30. September 2014

Warum Distanzierungen nicht genug sind und man doch nicht mehr machen kann.


Mein geschätzter Mitautor Erling Plaethe hat seine Sicht zur Haltung der Islamverbände in Deutschland zur Barbarei der ISIS beschrieben. Er freut sich über die Stellungnahmen, die endlich eine klare Distanzierung zum Terror des „islamischen Staates“ erkennen lassen, eine Distanzierung, die selbst nach Aussage von Aiman Mazyek recht spät kommt. Ich möchte dem an dieser Stelle einen kleinen Kontrapunkt entgegenstellen.
­
 Dies ist ein schwieriger Artikel. Weil er heikel ist. Und weil das Thema heikel ist. Deshalb wird er etwas länger werden, denn nichts ist ärgerlicher als bei einem heiklen Thema missverstanden zu werden.
Ich freue mich auch über die klare Aussage der deutschen Islamverbände. Und dennoch habe ich ein Problem damit: Ich kann nicht erkennen wie ehrlich die Distanzierung ist und ich neige dazu Menschen nicht unbedingt zu glauben, wenn sie hehre Motive vor sich hertragen. In dem von Erling Plaethe verlinkten Artikel beschreibt Herr Mayzek zunächst recht offen den Hintergrund seines Artikels: Die zunehmende Islamfeindlichkeit in Deutschland. Für den Vorsitzenden des, zwar selbsternannten, aber durchaus nicht völlig unrepräsentativen, Zentralrates der Muslime in Deutschland muss Islamfeindlichkeit natürlich ein zentrales Problem sein. Und als Lobbyist für den Islam in Deutschland ist es nur natürlich, dass er dieses Problem zu bekämpfen sucht. Und nichts ist dabei besser als das zu sagen, was die Leute hören wollen. Die Aussage: „Ich bin ein Jude, wenn eine Synagoge angegriffen wird, ein Christ, wenn diese im Irak vertrieben werden und ein Muslim, wenn es Anschläge auf Moscheen gibt.“ klingt sehr gut, aber im Kontext dessen, dass Sie vor allem auf die von ihm beklagte Islamfeindlichkeit abhebt, dann wieder nicht mehr ganz so gut. Oder anders gesagt: Worte sind billig.
Ich denke Herr Mayzek bleibt derzeit gar nicht so viel anderes übrig, wenn er nicht verhindern will, dass die Gräben, die derzeit die deutsche Gesellschaft in Bezug auf den Islam durchziehen, nicht noch tiefer werden sollen. Er ist getrieben vom Terror der ISIS, ob er an dieser Stelle von seinen Überzeugungen getrieben ist, ist dadurch schwer bis gar nicht zu sagen. Oder weniger verklausuliert: Es müsste das auch sagen, wenn er es nicht für richtig hält. Weil es seiner Aufgabe entspricht, genauso wie ein Lobbyist im Energiebereich die Energiewende loben muss, auch wenn er sie persönlich für Unsinn hält. Man sollte auch nicht vergessen, dass derselbe Herr Mayzek sich nicht allzu sehr hinter Kurt Westergaard gestellt hat, als dieser mit dem Tode bedroht wurde (und das sehr (!) konkret), sondern es weit wichtiger fand darauf hinzuweisen, dass Westergaard seinen Propheten mit Füssen getreten habe. Was sowohl sachlich kaum haltbar sein dürfte, aber auch gerade nicht ein Standpunkt ist, der sich hinter die Freiheit von Westergaard stellt. Wie geht das zusammen mit dem vorher gesagten? Müsste er nicht auch ein Karikaturist sein, wenn diese mit dem Tode bedroht werden? Oder geht das dann doch nicht so weit?
Kürze ich es ab: Ich kann Herr Mayzek eine Aussage nur schwer abnehmen. Zu widersprüchlich ist sein Verhalten in der Vergangenheit im Vergleich zu heute. Und zu nützlich seine Aussage zum heutigen Zeitpunkt. Die Islamverbände wissen auch, dass der Islam, trotz aller Unkenrufe, in Deutschland noch deutlich in der Minderheit ist. Eine stärkere Spaltung der Gesellschaft können sie nicht brauchen.
