6. Oktober 2020

Zum Nobelpreis für Roger Penrose, Reinhard Genzel und Andrea Ghez

"Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt.

Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist."


- Douglas Adams, Das Restaurant am Ende des Universums



Heute sind in Stockholm die Träger des diesjährigen Nobelpreises für Physik bekannt gegeben worden. Die Namen der Preisträger finden sich in den Meldungen sämtlicher Medien; es erübrigt sich, sie hier vorzustellen. Statt dessen möchte ich mir bei dieser Gelegenheit einige spontane assoziative Überlegungen gönnen. Wie schon im vorigen Jahr geht es um Forschungen und neue Erkenntnisse im Bereich der Astronomie und der Kosmologie - also jenem Bereich zwischen Beobachtung und theoretischer Modellbildung, die sich damit befaßt, wie "das große Ganze" des Weltbaus bis jenseits des fernsten Sterns und dem Ende der Zeiten beschaffen sein mag. Und wie auch 2019 ähnelt sich die Konstellation der Ausgezeichneten. Vor einem Jahr wurde James Peebles für seine Forschungen zum Bereich der "dunklen Materie", die nach heutiger Erkenntnis den Großteil der Masse des Universums ausmacht, geehrt: ein "elder Statesman" der Physik, und ein Theoretiker; während die Schweizer Michel Mayor und Didier Queloz für den ersten Nachweis eines Exoplaneten, eines Planeten außerhalb des Sonnensystems, den ersten von mittlerweile über 4300 aufgefundenen, damit bedacht wurden. Praktiker also, die Beobachtungen durchführen, Daten erheben, gewissermaßen Feldforschung betreiben (sofern man im Bereich der Sternkunde davon sprechen kann). ­

Dieses Muster hat sich bei der heutigen Entscheidung des Preiskommittees wiederholt. Roger Penrose, dessen Auszeichnung seit Jahrzehnten überfällig war (ich mußte beim Lesen der Meldung selber zuerst nachschauen, ob er ihn nicht schon vor vielen Jahren erhalten hatte) hat seine entscheidenden theoretischen Beiträge zum Thema Kosmologie und der Physik der Singularitäten schon vor Jahrzehnten publiziert - und dies aufgrund mathematisch grundierter Modelle; die Laudatio des Preiskommittee nennt als Begründung für die Verleihung ausdrücklich seinen Nachweis, daß die Ausbildung von Singularitäten nicht den Postulaten der Einsteinschen Relativitätstheorie(en) widerspricht, sondern eine Konsequenz davon darstellt. Reinhard Genzel (1952 in Bad Homburg geboren und bis vor seiner Emeritierung vor drei Jahren Direktor des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching) und Andrea Ghez (1965 in New York geboren) haben dagegen die genannte "Feldforschung" geleistet. Ihnen gelang durch die Auswertungen der Beobachtungen mit der neuesten Generation von Großteleskopen im Lauf der letzten 20 Jahre der Nachweis, daß es sich bei dem Objekt, das das Zentrum unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, bildet, nur um eine Singularität, also ein "Schwarzes Loch" mit mehreren Millionen Massen der Sonne, handeln kann - und daß solche massereichen Schwarzen Löcher wahrscheinlich das Zentrum der meisten, wenn nicht gar aller elliptischen und Spiralgalaxien bilden. Möglich wurden die höchstauflösenden Aufnahmen der nächsten Umgebung von SgrA* (wie die offizielle Designation dieses astronomischen Monstrums lautet erst ab Mitte der 1990er Jahre: mit der Eröffnung der beiden Keck-Teleskope auf dem Gipfel des Mauna Kea in Hawaii, deren Segment-Hauptspiegel mit ihrem Durchmesser von 10 Metern den des bekannten, lange Zeit größten Teleskops auf dem Mount Palomar um das Doppelte übertreffen - Keck I hatte 1993 "erstes Licht", Keck II 1996, und beide Teleskope lassen sich als Interferometer gewissermaßen "zusammenschalten", so daß im Effekt ein Hauptspiegel mit einem Durchmesser von mehr als 100 Metern entsteht - die das Team um Professor Ghez benutzte. Und die etwas mit 8.4 Metern Spiegeldurchmesser etwas kleinen Very Large Telescopes (VLT) 1 bis 4 auf dem Cerro Paranal in der Chilenischen Atacama-Wüste, die vor der ESO, der "Europäischen Südsternwarte" betrieben werden und die zwischen 1999 und 2001 ihren Dienst aufnahmen, sowie dem GTC, dem Gran Telescopio Canarias auf La Palma in den kanarischen Inseln (10,4 Meter) und dem seit 2004 in Betrieb befindlichen Large Binocular Telescope in Arizona, zu dessen Betreibern neben Italien und den USA auch die Bundesrepublik Deutschland gehört (zwei Teleskope, die zu einer Einheit mit einem Spiegeldurchmesser von 11,9 Metern zusammengeschaltet werden können).

