes. "Natürlich sind Leute in dem Haus gestorben. Das kommt in jedem Haus vor. Und was die Geräusche angeht - Wind im Kamin und Ratten hinter der Vertäfelung können einen schon die Nerven kosten. Gieß mir noch mal eine Tasse Tee ein, Meagle."

"Erst sind Lester und White dran," sagte Meagle, der in den "Drei Federn" die Tischrunde leitete. "Du hast schon zwei gehabt."

Lester und White ließen sich aufreizend lange Zeit, legten zwischen den Schlückchen Pausen ein, um das Aroma zu inhalieren und sorgfältig Alter und Geschlecht der "Neuankömmlinge" zu ermitteln, die in einger Zahl in der Flüssigkeit kreisten. Mr. Meagle goß ihnen randvoll ein, dann drehte er sich zu Barnes um, der ungeduldig wartete, und bat ihn, nach heißem Wasser zu klingeln.

"Wir werden mal versuchen, deine Nerven auch weiterhin zu schonen," bemerkte er. "Ich selbst glaube ja so halbwegs an übernatürliche Dinge."

"Das tut jeder, der bei Verstand ist," sagte Lester. "Eine meiner Tanten hat einmal einen Geist gesehen."

Wenn das staatliche Fernsehen mit Unterstützung der Bundeskanzlerin Hetze betreibt

ein Gastbeitrag von Frank2000.

Da ich kaum noch Fernsehen schaue, ist dieser Vorfall an mir vorbeigegangen.
ZDF heute: "Was nun?" vom 04.06.2020

https://youtu.be/bc0YI_M8ND4?t=1008

Peter Frey:
"Die USA werden seit Tagen von Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt erschüttert. Wieviel Anteil an dieser Eskalation trägt nach ihrer Einschätzung Donald Trump, der Präsident, zum Beispiel durch seine gewaltverherrlichenden Tweets an dieser Entwicklung?"

Merkel:
"Also erst einmal ist dieser Mord an Georg Floyd etwas ganz ganz schreckliches, Rassismus ist etwas schreckliches, und die Gesellschaft in den Vereinigten Staaten ist sehr polarisiert. Ich glaube - oder meine Ansprüche sind immer an Politik, dass man versucht auch zusammenzubringen"

Ich bin derart fassungslos, dass ich dafür doch noch mal einen Gastbeitrag schreibe - obwohl ich eigentlich gar nicht mehr bloggen will.

29. Oktober 2020

Venus zum Zweiten. Das schwebende Haus auf dem "Morgenstern".

"The surface of Venus is a place of crushing pressure and hellish temperatures. Rise above it, though, and the pressure eases, the temperature drops. Fifty kilometers above the surface, at the base of the clouds, the temperature is tropical, and the pressure the same as Earth normal. Twenty kilometers above that, and the air is thin and polar cold.

"Drifting between these two levels are the ten thousand cities of Venus."
(Geoffrey A. Landis, "The Sultan of the Clouds", 2010)

"An der Oberfläche der Venus herrschen ein ungeheuerer Druck und infernalische Temperaturen. Aber weiter höher läßt der Druck nach und es wird kühler. In fünfzig Kilometer Höhe über der Oberfläche, unterhalb der Wolkendecke, entspricht die Temperatur der in den Tropenbereichen der Erde, und der Druck dem an der Erdoberfläche. Weitere zwanzig Kilometer darüber ist die Luft dünn und kalt wie an den Polen.

"Innerhalb dieser Zone schweben die zehntausend Städte der Venus."
("Der Wolkensultan")

Als an dieser Stelle vor kurzem auf den möglichen Nachweis von Spuren organischen Lebens auf dem "Schwesterplaneten" der Erde berichtet wurde (wohlgemerkt: nicht wahrscheinlich, aber immerhin möglich), hieß es:

Es wird die Aufgabe künftiger Raumsonden-Missionen sein, daß ihr Instrumentarium so ausgelegt wird, daß es Antworten auf diese Fragen liefern kann. (Denkbar wären etwa Ballon-Sonden, die in der Zone zwischen 70 und 50 Kilometern treiben und für längere Zeit Daten übertragen könnten.)

