28. Februar 2017

Aschermittwoch der Jongleure

Der Jongleur kann von den drei bis fünf Bällen oder Keulen immer nur zwei mit der Hand halten, die andern müssen in der Luft sein, das ist die große Kunst. Unsere Kirchenvertreter wollen das jetzt auch hinkriegen: Evangelische und katholische Kirche in der Hand, die ökumenische und das Gottesreich in der Luft. Beim Luther-Fest „Wie im Himmel so auf Erden“ soll es noch viel toller werden: Himmel und Erde in den Händen, in der Luft die Verbindung alles Getrennten im Gottesreich. Denn: Martin Luther wollte die Kirche ja nicht spalten, sondern reformieren. „Wie im Himmel, so auf Erden" ist das Leitwort des geplanten Ökumenischen Festes im September in Bochum. Da ist aber etwas zu Boden gefallen.

23. Februar 2017

(Un)bedingt wehrfähig?

Ob es wirklich nur eine Marginalie ist mag jeder für sich selbst entscheiden, aber unser frischgebackener Außenminister glänzte auf der ­ Münchner Sicherheitskonferenz am letzten Samstag (also der Konferenz wo man den Amis mal Bescheid stossen wollte, wie das demnächst in der Nato laufen soll) mit der tiefschürfenden Erkenntnis, die Nato-Länder sollten nicht in Glückseeligkeit(?) über eine neue Aufrüstungsspirale verfallen. Ebenso verkündete er, dass man die laut Nato-Übereinkunft zu niedrigen Ausagen der Deutschen, nicht "überinterpretiert" werden sollten und er jedenfalls nicht wisse, wo man das Geld dafür hernehmen solle.

21. Februar 2017

Besser Lesen

Der klassische Journalismus ist in der Krise, von den Qualitätsproblemen vieler Medien war hier im Blog schon oft die Rede.
Das Internet gilt der einen Seite als Ursache dieser Krise. Weil es "kostenlos" Inhalte bereitstellt und damit das Geschäftsmodell der Verlage gefährdet und weil dort unkontrolliert Sachen veröffentlicht werden können, die nicht durch eine Redaktion gelaufen sind.
Der anderen Seite gilt genau das als Chance und Zukunftshoffnung. Die etablierten Redaktionen werden als Einschränkung und Zensur gesehen, das preiswerte Publizieren als Möglichkeit neue Sichtweisen unters Volk zu bringen.

Klar ist auf jeden Fall, daß gute Recherche und vollständige Information viel Arbeit und Aufwand bedeuten. Wer soll das künftig leisten? Wird es im Internet einen besseren Journalismus geben können?
Es gibt Beispiele, die machen da Hoffnung.

Wenn der Mehltau zurück schlägt: Herr Danisch und der MDR

Zum Jahreswechsel machte sich unser Mitautor Noricus in seinem Jahresrückblick ein paar Gedanken dazu, dass 2016 ein Jahr war, in dem der Mehltau nicht nur in Deutschland langsam etwas schwand. Dem ist unbedingt zuzustimmen, und man soll die Hoffnung nicht ablegen, dass auch 2017 ein Jahr sein wird, in dem wir mehr auf den Boden der Tatsachen zurückkehren und die verkrusteten Strukturen weiter aufbrechen. Aber ebenso muss man gerade dann damit rechnen, dass diejenigen, die den Mehltau erst geschaffen haben, die von ihm profitieren und ihn für eine Notwendigkeit halten, kaum tatenlos dabei zusehen werden, wie man ihren Sumpf trocken legt. Oder anders gesagt: Man beisst zurück. Ein solches Beispiel ist dem Blogger Hadmut Danisch diese Woche wiederfahren.

20. Februar 2017

Miszelle: Trump und Schweden. Eine kleine Richtigstellung

Der Aufreger unserer geschlossen agierenden Medienlandschaft in ihrer nicht nachlassenden Verbellung der Ahnungslosigkeit, der Ignoranz, ja Bösartigkeit des amtierenden amerikanischen Präsidenten war eine Äußerung, die er am Samstag auf einer Kundgebung in Melbourne im Bundesstaat Florida tat, und in der er zur Rechtfertigung seines - vorerst vor Gericht gescheiterten zeitweiligen Einreisestops für Bürger aus sieben islamischen Ländern auf das Beispiel Schwedens verwies: "look at what happened in Sweden last night." Einhellig lautete der Tenor der hiesigen Medienberichte nun den ganzen Tag über, daß in Schweden "nichts vorgefallen sei," und schon gar kein Terroranschlag.


