25. Januar 2014

Seit 200 Jahren ziemlich tot. Johann Gottlieb Fichte (†29. Januar 1814). Gastbeitrag von Ludwig Weimer

Weil ich nicht zur Philosophenzunft gehöre und der Jubiläums-Beitrag sich beschränken muss, blicke ich als Theologe nur auf eine einzige Vorlesung, nämlich die 16. der Reihe „Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters“, gehalten in Berlin 1805. Diese Vorlesung finde ich hochbrisant. Dort wird die Frage, wo steht die Zeit jetzt?, nicht mit einer Klage über den Verfall der Religion verbunden, sondern mit den Thesen illustriert:

1. Die Kritik an der Religion und der Verfall der Religion sind gar nicht zu beklagen. 2. Denn es ist nur „Religion“ da: Aberglaube, aber kein Christentum. 3. Das wahre Christentum ist noch gar nicht dagewesen. 4. Und das echte Christentum wäre?

24. Januar 2014

Lynchmob light

Und täglich meldet SpOn die Wasserstandsmeldungen: 50 000 Teilnehmer, 70 000 Teilnehmer, 130 000 Teilnehmer, die eine "Online-Petition" unterschrieben haben. Gefordert wird den ZDF-Moderator Lanz zu feuern, weil er Sarah Wagenknecht bei ihren Propagandatiraden ins Wort gefallen ist.

Nun kann man ja durchaus unterschiedlicher Meinung sein, was die Moderator-Qualitäten von Lanz betrifft. Es ist oft Geschmackssache, ob man Gegenfragen eines Journalisten als kritisches Nachhaken oder als unhöfliches Nicht-Ausreden-lassen sieht. Klar ist aber, daß Lanz mit allen Gesprächspartnern so umgeht, unabhängig von der politischen Couleur. Wer die Einladung in seine Sendung akzeptiert weiß, was ihn erwartet. Die Petitions-Erstellerin macht sich jedenfalls ziemlich lächerlich mit der Behauptung, Lanz würde einseitig nur gegen "links von der Mitte" vorgehen. Sie hat offenbar seine Interviews mit Lindner oder Lucke nicht gesehen.

23. Januar 2014

Martin Schulz als EU-Kommissionspräsident oder das Märchen vom Kreidefresser

Nun ist es also raus. Martin Schulz (SPD), aktueller Präsident des Europaparlaments, strebt nach höherem und weiterem. Er möchte EU-Kommissionspräsident werden und damit den Sozialisten José Manuel Barroso…eh nein. Barroso gehört der konservativ-bürgerlichen PSD Portugals an und hat Romano Prodi beerbt, seines Zeichens Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied der bürgerlichen Democrazia Cristiana Italiens, der wiederum dem christsozialen Jacques Santer gefolgt war. Wenn das, was mit der Amtszeit Barrosos endet also gleichsam die konservativ-bürgerliche Phase der EU-Kommissionsleitung gewesen ist, dann mag man sich nun die bange Frage stellen, wie man sich die in naher Zukunft möglicherweise beginnende sozialistische Phase vorstellen soll. Zur Einstimmung einige Zitate von Martin Schulz:

22. Januar 2014

Zitat des Tages: Ökologie und Ökonomie


Die Energiewende ist ein Fass ohne Boden, weil sie zur Beute von unzähligen Subventionsrittern wurde. Die Profiteure (Bundesländer, Landwirte, Hausbesitzer, Handwerker, Investoren, Industrie, Ökoverbände etcetera) sind so mächtig, dass sich kein Politiker mehr traut, an den Besitzständen zu rütteln.
FAZ-Mitherausgeber Holger Steltzner auf der Online-Plattform seiner Zeitung.
 
Kommentar: Hat man das in den deutschen Leitmedien je zuvor so klar und deutlich formuliert gelesen? Für die Leserschaft dieses Blogs mag die oben angeführte Erkenntnis keine Neuigkeit sein; aber ist es nicht ermutigend, wenn Deutschlands Intelligenzblatt Nummer eins diese Tatsache so unumwunden ausspricht?

21. Januar 2014

Nebenbei bemerkt: das Schulobstgesetz wird geändert

Bekanntlich essen Kinder gerne Spaghetti, Salami und Pommes, vermutlich, weil diese Nahrungsmittel Stoffe enthalten, die dem Körper junger Menschen besonders gut tun. Obst und Gemüse sind viel weniger beliebt, was daran liegen dürfte, dass gewisse Inhaltsstoffe Kindern unzuträglich sind.