Als ich das schrieb, war mir das Projekt noch unbekannt, das zwei für die amerikanische Weltraumagentur tätige Ingenieure, Dale Arney und Chris Jones, vor fünf Jahren, 2015, in einer Projektstudie unter dem Kürzel HAVOC (für "High Altitude Venus Operational Conecpt") vorgestellt haben, und das eine detaillierte Ausarbeitung eines Aspektes eines umfassenderen Konzepts darstellt, das der ebenfalls für die NASA tätige Ingenieur und SF-Autor Geoffrey A. Landis zuerst auf einer Konferenz in Albuquerque im Jahr 2001 präsentiert hat. Es geht dabei um ein auf den ersten Blick völlig irreales, grosteskes Vorhaben, wie es nur einem drauflos fabulierenden Verfasser von Zukunftsphantasien in den Sinn kommen mag: die Erkundung des Morgensterns durch Menschen selbst und die anschließende Errichtung beständig bemannter Basen. Diese sollen allerdings nicht wie in den wenigen Fällen, in denen sich die spekulative Literatur sich diesen unwirtlichen Nachbarplaneten zum Reiseziel nimmt, tief unter der Oberfläche eingegraben vor den höllischen Bedingungen geschützt werden - eine Temperatur von 450° Celsius, ein Atmosphärendruck, der dem hundertfachen auf der Erdoberfläche entspricht, und Niederschlag aus konzentrierter Schwefelsäure, die auf allen Oberflächen kondensiert, die kälter als die Umgebung sind. (Solche Kunsthöhlen finden sich etwa in Fredrik Pohls "The Merchants of Venus", 1972 oder Michael Swanwicks "Tin Marsh", 2006.) Stattdessen sollen die Stationen als gigantische Freiballons in der oben beschriebenen oberen Atmosphäre der Venus schweben, im oberen Bereich der Troposphäre. Grundlage der Überlegung ist die Tatsache, daß ein Gasgemisch wie auf der Erde, mit einem Anteil von gut einem Sechstel bis gut einem Viertel an Sauerstoff mit dem Hauptanteil Stickstoff leichter ist als das Gemisch, aus dem die Gashülle der Venus (96,5% Kohlendioxid und 3,5% Stickstoff) besteht und daher als Traggas wirken würde. Wir reden hier freilich nicht von Gaszellen der Größenklasse, wie man sie an schönen Sommertagen in ländlichen Gegenden wie der unseren über Land fahren sieht (Ballons "fliegen" in der Sprache der Luftschiffer nicht, sondern "fahren"), sondern von Hüllen mit einem Innendurchmesser von mehreren hundert Metern. Die fliegenden Städte, die Landis für seine Erzählung "The Sultan of the Clouds" projektiert hat, tragen kreisförmige Plattformen mit einem Durchmesser von gut einem Kilometer. (Man muß im Hinterkopf behalten, daß der Verdoppelung des Durchmessers einer Kugel gemäß der Formel 4/3πr³ der Inhalt um den Faktor Acht wächst; je größer also die Hülle ausfällt, desto ungleich stärker wird die Tragfähigkeit.) Der Sauerstoff für das Traggas und die Versorgung der Besatzung wird der Umgebung entnommen: die Oberfläche der mehrgeschossigen Plattformen nehmen Gewächshäuser ein, für deren Pflanzen das Kohlendioxid das Lebenselixir darstellt. Landis' Konzept sieht zudem eine Raumstation im Orbit um die Venus vor; an der Raumschiffe, die den Shuttledienst für Material und Besatzung zwischen Venus und Erde erledigen, andocken und von denen man mit Gleitern, die im Vakuum per Raketenantrieb angetrieben werden und in der Atmosphäre durch Jetantrieb operieren.

26. Oktober 2020

Wir werden alle sterben. Ein Gedankensplitter.

Was haben COVID-19, das Waldsterben, die Klimaerwärmung und die wachsende Weltbevölkerung gemeinsam?

24. Oktober 2020

Streiflicht: Wenn der Schwachsinn Normalität wird

Über den Irrsinn der derzeitigen Entwicklung wurde gerade erst hier geschrieben. Heute mal ein kleines Streiflicht auf dem täglichen Corona-Irrenhaus, anekdotenhaft, simpel, nicht repräsentativ und vermutlich am Ende eines sehr gute Beschreibung des realen Alltags.

22. Oktober 2020

Neues vom Erdtrabanten

Die amerikanische Weltraumbehörde NASA, die "National Aeronautics and Space Administration," macht es (oder: "mag es") in dieser Woche geheimnisvoll: gestern, am Mittwoch, dem 21. Oktober 2020, kündigte sie an, am kommenden Montag, den 26., um 18:00 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, auf einer Pressekonferenz, die sich weltweit auf dem YouTube-Kanal der NASA verfolgen lassen wird, Einzelheiten zu "einer aufregenden neuen Entdeckung über den Mond" mitzuteilen. In ihrem Bulletin hielt sich die Behörde mit näheren Angaben bedeckt und ließ nur wissen, daß diese "wichtige neue Entdeckung Auswirkungen auf die Bemühungen der NASA hat, neue Erkenntnis im Hinblick auf den Mond im Hinblick auf die Erforschung des erdferneren Weltraums" haben wird ("This new discovery contributes to NASA's efforts to learn about the moon in support of deep space exploration"). Wie bei anderen Behörden ist man auch bei der NASA seit langem darin geübt, mit scheinbar präzisen Wendungen jede konkrete Inhaltsangabe zu umgehen. Klar ist nur, daß mit dem Programm der Raumforschung, die mit dem "Reiseziel Mond" genannt ist und weiter hinausweist, das Artemis-Programm gemeint ist, das darauf abzielt, ab dem Jahr 2024 wieder Astronauten zu dem Erdtrabanten landen zu lassen - 55 Jahre, nachdem zum ersten Mal ein Mensch seine Spuren im Mondstaub hinterließ - und im weiteren Verlauf dort eine Bais für eine beständige menschliche Präsenz aufzubauen. Soviel wurde gestern noch mitgeteilt: daß sich diese neuen Erkenntnisse den Beobachtungen mit dem fliegenden "Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie" (Englisch: Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy), abgekürzt SOFIA handelt.

15. Oktober 2020

Irrsinn, zweite Runde.

Am 22. März diesen Jahres, also vor knapp sechs Monaten, beschloss die deutsche Regierung in direkter Zusammenarbeit mit den Bundesländern den Lockdown, die wohl massivste Freiheitseinschränkung der Nachkriegsgeschichte auf dem Boden der BRD. Und damit einen epischen Fehlschlag mit gigantischen Proportionen. 

11. Oktober 2020

Louise Glück: Sechs Gedichte

***

Teleskop

Es gibt einen Augenblick, wenn du den Blick abwendest
in dem du nicht mehr weiß, wo du bist
denn du hast, so scheint es, woanders
gelebt: im Schweigen des Nachthimmels.

Du bist nicht länger auf dieser Welt.
Du bist anderswo,
da, wo Menschenleben nichts mehr bedeuten.

Du bist kein Lebewesen mehr, in einem Körper.
Du existierst wie die Sterne,
bist Teil ihres Schweigens, ihrer Unermesslichkeit.

Jetzt bist du wieder Teil der Welt,
in der Nacht, auf einem kalten Hügel
und baust das Teleskop ab.

Hinterher wird dir klar,
daß nicht dieses Bild falsch ist,
sondern daß der Bezug falsch ist.

Du siehst wieder, welche Distanz
zwischen allen Dingen der Welt liegt.

(aus: Averno, 2006)

8. Oktober 2020

Warum mich "female reboot" und Quotenschauspielerinnen ärgern

Ein Gastbeitrag von Frank2000. 

