29. November 2017

Mal wieder zwei Fälle

In Deutschland passieren täglich Verbrechen, das ist soweit nichts besonderes. Und die Justiz, die ja blind ist, bemüht sich des Öfteren zu betonen, wie neutral sie versucht damit umzugehen, so dass jedem Verbrechen seine gerechte Strafe folgt und jedes Opfer gleich behandelt wird. Und die deutsche Öffentlichkeit, auch wenn sie sich nicht so blind wähnt, will dem natürlich nachfolgen. Wie schwierig das ist, und wie gut das funktioniert, möchte ich anhand von zwei Beispielen aufzeigen, die sich in den vergangenen Tagen ereignet haben. Natürlich sind zwei Taten nie gleich, aber man kann doch Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigen:

Die Stasi ist tot, es lebe die Stasi

Es gibt sicher nur wenige Figuren im deutschen Politikbetrieb die derart massiv polarisieren wie der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen Björn Höcke. Auch im kleinen Zimmer ist der Mann öfter thematisiert, weil er schlicht Dinge vertritt, die dem aktuellen, liberalen Staatsverständnis nicht nur ein bischen entgegenstehen. Der Mann ist provokant und setzt diese Eigenschaft auch sehr bewusst ein um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Alles in allem ergibt sich ein Mensch, dessen inhaltliche Positionen wohl von einer vergleichsweise breiten Mehrheit abgelehnt werden. 
Dennoch sollte betont werden, dass (trotz eifriger Versuche) nie nachgewiesen wurde, dass er den rechtsstaatlichen Rahmen verlassen hat, oder simpel gesagt: Er tritt zwar für die Beseitigung des §130 (Volksverhetzung) ein, hat aber selber wohl keine begangen, zumindest ist nichts entsprechendes bekannt.

26. November 2017

方逸華, 1934年7月27日-2017年11月22日. Mona Fong (27. Juli 1934 - 22. November 2017)

Am Donnerstag dieser Woche starb in Hong Kong Fang Yihua, die auch im chinesischen Raum besser unter der anglisierten Form ihres Namens Mona Fong bekannt ist, im Alter von 83 Jahren (oder vielleicht, wie es sich für die Branche, in der sie tätig war, geziemt, von 86 Jahren: viele ältere Quellen nennen als ihr Geburtsdatum den 1. 1. 1931), von den hiesigen Medien, denen sie kein Begriff war, übersehen. Wenn ihr Name hier Kennern des chinesischen Kinos geläufig sein dürfte, dann als zweite Hand und, spät in ihrem Leben, zweite Ehefrau des großen Moguls (und Mäzenaten) der Hongkonger Filmindustrie, Sir Run Run Shaw, dem dritten und einflußreichsten der drei Shaw-Brüder, denen das chinesische Kino eigentlich seine Existenz verdankt. (Das erste vom ältesten Bruder, Runme, gegründete Studio, Tianyi, begann 1925 mit der Filmproduktion, um für die größte chinesische Diaspora in Indonesien und Malaysia "einheimische" Film, mit chinesischen Darstellern und - damals noch - chinesischen Zwischentiteltafeln zu produzieren, die in Kinos gezeigt wurden, die ebenfalls von den Shaw-Brüdern betrieben wurden. 1937, kurz vor dem Ausbruch des japanisch-chinesischen Kriegs, der für China den Beginn des Zweiten Weltkriegs markiert, verlegten die Brüder ihr Studio von Shanghai ins vermeintlich sichere Hong Kong, das zudem als britische Kronkolonie von den Strikturen und Zensurbeschränkungen der nationalchinesischen Guomindang unter Tschiang Kai-Shek ausgesetzt war.) 1957 gingen aus den Tianyi-Studios die Shaw Brothers Studios hervor, die dann den chinesischen Markt außerhalb der Volksrepublik (und ihrer kulturellen Wüste reiner maoistischer Propaganda)  und für den Rest der Welt beherrschten und das Bild prägten, das die Welt für die nächsten Jahrzehnte von Kino Chinas hatte: schnelle und billige Massenprodukte, die sich auf zwei Sparten beschränkten: Martial Arts-Filme, für deren immergleiche Machart die Namen Bruce Lee und Jackie Chan exemplarisch standen, und seichte Gegenwartskomödien mit trivialen Kabalen, die oft als Musicals angelegt worden waren und bei denen die Güte der Songs in staunenswertem Kontrast zur Seichtheit des Rests stand - bei den US-amerikanischen Musicals, die nicht zufällig zur gleichen Zeit am Broadway aufkamen, läßt sich, als hübsches Beispiel einer kulturellen Parallel-Evolution, genau das gleiche Phänomen beobachten. Man ist immer wieder von der Plattheit und Trivialität der Bühnenshows überrascht, aus denen unverbrüchliche Klassiker des Great American Songbook, bis hin zu den Liedern von George Gershwin und Rogers und Hammerstein bis heute im Ohr geblieben sind (auch As Time Goes By verdankt sich nicht etwa den kreativen Bemühungen um Casablanca, dessen Filmpremiere sich im nächsten Monat zum 75. Mal jährt, sondern wurde von Herman Hupfeld 1931 für das schnellstens von der "Furie des Vergessens" (Hans Magnus Enzensberger) vertilgte Musical Everybody's Welcome getonsetzt).

