Die amerikanische Weltraumbehörde NASA, die "National Aeronautics and Space Administration," macht es (oder: "mag es") in dieser Woche geheimnisvoll: gestern, am Mittwoch, dem 21. Oktober 2020, kündigte sie an, am kommenden Montag, den 26., um 18:00 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, auf einer Pressekonferenz, die sich weltweit auf dem YouTube-Kanal der NASA verfolgen lassen wird, Einzelheiten zu "einer aufregenden neuen Entdeckung über den Mond" mitzuteilen. In ihrem Bulletin hielt sich die Behörde mit näheren Angaben bedeckt und ließ nur wissen, daß diese "wichtige neue Entdeckung Auswirkungen auf die Bemühungen der NASA hat, neue Erkenntnis im Hinblick auf den Mond im Hinblick auf die Erforschung des erdferneren Weltraums" haben wird ("This new discovery contributes to NASA's efforts to learn about the moon in support of deep space exploration"). Wie bei anderen Behörden ist man auch bei der NASA seit langem darin geübt, mit scheinbar präzisen Wendungen jede konkrete Inhaltsangabe zu umgehen. Klar ist nur, daß mit dem Programm der Raumforschung, die mit dem "Reiseziel Mond" genannt ist und weiter hinausweist, das Artemis-Programm gemeint ist, das darauf abzielt, ab dem Jahr 2024 wieder Astronauten zu dem Erdtrabanten landen zu lassen - 55 Jahre, nachdem zum ersten Mal ein Mensch seine Spuren im Mondstaub hinterließ - und im weiteren Verlauf dort eine Bais für eine beständige menschliche Präsenz aufzubauen. Soviel wurde gestern noch mitgeteilt: daß sich diese neuen Erkenntnisse den Beobachtungen mit dem fliegenden "Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie" (Englisch: Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy), abgekürzt SOFIA handelt.
Diese Beobachtungsplattform, bei dem es sich um ein Spiegelteleskop nach Nasmyth-Bauweise mit einem Hauptspiegel vom 2,7 Metern handelt, das im hinteren Teil einer umgebauten Boeing 747 montiert ist und in Höhen zwischen 12 und 14 Kilometern zum Einsatz kommt, dient seit gut zehn Jahren der Erforschung des infraroten Bereichs des elektromagnetischen Spektrums. Die Erdatmosphäre ist, wie vielleicht bekannt sein dürfte, für die meisten Strahlungsbereiche - von kurzwelligen energiereichen Gamma- über Röntgen- bis hin zu langwelligen Mikrowellen - "opak", undurchsichtig: sie verschluckt sie. Einzig in zwei "Fenstern" zeigt sie sich durchlässig: im Bereich der Radiostrahlung - weswegen Radioteleskope auch auf dem Erdboden zum Einsatz kommen können (und die Kommunikation mit Satelliten und Raumfahrern in diesem Bereich möglich ist) und im Bereich des sichtbaren Lichts, dem "optischen Fenster" zwischen den Wellenlängen von 650 und 1200 Nanometern. Im längerwelligen Bereich der Infrarotstrahlung (auch Wärmestrahlung) genannt, führt der Wasserdampfgehalt der Erdatmosphäre zu einer Absorption. In Höhen zwischen 12 und 14 Kilometern liegen gut 99 Prozent der verschluckenden Decke in der Tiefe unter dem Teleskop; somit lassen sich dort in diesem Bereich Beobachtungen durchführen, die zudem den Vorteil haben, daß es reicht als Plattform für solche Teleskope umgerüstete, aber serienmäßig produzierte Verkehrsflugzeuge verwenden zu können und nicht auf eine große, aufwendige und immens kostspielige Satellitenkonstruktion angewiesen zu sein. Die Baukosten des Hubble-Weltraumteleskops beliefen sich auf gut 4,7 Milliarden US-Dollar; für das James Webb Space Telescope, das nach den aktuellen Planungen im Oktober 2021 im die Umlaufbahn gebracht werden soll, beläuft sich die letzten publik gemachte Kostenangabe aus dem Jahr 2016 auf 10 Milliarden Dollar. Dahingegen belaufen sich die Betriebskosten von SOFIA auf gut 80 Millionen Dollar pro Jahr.