Hollywood dieser Tage hat schon einen deutlich sichtbaren Einschlag. Die Mehrzahl der veröffentlichten Filme und Serien hat weibliche Superheldinnen und weibliche Kämpfer. Nicht nur, dass so ziemlich jeder Actionfilm, der jemals mit einem Mann gedreht wurde, jetzt eine Neufassung mit einer Frau bekommt. Sondern auffällig dabei ist, dass in diesen neuen Filem und Neuverfilmungen die Männer "auf ihrem eigenen Gebiet" geschlagen werden sollen.

6. Oktober 2020

Zum Nobelpreis für Roger Penrose, Reinhard Genzel und Andrea Ghez

"Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt.

Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist."


- Douglas Adams, Das Restaurant am Ende des Universums



Heute sind in Stockholm die Träger des diesjährigen Nobelpreises für Physik bekannt gegeben worden. Die Namen der Preisträger finden sich in den Meldungen sämtlicher Medien; es erübrigt sich, sie hier vorzustellen. Statt dessen möchte ich mir bei dieser Gelegenheit einige spontane assoziative Überlegungen gönnen. Wie schon im vorigen Jahr geht es um Forschungen und neue Erkenntnisse im Bereich der Astronomie und der Kosmologie - also jenem Bereich zwischen Beobachtung und theoretischer Modellbildung, die sich damit befaßt, wie "das große Ganze" des Weltbaus bis jenseits des fernsten Sterns und dem Ende der Zeiten beschaffen sein mag. Und wie auch 2019 ähnelt sich die Konstellation der Ausgezeichneten. Vor einem Jahr wurde James Peebles für seine Forschungen zum Bereich der "dunklen Materie", die nach heutiger Erkenntnis den Großteil der Masse des Universums ausmacht, geehrt: ein "elder Statesman" der Physik, und ein Theoretiker; während die Schweizer Michel Mayor und Didier Queloz für den ersten Nachweis eines Exoplaneten, eines Planeten außerhalb des Sonnensystems, den ersten von mittlerweile über 4300 aufgefundenen, damit bedacht wurden. Praktiker also, die Beobachtungen durchführen, Daten erheben, gewissermaßen Feldforschung betreiben (sofern man im Bereich der Sternkunde davon sprechen kann).

27. September 2020

Die amerikanische Wahl: And the winner is...



Da der geschätzte Blogger-Kollege Llarian zu Beginn dieser Woche hinsichtlich der Ausgestaltung des Parcourses für die in gut fünf Wochen anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA eine gute Übersichtkarte entworfen hat und die Regeln des Spiels als allgemein bekannt vorausgesetzt werden dürfen, kann ich es mir leicht machen und brauche nur noch wie beim letzten Wahlgang vor vier Jahren den Ausgang des Matches mitzuteilen.

Ich habe es mir in den letzten Jahren (die Wahl von 2016 war hier der Anlaß) zur Angewohnheit gemacht, einen anstehenden Wahlgang nicht unter der Perspektive "wer könnte es werden?", "was spricht für oder gegen diesen oder jenen Kandidaten?" zu sehen, sondern es auf die schlichte Frage "wer WIRD es?" herunterzubrechen. Es wird einen Wahlausgang geben, der Gewinner wird feststehen (wenn auch womöglich mit einiger legalistischer Verzögerung), und die Unwägbarkeiten, die "known knowns" und "known unknowns", vor allem die eigenen Präferenzen werden nach Feststehen des Endergebnisses keine Rolle mehr spielen. Das mag wie ein semantischer Taschenspielertrick wirken, es läßt die Angelegenheit aber in anderer Perspektive erkennen, es taucht sie in ein anderes Licht. (Man beachte auch, daß aus dieser Optik ein Faktor des üblichen wahltaktischen Rasenschachs weitgehend entfällt, nämlich Überlegungen der Art: "wenn Trump die 'swing states' nicht für sich entscheiden kann, aber statt dessen auf die Stimmen aus Minnesota, Wisconsin und Michigan zählen kann..." Es reicht, daß ein Kandidat auf eine Mehrheit an Wahlmännern aus seiner Partei zählen kann - deren Anzahl von der Bevölkerungszahl der jeweils entsendenden Bundesstaaten abhängt - die ihn im Dezember in sein Amt wählen.)

Freilich ist die Gemengelage dieses Mal etwas anders als 2016.

22. September 2020

Die amerikanische Wahl

Es sind noch sechs Wochen bis zur amerikanischen Wahl, einer ziemlich wichtigen Wahl in Anbetracht der Tatsache wie gegensätzlich die Standpunkte sind, die von den beiden großen Parteien derzeit eingenommen werden. Die deutsche Presse beschäftigt sich derzeit lieber mit wichtigeren Themen, beispielsweise der "Hochzeit von Sylvie" (Bild), den letzten Ausfällen von Jan Böhmermann (Welt) oder den letzten Eskapaden der aktuellen Sea-Watch-Weltenretter (Focus). Die reinen Fiktionsmaschinen wie Spargel, Prantlhausener Zeitung und Kinderstürmer nicht einmal erwähnt. 

Dabei wäre zur amerikanischen Wahl sehr viel zu sagen, denn wenn man die letzten Wochen in den USA nicht gerade durch das Kaleidoskop eines ARD-Faktenverdrehers wahrgenommen hat, so bahnt sich in den USA eine sehr seltsame Wahl an, die leider sehr dunkle Schatten auf das wirft, was die Amerikaner (und damit indirekt auch Europa) in den nächsten Jahren so erwartet.

17. September 2020

Leben auf der Venus?

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Ja. Vielleicht. Eher nicht. Möglicherweise. Doch der Reihe nach.