20. Januar 2014

Plädoyer für die aktive Sterbehilfe

Es gibt vermutlich wenige Themen, bei denen es so schwierig ist, keine dezidierte Position einzunehmen wie die Frage nach der Gestaltung des Lebensendes und der Frage, wie man mit dem Thema "Tötung auf Verlangen" umgehen sollte.  Aktuell positioniert sich CDU-Generalsekretär Peter Tauber bereits eindeutig dagegen und führt die ideologischen Leitbegriffe zur Diskussion, wie er sie sich offenbar vorstellt, ("gewerbsmäßige Tötung") sogleich mit ein. Auch Franz Müntefering, der vor wenigen Jahren seine Frau durch Krebs verloren hat, positionierte sich  gegen aktive Sterbehilfe. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) fordert darüber hinaus eine Verschärfung der gegenwärtigen Gesetze, indem auch die momentan noch straffreie Beihilfe zum Suizid (z. B. durch Bereitstellung geeigneter Substanzen) künftig unter Strafe gestellt werden soll. Man kann nur hoffen, daß die Debatte vor der kommenden Novellierung des entsprechenden Gesetzes nicht zu einem Glaubenskrieg ausartet, sondern an der Vernunft orientiert geführt werden wird.

19. Januar 2014

Gedanken über moralische Politik und politische Moral. Ein Gastbeitrag von nachdenken_schmerzt_nicht

Was ist Moral? - Der Mensch ist meiner Auffassung nach ein spirituelles Wesen, welches ohne einen sinnstiftenden geistigen Überbau nicht sein kann. Diesen Überbau kann man Religion nennen. Eigentlich immer ist er mit einem Gott, einem höheren Wesen verbunden, das nur manchmal anders genannt wird. Eine „säkularisierte“ Gesellschaft glaubt zum Beispiel lieber an so etwas wie „Mutter Erde“ ,das „Primat der Natur“ oder (frei nach Schiller) dass alle Menschen Brüder werden müssen.
Dieser (ich nenne es einmal) geistige Überbau der Menschen, ist der Ursprung ihrer Moral – denn logischer Weise sollte der „größte geistige Wert“ eines sozialen Gefüges auch darüber entscheiden was „gut“ und was „böse“ ist. Und die Entscheidung über „gut“ und „böse“ prägt das, was wir als Kultur verstehen ganz wesentlich. In dieser Logik ist für mich dann auch, nebenbei bemerkt, selbstverständlich, dass es absolut unsinnig ist zu versuchen, Kultur und Religion getrennt sehen zu wollen.
 "Ein genialischer Mann mit tausend Unarten" 


So charakterisierte gegen Ende ihrer professionellen Verlagsbeziehung Lektor Kurt Marek gegenüber seinem Chef Ernst Rowohlt den wohl unzugänglichsten und beratungsresistentesten Autor seines Hauses: Arno Schmidt - dessen Bücher zwar in ihrer Radikalität, sowohl der ästhetischen wie auch in ihrer Schroffheit gegenüber allem Zeitgeistigen wie Traditionellem weit über alles hinausgingen, was nach der "Stunde Null" und der "Trümmerliteratur"angesagt gewesen war, die aber wie Blei in den Regalen lagen. Von seinem Erstlingswerk, dem "Leviathan", waren nach vier Jahren, bis Ende 1953, gerade einmal 400 Exemplare abgesetzt worden, von den nachfolgenden Bänden nicht einmal die Hälfte.

Im Grunde ist es dabei bis heute geblieben: ein Autor, der für den Großteil des Publikums ein Namen mit einigen, in diesem Fall sehr charakteristischen "Ecken & Kanten" ist, eher eine Marke als eine vertraute Präsenz, charakterisiert durch seine forcierte Modernität im Formalen: das Aufbrechen der Orthographie wie der verwendeten Sprache, in der wild die entlegensten Fundstücke aus verschollener Stubengelehrsamkeit mit groben Zoten durcheinanderschießen. Anspielungen und Zitate, die mitunter selbst Bücherfresser, wie "Schmidt= selber" einer war, hoffnungslos überfordern schlagen unvermittelt in apodiktische Verdammungen um, bei denen man das Gefühl hat, sie könnten alles und jedes treffen: die Klassiker des Literaturkanons wie Goethe oder Stifter ebenso wie den Zeitgeist der Gegenwart, die Politik sowieso, die Politiker noch mehr und die Religion en gros (als Prinzip also) wie en detail (also in allen ihren konkreten Ausprägungen) noch einmal in verschärftem Maße. Nicht jeder hat "AS" die bemühte Selbststilisierung zum "Schreckensmann", zum Berserker gegen Gott und die Welt, wie er sie beispielsweise bei Wezel oder Joyce vorgeprägt sah, abgenommen: zu sehr klang das nach einer forcierten Rolle. 