17. Februar 2017

Zar und Wagenknecht

Die Umfragen und die Medienbegeisterung gehen immer stärker in Richtung Rot/rot/grün - da wollen die Kommunisten im Bundestag schon mal die außenpolitischen Pflöcke einrammen.
Eine "neue Ostpolitik" fordern Wagenknecht und Co. Und die sieht verblüffend so aus, wie die DDR-Ostpolitik vor 1990.

15. Februar 2017

"Det 'gnostika mörkret'": Trump and Circumstance






In einem bewegten Traum sah ich alles erklärt:
Feierlich schwebt Otto Lilienthal im Gleitflugzeug
den steilen Hügel bei Großlichterfelde hinab.
Ein heftiger Wind blies, wie für Drachen,
und jemand sprach eintönig von der „gnostischen Finsternis".
Es war eine Warnung, ein Flüstern, das kam und ging.

- Lars Gustafsson - "Die Gebrüder Wright besuchen Kitty Hawk" (Bröderna Wright uppsöker Kitty Hawk, 1967)

Zu den grundlegenden Prinzipien der Rationation, die der berühmteste Detektiv der Geschichte, so berühmt, daß ihn seine Fan nur als den Großen Detektiv, the great detective, kennen, seinem Adlatus, Amanuensis und Chronisten Dr. Watson ans Herz legte, gehört bekanntlich die Faustregel: "Whenever you have eliminated the impossible, whatever remains, however improbable, must be the truth" - daß, wenn man das Unmögliche ausschließt, der verbleibende Rest, egal wie unwahrscheinlich er sich ausnehmen mag, die Wahrheit sein muß. (Der Ratschlag findet sich im 6. Kapitel des Romans Das Zeichen der Vier/The Sign of the Four von 1890.) Die Betonung des mathematischen Prinzips der Wahrscheinlichkeit, der Probabilität, liefert uns daei vielleicht einen Schlüssel, einen gemeinsamen Nenner zu einer Vielzahl von kleinen wie großen Ereignissen des Weltlaufs der letzten Zeit. Das jedenfalls als eine ludische Hypothese, ein jeu d'esprit, ein bewegter Tagtraum, der alles erklärt.

Es könnte ja sein, angesichts der Häufung der gespenstisch unwirklichen Ereignisse, mit denen man als Zuschauer des Weltlaufs und seines medialen Widerscheins seit geraumer Zeit schikaniert wird, um eine Manifestation eines grundlegenden Prinzips (genauer gesagt: dessen Außerkraftsetzung) handeln. Brexit, der Wahlausgang jenseits des Atlantiks, die wie im Eis erstarrte Reaktionslosigkeit der hiesigen Politik (oder, um einen Tropos der spekulativen Fiktion zu bemühen: in temporaler Stasis): jedes einzelne dieser beunruhigenden Phänomene ließe sich mit Unwissenheit, mit ungeschickt angekreuzten Wahlzetteln, mit spätrömischer Dekadenz erklären - ihre Häufung legt nahe, sie als Epiphänomene eines tieferliegenden Prinzips zu betrachten. Angesichts der von allen Experten erklärten Unwahrscheinlichkeit, 
die sich in ihnen manifestiert, lohnt es sich vielleicht, bei der Suche nach einem gemeinsamen Nenner in dieser Richtung zu beginnen.