1.
Für ein knappes Jahrhundert, nachdem die Darwinsche Evolutionstheorie dem Nachdenken über die Entstehung des Lebens und die Entwicklung höherer Lebensformen ein theoretisches Grundgerüst verliehen hatte, also ab den sechziger Jahren der 19. Jahrhunderts, bis zum Anbruch des "Raumfahrtzeitalters" fast genau 100 Jahre später, als die technischen Möglichkeiten entwickelt wurden, die Bedingungen, die anderenorts im Sonnensystem vorherrschen, aus der Nähe in Augenschein zu nehmen, war neben dem Mars unser Nachbarplanet Venus immer der aussischtsreichste Kandidat für eine weitere Wiege des Lebens. Anders als beim roten Planeten, dessen Temperaturen und Oberflächenformationen zumindest schemenhaft in den damaligen Teleskopen auszumachen waren, verwehrte die undurchdringliche Wolkendecke den Forscheraugen jeglichen Einblick. Nicht einmal die Dauer eines Tages ließ sich vor den ersten Visiten durch Raumsonden Mitte der 1960er Jahre angeben. Daher blieb den Spekulationen nur, sich an der Größe, die der der Erde beinahe entspricht, sowie an der größeren Nähe zur Sonne festzumachen. Der schwedische Physiker und Nobelpreisträger Svante Arrhenius (1859 geboren, dem Erscheinungsjahr von Darwins "The Origin of Species" und 1927 gestorben), der Entdecker des Treibhauseffektes, und, ja doch, ein entfernter Verwandter von Greta Thunberg, mutmaßte kurz nach der Jahrhundertwende folgendermaßen:

11. September 2020

Bundeswhahaharntag

"Nun haben aber die Sirenen eine noch schrecklichere Waffe als den Gesang, nämlich ihr Schweigen. Es ist zwar nicht geschehen, aber vielleicht denkbar, daß sich jemand vor ihrem Gesang gerettet hätte, vor ihrem Schweigen gewiß nicht." - Franz Kafka, "Das Schweigen der Sirenen"
Vorausgeschickt sei, daß am heutigen Morgen, dem 10. September 2020, dem "Bundeswarntag", in meinem Kleinstädtchen um Punkt 11 Uhr tatsächlich eine Sirene geheult und zwanzig Minuten darauf Entwarnung gegeen hat. Auf der lokalen Ebene, auf der seit Anfang der 1990er Jahre, nach der Auflösung der zehn bis dahin dafür zuständigen zehn Warnämter, die Verantwortung für die Auslösung des Alarms liegt, funktioniert die Durchführung also durchaus noch. Jedenfalls soweit vor Ort noch eine solche Vorrichtung montiert und in Betriebsbereitschaft ist. Von den 80.000 Sirenen, die in den Anfangsjahrzehnten der Bundesrepublik (für die ehemaligen DDR habe ich keine Zahlen finden können) als flächendeckendes Alarmsystem installiert worden sind, sind mindestens die Hälfte nach der deutschen Wiedervereinigung demontiert worden; man findet Angaben, daß der Bestand aktuell bei gut 15.000 Vorrichtungen liegt. Aber gemäß den Meldungen, die am Nachmittag nicht nur in den sozialen Netzen (allem voran natürlich das sekundenaktuelle Dorftratsch-Hightech-Äquivalent Twitter, sondern auch in Berichten etwa bei der "Welt" und im "Focus" zu lesen waren, darf man den Probelauf des bundesweiten Alarmsystems unumwunden als Fiasko bezeichnen. Der Münchner "Merkur" schrieb sogar von einer "riesigen Panne". Das mag dem Tonfall des Boulevards geschuldet sein; in der Sache kann man dem Befund beipflichten.

9. September 2020

Stella Benson, "Tchotl" (1932)

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Der erste Gedanke, der Nielsen durch den Kopf schoß, als der weiße Tropenhelm in seinem Blickfeld auftauchte, war, daß ihn jetzt ein ausländischer Reisender besuchen wollte. Das hätte ihn überrascht, denn soweit er wußte, hielten sich in der chinesischen Stadt Laopao ausschließlich Chinesen auf; er selbst bildete die Ausnahme. Es war etwas, das er nicht verdrängen konnte: auf allen Straßen scharten sich Menschenmengen um ihn, als ob er eine Art Fabelwesen wäre, das es aus der Zukunft in die Vergangenheit verschlagen hätte. Als der Besucher die Eingangsstufen erreicht hatte, wurde Nielsen freilich klar, daß ihn die helle Farbe des Tropenhelms genarrt hatte; es war nur ein Besucher, wie man ihm in Laopao erwarten konnte: ein junger chinesischer Geschäftsmann. Nielsen, der aus Minnesota stammte, besaß ein geschäftsmäßiges, freundliches Temperamt, und er wälzte sofort seine stämmigen Beine von dem Liegestuhl, auf dem er lag, um seinen Gast zu begrüßen. In seinen großen, hungrigen, leicht vorstehenden Augen blitzte es erwartungsvoll.

Das Gesicht des Neuankömmlings stand in markantem Gegensatz zum den perfekten Rundungen des Tropenhelms: es war schwermütig; die Wangenknochen verliehen ihm etwas Trauriges, obwohl (da es sich um ein chinesisches Gesicht handelte) keine Falten ihre Spur der Enttäuschung dort hinterlassen hatten.

5. September 2020

Wenn "Meinung" und "Person" nicht mehr getrennt werden dürfen.

Ein Gastbeitrag von Frank2000.

Ist eigentlich noch im kollektiven Gedächtnis verankert, dass es mal eine Zeit gab, in der das "Pseudonym" nichts anrüchiges war, sondern völlig normal?