SOFIA ist das dritte der fliegenden Observatorien, die die Weltraumbehörde seit 1965 betreibt, und ist der Nachfolger des KAO, des Kuiper Airborne Observatory, das mit seinem 91-Zentimeter-Spiegelteleskop zwischen 1975 und 1995 an Bord einer Lockheed C-141 im Einsatz war und 1977 einem größeren Publikum bekannt wurde, als dort entdeckt wurde, daß nicht nur der Saturn von einem Ringsystem umgeben wird, sondern auch sein nächster sonnenfernerer Nachbarplanet Uranus. (Die Auffindung der Ringsysteme der Jupiter und des Neptun verdankt sich dem Besuch robotischer Späher vor Ort.) SOFIA ist eine Gemeinschaftsarbeit zwischen der NASA und der DLR, der deutschen Luft- und Raumfahrtgemeinschaft; wobei auf die deutsche Seite ein Fünftel des Kosten entfallen. Der Hauptspiegel für das Naysmith-Teleskop wurde zwischen 1999 und 2002 in Deutschland hergestellt, bei Schott & Co. in Augsburg gegossen und grob zugeschliffen; die französische Firma SAGEM-REOSC übernahm den Feinschliff, bei dem die parabolische Krümmung zur Fokussierung des einfallenden Lichts auf eine Abweichung von nur 8,5 Nanometern von der mathematisch errechneten Krümmung abwich; der Sekundär- und Tertiärspiegel, die das Licht in Richtung des Hauptspiegels zurückwerfen beziehungsweise um 90 Grad in Richtung der Meßinstrumente und Kameras ablenken, wurden in der Schweiz gefertigt und bestehen aus Siliciumcarbid; die Bedampfung aller drei Spiegel erfolgte in Louisiana. Das "erste Licht" für das insgesamt 17 Tonnen wiegende Teleskop erfolgte im Mai 2005; der erste Einsatz über den Wolken folgte allerdings erst fünf Jahre später; regelmäßige Beobachtungsreihen werden seit dem Mai 2010 durchgeführt. (Solche Verzögerungen sind in den Bau- und Erprobungsphase von Großteleskopen durchaus übrlich, bei SOFIA kam hinzu; daß das Projekt mehrfach, nicht zuletzt wegen Streitigkeiten um die Übernahme des Kosten, kurz vor dem Aus stand.)
Für das Sonnensystem liegt das Hauptgewicht der Beobachtungen auf der Ermittlung der Oberflächenbeschaffenheit der Planeten und die Zusammensetzung ihrer Atmosphären. 2015 konnte die Zusammensetzung der Plutoatmosphäre ermittelt werden, als der seit einiger Zeit zum "Zwergplaneten" degradierte "Planet X" einen schwachen Hintergrundstern bedeckte und die Änderung von dessen Spektrum Aufschluß darüber gab (auf die gleiche Weise erfolgte übrigens 1977 die Entdeckung der Uranus-Ringe: die jeweils deckungsgleichen Abschwächungen des Sternlichts vor und nach der Eklipse ließen keine anderen Schluß als den auf die Existenz von Ringen zu.) 2017 gelang es, zum ersten Mal seit 40 Jahren wieder Spuren von freiem Sauerstoff in der Lufthülle des Mars nachzuweisen.
* * *
Es bleibt abzuwarten, was genau die Entdeckung ist, die am Montag bekanntgegeben wird.