24. November 2017

Spätherbstliche Elegie in Prosa

Das Leben verläuft in einer Kurve, die sich üblicher- und auch idealerweise zusehends verflacht. Wer kann sich nicht mehr an die unermesslichen Wonnen aus Kindertagen erinnern, als man am Heiligen Abend auf die Bescherung wartete und dann, als das Geschenk ausgepackt war, dieses in seliger Versunkenheit einer Überprüfung nach allen Seiten unterzog? Wer kann sich nicht mehr an die unermesslichen Drangsale erinnern, wenn das Lieblingsspielzeug defekt und Trost schlechterdings unmöglich war? 

Es folgte die Jugend mit ihren Verzückungen – der ersten Liebelei, dem Gefühl des Erwachsenwerdens – und der rezidivierenden Konfrontation mit der subjektiven Gewissheit, nicht liebenswert und doch noch nicht so sehr gereift zu sein. Nach der Volljährigkeit, der Schulzeit wechselten die Erfolge des Wohlbestehenkönnens in der harten Realität mit dem Erschrecken über den kalten Wind, der das Mann- und Frausein umweht. 

Und irgendwann hat man es sich gerichtet. Wenn nichts dramatisch Gutes oder Schlechtes mehr passiert, verwaltet man sein Leben gleichförmig zu Ende – je nach Temperament mit einer Grundstimmung der Zufriedenheit oder des Missmuts. Der Gedanke an das Sterben verliert seine histrionische Überspitzung: Eines Tages wird er kommen, der stachellose Tod, und alles, was in diesem Leben an Schuld und Schmerz, an Lust und Liebe angefallen ist, im Sinne einer Generalbereinigung auf null stellen. 

Die Dinge ereignen sich nicht zweimal, zuerst als Tragödie und danach als Farce, sondern immer nur einmal: als Tragödie und Farce zugleich.

Noricus

© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.

22. November 2017

Blick in die Glaskugel: Der 16. März 2018

Viel ist geschrieben worden über den historischen 19. November, an dem in Deutschland zum ersten Mal der Regierungsbildungsautomatismus nach einer Bundestagswahl versagt hat. Und wenn sich die SPD nicht doch noch zu einer Neuauflage der GroKo breitschlagen lässt, werden wir bis weit ins neue Jahr hinein keine sogenannte stabile Regierung haben. 

Ob der Bundespräsident nun eine Minderheitsregierung forciert oder nach einer gescheiterten Kanzlerwahl das Parlament auflöst und den Weg für Neuwahlen - die wahrscheinlich frühestens im April stattfinden könnten - freimacht, ob die Parteivorsitzenden von CDU (wahrscheinlich), CSU (unwahrscheinlich) und SPD (50:50) im Amt verbleiben oder nicht - schon jetzt wirft ein bestimmtes Datum seinen Schatten voraus über den frisch gewählten Bundestag und seine Mitglieder.