30. August 2020

Stella Benson, "Ein Traum" (1930)

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Das Nachfolgende ist eine genaue Niederschrift eines Traums, den ich in der letzten Nacht hatte. Es war ein Traum über eine dritte Person; ich selbst kam darin nicht vor. Mitunter habe ich diese unpersönlichen Träume, und jedesmal empfinde ich dabei im Schlaf ein Gefühl von Erwartung und Anspannung, und nach dem Aufwachen bleibt eine tiefe Aufgewühltheit zurück, die nichts mit dem Thema des Traums zu tun hat. Ich nehme an, daß sich darin die Erleichterung zeigt, für kurze Zeit von der Last der eigenen Persönlichkeit frei zu sein. Ich habe bei der Niederschrift nichts bewußt hinzugefügt, aber es fällt mir schwer, Worte zu finden, die die angespannte und erregende Atmosphäre des ganzen Traumgeschehens genau treffen, und deshalb, und nicht, weil ich etwas dazugesetzt hätte, scheint mir dabei vieles zu fehlen.

Mrs. Wander war eine Frau, die beständig unter Angstzuständen litt, und so konnte sie fast von Glück sagen daß ihr diesmal, wo wirklich Grund zur Sorge bestand, beinahe keine Zeit blieb, um sich zu fürchten. Erst vor einer, höchstens zwei Stunden hatte ihr der Arzt erklärt, daß sie sofort operiert werden müßte, um die Schmerzen zu lindern, die ihr den Kopf sprengten und eine Körperhälfte lähmten. Und jetzt saß sie hier, hielt die Hand von Mary, ihrer besten Freundin, und sah, wie der Arzt und die Krankenschwester ins Zimmer kamen, beide in schlohweißen Kitteln. Sie hatte gehofft, daß Marys nüchterne, praktische Freundlichkeit sie wie ein Schild vor dem Entsetzen bewahren würde, aber der Schild war nicht groß genug: die Furcht spülte darüber weg, die Schrecken lauerten hinter Marys robuster Gestalt wie eine Horde von Wilden im nächtlichen Urwald. Mrs. Wanders Hausarzt war auch da, und Mrs. Wander war fest entschlossen, ihm etwas zu sagen, aber ihr Unterkiefer und die Wangen schlotterten so sehr, daß die Worte zu einem sinnlosen Lallen wurden.

26. August 2020

Die EU, ein Pakt und ein Irrweg. Ein Gedankensplitter.

Dreimal kam mir nun der Hinweis auf eine eher unbekannte EU Initiative unter: Einmal durch einen aufmerksamen Leser, zum zweiten durch einen Artikel beim Kollegen Danisch und zum dritten (gestern) durch einen Artikel auf der Achse des Guten: Es geht um diese Initiative.

Ray Bradbury 1920 / 2020

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In meiner kleinen Erinnerung an den 100. Geburtstag der Science-Fiction-Illustrators H. R. van Dongen in der vorigen Woche ging es, unter anderem, auch darum, ob diese Bebilderungen, diese Ausmalungen künftiger Zeiten einen gewissen überzeitlichen, um nicht zu sagen zeitlosen Reiz besitzen, oder ob sie notwendigerweise eine Patina annehmen, die ihnen den Stempel ihrer Entstehungszeit aufprägt, der sie, im schlechtesten Fall, späteren Betrachtern nur noch als bizarres Kuriosum erscheinen läßt. Daß gerade Bilder und Texte, die Zukünftiges imaginieren, hier besonders betroffen sind, zeigt jeder Blick in die Geschichte der SF, in der sich die alten Buch- und Magazintitelbilder finden, ebenso das Betrachten von Filmen, die älter als drei oder vier Jahrzehnte sind. (Es fällt freilich auf, daß dieses "Altern der Zukunft" etwa ab den späten 1970er Jahren bis zur Mitte der neunziger Jahre stark nachgelassen hat. Ein Film wie Ridley Scotts "Alien" von 1979 wirkt weit weniger verstaubt als die namhaften Produktionen des Genres, die nur zehn Jahre davor entstanden sind, etwa "Planet of the Apes" (1968), "Barbarella" (1967), oder Richard Fleischers "Fantastic Voyage" von 1966. (Stanley Kubricks "2001 - A Space Odyssey" bildet hier die absolute Ausnahme. Das ist nicht allein der sich rasant entwickelenden Tricktechnik geschuldet (Kubrick arbeitete wie Generationen von Regisseuren mit Miniaturen und Rückprojektionen; sondern vor allem eine Frage der inszenierten Ästethik.

20. August 2020

H. R. van Dongen 1920 / 2020

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Die kleine Erinnerung an das Oeuvre des amerikanischen Science-Fiction-Künstlers Henry Richard van Dongen, der heute genau vor 100 Jahren, am 20. August 1920 in Rochester im Bundesstaat New York geboren wurde, bietet Gelegenheit zum einem angelegentlichen Schlnker zu zwei faits diverses.

12. August 2020

"Kometenstaub flammt in der Nacht auf." Die Perseiden

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夕立のように降る ペルセウスの流星群
雨粒が尾を引く様な shooting stars
夏の夜はすごく短くて儚いね
だからもっと好きになる

- Sandaime J Soul Brothers, "R.Y.U.S.E.I." ("Meteor"), 2015

("Der Sternschnuppenschauer der Perseiden - fällt wie ein Sonnenuntergang
"Shooting stars" - sie fallen wie Regen
Sommernächte sind kurz und flüchtig
und ich wünsche mir Freunde, mit denen ich sie teilen könnte")

In der phantastischen Literatur, die sich mit "dem da draußen", den tatsächliche Gegebenen, befaßt, und der der realistischen Literatur, die in diesen Motivkanon hineinlappt, gibt es ein paar Grundmotive, ein paar Situationen und Motive, von denen man erwarten sollte, daß ihnen ein besonderer Zauber innewohnen müßte, eine Zündwirkung - und die ihnen, wenn man sie durchsieht, leider zumeist völlig abgeht. Für die "richtige" Science Fiction ist dies unzweifelhaft der Erstkontakt mit fremden Wesen, die allererste Begegung mit Intelligenzen, der Erweis, das "wir nicht allein" sind - und dies besonders in Form einer Botschaft, eines Funksignals, das die riesigen Schüsseln der Radioteleskope aus dem schweigenden All auffangen. Aller Erwartung nach müßten solche allerersten Kontakte geradezu atembenehmend aufgeladen sein, mit Erwarten, mit Schrecken. In der literarischen Praxis sind sie es nicht (übrigens auch nicht im Film: Kubricks ""2001 - Odyssee im Weltraum" bildet hier die Ausnahme von der Regel. Jodie Fosters großäugiges Lauschen unter den Kopfhörern in "Contact" (1997) geht jegliche solche Frisson ab. Die Gründe sind einleuchtend. Der Zauber der Erwartung ist im Moment des Eintretens hinfällig. Danach müssen die Autoren die Natur der Botschaft erläutern (oder sie für unentzifferbar deklarieren, wie es Stanislaw Lem in "Die Stimme des Herrn" 1968 getan hat), die Zuhörer müssen reagieren, das Fremde Gestalt und Namen, Absicht und Stimme erhalten, die Erde und die Handlung drehen sich weiter.