Erst mit einem solchen Instrumentarium war es möglich, die nächste Umgebung des Zentralbereichs unserer Galaxis, im Sommersternbild Schütze in einer Entfernung von gut 27.000 Lichtjahren gelegen, in hinreichend großer Auflösung zu beobachten und die Bewegungen der Sterne im Bereich des zentralen Parsec über mehrere Jahre hinweg so zu dokumentieren, daß aus den Bahndaten einigermaßen genau auf die Masse des Objekts geschlossen werden konnte, das sie umlaufen. (Ein "Parsec" ist eine Maßeinheit, die immer noch ein der Astronomie angewendet wird, obwohl sie ein Relikt aus dem 19 Jhdt. darstellt, etwa in Entfernungsangaben wie kpc/Kiloparsec oder mpc/Megaparsec, obwohl "Lichtjahr," die Strecke, die das Licht im Verlauf eines Erdjahres zurücklegt, seit vielen Jahren geläufiger ist. Ein Parsec bezeichnet die Entfernung, aus der ein Stern durch die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne, also eine Distanz von gut 300 Millionen Kilometern im Abstand von sechs Monaten, vor dem Himmelshintergrund eine scheinbare Versetzung um eine Bogensekunde erfährt. Ein Parsec entspricht dabei 3,26 Lichtjahren.)

Mittlerweile gibt es Beobachtungsreihen über mehr als 40 Sterne, die SgrA* umkreisen. Die Bezeichnung wird "Sagittarius A Star" (wahlweise "Stern") ausgesprochen. Die Bezeichung ist selbst ein kleines astronomisches Wortspiel: Robert Brown, der 1974 diese Himmelsregion zuerst mit Bruce Balick mit Hilfe der dutzenden zusammengeschalteten Radioteleskop-Schüsseln des National Radio Astronomy Observatory in New Mexico in hoher Auflösung im Bereich der Radiostrahlung kartiert hat, prägte sie 1982 in einem Aufsatz, weil der Nachweis der "lautesten" Radioquelle am Himmel "anregend" war und angeregte Zustände von Atomen (etwa bei Ionisierung) in der Physik mit einem Asteriskus, einem *, bezeichnet werden. Der erste handfeste Nachweis, daß es sich bei dem massereichen Objekt, daß sich in der Mitte unserer Heimatgalaxis befindet, nur um ein Schwarzes Loch handeln konnte, nicht etwa um eine kompakte Ballung massereicher Sterne, also einen Kugelsternhaufen im Superformat, oder eine Ansammlung degenerierter, also unvorstellbar dicht gepackter Materie (wie man sie etwa in Neutronensternen findet, wo der Druck nach einer Sternexplosion verbliebenen Sternleiche ausreicht, um die Neutronen und Elektronen in den Atomkern hineinzupressen), die aber immer noch dem "normalen" - wenn auch extremen - Bereich des Weltgefüges zugehören, und nicht den Schwarzen Löchern, deren Eigenschaften wirken, als habe der Schöpfer zuviel in Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" gelesen, bevor er sich ans Werk machte - dieser Nachweis wurde definitiv 2002 erbracht.