Es ist der 16. März 2018.

21. November 2017

Zitat des Tages: Beide strahlen.

Merkel also geht wieder einmal hinüber zu den Grünen. 
[...]
Auch mit Claudia Roth, der ebenfalls dem linken Grünen-Flügel zuzurechnenden Bundestagsvizepräsidentin, gibt es ein längeres Begrüßungszeremoniell. Beide strahlen.

Aus dem Artikel "Ein fast normaler Tag im Plenum" von Günter Bannas vom 21.11.2017 auf faz.net.

Zitat des Tages: Die Schönheit des Scheiterns

Die Jamaika-Unterhändler haben also bewiesen, dass man sich trotz ideologischer Differenzen annähern kann, gleichzeitig die eigenen Grundüberzeugungen nicht verlieren muss – und am Ende auch zum eigenen Misslingen stehen sollte. Schöner ist noch keine Koalition gescheitert.
Ferdinand Otto, DIE ZEIT

Kommentar:

Ich weiß ja nicht, welche Sondierungsgespräche Herr Otto von der ZEIT verfolgt hat. Ich bin nicht einmal sicher, über welches Land er berichtet, was die politische Kultur angeht.

20. November 2017

Prankenhieb: Regiert werden um jeden Preis?


Denn die Liberalen und ihr Chef Christian Lindner sind damit nicht nur aus schwierigen Verhandlungen geflohen. Sie haben sich vor allem aus der Verantwortung für Deutschland gestohlen. Erst die Partei, dann das Land – das ist die Devise, nach der Lindner gehandelt hat. Er zeigt sich damit als verantwortungsloser und pflichtvergessener Politiker.
Quelle: shz.de (stellvertretend für eine Vielzahl ähnlich lautender Artikel).

Schon wieder so ein Weltuntergang. Staatskrise. Schaden an "unserem Land". In so schwierigen Zeiten (Trump, Flüchtlinge, AfD, Klima, Diesel, 1. FC Köln zwölf Spiele ohne Sieg) ist der Abbruch der Sondierungsgespräche (bin ich eigentlich der einzige, dem dabei die Assoziation der Magensonde, also einer künstlichen Ernährung von etwas, das allein nicht lebensfähig ist, auffällt?) durch die FDP - so ruft es aus allerlei Ecken - noch verwerflicher.

„Für die Müllfee“

So lautet die schöngeschriebene Aufschrift auf einem Behälter an einem der parallelen Isar-Spazierwege zwischen Harlaching und Grünwald. Nicht oben am Hochufer, sondern am Waldstreifen zwischen Kanal und Wildwasserbett. Wer das wohl ersonnen hat? Wohl nicht die städtische Entsorgung, sondern jemand aus einem Verein, dem die Müllbeseitigung am Herzen liegt. Das Herz spielt hier überhaupt eine große Rolle: Der Behälter steht nahe der Hochbrücke, wo die Liebespaare ihre Schlösser ans hohe Drahtgitter (gegen die Selbstmordversuchung) hängen und die Schlüssel hinunter ins Flussbett werfen.

18. November 2017

Zitat des Tages: Der Wählerauftrag und die Verantwortung

"Aber natürlich erwarte ich, dass sich alle Seiten ihrer Verantwortung bewusst sind. Und mit dieser Verantwortung umzugehen heißt auch, den Auftrag nicht an die Wähler zurückzugeben."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Welt-am-Sonntag-Interview, aus dem in diesem Welt-Online-Beitrag vorab zitiert wird, mit Bezug auf die Sondierungsgespräche über die mögliche Bildung einer Schwampel-Koalition.