Ich muss an dieser Stelle zugeben, dass das ganze unfair ist. Denn die Islamverbände könnten sehr wenig tun, um mich zu überzeugen, dass diese Distanzierung so ehrlich ist, wie sie klingen soll.
Die Amerikaner haben einen schönen Satz: Right or wrong, my country. Auch wenn der seinem ursprünglichen Kontext inzwischen entzogen ist, so sagt er heute ungefähr soviel aus wie: Ich stehe zu meinem Land, auch im Unrecht. Diese Haltung ist alles andere als selten. Man könnte sagen, sie ist geradezu international und allgegenwärtig. Wissen Sie, wo man das am besten sehen kann, lieber Leser? Beim Fußball. Bei kaum einem internationalen Ereignis kann man diese Haltung so eindringlich sehen. Kommt es zu einem Foul, noch dazu einem schweren Foul, so haben sie trotzdem oftmals zwei Meinungen, die des einen und die des anderen Landes. Man steht zu seinem Land. Oder auch nur zu seiner peer group. Psychologen mögen da deutlich mehr intelligentes zu sagen können, aber der Effekt ist uns allen schon begegnet und kaum jemand kann sich davon frei machen. Auch ein Muslim nicht. Und auch kein Christ nebenbei. Ich habe auf der Schule vor langen Jahren heftige Streite um den Nordirland Konflikt erlebt. Und mit einer ganz klaren Verteilung zwischen evangelischen und katholischen Schülern. Man hält zu seiner peer group.
Natürlich wird auch jeder Muslim, der noch alle Latten am Zaun hat, den Terror der ISIS verurteilen. Zumal seine Opfer primär und gerade Muslime sind. Aber es wird gerne grau, wenn die Opfer aus einer anderen peer group kommen. So habe ich Herrn Mayzek noch nicht aufstehen sehen, wenn in Ägypten Christen verfolgt werden. Oder wenn in Tel Aviv eine Bombe explodiert um möglichst viele Juden zu töten. Man kann natürlich sagen, das ist auch nicht sein Job. Das stimmt auch. Aber es relativiert das zuvor gesagte. Ich würde mich freuen, wenn Herr Mayzek statt die deutsche Öffentlichkeit anzusprechen, mal die eigenen Leute ansprechen würde, wie es sein kann, das in deutschen Moscheen Bekloppte noch bekloppter gemacht werden. Ich würde mich freuen, wenn er sich mit seiner eigenen Rolle mal auseinander setzen würde, ob er nicht dazu beiträgt das Leute auf dumme Ideen kommen. Oder das er mal eine Diskussion anstößt wie man damit umgehen soll, dass der perfekte Mensch (der Prophet) doch recht deutlich zur Gewalt gegriffen hat um seine Ziele zu erreichen. Aber ich will mich auch nicht zu sehr an Aiman Mayzek abarbeiten.
Ich habe Schwierigkeiten mit den Islamverbänden, weil sie einem Glaubenskonstrukt folgen, das nicht friedlich ist. Islam bedeutet eben nicht Frieden sondern Unterwerfung. Man kann darauf hoffen, dass der Islam diese Grundausrichtung irgendwann abwirft, sich von dem Vorbild des Propheten löst und zu einer ganz neuen Spiritualität findet. Aber das bedeutet in meinen Augen des Islam zu entkernen und zu etwas völlig anderem zu machen. Ich weiß nicht ob die Islamverbände dazu bereit sind. Ich glaube es nicht. Auch wenn das nicht fair ist.
Das was die ISIS derzeit treibt unterscheidet sich nicht so sehr von den Vorgängen von 1400 Jahren. Und natürlich ist das Barbarei. Schlimmste Barbarei. Aber wie kann ich mich davon distanzieren, wenn das gleichzeitig zentrale Bestandteile meines religiösen Dogmas sind? Ist das nicht schizophren?

Llarian


© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.