30. September 2014

Warum Distanzierungen nicht genug sind und man doch nicht mehr machen kann.


Mein geschätzter Mitautor Erling Plaethe hat seine Sicht zur Haltung der Islamverbände in Deutschland zur Barbarei der ISIS beschrieben. Er freut sich über die Stellungnahmen, die endlich eine klare Distanzierung zum Terror des „islamischen Staates“ erkennen lassen, eine Distanzierung, die selbst nach Aussage von Aiman Mazyek recht spät kommt. Ich möchte dem an dieser Stelle einen kleinen Kontrapunkt entgegenstellen.

Vom Versuch zu verstehen, dass Islam nicht Islam ist.


Was der IS erreichen will und was auch schon das Ziel der Al-Qaida war - seinen Krieg nach Europa tragen - nimmt immer mehr Form an. Der IS steht an der türkischen Grenze und sammelt  dort seine Kräfte. 
Die politische Türkei, von der Regierung zum neuen Präsidenten Erdogan bis zur AKP, wird gezwungen sich zu positionieren. Die Türkei ist keineswegs so bereit sich gegen den IS zu stellen, wie dies die islamischen Verbände in Deutschland tun. Und das obwohl sie größtenteils von der Türkei bezahlt und gelenkt werden. 

Keiner weiß was der andere wirklich denkt. Noch weniger hat der eine Ahnung von einem religiösen Menschen, der eine anderen oder keiner Religion folgt.  Das Wort "Opfer" selbst vielfach geopfert. Skepsis ist deshalb durchaus angebracht.  

28. September 2014

Strategie auf Neudeutsch

Deutschland hat sich beharrlich gewehrt und geziert nicht bei der neuen Koalition der Willigen mitmachen zu müssen. Während das kleine Dänemark sieben F-16 Kampfflugzeuge schickt, Saudi Arabien gar einen leibhaftigen Prinzen im Kampfjet und die Arabischen Emirate eine Lady Liberty in einem solchen, hat Deutschland eine aktive Beteiligung kategorisch ausgeschlossen.
"Weder sind wir gefragt worden, das zu tun, noch werden wir das tun."
Das sagte unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier am 11.9., dem Jahrestag der Terroranschläge auf New York, dem Pentagon und dem verhinderten Anschlag auf das Weiße Haus.

Deutschlands Beteiligung besteht nun erst einmal darin, Gewehre, Pistolen und Panzerfäuste in den kurdischen Nordirak zu schicken - mit Ausbildern. Die sollen den Kämpfern zeigen, wie man so etwas benutzt.

25. September 2014

Dummes, kurz kommentiert: Siggy Pop und die Programmiersprachen

Wer heute die Zeitung gelesen hat, der könnte über ein paar Aussagen von Sigmar Gabriel gestolpert sein. Mir sind vor allem zwei dieser Sätze aufgefallen: "Programmiersprachen gehören zu den Sprachen des 21. Jahrhunderts" und "Für mich wäre eine der Möglichkeiten, Programmiersprachen als zweite Fremdsprache in Schulen anzubieten."
Es sind zwei schöne, einfache Sätze, die die Technikaffinität unseres Vizekanzlers unterstreichen sollen. Und gleichzeitig sind sie unglaublich dumm und belegen genau das Gegenteil.

24. September 2014

Plädoyer für eine Anpassung des Lebkuchenangebotes gemäß den Gepflogenheiten vor dem Dreißigjährigen Krieg

Es ist Ende September. Der Altweibersommer oder Somst, wie ihn Zettel nannte, geht vorüber. Die Heizung läuft noch nicht, aber der Kamin wird jeden Abend angefeuert. 
Es ist in der Tat eine schöne Zeit, überall Farben und auch in der Kleidung schwingt noch der Sommer.
Es heißt Abschied nehmen von den warmen Jahreszeiten.
Um es sich leichter zu machen, kauft man wieder mehr Süßes. Gebäck zum Beispiel. Oder Marzipan. Ginge es nach mir, wäre das ganze Jahr über Marzipan-Zeit.
Und Lebkuchen-Zeit. 
Die gab es vor dem Dreißigjährigen Krieg in Nürnberg tatsächlich das ganze Jahr. Entbehrungen danach machten es notwendig die Zeit einzuschränken, in der das leckere Gebäck angeboten werden konnte.  

21. September 2014

Gut, dass wir die industrielle Revolution hinter uns haben. Ein kleiner Gedankensplitter zum Thema Sicherheit, Mündigkeit und selber denken.


Das Leben ist lebensgefährlich hat schon Erich Kästner vor vielen Jahren erkannt. Und weil das so ist, wird es auch jedes Jahr gerne wieder bestätigt, wenn Menschen an Krankheiten, dem Alter oder an Unfällen sterben. Gerade letztere werden dabei immer als besonders tragisch angesehen, weil man sie ja vielleicht hätte vermeiden können. Unfälle kann man doch schließlich verhindern, oder nicht?