16. Januar 2014

Höhere Steuern gegen Kinderarmut? Ein Gastbeitrag von Christoph

Zwei Drittel (66 %) der Deutschen wären bereit, höhere Steuern zu zahlen, um die Kinderarmut zu bekämpfen. So steht es in einer Pressemitteilung des Deutschen Kinderhilfswerks, das eine entsprechende Umfrage beauftragt hatte. Nachrichtenseiten, Fernsehsender und Zeitungen berichten davon. Ähnlich viele Menschen finden, dass Kindergeld und die Hartz-IV-Sätze für Kinder zu erhöhen seien – dass Staat und Gesellschaft überhaupt zu wenig gegen Kinderarmut täten.

15. Januar 2014

Kontra: Warum ich nichts von DE-Mail halte.

Diese Zusammenfassung ist nicht verfügbar. Klicke hier, um den Post aufzurufen.

14. Januar 2014

Meckerecke: Von Unbedenklichkeitsbescheinigungen und Gesslerhüten


In Internetnutzerkreisen dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, was ein Shitstorm ist. Dessen stimmungsmäßiger Widerpart, der sogenannte Candystorm, erfreut sich im Vergleich dazu einer geringeren Bekanntheit und einer niedrigeren Anwendungsfrequenz. Zielscheibe eines vielbeachteten virtuellen Zuckerlbombardements (Synonyme: Flauschstorm, Lovestorm) war die von der Parteibasis der Grünen als Bundestagswahl-Spitzenkandidatin verschmähte Claudia Roth.

Die Qualitätsmedien rümpfen zwar oft und gerne über die plebejischen Sitten im Neuland des World Wide Web die nach oben gerichtete Nase. Den Karamellenwurf vom Faschingswagen verschmäht aber auch der Premium-Journalist nicht, wenngleich er einen solchen Ermutigungsakt wohl eher mit einer Vokabel wie „Solidaritätsadresse“ bezeichnen würde.

Den jüngsten derartigen Verbalsupport erhielt der ehemalige Fußballprofi Thomas Hitzlsperger, der nun nach dem Ende seiner Sportlerkarriere seine Homosexualität öffentlich gemacht hat. Dieses Coming-out mochte man – im Vergleich zu anderen auf der Tagesordnung stehenden Themen – als reichlich uninteressant empfinden. Das Medienecho war nichtsdestoweniger enorm: Beim gefühlt fünfzigsten Artikel, der einem in den Online-Portalen der großen Tages- und Wochenzeitungen mit den immergleichen Textbausteinen „Mut“ und „Respekt“ entgegensprang, dürfte sich wohl bei vielen Betrachtern ein gewisser Überdruss eingestellt haben.

13. Januar 2014

Warum Wärmedecken eine schlechte Anlage sein können


Kaffeefahrten erfreuen sich trotz ihres schlechten Rufes großer Beliebtheit. Hört man sich unter den Teilnehmern um, geht es ihnen vor allem um die Gemeinsamkeit. Mal wieder einen Ausflug unternehmen, aber nicht allein und vielleicht etwas davon mitnehmen. Neue Bekanntschaften, neue Eindrücke von Land und Leuten oder eben eine neue Wärmedecke.
Wenn diese funktioniert, d.h. hält was ihr Verkäufer verspricht, ist es für beide unternehmungslustigen Seiten ein gutes Geschäft.
Wenn nicht, tritt der Garantiefall oder die Reklamation ein.
Was die Teilnehmer aber in aller Regel nicht erwarten, ist die Bekanntschaft mit einer psychologischen Fessel.

12. Januar 2014

Zwei Zitate, ein Konzept: Warum Zynismus nicht zur Aufklärung beiträgt. Und was die de-Mail leisten kann und was nicht.