Bis dahin waren die eben genannten möglichen Erklärungen zwar nicht allgemein akzeptiert, aber immerhin denkbar. Erst mit der Ermittlung der Bahndaten der "S0" getauften Sterns, die das Team um Professor Genzel im Oktober 2002 publiziert hat, nachdem er ein Drittel seiner Bahn durchlaufen hatte, war klar, daß die Ausdehnung dieses Massebereichs jene Alternativen ausschloß. ("A star in a 15.2-year orbit around the supermassive black hole at the centre of the Milky Way," Nature, Band 416, S. 694-696; publiziert am 17. Oktober 2002). Anhand der Positionsveränderungen lassen sich aus solchen Datenreihen die Parameter der Umlaufbahn bestimmen, ganz nach den drei Keplerschen Gesetzen. Und die Geschwindigkeit des umlaufenden Körpers hängt an jedem Punkt von der Masse des Zentralkörpers ab; die Bahngeschwindigkeit nimmt dabei im Quadrat der zunehmenden Nähe zu. Bei einem Verhältnisse zwischen Pi-mal-Daumen Sonnenmasse des Sterns, der hier als Meßzeiger dient, und den Millionen von Sonnenmassen, die das Schwarze Loch wiegt, kann in solchen Fällen die Masse des Sterns mit gutem Gewissen mit "null" angesetzt werden. Aus der Veränderung der Bahngeschwindigkeit kann somit auf die Masse des Zentralkörprers rückgeschlossen werden. Die Auswertungen des deutschen Teams um Genz ermittelten diese Masse mit 4,31 Millionen Sonnenmassen (mit einer Ungenauigkeit von ± 0,38 Millionen Sonnenmassen, während das amerikanische Team um Professor Ghez auf Werte von 3,7 Millionen Sonnenmassen bei einer Irrtumsmarge von ± 0,2 Millionen Sonnenmassen gelangte. (Solche Divergenzen sind zu erwarten, da nicht klar ist, wie sehr die Umlaufbahn der jeweils beobachteten Sterne gegen unsere Sichtlinie "gekippt" ist; wichtig ist, daß sich beide Ergebnisse in derselben Größenordnung bewegen.)

Vielleicht geben ein paar weitere Zahlen einen kleinen Begriff von der tatsächlichen Monstrosität dieses Objekts. Diese 4 Millionen Sonnenmassen befinden sich innerhalb einer Sphäre mit einem Durchmesser von nur 44 Millionen Kilometern; der Stern S62 erreichte seit größte Annäherung 2018 mit einer Annäherung auf 2.4 Milliarden km; das entspricht 16 Astronomischen Einheiten und ist weniger als die Distanz des Neptuns zur Sonne. Zu diesem Zeitpunkt bewegte sich S62 mit einer Gschwindigkeit von 21.000 Kilometern PRO SEKUNDE - das entspricht gut 7 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.