19. September 2014

Zitat des Tages: Von Einheit der Parteien zur Einheitspartei

Ohne Einheit von Sozialdemokraten und Sozialisten bleibt Angela Merkel im Amt, solange sie das Wort "Kanzler" sagen kann.
Jakob Augstein


Kommentar:

Man kann Jakob Augstein vieles vorwerfen. Aber zwei Qualitäten sollte man ihm nicht absprechen.

Die erste ist die sprachliche Qualität seiner Texte.

Das zweite ist seine politische und historische Bildung.

Wenn also Augstein in einem Text über die anstehende Regierungsbildung in Thüringen nicht von Kooperation, Koalition, Schulterschluss oder einem vergleichbaren Begriff, sondern explizit von "Einheit von Sozialdemokraten und Sozialisten" spricht, passiert das nicht aus Versehen

Zurück nach West Lothian


West Lothian war ein schottischer Wahlkreis vor den Türen Edinburghs. Bekannt durch die Frage, die sein Abgeordneter Tam Dalyell bei der Diskussion um die Etablierung eines eigenen schottischen Parlaments formulierte:
For how long will English constituencies and English Honourable members tolerate ... at least 119 Honourable Members from Scotland, Wales and Northern Ireland exercising an important, and probably often decisive, effect on English politics while they themselves have no say in the same matters in Scotland, Wales and Northern Ireland?
Wie lange werden es englische Wähler und Abgeordnete hinnehmen ... daß 119 Abgeordnete aus Schottland, Wales und Nordirland einen wichtigen, oft entscheidenden Einfluß auf die englische Politik haben, während sie selber bei den gleichen Themen in Schottland, Wales und Nordirland nichts zu sagen haben?

Denn die "Devolution" genannte Föderalisierung im Vereinigten Königreich erfolgte seltsam unsymmetrisch: Die historischen Länder Schottland, Wales und Nordirland bekamen eigene Parlamente mit weitreichenden Befugnissen, die ihnen deutlich mehr Autonomie ermöglichen als deutsche Bundesländer sie haben.
England dagegen blieb alleine dem gemeinsamen britischen Parlament unterworfen, hat keinerlei Eigenständigkeit, und die Regierung in London regiert mit einem Zentralismus direkt bis in die Gemeinden hinein, der auf dem Kontinent kaum vorstellbar ist.

Mit dem Scheitern des Unabhängigkeits-Referendums in Schottland wird sich diese Frage neu stellen.

16. September 2014

Arbeit lohnt sich nicht


"Wenn sich Arbeit nicht lohnt" ist der Titel eines Artikels von Christiane Link, der auf der Homepage hinter dem Link "Arbeit lohnt sich nicht" lauerte. Welcher Homepage? Sie werden staunen: Zeit.de

15. September 2014

Die Puppe in der Puppe

Der Preis für das unklarste und umstrittenste Konstrukt im Völkerrecht geht wohl eindeutig an das "Selbstbestimmungsrecht der Völker". Viele berufen sich darauf, aber es gibt nicht annähernd einen Konsens, wem dieses Recht eigentlich zusteht und wie man es nutzen darf.

Einen weitgehenden Konsens gibt es höchstens noch im Negativen: Es wäre wohl kaum sinnvoll und durchführbar, wenn alle der vielen tausend Völker dieser Erde, die meist bunt gemischt durcheinander leben, nun einen eigenständigen unabhängigen Staat mit klaren Grenzen etablieren würden.

Unklar ist auch, was eigentlich ein "Volk" genau sein soll. Gibt es in Lateinamerika wirklich 20 verschiedene Völker, die alle spanisch sprechen, katholisch geprägt sind und einen gemeinsamen historischen und kulturellen Hintergrund haben? Und in denen indigene Völker leben, von denen keines einen eigenen Staat hat? Nach welchen Kriterien soll eigentlich Österreich ein selbständiges Volk sein?
Ist die Bevölkerung der Krim eigentlich ein eigenes Volk, das über seine Zukunft selber entscheiden darf? Oder sind die Bewohner von Luhansk ein solches Volk?
Wieso eigentlich sollen die Bewohner des historischen Königreichs Schottland ein Volk sein, die Bewohner des historischen Königreichs Kent aber nicht?

Oder mal ganz generell gefragt: Wenn schon die Kriterien für "Volk" so undefiniert sind, wo fängt das Selbstbestimmungsrecht denn an, und wo hört es wieder auf?