Kommentar: Der promovierte Jurist Steinmeier weiß natürlich, dass nicht die am Verhandlungstisch sitzenden Parteifunktionäre, sondern er selbst über Neuwahlen entscheiden muss, wenn die Bundeskanzlerwahl für den erfolgreichsten Kandidaten lediglich eine relative Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Deutschen Bundestages ergibt. Hat das Staatsoberhaupt mit dieser Äußerung bereits offenbart, wie es auf den beschriebenen Fall reagieren würde? Überraschend wäre diese Präferenz des Bundespräsidenten nicht; denn Steinmeier kann nicht übersehen, dass Angela Merkel alles andere als die Idealbesetzung für die Rolle der Anführerin einer Minderheitsregierung darstellt: Das System Merkel baut ja gerade darauf auf, eine möglichst breite, duldsame Parlamentsmajorität hinter sich zu haben, die ein von Programmen und Inhalten unbekümmertes, auf den Machterhalt der "Chefin" konzentriertes Durchregieren ermöglicht.

14. November 2017

Streiflicht: Die CSU verzichtet

Wie aus gut unterrichteten Kreisen bekannt wurde, hat die CSU sich endlich bewegt und einen großen Schritt Richtung Jamaika gemacht. Was Horst Seehofer, gemeinsam mit Alexander Dobrindt, in die Sondierungsgespräche Anfang dieser Woche einbrachten, war ­eine kleine Sensation: Die CSU ist bereit statt anderthalb Millionen Flüchtlingen, die man eigentlich 2018 ohne Einspruchsmöglichkeit abschieben wollte, nur noch eine Million abzuschieben. Gleichzeitig deutete man an, dass man vielleicht auch bereit sei darüber zu reden, sieben neue Atomkraftwerke, die man eigentlich 2020 errichten wollte, erst einmal weiter in die Zukunft zu schieben.

12. November 2017

Der Mensch, das Werk und die Einsamkeit am Pranger

Eine Todsünde kann nach römisch-katholischer Lehre durch das im Rahmen der Beichte gespendete Sakrament der Versöhnung (auch Buße genannt) getilgt werden. In der säkularen Religion unserer Tage genügt hingegen schon der Verdacht einer schweren Verfehlung, um einen Menschen dem ewigen Höllenfeuer zu überantworten. Kevin Spacey, durch seine Rolle in dem Film Sieben mit den Todsünden (oder richtig: Hauptsünden) jedenfalls in hollywoodesker Drehbuchtiefe vertraut, erlebt in diesen Tagen den ungebremsten Rigorismus einer unbarmherzigen (als Katholik ist man versucht zu sagen: sehr protestantischen) Moral.

Ob die Vorwürfe nun zutreffen oder nicht: An Spaceys Werk ändert das nichts. Wer ihn zuvor für einen großen Sohn der Melpomene (oder, je nach Ansicht, der Thalia) hielt, sollte davon jetzt nicht abrücken. Anders formuliert: Spaceys schauspielerische Leistungen sind völlig unabhängig davon, ob er – um in der Religions-Isotopie zu bleiben und es leicht flapsig zu formulieren – einen heiligmäßigen Lebenswandel führt.

11. November 2017

Von der dritten und der vierten Phase in der Geschichte der Bundesrepublik

Bei Stammlesern dieses Blogs wird der Titel des vorliegenden Beitrags Erinnerungen wecken: Vor gut sieben Jahren publizierte Zettel in diesem virtuellen Logbuch einen Essay unter der Überschrift "Die dritte Phase in der Geschichte der Bundesrepublik geht in diesen Tagen zu Ende. Eine These" (ZR vom 14.09.2010). Darin periodisierte Zettel die Geschichte seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes in drei Abschnitte von jeweils circa zwanzig Jahren, und zwar in die durch die Kanzlerschaft Konrad Adenauers geprägte Zeit von der Schaffung der Bundesrepublik (beziehungsweise der bereits zuvor vollzogenen Währungsreform) bis zu den späten sechziger Jahren, daran anschließend rund zwei Dezennien des gesellschaftlichen Umbruchs, repräsentiert durch die sozialdemokratisch-liberalen Koalitionen unter Brandt und Schmidt, und schließlich das Intervall zwischen der Wiedervereinigung und der durch Thilo Sarrazins Sachbuchbestseller "Deutschland schafft sich ab" ausgelösten Debatte, die Zettel gleichsam als Anfang vom Ende der dritten Phase in der Geschichte der Bundesrepublik betrachtete.