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Daß viele Astronomen, zumindest in den ersten beiden Jahrzehnten, nachdem die Existenz Schwarzer Löcher Mitte der 1960er Jahre zuerst postuliert wurde, von dieser Idee nicht angetan waren und nach alternativen Erklärungen und Modelle gesucht haben - im Gegensatz zu populärwissenschaftlichen Darstellungen und Science-Fiction-Autoren, hat handfeste Gründe. Ein "schwarzes Loch", auch (wie oben öfters) als Singularität bezeichnet, sprengt den Alltagsverstand, die Auffassung, was sich für Materie, Raum und Zeit, gehört, um einiges nachhaltiger als die Postulate der Quantenphysik. Ihre Theorie besagt, daß nach einer Supernova-Explosion, wenn ein Stern vom acht- bis zwanzigfachen der Sonnenmasse, seine äußere Hülle in eimem kosmischen Feuerwerk weggesprengt hat, der verbliebene Kern noch so schwer, so massereich ist, daß er kollabiert. Bei einem Neutronenstern (s.o.) kommt dieser Kollaps zum Stillstand, wenn die die Atomkerne umgebenden Elektronenschalen in diesen Kern selbst hineingepresst werden. In diesem Fall bleibt von einem solchen Riesenstern eine Kugel aus Neutronium von der Masse der Sonne übrig, die einen Durchmesser von gut 18 Kilometern hat und zu Beginn (weil der Drehimpuls erhalten bleibt) sich mehrere Tausend Mal um Sekunde um die eigene Achse dreht. Der Nachweis der Pulsare durch die Radioastronomie Ende der 1960er Jahre bestätigte diese Theorie glänzend; das erste Beispiel war die Radioquelle Cygnus X1 im Krebsnebel, dem Überbleibsel der Sternexplosion, die auf der Erde im Jahr 1954 beobachtet wurde. Bei der Entstehung eines schwarzen Lochs hingegegen ist die verbliebene Masse so groß - so zumindest die Theorie - daß nicht den Zusammenbruch abbremst und sie KOMPLETT kollabiert. Das Ergebnis ist eine "nackte Singularität": die gesamte verbliebene Masse wird auf einen mathematischen Punkt konzentriert, der KEINERLEI räumliche Ausdehnung mehr hat, keinen Durchmesser, einen Punkt im mathematischen Sinn (die Physiker sprechen hier von der Planck'schen Länge - einem Maß von 10 hoch -33 Zentimetern, der das Mindestmaß für das Sichereignen eines Quantensprungs darstellt; unterhalb dessen keine Messungen oder sinnvollen Aussagen mehr möglich sind). Eine der unangenehmen Konsequenzen davon ist, daß dieser Punkt eine Gravitation von unendlich besitzt - da bei gleichbleibender Masse die Schwerkraft, die ein Körper - genauer: eine Masse - an ihrer Oberfläche ausübt, mit halbiertem Durchmesser um 2x2 = das 4-fache anwächst. Tatsächliche Unendlichkeiten lösen bei Physikern Alarmsignale aus; wenn eine Gleichung in wiederholter Anwendung gen ∞ driftet, liegt in der Regel ein kardinaler Fehler vor. Außerhalb von Whiteboards haben Punkte und Infinitäten in der realen Welt nichts verloren. Ein nettes Seitenstück ist, daß wenn diese Gravitation tatsächlich unendlich - von keinerlei Obergrenze eingehegt und limitiert - ist auch die Schwerkraft in ihrer Umgebung auf unendlich schnellen muß: denn es GIBT eben keine Grenze. Das läßt ahnen, warum bis in die zweite Hälfte der 1970er Jahre viele Astronomen und Physiker Schwarze Löcher - wenn sie in Gestalt "nackter Singularitäten" auftreten, kategorisch abgelehnt haben. Penrose selber hat 1969 für dieses Paradox das Konzept der "schwachen kosmischen Zensur" vorgeschlagen, der "weak cosmic censorship"). Da - soweit wir wissen - im gesamten Universum keine nackten Singularitäten zu beobachten sind, die Einsteinschen Gleichungen, wie sie zuerst von John Archibald Wheeler auf solche Fälle angewendet wurden, sie aber fordern, müssen sie verborgen sein. Ihre Wirkung muß beschränkt sein. Dem dient das Postulat des Ereignishorizonts: das ist der Bereich, an dem die Gravitation eines Schwarzen Lochs die Lichtgeschwindigkeit überschreitet. Ab dieser Entfernung von der zentralen Singularität kann keine Information mehr nach draußen dringen; es lassen sich keine Aussagen mehr über die Vorgänge "weiter innen" in sinnvoller Weise tätigen. (Stephen Hawking hat als Erklärungsansatz in Sachen der Singularität Jahrzehnte später die Hypothese formuliert, der Kollaps benötige, um tatsächlich gegen unendlich zu wachsen bzw. zu schrumpfen - eine unendliche Zeit, werde also nie final.) Freilich handelt es sich hier um eine A-Priori-Hypothese, die sich allein dem Zweck verdankt, fatale Konsequenzen, die sich aus den Postulaten eines theoretischen Gebildes ergeben, zu vermeiden.