Die Spekulationen, die in den astronomisch interessierten Foren des Weltnetzes seit gestern behandelt werden, fokussieren sich auf zwei Möglichkeiten: zum einen könnte es sich um den Nachweis von Lavagängen und Hohlräumen unter den Mondoberfläche handeln. Zwar haben die bisherigen Beobachtungen durch irdische Teleskope, Mondsonden oder die Augenscheinnahme durch die 12 Erdlinge vor einem halben Jahrhundert keinen Hinweis darauf geliefert. Man sollte aber nicht vergessen, daß die tatsächliche Erkundung des Mondes unterhalb des sichtbaren Regoliths der Oberfläche so gut wie nichtexistent ist; die beiden passiven "Seismosmeterexperimente," die von Apollo 11 und 12 aufgestellt wurden, maen nur das allgemeine Zittern im Lauf eines Erdumlaufs; die größte Meßtiefe eines Thermomtersensors betrug gut zwei Meter. Die Mondmaare verdanken ihren Ursprung Lavaflüssen, die vor Jahrmilliarden infolge des Einschlags von gewaltigen Asteroiden und der dort freigewordenen Hitze entstanden; es ist durchaus möglich, daß sie, ganz wie ihre Pendants auf der Erde, infolge unterschiedlicher Abkühlung aufgrund der unterschiedlichen Gesteine und ihrer Schmelzpunkte, Gänge und Klüfte unter der Oberfläche hinterlassen haben. Für künftige Bewohner, die dort längerfristig Quartier nehmen möchten, wäre dies ein willkommener Schutz: der Mond verfügt über kein Magnetfeld; die harte Strahlung der Sonne wird dort nicht wie bei uns durch eben dieses Feld und die dichte Atmosphäre unschädlich gemacht. Alle Pläne für Mondstationen sehen vor, die zu errichtenden Wohn- und Laborkuppeln mit mindestens einer zwei Meter dicken Schicht aus Mondboden zu bedecken, um diese Strahlung zu absorbieren.
Die zweite Möglichkeit betrifft den Nachweis von Wasser - genauer: von Eis. Der Mond hat in Bezug auf sein "Jahr", seinen Umlauf um seinen blauen Mutterplaneten, so gut wie keine Polneigung (sie beträgt etwa weniger als einen halben Bogengrad). An den Polen gibt es Bereiche, an denen die Sonne nie über den Mondhorizont steigt. Insbesondere am Mondsüdpol, das von den Wällen des Aitken-Beckens umgeben ist, gibt es diese Flächen. Die Denkmöglichkeit geht dahin, daß es dort, in jenen Arealen, die seit Jahrmilliarden nicht von der Strahlung unseres Muttergestirns aufgewärmt worden sind, Vorkommen von Wassereis geben könnte, die von dem Einschlag von Kometen oder Asteroiden zurückgeblieben sein könnten; selbst wenn es infolge des Impaktes zunächst verdunstet wäre, so die Überlegung, könnte es nach der schnellen Abkühlung des Gases kondensiert und als Schnee oder Eis gefallen sein - womöglich unter einer mehr-oder-minder dicken Staubschicht verborgen. Die japanische Raumsonde Kaguya, die während ihrer Mission von 2007 und 2009 den Trabanten auf einer Polarbahn umlief, hat keine Hinweise darauf gefunden - aber das dürfte (Stichwort "dicke Staubschicht") noch nicht das letzte Wort sein.
SF-Romane, die das Thema einer Erschließung des Mondes im Laufe dieses Jahrhunderts zum Thema haben, rücken diese mögliche Ressource seit gut eineinhalb Jahrzehnten in den Mittelpunkt: Ian MacDonalds "Luna"-Trilogie mit ihen drei Bänden zwischen 2015 und 2019, die die Diadochenkämpfe zwischen den mächtigen und verfeindeten Plutokraten zum Thema hat (die Bücher sind des öfteren als "Dallas auf dem Mond" bezeichnet worden), Andy Weirs "Artemis" von 2017; und vor allem Frank Schätzings "Limit" von 2009, dessen Hauen und Stechen sich um den Zugriff auf das am Mondpol zu findende Helium-3 dreht, als als Betriebsstoff für Fusionsreaktoren so beghert ist, daß die dahinter stehenden Staaten über Leichen gehen; und Kim Stanley Robinsons "Red Moon" von 2018, in dem die Eisvorräte des Südpols vorerst - nominell - dem Zugriff der Begierde entzogen sind, "until the proper studies are done", der Nordpolvorrat aber eifrig angebohrt wird, nachdem eine Seite damit nun schon einmal begonnen hat.