Die de-Mail stieß unter vielen IT-Fachleuten, insbesondere aber unter Netzaktivisten von Anfang an auf Ablehnung. Die Politik möchte nun den rechtlichen Rahmen der de-Mail vervollständigen, wie spätestens seit der Veröffentlichung des Koalitionsvertrages von SPD, CDU und CSU klar ist. Hierzu gehört insbesondere die Zustellfiktion. Entsprechend kommen aktuell gerade auch in den traditionellen Medien kritische Beiträge, die sich auf die Kritik von Netzaktivisten stützen. Einen Totalverriss der de-Mail fand sich vor kurzem im Artikel "Angeblich sichere De-Mail absichtlich unsicher gebaut" von Kai Biermann vom 29. Dezember 2013 Zeit-Online.

Der Anspruch, vertraulich und sicher zu sein, wird jedoch nicht annähernd erfüllt. Es gibt schon lange Kritik an dem System. Inzwischen haben Sicherheitsanalysten angesichts der offensichtlich gewollten Unsicherheit von De-Mails aber nur noch Zynismus übrig. So wie Linus Neumann.

Linus Neumann ist ein Sicherheitsexperte, der schon länger gegen die de-Mail argumentiert. Exemplarisch sei hier ein Zitat aus seinem Blogbeitrag "Warnung vor de-Mail" vom 25. Februar 2011 auf netzpolitik.org angeführt, in dem Neumann selber wiederum ein (unvollständiges) Zitat der Bundesregierung bringt:

Was man im Briefbereich niemals hätte durchsetzen können, wird den Bürgern jetzt per Bundes-Standard aufs Auge gedrückt: Die Möglichkeit, jede de-Mail problemlos mitzulesen. Und das geschieht nicht wider besseren Wissens: Als der Bundesrat eine sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung forderte, antwortete die Regierung bekanntermaßen:
Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gefährdet das gesamte Ziel von de-Mail [...]
Es handelt sich hier offenbar um grundlegende Missverständnisse bezüglich des Zweckes, dem das Konzept der de-Mail dienen soll, und zwar in zweierlei Hinsicht.

11. Januar 2014

Der Fall Heidegger


Bekanntlich scheuen sich Feuilleton und Politpersonal dieser Republik nicht davor, ein Buch zu verdammen, das sie nicht gelesen haben. Wenn aber sowohl hierzulande als auch in Frankreich über ein Opus diskutiert wird, das noch niemand gelesen hat, weil es noch gar nicht erschienen ist, dann kann es sich bei dem Inhalt des fraglichen Werks eigentlich nur um eines der beiden transrhenanischen Reizthemen handeln: Philosophie oder Nationalsozialismus. Oder um beides.

Gemäß dem Willen Martin Heideggers (1889–1976) bildet die Veröffentlichung seines von 1931 bis in die 1970er-Jahre geführten philosophischen Tagebuchs, der sogenannten Schwarzen Hefte, den Schlusspunkt der Gesamtausgabe seines Werks, die nun schon seit mehreren Jahrzehnten vom Frankfurter Verlag Vittorio Klostermann besorgt wird. Die Aufzeichnungen der Jahre 1931 bis 1941 sollen im Februar beziehungsweise März dieses Jahres in drei Bänden auf den Markt kommen. Mit der Edition dieses Gedankenjournals ist der an der Universität Wuppertal lehrende Peter Trawny befasst.

Aus dem Umfeld des Philosophieprofessors, der auch am Dictionnaire Martin Heidegger („Martin-Heidegger-Wörterbuch“) mitgearbeitet hat, sind nun einige – jedenfalls ohne Co-Text   als antisemitisch zu verstehende Passagen aus den in Bearbeitung befindlichen Notizen an die französischen Adepten des in Meßkirch gebürtigen Meisters gelangt. Heidegger mag schon in Deutschland eine überlebensgroße Figur sein – so ist sein Hauptwerk Sein und Zeit nach Jürgen Habermas’ Verdikt „das bedeutendste philosophische Ereignis seit Hegels Phänomenologie [des Geistes]“ –, doch in Frankreich genießt der Schüler Husserls eine bisweilen schon ans Fanatische grenzende Verehrung.