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Das Nobelpreiskommittee hat heute in seiner Laudatio die Verleihung des Preises ausdrücklich auf die Vereinbarkeit der Theorie der Schwarzen Löcher mit den Postulaten der Relativitätstheorie fokussiert (“for the discovery that black hole formation is a robust prediction of the general theory of relativity”). Es liegt ein gewisser ironischer Beiklang darin, daß dies so viele andere Leistungen Penroses, von der Entwicklung der Tensor-Theorie über die Entdeckung der aperiodischen Penrose-Parkettierung, beiseite läßt. Das erinnert daran, daß Einstein den Nobelpreis 1921 nicht für die Entwicklung der Speziellen oder der Allgemeinen Relativitätstheorie verliehen worden ist, sondern für die Erklärung des photoelektrischen Effekts aus dem Jahr 1908. Die Auszeichnung erfolgt im Fall Penroses also express für des Forschungen, die in sein Paper "Gravitational Collapse and Space-Time Singularities" mündeten, das im Januar 1965 in der Zeitschrift Physical Review Letters (Band 14 , Nr., S. 57–59) erschien, eingeflossen sind.

Daß die Verleihung der höchsten Auszeichnung, die die Wissenschaft zu vergeben hat, erst jetzt, nach einer so langen Zeitspanne, erfolgt (Penrose ist im August 89 geworden), könnte freilich mit einem anderen Faktor zusammenhängen - genauer: mit zweien. Zum einen geht es um die Summa seiner Forschungen, seiner Gesamtauffassung der Kosmologie, gewissermaßen der "innersten Natur des Universums", wie er sie in seiner vorletzten Buchveröfflichung, Cycles of Time: An Extraordinary New View of the Universe, zusammengefaßt hat, das 2010 im eng,lischen Verlag Bodley Head erschienen ist. Es handelt sich hier um eine hochgradig spekulative Variante, die sich freilich aus der Beobachterposition in der Relativitätstheorie ableitet, aber der "akzeptierten" Sicht auf Natur und vor allem Schicksal des Weltbaus diametral wiederspricht. Penrose vertritt, soweit ich es verstanden habe, die Ansicht, daß unser Raum-Zeit-Kontinuum nur eines in einer langen, aber endlichen Reihe solche Universen ist, die "aufeinander" folgen ("aufeinander" in "", weil der Zeitpfeil integraler Bestandteil nur der jeweiligen Universen ist), die aber, jedes für sich, ewiger Ausdehnung unterliegen und im "Wärmetod des Universums" enden - daß aber dieser Endzustand Voraussetzung dafür ist, daß aus dem nivellierten Plateau ein neues Universum hervorgehen kann (er nennt es "Äon"). Penrose postuliert, daß nur Fermionen (also Bestandteile der Materie) im den jeweiligen Universen gefangen sind; Information und Energie von einem solchen Äon ins darauffolgende wechseln können; die 1998 beobachtete Beschleunigung der Expansion des Universums erklärt er durch Gravitationsenergie, die aus dem Äon, das dem unseren "vorausgegangen" ist, in dieses eingeströmt ist. Das würde die Notwendigkeit entfallen lassen, diese Beschleunigung durch hypothetische "dunkle Energie" zu erklären (von der niemand zu sagen weiß, wie sie beschaffen sein könnte oder nachzuweisen wäre). Penrose vermutet, daß regelmäßige Muster im kosmischen Mikrowellenhintergrund auf ein solches "Einfließen" zurückzuführen sind und ihr Nachweis als Indiz dafür dienen könnte.

Ich muß freilich zugeben, daß ich angesichts solcher Postulate, wie die die Wikipedia zu dem in diesem Buch dargelegten Konzept anführt -

"Penrose's basic construction is to connect a countable sequence of open Friedmann–Lemaître–Robertson–Walker metric (FLRW) spacetimes, each representing a Big Bang followed by an infinite future expansion. Penrose noticed that the past conformal boundary of one copy of FLRW spacetime can be "attached" to the future conformal boundary of another, after an appropriate conformal rescaling. In particular, each individual FLRW metric g a b { g_{ab}} g_{ab} is multiplied by the square of a conformal factor Ω that approaches zero at timelike infinity, effectively "squashing down" the future conformal boundary to a conformally regular hypersurface (which is spacelike if there is a positive cosmological constant, as is currently believed). The result is a new solution to Einstein's equations, which Penrose takes to represent the entire universe, and which is composed of a sequence of sectors that Penrose calls "aeons"."