Als dritte Möglichkeit möchte ich an dieser Stelle folgende - ebenfalls eisige - Variante ins Spiel bringen: ich vermute, es könnte sich um den Nachweis großer - oder jedenfalls größerer - Eismengen unterhalb der Mondoberfläche handeln, nicht - oder nicht NUR - an den Polen, sondern auch an anderen Regionen, diverse Meter unter der Oberfläche in der Form von Permafrost; in Bereichen, in denen die Temperatur nie über den Gefrierpunkt steigt (das Wasser würde bei mehr als 0 Grad Celsius zwar nicht flüssig aufgrund des Fehlens jeglichen Atmosphärendrucks, aber es würde sublimieren, verdunsten). Ein solches Szenario würde etwa den Verhältnissen auf dem Mars entsprechen, bei dem auf der nördlichen Halbkugel in den letzten Jahren durch Radarmessungen und deren Absorptionen ebenfalls nachgewiesen werden konnte, daß in der Tiefe erhebliche Mengen an Wasser als Permafrost vorhanden sind.
Auf einem ganz anderen Blatt steht natürlich, ob selbst im Fall, daß dies die tatsächliche Lösung des Rätsels ist, das uns die NASA gestern aufgegeben hat, inwieweit dies für zukünftige Mondstationen tatsächlich zu nutzen wäre. Ohne Zweifel wäre es ein erheblicher Vorteil, nicht jeden Liter H20, der für den Aufenthalt von Menschen in der absolut lebensfeindlichen Umgebung des Mondes benötigt wird, per Raketenstart micht nur in die Erdumlaufbahn, sondern von dort noch zum Mond und aus der Mondumlaufbahn auch noch sicher an den jeweiligen Stützpunkt befördern zu müssen. Dem stünden die Schwierigkeiten der Gewinnung entgegen (obwohl sich, gerade wenn man die Phantasie eines SF-Autors entwickelt, hier nette Spielarten des Ingenieurs-Ingeniums anbieten würden: wie wäre es etwa mit dem Pendant des irdischen Frackings, bei dem dann zwei Bohrungen in einiger Entfernung zueinander niedergebracht würden und ein heißes Gasgemisch durch die eine ins Mondinnere gepreßt würde, das das Wassereis verflüssigt und aus dem zweiten Bohrloch hinauspreßt?).
* * *
Es bleibt, wie gesagt, abzuwarten - gut 90 Stunden (was ironischerweise recht gut der Dauer eines Fluges vom Verlassen des Erdorbits bis zum Einschwenken in die lunare Umlaufbahn entspricht). Eins aber steht jetzt schon fest: 2020 mag als ein "Annus horribilis" in die Annalen eingehen: in Sachen Astronomie - von der Möglichkeit einer Supernova über den ersten mit bloßem Augen auszumachenden "klassischen Kometen mit klassischem Kometenschweif" seit Menschengedenken über den ersten Einsatz einer Raumkapsel einer privaten Firma bis hin zum Einsammeln des Materials eines Asteroiden durch die Raumsonde Osiris-Rex am gestrigen Tag dürfen wir angesichts des Gebotenen von einem "Annus mirabilis" sprechen.