9. Januar 2014

Das Narrenschiff

Wenn ein Schiff in den Polregionen nach schweren Wettern in Bedrängnis gerät, ist dies auch heute, ein gutes Jahrhundert nach dem Ende des "heroischen Zeitalters der Polforschung", nicht so außergewöhnlich, wie es im Zeitalter der Satellitennavigation, des Eisradars und des Internets zunächst scheinen könnte (hier einige neuere Beispiele). Da die meisten solcher Havarien dank der genannten Hilfsmittel und der Tatsache, daß es an dem Küsten der Antarktis mittlerweile fast 40 ganzjährig besetzte Forschungsstationen gibt, glimpflich ausgehen und nur mit dem Totalverlust das Schiffes enden, schaffen es solche Mißhelligkeiten nicht einmal in die Spalten für "Vermischtes" der Printmedien oder des Fernsehens. Wenn ein solches Unglück einem Kreuzfahrtschiff widerfährt, deren Mannschaft die Sicherheit der Passagiere oberstes Gebot sein sollte, wird die Sache schon bedenklicher. Und wenn eine Expedition, die ausgezogen ist, die "Auswirkungen des Klimawandels", mithin also der rasanten, unaufhaltsamen Erwärmung des Erde durch den ungebremsten Austoß klimaschädlicher Treibhausgase, auf dem Höhepunkt des Sommers in drei Meter dickem Packeis eingeschlossen wird, ohne sich dadurch in ihrem Befund beirren zu lassen, dann gerät die Angelegenheit zu einer Farce, bei der auch der Rest des Expertenclubs, der seit 25 Jahren beständig die Erde unter dem ansteigenden Meeresspiegel versinken sieht, nicht von Hohn und Spott verschont bleibt.

8. Januar 2014

Die immergleiche Zukunft

Ach ja, und wieder einmal Artikel zur "Zukunft des Wohnens". Seit Jahrzehnten lesen sich die immer ähnlich.

Ganz typisch schon der Einstieg mit dem Hinweis, die alten Prognosen wären völlig überholt. Obwohl sich die von der präsentierten Version meist nur in Details unterscheiden.

Hier betrifft das Detail die Hauselektronik.
Mag schon sein, daß sich da in den nächsten Jahren nicht viel ändern wird. Solange sich die Haussteuerungssysteme im wesentlichen auf die automatische Betätigung der Rolladen beschränken, gibt es wirklich nicht viele Argumente für die Installation eines Bussystems.
Klar ist aber: Wenn sich bei der Elektronik etwas Größeres tun sollte, wenn eine "Killer-Applikation" den Durchbruch schaffen sollte - dann werden wir das vorher ohnehin in keiner Prognose lesen. Sondern der Durchbruch einer neuen Technik wird erst dann zum Feuilletonthema, wenn diese Technik für 5,99 bei ALDI erhältlich ist und sie daher als Zeichen für Zivilisationsverfall und Versagen der Marktwirtschaft gedeutet werden kann.

7. Januar 2014

Lotte in Weimar

"Wo bleibt das Positive?" fragt man sich beim Bloggen zuweilen. Die klassische Antwort wäre: "Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt."
Aber manchmal findet sich das Positive an den unerwartetsten Stellen, sogar im deutschen Fernsehen. Noch krasser: Sogar im deutschen Zwangsgebührenfernsehen.

Und es findet sich dort, wo man es nun gar nicht vermutet - beim Tatort.
Der war vor Jahrzehnten ja Pflichtprogramm, ist dann heruntergekommen zu einer Charles-Dickens-Karikatur mit viel zeitgeistigen Sozialproblemen und wenig Krimi.

Wobei es ja den klassischen Krimi ohnehin nicht mehr gibt. Die Regeln des Detection Club gelten als obsolet, es ist nicht mehr erwünscht, den Leser mitraten zu lassen und die moderne Kriminaltechnik hat die Interpretation von Spuren hinfällig gemacht.

Wenn man also nicht in Sozialdrama oder inszenierter Nahaufnahmen-Gewalt versinken will, kann Krimi nur noch als Satire funktionieren. Und deswegen ist seit Jahren der einzige Tatort, der einzige Fernsehkrimi überhaupt den man ohne Schmerzen anschauen kann, der aus Münster mit dem herrlichen Duo Thiele und Börne.
Verzeihung: Thiele und Prof. Börne. So viel Zeit muß sein.

Und jetzt Weimar.

6. Januar 2014

Auszeit

Satire war es nicht, bestätigt ist es aber auch noch nicht: Der Wechsel des Merkel-Vertrauten und Ex-Kanzleramtsministers Roland Pofalla in den Vorstand der Deutschen Bahn.