11. August 2020

Robert E. Howard, "Oh Babylon, verlorenes Babylon..." (1929)

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- „Empire's Destiny“ (1929)

Bab-ilu's women gazed upon our spears,
And roses flung, and sang to see us ride.
We built a glory for the marching years
And starred our throne with silver nails of pride.
Our horses' hoofs were shod with brazen fears:
We laved our hands in blood and iron tears,
And laughed to hear how shackled kings had died.

Our chariots awoke the sleeping world;
The thunder of our hoofs the mountains broke;
Before our spears were empires' banners furled
And death and doom and iron winds were hurled,
And slaughter rode before, and clouds and smoke--
Then in the desert lands the tribes awoke
And death and vengeance 'round our walls were whirled.

Oh Babylon, lost Babylon! Where now
The opal altar and the golden spire,
The tower and the legend and the lyre?
Oh, withered fruit upon a broken bough!
The sobbing desert winds still whisper how
The sapphire city of the gods' desire
Fell in the smoke and crumbled in the fire;
And lizards bask upon her columns now.

Now poets sing her golden glory gone;
And Babylon has faded with the dawn.

- Robert E. Howard




10. August 2020

Streiflicht: "Jim Knopf und der Rassismus." Ein Fingerzeig für Franziska Weißgerber

­Zum Auftakt zunächst einmal eine TRIGGERWARNUNG:  In diesem Text findet sich, bei der Nennung eines Buchtitels, die Verwendung eines Wortes, für dessen Gebrauch man nicht erst seit heute, und durchaus berechtigt,  in Bann und Acht gestellt wird. Ich habe mich aber aus philologischen Gründen, und um argumentative Verkrampfung nach dem Motto "Der **** auf ... (* an dieser Stelle steht im Original ein unschönes Wort)" zu vermeiden, für die originale Nennung entschieden; zumal aus dem Kontext deutlich wird, wie dies zu werten ist.

*          *          *

Anlaß für diese kleine Glosse sind zwei kurze Artikel, die heute auf der Achse des Guten erschienen sind. Im ersten Text, "Laßt meinen Jim Knopf in Ruhe!" verwehrt sich die Autorin, Franziska Weißgeber, vehement, und ebenfalls völlig zurecht, gegen das in der ZEIT vorgebrachte Ansinnen, Michael Endes Kinderbuchklassiker als "rassistisch" zu werten und seine Lektüre anzukreiden.

7. August 2020

Lord Dunsany, "Der Südwind" (1906)

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Einst setzten sich zwei Spieler zu einem Spiel zusammen, um sich die Ewigkeit zu vertreiben, und sie wählten die Götter als Spielfiguren für ihr Spiel, und zum ihrem Spielfeld erkoren sie sich den weiten Himmel, von einem Ende zum anderen, auf dem ein wenig Staub verteilt lag, und jedes Staubkörnchen davon war eine Welt, die auf ihrem Spielbrett kreiste. Und die Spieler waren in Roben gewandet, und ihre Gesichter verhüllt, und die Roben und die Schleier glichen sich, und ihre Namen lauteten Schicksal und Zufall. Und als sie ihre Züge machten und die Götter auf dem Spielfeld verschoben, wirbelte der Staub auf und erglänzte im Licht, das aus den Augen der Spieler hinter den Schleiern flammte. Und die Götter sprachen: "Seht, wie wir den Staub bewegen!"

Es ergab sich - oder war es vorherbestimmt? Wer will dies entscheiden? - daß ein Prophet mit Namen Ord eines Nachts die Götter erblickte, wie sie bis zu den Knie versunken über die Sternenfelder wateten. Und als er sich vor ihnen verneigte und ihnen Ehre erwies, sah er die Hand eines der Spieler, die gewaltig über ihren Häuptern schwebte und zu einem Zug ansetzte. Und Ord, der Prophet, erkannte die Wahrheit. Und dennoch wäre es Ord deshalb nicht übel ergangen, aber er begab sich unter die Menschen, und ließ sie wissen: "Es gibt eine Macht, die über den Göttern steht."

Dies vernahmen die Götter. Und so sprachen sie: "Ord hat es erkannt."

6. August 2020

Covidioten und BLM: Und noch einen drauf

Wie immer: Wenn man Bigotterie thematisiert, dann findet sich keine zwei Tage später einer, der noch einen drauf setzen muss. In diesem Fall unseren derzeitigen Bundespräsidentendarsteller.

Covidioten und BLM: Ein Eulenspiegel erster Güte

Seit dem Tod von George Floyd und der dadurch wieder an Schwung gewinnenden Black lives matter Bewegung hat es in Deutschland etliche Demos mit schwankenden Zahlen zwischen ein paar hundert und "offiziellen" 15.000 Teilnehmern gegeben. Diesen Demos ist eins gemeinsam: Sie verbreiten keine Viren. Egal wie dicht gepackt die Teilnehmer stehen (hier zum Beispiel ein schönes Bild, aber hier ein passender Film (so bei Minute 2 sehr gut zu sehen)). BLM ist gegen Covid immun.  