Diese Beobachtungsplattform, bei dem es sich um ein Spiegelteleskop nach Nasmyth-Bauweise mit einem Hauptspiegel vom 2,7 Metern handelt, das im hinteren Teil einer umgebauten Boeing 747 montiert ist und in Höhen zwischen 12 und 14 Kilometern zum Einsatz kommt, dient seit gut zehn Jahren der Erforschung des infraroten Bereichs des elektromagnetischen Spektrums. Die Erdatmosphäre ist, wie vielleicht bekannt sein dürfte, für die meisten Strahlungsbereiche - von kurzwelligen energiereichen Gamma- über Röntgen- bis hin zu langwelligen Mikrowellen - "opak", undurchsichtig: sie verschluckt sie. Einzig in zwei "Fenstern" zeigt sie sich durchlässig: im Bereich der Radiostrahlung - weswegen Radioteleskope auch auf dem Erdboden zum Einsatz kommen können (und die Kommunikation mit Satelliten und Raumfahrern in diesem Bereich möglich ist) und im Bereich des sichtbaren Lichts, dem "optischen Fenster" zwischen den Wellenlängen von 650 und 1200 Nanometern. Im längerwelligen Bereich der Infrarotstrahlung (auch Wärmestrahlung) genannt, führt der Wasserdampfgehalt der Erdatmosphäre zu einer Absorption. In Höhen zwischen 12 und 14 Kilometern liegen gut 99 Prozent der verschluckenden Decke in der Tiefe unter dem Teleskop; somit lassen sich dort in diesem Bereich Beobachtungen durchführen, die zudem den Vorteil haben, daß es reicht als Plattform für solche Teleskope umgerüstete, aber serienmäßig produzierte Verkehrsflugzeuge verwenden zu können und nicht auf eine große, aufwendige und immens kostspielige Satellitenkonstruktion angewiesen zu sein. Die Baukosten des Hubble-Weltraumteleskops beliefen sich auf gut 4,7 Milliarden US-Dollar; für das James Webb Space Telescope, das nach den aktuellen Planungen im Oktober 2021 im die Umlaufbahn gebracht werden soll, beläuft sich die letzten publik gemachte Kostenangabe aus dem Jahr 2016 auf 10 Milliarden Dollar. Dahingegen belaufen sich die Betriebskosten von SOFIA auf gut 80 Millionen Dollar pro Jahr.
SOFIA ist das dritte der fliegenden Observatorien, die die Weltraumbehörde seit 1965 betreibt, und ist der Nachfolger des KAO, des Kuiper Airborne Observatory, das mit seinem 91-Zentimeter-Spiegelteleskop zwischen 1975 und 1995 an Bord einer Lockheed C-141 im Einsatz war und 1977 einem größeren Publikum bekannt wurde, als dort entdeckt wurde, daß nicht nur der Saturn von einem Ringsystem umgeben wird, sondern auch sein nächster sonnenfernerer Nachbarplanet Uranus. (Die Auffindung der Ringsysteme der Jupiter und des Neptun verdankt sich dem Besuch robotischer Späher vor Ort.) SOFIA ist eine Gemeinschaftsarbeit zwischen der NASA und der DLR, der deutschen Luft- und Raumfahrtgemeinschaft; wobei auf die deutsche Seite ein Fünftel des Kosten entfallen. Der Hauptspiegel für das Naysmith-Teleskop wurde zwischen 1999 und 2002 in Deutschland hergestellt, bei Schott & Co. in Augsburg gegossen und grob zugeschliffen; die französische Firma SAGEM-REOSC übernahm den Feinschliff, bei dem die parabolische Krümmung zur Fokussierung des einfallenden Lichts auf eine Abweichung von nur 8,5 Nanometern von der mathematisch errechneten Krümmung abwich; der Sekundär- und Tertiärspiegel, die das Licht in Richtung des Hauptspiegels zurückwerfen beziehungsweise um 90 Grad in Richtung der Meßinstrumente und Kameras ablenken, wurden in der Schweiz gefertigt und bestehen aus Siliciumcarbid; die Bedampfung aller drei Spiegel erfolgte in Louisiana. Das "erste Licht" für das insgesamt 17 Tonnen wiegende Teleskop erfolgte im Mai 2005; der erste Einsatz über den Wolken folgte allerdings erst fünf Jahre später; regelmäßige Beobachtungsreihen werden seit dem Mai 2010 durchgeführt. (Solche Verzögerungen sind in den Bau- und Erprobungsphase von Großteleskopen durchaus übrlich, bei SOFIA kam hinzu; daß das Projekt mehrfach, nicht zuletzt wegen Streitigkeiten um die Übernahme des Kosten, kurz vor dem Aus stand.)
Für das Sonnensystem liegt das Hauptgewicht der Beobachtungen auf der Ermittlung der Oberflächenbeschaffenheit der Planeten und die Zusammensetzung ihrer Atmosphären. 2015 konnte die Zusammensetzung der Plutoatmosphäre ermittelt werden, als der seit einiger Zeit zum "Zwergplaneten" degradierte "Planet X" einen schwachen Hintergrundstern bedeckte und die Änderung von dessen Spektrum Aufschluß darüber gab (auf die gleiche Weise erfolgte übrigens 1977 die Entdeckung der Uranus-Ringe: die jeweils deckungsgleichen Abschwächungen des Sternlichts vor und nach der Eklipse ließen keine anderen Schluß als den auf die Existenz von Ringen zu.) 2017 gelang es, zum ersten Mal seit 40 Jahren wieder Spuren von freiem Sauerstoff in der Lufthülle des Mars nachzuweisen.