14. September 2014

Manipulierte Schuldgefühle


"Nicht mehr zur Wahl zu gehen ist nach meiner Überzeugung nicht viel weniger unmoralisch als die Weigerung, seine Steuern zu zahlen."
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, von dem dieses Zitat stammt, hält es für eine moralische Mindestpflicht wählen zu gehen. Dies ist seine Überzeugung. Natürlich hat auch Herr Papier das Recht seine Meinung zu äußern, allerdings wiegt diese Meinung viel schwerer als von irgendeinem anderen Bürger der nicht Mitglied des obersten Gerichts in diesem Land war und über die Einhaltung des Grundgesetzes wachte.

10. September 2014

Schottische Schimären

Es ist völlig offen, wie das Referendum zur schottischen Unabhängigkeit ausgehen wird. Ob wir ein zweites Bannockburn oder ein zweites Darién erleben werden.

Aber ich finde es erstaunlich, wie diese Inselentscheidung in Deutschland Phantasien beflügelt.
Einige glauben, daß sich hier EU-Ablehnung Bahn bricht und die Eurokraten in Brüssel schon vor dem schottischen Votum zittern würden.
Andere meinen, daß Staatsskepsis dominiert, die Abspaltung Schottlands wäre "kein schlechter Weg, um den leviathanischen Tendenzen unserer Zeit entgegenzuwirken."
Und in allen möglichen Zeitungen fallen Journalisten auf die Propaganda des SNP-Chefs herein und spekulieren, daß die Schotten weiterhin das englische Pfund nutzen würden.

Solche Kommentare sagen wohl mehr aus über die Wünsche und Gefühlslage der Autoren als über ihre Kenntnis der schottischen Gegebenheiten.

8. September 2014

Putins Imperialismus


Als Anfang März der geschätzte Kollege R.A. in seinem Artikel "Der Schatten von München" Parallelen zwischen dem Vorgehen der deutschen Nationalsozialisten und Putin bei der Annektierung fremden Territoriums aufzeigte, war die Rede auf die ich eingehen will, schon gehalten, der Plan längst ausgearbeitet und auch die russischen Soldaten - über deren Funktion noch diskutiert wurde - bereits seit langem mit seiner Ausführung beschäftigt.
Was nur anhand von Indizien vermutet werden konnte, wurde mit der Zeit zur Gewissheit. Auch, dass der russische Präsident kein Problem mit der öffentlichen Behauptung des genauen Gegenteils der Realität hat um später die Realität dann doch einzuräumen - in Bezug auf die Anwesenheit von russischen Soldaten auf der gesamten Krim.
Am 29.8.2014 hörte man von ihm, ein Teil seiner Soldaten hätte sich in der Südukraine verirrt, weil die Grenze nicht eindeutig zu erkennen ist.

Die Ukraine fühlt sich nun genötigt sie bautechnisch sichtbar werden zu lassen.
Das wird aber den Russischen Präsidenten nicht davon abhalten, russische Soldaten zum "Schutz von Russen im Ausland" (seit einer Gesetzesänderung 2009 ohne Zustimmung des Föderationsrates) zu Auslandseinsätzen zu entsenden.

6. September 2014

Und am Ende will es wieder keiner gewesen sein...

... wenn eine totalitäre Bewegung das nötige Biotop entwickeln konnte, um ihre eigenen, uniformierten, ideologisch gefestigten Sicherheitskräfte zu rekrutieren und auf die Straßen zu schicken.

Bremsen mit der NATO-Russland-Akte?

Deutschland hat ein sehr spezielles Verhältnis zu Russland. Als Geburtshelfer der kommunistischen Revolution unter Führung von Lenin versuchte es so den Ausgang des ersten Weltkriegs zu seinen Gunsten zu wenden - durch die Befriedung der Ostfront und der Beendigung des Zweifrontenkrieges. 
Die Folge war die Ausbreitung des Kommunismus auf ganz Europa.
Nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft und der Sowjetunion hoffte nicht nur Deutschland auf einen Pakt mit dem langjährigen Feind. Ganz Europa tat dies.

Aber es gab auch Skeptiker. 
Länder wie Polen, die nach dem Überfall der Sowjetunion 1939 ihre Gebiete nicht zurückerhielten, dies aber mit einer neuen Friedensordnung in Europa akzeptierten. Oder wie die baltischen Staaten die durch Russifizierung ihrer Identität beraubt werden sollten und nun endlich ihre Souveränität zurückerhielten.
Diese Länder sind als Mitglieder der NATO wegen ihrer geographischen Lage Frontstaaten. 

Beides, Deutschlands spezielles Verhältnis und die Bedenken der Frontstaaten aufgrund der veränderten Sicherheitslage in Europa durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine, bestimmten den NATO-Gipfel dieser Tage in Wales.
Deutschland verweist in der Auseinandersetzung mit Polen und den baltischen Staaten um eine Verstärkung der NATO an den östlichen Außengrenzen des Bündnisse immer wieder auf die NATO-Russland Akte, und bremst. 
Höchste Zeit sich diese mal genauer anzuschauen.