Die Probabilität, die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Ereignis eintritt, gehört in der Mathematik zu den grundlegendsten, festesten Prinzipien. Daß nach einer genügend großen Zahl von Würfelwürfen die Summe der erzielten Augen, geteilt durch die Anzahl der Würfe, bei 3,5 einpendeln wird, ist ebenso eiserner Bestandteil der Einrichtung der Welt wie die Tatsache, daß eine geworfene Münze zwar drei- oder viermal der gleichen Seite zu liegen kommen kann, sich nach wenigen Dutzend Hochschnippereien aber ein Patt zwischen Kopf und Zahl zeigen wird. Versicherungen nehmen dies als Berechnungsgrundlage ihrer Risikobewertungen, ebenso wie Katastrophenplaner (eine Karambolage zwischen Automobilen ist um Größenordnungen wahrscheinlicher als der verheerende Einschlag eines Meteoriten; und diese Größenordnungen lassen sich erstaunlich präzise beziffern); selbst die Taxierung radioaktiver Strahlung unterliegt diesem Gesetz: der Zerfall jedes einzelnen instabilen Atomkerns ist rein stochastisch bestimmt; aber die Rate des Zerfalls samt der dabei freiwerdenden Energie läßt sich bis auf hinreichende Stellen nach dem Komma voraussagen. Wann ein Atom des Uranisotops 235 zwischen jetzt und dem Ende des Universums zerfallen wird, weiß niemand, nicht einmal die Götter, aber daß von einem Kilogramm dieses Teufelszeugs nach 703,8 Millionen Jahren 500 Gramm sich per natürlicher Alchemie in andere Elemente verwandelt haben werden, daran beißen selbst die Olympischen keinen Faden ab. 

9. Februar 2017

Das mediale Kesseltreiben gegen Trump. Nachtrag



Die konzertierte Treibjagd im Jurassic Park der vierten Gewalt auf den gefährlichsten Predator unserer Zeit, nimmt mitunter Züge an, denen man eine gewisse Ironie nicht absprechen kann. Die amerikanische Ausgabe der ursprünglichen rein britischen Wochenzeitschrift "The Week" hat auf dem Titelbild ihrer amerikanischen Ausgabe vom 28. Oktober 2015, gut zehn Tage vor der Wahl, ihre Leser auf die erwartbare Reaktion der Fans des Trumposaurus Rex, der Dunkelamerikaner und deplorablen Abgehängten vorbereitet. Die sich nicht mit ihrer unausweichlichen Niederlage abfinden würden (wer weiß: vielleicht würden sie am Ende gar Moskaus Cybernauten beschuldigen, die Wahl manipuliert zu haben - "if they think it's stolen"?), im Gegensatz zu den Parteigängern Frau Clintons, die eine (absolut unwahrscheinliche) Wahlniederlage enttäuscht, niedergeschlagen, aber gefaßt akzeptieren könnten, wie es der langen demokratischen Grundierung im Land of the Free entspricht. 

5. Februar 2017

Zwei Randnotizen: Schulz zum ersten und zum zweiten

Wenn es die Woche ein Ereignis gab, dass einen wirklich zum nachdenken bringt, dann ist es der plötzlich Höhenflug der SPD unter Martin Schulz.

4. Februar 2017

Neues von der Lügenpresse II: Das trumpsche Kesseltreiben

Der Begriff Lügenpresse war schon des Öfteren Thema in Zettels Raum und hat nicht zuletzt durch die geplante Einrichtung eines Wahrheitsministeriums um den scheinbar so allgegenwärtigen "Fake-News" begegnen, weitere Bedeutung gewonnen. An dieser Stelle möchte ich allerdings auf einen Seitenaspekt eingehen, der eben nicht direkt mit dem Begriff der Gesinnungspresse (der Begriff gefällt mir immer noch am besten) assoziiert ist, aber in meinen Augen mindestens ebenso schwer wiegt, wenn nicht sogar schwerer als die direkte Wirkung der falschen Information. Und zwar die irgendwann schlicht nicht mehr vorhandene Information.

1. Februar 2017

Schulz und der Doppelpass - Ein Gedankensprung

Zu Martin Schulz wurde schon alles gesagt, und zwar fast wirklich von jedem (natürlich auch vom Verfasser dieser Zeilen). Eine Auseinandersetzung mit dem bisweilen zum Vorschein gekommenen Nasenrümpfen über die früheren persönlichen Probleme des SPD-Kanzlerkandidaten erübrigt sich genauso wie der Hinweis, dass ein gelernter Buchhändler in dem Dickicht aus vollendeten und abgebrochenen Akademikern einen erwünschten Vielfaltsakzent setzen könnte und dass ein ehemaliger Bürgermeister einer mittelgroßen Stadt den vom rauen Klima der Außenwelt abgeschirmten Gewächsen aus den Parteitreibhäusern an praktischer Regierungserfahrung überlegen sein dürfte.