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Es bleibt abzuwarten, was genau die Entdeckung ist, die am Montag bekanntgegeben wird.
Die Spekulationen, die in den astronomisch interessierten Foren des Weltnetzes seit gestern behandelt werden, fokussieren sich auf zwei Möglichkeiten: zum einen könnte es sich um den Nachweis von Lavagängen und Hohlräumen unter den Mondoberfläche handeln. Zwar haben die bisherigen Beobachtungen durch irdische Teleskope, Mondsonden oder die Augenscheinnahme durch die 12 Erdlinge vor einem halben Jahrhundert keinen Hinweis darauf geliefert. Man sollte aber nicht vergessen, daß die tatsächliche Erkundung des Mondes unterhalb des sichtbaren Regoliths der Oberfläche so gut wie nichtexistent ist; die beiden passiven "Seismosmeterexperimente," die von Apollo 11 und 12 aufgestellt wurden, maen nur das allgemeine Zittern im Lauf eines Erdumlaufs; die größte Meßtiefe eines Thermomtersensors betrug gut zwei Meter. Die Mondmaare verdanken ihren Ursprung Lavaflüssen, die vor Jahrmilliarden infolge des Einschlags von gewaltigen Asteroiden und der dort freigewordenen Hitze entstanden; es ist durchaus möglich, daß sie, ganz wie ihre Pendants auf der Erde, infolge unterschiedlicher Abkühlung aufgrund der unterschiedlichen Gesteine und ihrer Schmelzpunkte, Gänge und Klüfte unter der Oberfläche hinterlassen haben. Für künftige Bewohner, die dort längerfristig Quartier nehmen möchten, wäre dies ein willkommener Schutz: der Mond verfügt über kein Magnetfeld; die harte Strahlung der Sonne wird dort nicht wie bei uns durch eben dieses Feld und die dichte Atmosphäre unschädlich gemacht. Alle Pläne für Mondstationen sehen vor, die zu errichtenden Wohn- und Laborkuppeln mit mindestens einer zwei Meter dicken Schicht aus Mondboden zu bedecken, um diese Strahlung zu absorbieren.
Die zweite Möglichkeit betrifft den Nachweis von Wasser - genauer: von Eis. Der Mond hat in Bezug auf sein "Jahr", seinen Umlauf um seinen blauen Mutterplaneten, so gut wie keine Polneigung (sie beträgt etwa weniger als einen halben Bogengrad). An den Polen gibt es Bereiche, an denen die Sonne nie über den Mondhorizont steigt. Insbesondere am Mondsüdpol, das von den Wällen des Aitken-Beckens umgeben ist, gibt es diese Flächen. Die Denkmöglichkeit geht dahin, daß es dort, in jenen Arealen, die seit Jahrmilliarden nicht von der Strahlung unseres Muttergestirns aufgewärmt worden sind, Vorkommen von Wassereis geben könnte, die von dem Einschlag von Kometen oder Asteroiden zurückgeblieben sein könnten; selbst wenn es infolge des Impaktes zunächst verdunstet wäre, so die Überlegung, könnte es nach der schnellen Abkühlung des Gases kondensiert und als Schnee oder Eis gefallen sein - womöglich unter einer mehr-oder-minder dicken Staubschicht verborgen. Die japanische Raumsonde Kaguya, die während ihrer Mission von 2007 und 2009 den Trabanten auf einer Polarbahn umlief, hat keine Hinweise darauf gefunden - aber das dürfte (Stichwort "dicke Staubschicht") noch nicht das letzte Wort sein.
