Viel ist geschrieben worden über den historischen 19. November, an dem in Deutschland zum ersten Mal der Regierungsbildungsautomatismus nach einer Bundestagswahl versagt hat. Und wenn sich die SPD nicht doch noch zu einer Neuauflage der GroKo breitschlagen lässt, werden wir bis weit ins neue Jahr hinein keine sogenannte stabile Regierung haben.
Ob der Bundespräsident nun eine Minderheitsregierung forciert oder nach einer gescheiterten Kanzlerwahl das Parlament auflöst und den Weg für Neuwahlen - die wahrscheinlich frühestens im April stattfinden könnten - freimacht, ob die Parteivorsitzenden von CDU (wahrscheinlich), CSU (unwahrscheinlich) und SPD (50:50) im Amt verbleiben oder nicht - schon jetzt wirft ein bestimmtes Datum seinen Schatten voraus über den frisch gewählten Bundestag und seine Mitglieder.
Es ist der 16. März 2018.
Bis zu diesem Datum muss das Parlament über eine Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzuges für Personen entscheiden, die unter subsidiärem Schutz stehen, aber keine anerkannten Asylbewerber sind.
Dieses Thema war wohl das brisanteste während der Jamaika-Sondierungen, nach bestimmten Lesarten hat es auch maßgeblich zum Scheitern beigetragen. Die Positionen sind bis auf eine Partei klar: CSU und FDP sind für die weitere Aussetzung, SPD, Grüne und Linke sind dagegen. In der CDU ist de Maizière dafür, und Merkel hat - wie es für sie typisch ist - sich vor der Wahl nicht festlegen wollen, um das Thema als Verhandlungsmasse vorzuhalten.
Nun wird aber vorerst nicht mehr verhandelt. Und so droht - abgesehen von einer doch noch realisierten GroKo, wo das Thema am Verhandlungstisch entschieden wird (und hier ebenfalls Scheiterpotenzial birgt, da SPD und CSU hier aufeinanderprallen) - ein Showdown im Parlament.
Wenn Merkel noch geschäftsführend im Amt ist, hat sie zwei Möglichkeiten: entweder sie kann die Aussetzung mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken gegen FDP, AfD und möglicherweise der CSU sowie sogar einzelne Stimmen der eigenen Fraktion kippen. Damit würde sie ihre Position aber noch mehr schwächen; und das Zuwanderungsthema, das sie um ihres Machterhalts willen fein säuberlich aus dem Wahlkampf heraushalten sollte, wäre wieder ganz oben und der Streit der Schwesterparteien wieder angefacht.
Oder sie kann sich gegen den Familiennachzug entscheiden und sich dafür eine Mehrheit suchen. Und diese führt nur über die AfD, da sich die anderen Parteien in dieser Frage festgelegt haben. Das käme aber einer Tolerierung einer Unions-Minderheitsregierung durch FDP und AfD gleich und würde Merkels schwarzgrüne Pläne dauerhaft beerdigen. Zudem könnte die AfD in der heißen Phase des noch laufenden Wahlkampfes diesen Erfolg für sich reklamieren und weitere Stimmen von der CDU abziehen.
Im Falle einer SPD-tolerierten Minderheitsregierung wäre diese Abstimmung wohl eine Zerreißprobe, die sie nicht überstehen würde.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser 16. März 2018 ein Schicksalstag für die Politikerin Merkel sein wird. Der Tag, an dem das Aussitzen, Taktieren, Auf-den-Fahrenden-Zug-Aufspringen ihr nicht mehr hilft, weil sie Farbe bekennen muss. Dass es soweit kommen kann, hat sie durch ihre Weigerung, sich vor der Wahl festzulegen, selbst herbeigeführt.
Meister Petz
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