6. November 2017

Zitat des Tages: Legal, aber nicht unumstritten

"Nur weil etwas legal ist, muss es noch lange nicht legitim oder unumstritten sein. [...] Das fehlende Geld könnte etwa in Krankenhäuser, Schulen und Straßen investiert werden."

Frederik Obermaier und Bastian Obermayer in ihrem auf sueddeutsche.de erschienenen Artikel "So lief die SZ-Recherche", der eine Art FAQ zur journalistischen Enthüllung der sogenannten Paradise Papers darstellt.

Kommentar: Wenn es eine Meisterschaft im Phrasendreschen gäbe, hätte das Duo Obermaier und Obermayer beste Chancen auf den Gewinn des Doppel-Wettbewerbs. Man lässt - um es in memoriam Loriot zu formulieren - mal wieder die Ente zu Wasser, auf deren Flügel bei früheren Gelegenheiten in nicht besonders feuchtigkeitsfester Farbe "Panama Papers" und "Cum-Ex-Steuerraub"  gepinselt worden war. Gerechtfertigt wird das alles dann noch mit einem Obama-Zitat, das in den Kreisen unserer beiden Schreiber zweifelsohne jedes rationale Argument ersetzt.

5. November 2017

Meckerecke: Hexerjagd mit dem Bumerang

Schadenfreude ist invertierter Neid und wie dieser eine wenig achtbare Gemütsregung. Deshalb sollte es Konservativen und Liberalen keine klammheimliche Freude bereiten, dass die jüngste Sexismus-Säuberungsaktion mit Harvey Weinstein, Kevin Spacey und nun auch Peter Pilz linke Männer aus Kultur und Staat zur Strecke gebracht hat.

Bezüglich des österreichischen Politikers fällt es aufgrund des Zeitpunktes der Enthüllung und der Umstände der entsprechenden Causa äußerst schwer, keine gezielte Aktion der Grünen zur Demontage ihres Apostaten zu vermuten. Pilz hatte nämlich mit seiner ehemaligen Mitarbeiterin eine einvernehmliche Regelung unter Vereinbarung des Stillschweigens getroffen, wobei der Wunsch nach Diskretion nicht einer Vertuschungsbemühung des 63-Jährigen, sondern den Forderungen der an der Übereinkunft beteiligten Frau entsprungen sein soll. Heuchlerische Vorwände, wonach mit der Aufdeckung der Angelegenheit dem Opfer Genüge getan oder ein Bewusstsein für das Ausmaß des Problems geschaffen werden sollte, wären so wenig glaubhaft, dass sie - soweit ersichtlich - in halbwegs ernsthaften Publikationen noch nicht einmal zum Vortrag gelangten.

3. November 2017

Luther und die Linke. Die Exkommunikation als Weg in den eigenen Machtverlust. Eine Gedankenpromenade

Wenn von der kulturellen Hegemonie der Linken die Rede ist, wird eigentlich etwas Altbekanntes zur Sprache gebracht: Die Medien sind nicht erst seit gestern überwiegend links, die Universitäten (dem Klischee nach jedenfalls die geisteswissenschaftlichen Fakultäten) ebenso und in den Reihen der sonstigen Intellektuellen gehört es spätestens seit 1945 zum guten Ton, sich ideologisch im Spektrum der Antipoden der Rechten zu verorten. Die an Jahren etwas reiferen Leser dieses Blogs werden sich zum Beispiel noch an die Aufregung um Botho Strauß‘ Essay „Anschwellender Bocksgesang“ erinnern – der wurde vor fast 25 Jahren im SPIEGEL (Ausgabe 6/1993) gedruckt, in der im Rückblick so golden erscheinenden Kohl-Ära, also noch lange vor der Regentschaft Angela Merkels.