SF-Romane, die das Thema einer Erschließung des Mondes im Laufe dieses Jahrhunderts zum Thema haben, rücken diese mögliche Ressource seit gut eineinhalb Jahrzehnten in den Mittelpunkt: Ian MacDonalds "Luna"-Trilogie mit ihen drei Bänden zwischen 2015 und 2019, die die Diadochenkämpfe zwischen den mächtigen und verfeindeten Plutokraten zum Thema hat (die Bücher sind des öfteren als "Dallas auf dem Mond" bezeichnet worden), Andy Weirs "Artemis" von 2017; und vor allem Frank Schätzings "Limit" von 2009, dessen Hauen und Stechen sich um den Zugriff auf das am Mondpol zu findende Helium-3 dreht, als als Betriebsstoff für Fusionsreaktoren so beghert ist, daß die dahinter stehenden Staaten über Leichen gehen; und Kim Stanley Robinsons "Red Moon" von 2018, in dem die Eisvorräte des Südpols vorerst - nominell - dem Zugriff der Begierde entzogen sind, "until the proper studies are done", der Nordpolvorrat aber eifrig angebohrt wird, nachdem eine Seite damit nun schon einmal begonnen hat.
Als dritte Möglichkeit möchte ich an dieser Stelle folgende - ebenfalls eisige - Variante ins Spiel bringen: ich vermute, es könnte sich um den Nachweis großer - oder jedenfalls größerer - Eismengen unterhalb der Mondoberfläche handeln, nicht - oder nicht NUR - an den Polen, sondern auch an anderen Regionen, diverse Meter unter der Oberfläche in der Form von Permafrost; in Bereichen, in denen die Temperatur nie über den Gefrierpunkt steigt (das Wasser würde bei mehr als 0 Grad Celsius zwar nicht flüssig aufgrund des Fehlens jeglichen Atmosphärendrucks, aber es würde sublimieren, verdunsten). Ein solches Szenario würde etwa den Verhältnissen auf dem Mars entsprechen, bei dem auf der nördlichen Halbkugel in den letzten Jahren durch Radarmessungen und deren Absorptionen ebenfalls nachgewiesen werden konnte, daß in der Tiefe erhebliche Mengen an Wasser als Permafrost vorhanden sind.
Auf einem ganz anderen Blatt steht natürlich, ob selbst im Fall, daß dies die tatsächliche Lösung des Rätsels ist, das uns die NASA gestern aufgegeben hat, inwieweit dies für zukünftige Mondstationen tatsächlich zu nutzen wäre. Ohne Zweifel wäre es ein erheblicher Vorteil, nicht jeden Liter H20, der für den Aufenthalt von Menschen in der absolut lebensfeindlichen Umgebung des Mondes benötigt wird, per Raketenstart micht nur in die Erdumlaufbahn, sondern von dort noch zum Mond und aus der Mondumlaufbahn auch noch sicher an den jeweiligen Stützpunkt befördern zu müssen. Dem stünden die Schwierigkeiten der Gewinnung entgegen (obwohl sich, gerade wenn man die Phantasie eines SF-Autors entwickelt, hier nette Spielarten des Ingenieurs-Ingeniums anbieten würden: wie wäre es etwa mit dem Pendant des irdischen Frackings, bei dem dann zwei Bohrungen in einiger Entfernung zueinander niedergebracht würden und ein heißes Gasgemisch durch die eine ins Mondinnere gepreßt würde, das das Wassereis verflüssigt und aus dem zweiten Bohrloch hinauspreßt?).
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Es bleibt, wie gesagt, abzuwarten - gut 90 Stunden (was ironischerweise recht gut der Dauer eines Fluges vom Verlassen des Erdorbits bis zum Einschwenken in die lunare Umlaufbahn entspricht). Eins aber steht jetzt schon fest: 2020 mag als ein "Annus horribilis" in die Annalen eingehen: in Sachen Astronomie - von der Möglichkeit einer Supernova über den ersten mit bloßem Augen auszumachenden "klassischen Kometen mit klassischem Kometenschweif" seit Menschengedenken über den ersten Einsatz einer Raumkapsel einer privaten Firma bis hin zum Einsammeln des Materials eines Asteroiden durch die Raumsonde Osiris-Rex am gestrigen Tag dürfen wir angesichts des Gebotenen von einem "Annus mirabilis" sprechen.
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