1. August 2020

Lord Dunsany, "Der Wachtturm" (1912)

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 (Tour Sarrasine in Antibes)

An einem Abend im April saß ich in der Provence auf einem kleinen Hügel, hoch über einem alten Städtchen, das die Goten und Wandalen bislang mit ihren Vorstellungen von Neuzeitlichkeit verschont haben.

Oben auf dem Hügel lag eine alte, vom Zahn der Zahn lädierte Burg mit einem Wachturm und einem Brunnen, der noch Wasser führte, zu dem Stufen an der Innenwand hinunterführten.

Der Wachturm, der mit seinen schartigen Fensterluken nach Süden hin Ausschau hielt, bewachte ein weites Tal, das in der Dämmerung versank und aus dem leise die Abendgeräusche heraufklangen. Er sah den Schein der Lagerfeuer, die Wanderer angezündet hatten und hinter ihnen die dunklen Nadelwälder, sah einen Stern aufblinken und die Dämmerung das Départment Var einhüllen.

Während ich dort so saß und dem Quaken der grünen Frösche lauschte und den deutlichen, fernen leisen Stimmen, während die Lichter in dem kleinen Städtchen eines nach dem anderen aufleuchteten und die Dämmerung der Nacht wich, vergaß ich so viele Dinge, die am Tag bedeutend scheinen, und dachte statt dessen an Seltsames und Entlegenes.

Kleine Windstöße kamen auf und flüsterten hier und da; es wurde kühl, und ich wollte mich schon wieder an den Abstieg machen, als ich hinter mir eine Stimme vernahm: "Vorsicht! Obacht!"

31. Juli 2020

周作人《历史》 / Zhuo Zuoren, "Geschichte" (1928)

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(Zhuo Zuoren)


周作人《历史》 

天下最残酷的学问是历史,他能揭去我们眼上的鳞,虽然也使我们希望千百年后的将来会有进步,但同时将千百年前的黑影投在现在上面,使人对于死鬼之力不住地感到威吓。我读了中国历史,对于中国民族和我自己失了九成以上的信仰与希望。“僵尸,僵尸!”我完全同感于阿尔文夫人的话。世上如没有还魂夺舍的事,我想投胎是真的,假如有人要演崇弘时代的戏,不必请戏子去扮,许多角色都可以从社会里去请来,叫他们自己演。我恐怕也是明末什么社会里的一个人,不过有这一点,自己知道有鬼附在身上,自己谨慎了,像癞病患者一样摇着铃铛叫人避开,比起那吃人不餍的老同类或者是较好一点了吧。

Zhuo Zuoren, "Geschichte"

Die grausamste Wissenschaft auf der Welt (1) ist die Geschichte. Sie läßt uns die Schuppen von den Augen fallen. Sie schenkt uns zwar die Hoffnung, daß es auch noch in hundert Jahren oder in tausend Jahren Fortschritt geben kann, aber sie macht uns auch deutlich, daß die vergangenen Jahrhunderte und Jahrtausende ihre Schatten auf unsere Gegenwart werfen, und wir erschrecken vor der dämonischen Macht, die sie besitzen.  Ich habe die chinesische Geschichte studiert, und ich habe neun Zehntel meiner Hoffnung und meines Glaubens an das chinesische Volk und an mich selbst eingebüßt. "Gespenster, Gespenster!" Ich kann Frau Alvings (2) Worten nur beipflichten. Vielleicht gibt es auf Erden keine Wiederauferstehung, aber ich glaube, eine Wiederverkörperung findet wirklich statt. Wenn man an einem Schauspiel aus der Vorzeit teilnehmen möchte, braucht man keine Schauspieler, die sich verkleiden; es reicht, Menschen aus unsere Gesellschaft zu nehmen und sie sich selbst spielen zu lassen. Ich fürchte, daß ich für meinen Teil einer jener Geheimgesellschaften am Ende der Ming-Zeit angehöre - freilich mit dem Unterschied, daß ich mir bewußt bin, daß ich ein Gespenst mit mir herumtrage. Ich bin vorsichtig, und läute eine Glocke wie ein Aussätziger, um andere auf Abstand zu halten. Ich hoffe, daß ich es damit etwas besser halte als diese Vorfahren, die nur eine unersättliche Gier nach menschlichem Fleisch antrieb (3).


28. Juli 2020

魯迅 《鴨的喜劇》 / Lu Xun, "Eine Entenkomödie" (1922)

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 (Lu Xun. Holzschnitt von Li Qun, 1936)