Selbstverständlich kritisiert die Opposition diesen Wechsel. Und sie fordert eine Auszeit für Pofalla. Eine Frist von drei bis fünf Jahren, in denen er - bzw. überhaupt ehemalige Regierungsmitglieder - keine Führungsfunktionen in der Wirtschaft übernehmen sollen.

Eigentlich eine merkwürdige Forderung.

Zitat des Tages: "And the quality of Germany’s infrastructure has been slipping in international rankings." Der Verfall der deutschen Infrastruktur. Und wie uns die Keynisaner ein Kuckucksei dabei ins Nest legen wollen.


Peter Osse, a shipper in the port of Hamburg, said he increasingly reaches not for a timetable but a prayer book when he makes transportation plans.
[...]
Even maintaining the status quo will require nearly doubling current spending levels, according to a recent report issued by a government commission. 
[...]
And the quality of Germany’s infrastructure has been slipping in international rankings. Germany placed 10th in the world in 2013 in terms of quality of overall infrastructure, according to surveys by the World Economic Forum, down from third place in 2006. The United States was ranked 19th in 2013, down from eighth in 2006.
 

Michael Birnbaum in seinem Artikel "German road, railway infrastructure is decaying, with harsh economic consequences" vom 30. Dezember 2013, abgerufen am 5. Januar 2014 auf washingtonpost.com

5. Januar 2014

Die "Explosion" der Weltbevölkerung oder warum auch diese Katastrophe wohl ausfallen wird

Früher sind Katastrophen einfach passiert. Man denke etwa an die Erdbebenkatastrophe von Lissabon im Jahre 1755, von der es heißt, Voltaire habe sich über so viel unaufgeklärten Unsinn seitens Mutter Natur über ebendiese empört. Früher sind Katastrophen einfach passiert; heute werden sie prognostiziert, ohne daß sie anschließend auch wirklich einträten, so könnte man überspitzt und verkürzt, meinen. 

Natürlich geschehen auch heute (Natur)Katastrophen. Man denke an die Tsunamikatastrophe in Südostasien 2004 oder an die in Japan 2011. Gleichwohl: die öffentlichen Diskurse sind eben oft nicht von den Katastrophen, die tatsächlich passiert sind dominiert, sondern von der Frage, wie prognostizierte, zumal "menschengemachte", Katastrophen um den Preis demutsvollen Wachstumsverzichts zu verhindern seien. Oder anders gesagt: wie man Menschen maximal vor dem Eintreten von Katastrophen ängstigen könnte, um auf diese Weise politische Positionen durchzusetzen.

Ein Beispiel hierfür ist die "Explosion" der Weltbevölkerung, die uns seit nun mehr als  30 Jahren, einschließlich katastrophaler Konsequenzen, vorhergesagt wird. Der Romanautor Dan Brown thematisiert  Überbevölkerung in "Inferno", seinem aktuellen und düsteren Bestseller, in dem ein Biochemiker durch  die Verbreitung eines gefährlichen Krankheitserregers die Menschheit dezimieren und so das Problem der Überbevölkerung "lösen" will. Was aber ist dran an der Sache mit der "Überbevölkerung"?

3. Januar 2014

Israel, der jüdische Staat


Die "New York Times" schrieb am 01.01.14.:
As Middle East peace talks churn on, Israel has catapulted to the fore an issue that may be even more intractable than old ones like security and settlements: a demand that the Palestinians recognize Israel as a Jewish state.Prime Minister Benjamin Netanjahu has made such recognition the pillar of his public statements in recent weeks, calling it “the real key to peace,” “the minimal requirement” and “an essential condition.” Israeli, American and Palestinian officials all say it has become a core issue in the negotiations that started last summer.
Die Nahost-Friedensverhandlungen werden durchgeschüttelt, Israel hat ein Thema in den Vordergrund katapultiert das noch unlösbarer als ältere ist, wie Sicherheit und Siedlungen: Die Forderung, dass die Palästinenser Israel anerkennen als einen jüdischen Staat. Der israelische Ministerpräsident macht die Forderung nach der Anerkennung Israels als einen jüdischer Staat zur Grundlage seiner öffentlichen Statements und nennt sie den wirklichen Schlüssel zum Frieden, eine Minimalforderung und eine essentielle Bedingung. Israelische, amerikanische und palästinensische Offizielle sagen alle, sie wird zur Kernfrage in den Verhandlungen, die letzten Sommer begannen.
Dieser Schlüssel zum Frieden ist auch der Schlüssel sich dem Thema rational zu nähern.