- mir erstens in keiner Weise sicher bin, ob ich auch nur ansatzweise erfasse, was hier gemeint sein könnte - und zweitens: ob hier tatsächlich ein "alternativer kosmologischer Erklärungsansatz" vorliegt oder nur ein intern womöglich sogar schlüssiger Theorieverhau, der aer - außerhalb der Whiteboards - mit dem real gegeben Universum so wenig zu schaffen hat wie Werner Heisenbergs "Weltformel" von 1958 oder Stephen Wolframs Erklärung sämtlicher Weltphänomene als "zellulare Automaten" in seinem Buch "A New Kind of Science" aus dem Jahr 2002. Wie dem auch sei: an dieser Stelle sollte klar sein, warum ich das Zitat von Douglas Adams als Motto gewählt habe.

Gravierender könnte aber Penroses Theorie des menschlichen Bewußtseins negativ zu Buche geschlagen sein, die er 1989 in seinem Buch "The Emperor's New Mind: Concerning Computers, Minds, and the Laws of Physics" entwickelt hat und in der Fortsetzung "Shadows of the Mind" von 1994 ausgebaut hat. Ganz verkürzt gesagt vertritt er den Standpunkt, das menschliche Gehirn erzeuge "Geist", "Selbstbewußtsein" und all die darunter liegenden mentalen Phänomene nicht, wie es die Neurologie zum größten Teil annimmt, durch die Verschaltung der Milliarden Nervenverbindungen im Hirn, den Neuronen, und der Aktvierung und Hemmung der Komplexe, die diese bilden, sondern deswegen, weil das Gehirn einen Quantencomputer bildet. Eben darum, so argumentiert er weiter, könnten Computer niemals die Funktionen des Geistes nachbilden, weil sie auf deterministischen Algorithmen beruhen. In "Shadows" hat er zusammen mit den Neurowissenschaftler Stuart Hameroff die Hypothese entwickelt, der Wirkungsort, an den die Quanteneffekte die Vorgänge im neuronalen Netz des Hirns beeinflussen, finde in den Mikrotubuli, die das Stützskelett der Hirnzellen bilden und die Synapsengeflechte stabilisieren, statt. Man wird nicht fehlgehen, wenn man dieser - durchaus elaborierten - These nur den Rang einer "Außenseitertheorie" zuerkennt. Sowohl von der Seite der Physik wie von der der Neurowissenschaft ist sie in den letzten 30 Jahren heftig kritisiert worden: vor allem darin, daß die auf subatomarer Ebene zum Tragen kommenden Quanteneffekte in der makrophysikalischen Welt der Neurotransmitter und Synapseninhibition nicht wirken.

Es könnte gut sein, daß es unter den Nobelpreisträgern des letzten Jahrhunderts, soweit des die MINT-Bereiche betrifft, keinen gegeben hat, der dergleichen Schillerndes im Portfolio vorzuweisen hat. Richard Feynman etwa war zwar ein "bunter Vogel," aber das bezog sich stets auf sein Auftreten und seinen Stil, nicht auf die Thesen, die er vertrat; Linus Paulings Obsession für Vitamin C als universelle Panazee entwickelte sich erst lange, nachdem er 1954 den Nobelpreis für Chemie erhalten hatte. Um aufs Kosmische zurückzublenden: es ist oft vermutet worden, daß von den vier Autoren des sogenannten "B²FH"-Papers in der Review of Modern Physics von 1957, das erstmals detailliert die stellare Nukleosnythese darlegte, also die Entstehung sämtlicher chemischer Elemente durch Fusionsvorgänge im Innern von Sternen, Fred Hoyle - H - als einziger der vier Koautoren (Margaret und Geoffrey Burbige und William Fowler) nicht mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, weil er die These des Steady-State-Universums auch nach der Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung durch Penzias und Wilson hartnäckig vertrat. Das schmälert natürlich Penroses konkrete Verdienste in keiner Weise.

Aber zumindest kann es als überaus aktuelle Erinnerung an die Tatsache dienen, daß Wissenschaft nicht darin, Gewißheiten zu verkünden, sondern Irrtümer und Fehlschlüsse in nie endender Zahl hervorzubringen, die dann, im Lauf der Zeit, in der unendlichen Kärrnerarbeit von zahllosen Nachfolgern, korrigiert werden.







U.E.

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