俄國的盲詩人愛羅先珂君帶了他那六弦琴到北京之後不久,便向我訴苦說:
「寂寞呀,寂寞呀,在沙漠上似的寂寞呀!」 這應該是真實的,但在我卻未曾感得;我住得久了,「入芝蘭之室,久而不聞其香」,只以為很是嚷嚷罷了。然而我之所謂嚷嚷,或者也就是他之所謂寂寞罷。
我可是覺得在北京彷彿沒有春和秋。老於北京的人說,地氣北轉了,這裡在先是沒有這麼和暖。只是我總以為沒有春和秋;冬末和夏初銜接起來,夏才去,冬又開始了。
一日就是這冬末夏初的時候,而且是夜間,我偶而得了閒暇,去訪問愛羅先珂君。他一向寓在仲密君的家裡;這時一家的人都睡了覺了,天下很安靜。他獨自靠在自己的臥榻上,很高的眉棱在金黃色的長髮之間微蹙了,是在想他舊遊之地的緬甸,緬甸的夏夜。
「這樣的夜間,」他說,「在緬甸是遍地是音樂。房裡,草間,樹上,都有昆蟲吟叫,各種聲音,成為合奏,很神奇。其間時時夾著蛇鳴:'嘶嘶!'可是也與蟲聲相和協……」他沉思了,似乎想要追想起那時的情景來。
我開不得口。這樣奇妙的音樂,我在北京確乎未曾聽到過,所以即使如何愛國,也辯護不得,因為他雖然目無所見,耳朵是沒有聾的。
「北京卻連蛙鳴也沒有……」他又嘆息說。
「蛙鳴是有的!」這嘆息,卻使我勇猛起來了,於是抗議說,「到夏天,大雨之後,你便能聽到許多蝦蟆叫,那是都在溝裡面的,因為北京到處都有溝。」
「哦……」
過了幾天,我的話居然證實了,因為愛羅先珂君已經買到了十幾個蝌蚪子。他買來便放在他窗外的院子中央的小池裡。那池的長有三尺,寬有二尺,是仲密所掘,以種荷花的荷池。從這荷池裡,雖然從來沒有見過養出半朵荷花來,然而養蝦蟆卻實在是一個極合式的處所。
蝌蚪成群結隊的在水裡面游泳;愛羅先珂君也常常踱來訪他們。有時候,孩子告訴他說,「愛羅先珂先生,他們生了腳了。」他便高興的微笑道,「哦!」
然而養成池沼的音樂家卻只是愛羅先珂君的一件事。他是向來主張自食其力的,常說女人可以畜牧,男人就應該種田。所以遇到很熟的友人,他便要 勸誘他就在院子裡種白菜;也屢次對仲密夫人勸告,勸伊養蜂,養雞,養豬,養牛,養駱駝。後來仲密家果然有了許多小雞,滿院飛跑,啄完了鋪地錦的嫩葉,大約 也許就是這勸告的結果了。
從此賣小雞的鄉下人也時常來,來一回便買幾隻,因為小雞是容易積食,發痧,很難得長壽的;而且有一匹還成了愛羅先珂君在北京所作唯一的小說 《小雞的悲劇》裡的主人公。有一天的上午,那鄉下人竟意外的帶了小鴨來了,咻咻的叫著;但是仲密夫人說不要。愛羅先珂君也跑出來,他們就放一個在他兩手 裡,而小鴨便在他兩手裡咻咻的叫。他以為這也很可愛,於是又不能不買了,一共買了四個,每個八十文。
小鴨也誠然是可愛,遍身松花黃,放在地上,便蹣跚的走,互相招呼,總是在一處。大家都說好,明天去買泥鰍來餵他們罷。愛羅先珂君說,「這錢也可以歸我出的。」
他於是教書去了;大家也走散。不一會,仲密夫人拿冷飯來餵他們時,在遠處已聽得潑水的聲音,跑到一看,原來那四個小鴨都在荷池裡洗澡了,而 且還翻觔鬥,吃東西呢。等到攔他們上了岸,全池已經是渾水,過了半天,澄清了,只見泥裡露出幾條細藕來;而且再也尋不出一個已經生了腳的蝌蚪了。
「伊和希珂先,沒有了,蝦蟆的兒子。」傍晚時候,孩子們一見他回來,最小的一個便趕緊說。
「唔,蝦蟆?」
仲密夫人也出來了,報告了小鴨吃完蝌蚪的故事。
「唉,唉!……」他說。
待到小鴨褪了黃毛,愛羅先珂君卻忽而渴唸著他的「俄羅斯母親」了,便匆匆的向赤塔去。
待到四處蛙鳴的時候,小鴨也已經長成,兩個白的,兩個花的,而且不復咻咻的叫,都是「鴨鴨」的叫了。荷花池也早已容不下他們盤桓了,幸而仲密的住家的地勢是很低的,夏雨一降,院子裡滿積了水,他們便欣欣然,游水,鑽水,拍翅子,「鴨鴨」的叫。
現在又從夏末交了冬初,而愛羅先珂君還是絕無消息,不知道究竟在那裡了。
只有四個鴨,卻還在沙漠上「鴨鴨」的叫。
一九二二年十月

25. Juli 2020

黃梵 《白口罩》 / Huang Fan, "Der weiße Mundschutz"

­黃梵 / 白口罩——2020年春天劄記


它像一隻素手,突然捂住我的臉
已兩個月,我仍不適應
它捂暖我嘆息的擁抱
也應該我說出的母語,被它好好過濾?


它是舌頭的牢門,關住了多少大言不慚
它讓愛情,也不要靠得太近
它說我們的嘴像傷口,需要它來緊緊包紮
它像白月亮那樣,讓我在夢中埋下一點奢望


它是今春開得最盛的白花
試圖與悲傷的顏色相稱
它也是病人肺裡的冬天
想在眾人的臉上長久結冰
讓我戴著它抱怨時,像含著滿口的愧疚


22. Juli 2020

周作人, 《苦雨》 / Zhuo Zuoren, "Bitterer Regen" (1924)

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伏园兄:
北京近日多雨,你在长安道上不知也遇到否,想必能增你旅行的许多佳趣。雨中旅行不一定是很愉快的,我以前在杭沪车上时常遇雨,每感困难,所以我于火车的雨不能感到什么兴味,但卧在乌篷船里,静听打篷的雨声,加上欸乃的橹声以及“靠塘来,靠下去”的呼声,却是一种梦似的诗境。
倘若更大胆一点,仰卧在脚划小船内,冒雨夜行,更显出水乡住民的风趣,虽然较为危险,一不小心,拙劣地转一个身,便要使船底朝大。二十多年前往东浦吊先父的保姆之丧,归途遇暴风雨,一叶扁舟在白鹅似的波浪中间滚过大树港,危险极也愉快极了。我大约还有好些“为鱼”时候--至少也是断发文身时候的脾气,对于水颇感到亲近,不过北京的泥塘似的许多“海”实在不很满意,这样的水没有也并不怎么可惜。你往“陕半天”去似乎要走好两天的准沙漠路,在那时候倘若遇见风雨,大约是很舒服的,遥想你胡坐骡车中,在大漠之上,大雨之下,喝着四打之内的汽水,悠然进行,可以算是“不亦快哉”之一。但这只是我的空想,如诗人的理想一样的靠不住,或者你在骡车中遇雨,很感困难,正在叫苦连天也未可知,这须等你回京后问你再说了。