2. Januar 2014

Zitat des Tages: Der "heilige Furor" des Abdel-Samad


"Er heiratete eine Deutsche, er saß in der Islamkonferenz, ging auf Deutschlandreise mit Henryk M. Broder, und seine Bücher tragen Titel wie "Der Untergang der islamischen Welt". Abdel-Samad ist der Fall eines Konvertiten, der das, wofür er einst sterben wollte, nun mit demselben heiligen Furor bekämpft. " 
Zitat aus dem Artikel "Im Machtkampf am Nil angekommen" von Sonja Zekri vom 26. November 2013, abgerufen am 8. Dezember 2013

Kommentar: Was die Autorin Sinja Zekri zu ihrer Bewertung bewegte kann der Leser nicht feststellen. Eine nachvollziehbare Begründung für diese Bewertung habe ich im Artikel nicht gefunden.
Herr Abdel-Samad kämpft nicht in einem "heiligen Furor". Wer schon einmal Herrn Abdel-Samad im Fernsehen auftreten sah, der wird einen ruhigen und nachdenklichen Mann erlebt haben, der zwar seine Analysen in klaren Worten wiedergibt, aber auch immer in einer sehr besonnen Weise mit - nach meinem Empfinden - beruhigender Ausstrahlung vorträgt.

Von Furor keiner Spur, dafür aber von Analysen, die von der Sichtweise aus verschiedenen Perspektiven, die er in seinem Leben bereits eingenommen hat, profitiert. Sein Buch "Der Untergang der islamischen Welt" stellt die sehr empfehlenswerte Analyse eines Insiders dar, der eben gerade nicht von blinder Religionsverachtung, sondern von der begründeten Sorge um die Kulturzone seiner Vorfahren getrieben ist.

Dabei ist die Gesellschaftsform, die sich Abdel-Samad für die islamisch geprägte Welt wünscht, nicht mal so verschieden vom offiziellen grün-bürgerlichen Ideal: Eine säkularisierte Welt, in der Religion nicht das ganze Leben ausfüllt, nicht mehr zur Erklärung und Regulierung aller Aspekte des Lebens heran gezogen wird und keine Überhöhung mehr über andere Aspekte des Lebens erhält. Wenn Herr Abdel-Samad sinngemäß schreibt, der Koran müsse von seinem Podest an einen normalen Platz im Bücherregal, neben anderen Büchern, wandern, dann ist das für einen aufgeklärten Atheisten, Agnostiker oder Humanisten eine sehr vernünftige Position. Ein Affront ist es vielleicht für die Islamgegner, die den Koran gleich verbieten oder in den Papierkorb wandern lassen wollen, hauptsächlich ist es aber ein Affront für Islamisten, Islamfunktionäre und streng religiöse Gläubige, wobei die Frage erlaubt ist, in wie fern sich diese drei Kategorien überhaupt sauber trennen lassen. Es ist ein Affront für jene, die eine Rechtsordnung auf diesem überhöhten Buch aufbauen wollen und zwar in einer so umfassenden und buchstabengetreuen Weise, wie es nicht einmal einem Evangelikalen aus dem Bible Belt in Bezug auf die Bibel einfallen würde. Die den Koran als die höchste und wichtigste Wissensquelle in der Gesellschaft und im Leben des Einzelnen etablieren möchten und dabei häufig so weit gehen, modernes wissenschaftliches Vorgehen und Erkenntnisgewinn für verzichtbar zu erklären. Die moderne Wissensquellen nicht nur als Konkurrenz auf einigen Gebieten sehen, auf denen sich der Wissensanspruch überschneidet, sondern als eine Gefährdung des Universalanspruches des Koran alle relevanten Bereiche des Lebens bereits perfekt abzudecken. Ein Anspruch, der auch in den "Koranwundern" deutlich wird, die von islamischen Predigern immer wieder angeführten werden.

Schauen Sie sich, lieber Leser, einmal den hier verlinkten Vortrag von Herrn Abdel-Samad an und sie werden keinen "heiligen Furor" erkennen können, dafür klassische, säkulare Aufklärung. 

Wenn Sie das getan haben, dann frage ich Sie, ob Sie darin einen heiligen Furor erkennen können. Können Sie?

Ich erkenne nur einen nachdenkliche, tiefgründigen intellektuellen Deutschen ägyptischer Herkunft.

Techniknörgler


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