夕立のように降る ペルセウスの流星群
雨粒が尾を引く様な shooting stars
夏の夜はすごく短くて儚いね
だからもっと好きになる
- Sandaime J Soul Brothers, "R.Y.U.S.E.I." ("Meteor"), 2015
("Der Sternschnuppenschauer der Perseiden - fällt wie ein Sonnenuntergang
"Shooting stars" - sie fallen wie Regen
Sommernächte sind kurz und flüchtig
und ich wünsche mir Freunde, mit denen ich sie teilen könnte")
In der phantastischen Literatur, die sich mit "dem da draußen", den tatsächliche Gegebenen, befaßt, und der der realistischen Literatur, die in diesen Motivkanon hineinlappt, gibt es ein paar Grundmotive, ein paar Situationen und Motive, von denen man erwarten sollte, daß ihnen ein besonderer Zauber innewohnen müßte, eine Zündwirkung - und die ihnen, wenn man sie durchsieht, leider zumeist völlig abgeht. Für die "richtige" Science Fiction ist dies unzweifelhaft der Erstkontakt mit fremden Wesen, die allererste Begegung mit Intelligenzen, der Erweis, das "wir nicht allein" sind - und dies besonders in Form einer Botschaft, eines Funksignals, das die riesigen Schüsseln der Radioteleskope aus dem schweigenden All auffangen. Aller Erwartung nach müßten solche allerersten Kontakte geradezu atembenehmend aufgeladen sein, mit Erwarten, mit Schrecken. In der literarischen Praxis sind sie es nicht (übrigens auch nicht im Film: Kubricks ""2001 - Odyssee im Weltraum" bildet hier die Ausnahme von der Regel. Jodie Fosters großäugiges Lauschen unter den Kopfhörern in "Contact" (1997) geht jegliche solche Frisson ab. Die Gründe sind einleuchtend. Der Zauber der Erwartung ist im Moment des Eintretens hinfällig. Danach müssen die Autoren die Natur der Botschaft erläutern (oder sie für unentzifferbar deklarieren, wie es Stanislaw Lem in "Die Stimme des Herrn" 1968 getan hat), die Zuhörer müssen reagieren, das Fremde Gestalt und Namen, Absicht und Stimme erhalten, die Erde und die Handlung drehen sich weiter.
Und bei den Motiven, die dem tatsächlich irdisch Gegebenen entnommen sind - anders als der rein hypothetische Anruf von E.T. - läßt sich Gleiches ausmachen: der plötzliche Einschuß des Kosmischen, das kurze Aufblitzen, eignet sich nicht wirklich als literarisches oder filmisches Motiv. Sonnenfinsternisse sind nach wenigen Minuten vorüber, ohne Folgen zu zeitigen, und Meteorschauern, sosehr sie für geduldige und erfahrene Himmelsbeobachter eine willkommene Ablenkung von der Geduldsarbeit der nächtlichen Himmelsdurchmusterung darstellen, geht erfahrungsgemäß leider ebenfalls das Potenzial zur Weckung großer "kosmischer Gefühle" durchaus ab. Das knapp sekundenlange Aufleuchten der Staubkörnchen, die eine rasante Spur hinterlassen, ist dafür zu flüchtig; auch Dutzende solche kleiner Blitze pro Stunde machen dies nicht zu mehr als einem kleinen Divertimento.
Natürlich sollte dies niemanden davon abhalten, heute nacht, zwischen etwa 23 Uhr und 4 Uhr früh, sich, wenn man die Möglichkeit hat und der Himmel klar ist, sich nach draußen zu begeben und Zeuge dieses Himmelsfeuerwerks zu werden, das heute in den frühen Morgenstunden seinen Höhepunkt erreicht. Die Spuren der Leuchtbahnen scheinen dabei aus dem Gebiet des Sternbilds Kassiopeia zu kommen, dem "Himmels-W", das dem Großen Wagen/Großen Bären gegenüber liegt und von vielen Beobachtern während der Sommermonate als Himmelsweiser benutzt wird, um den Polarstern und damit die Nordrichtung aufzufinden. Es reicht aber, einfach den Blick nach Nordosten und in etwa vierzig Grad Höhe zu richten. Zwischen 50 bis 70 solcher kurzer Leuchtspuren können dabei auf dem Höhepunkt dieses Ereignisses aufblitzen. Die nur Bruchteile einer Millimeters messenden Staubteilchen treffen bei mit einer Geschwindigkeit von gut 57 Kilometern pro Sekunde auf die Gasmoleküle der obereren Stratosphäre und verglühen dort. Was wir als die Spur der Meteoriten sehen, ist freilich das Leuchten dieser Gasmoleküle unserer eigenen Atmosphäre, die von der freiwerdenden Wärmeenergie zum Glühen gebracht werden. Daß sich dieses flüchtige Huschen in absoluter Lautlosigkeit vollzieht, trägt übrigens erheblich zu der leicht geheimnisvollen Wirkung eines solchen Schauspiels bei. Es gibt zwar immer wieder Berichte, daß auffällige, leuchtend hell aufblitzende Boliden und "Feuerkugeln" von knisternden und knackenden Geräuschen begleitet werden, und die Wissenschaft rätselt bis heute, ob es sich dabei um irrige Sinnestäuschungen (gewissermaßen unterschwellige Synästhesien) handelt oder ob dergleichen durch Infraschall ausgelöst werden kann. Bei den winzigen Relikten der Kometenschweife, denen wir die jährlich wiederkommenden Meteoritenschauer wie etwa die Orioniden im Dezember oder hier die Perseiden zwischen Mitte Juli und Mitte August verdanken, ist dergleichen nie berichtet worden.
Der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli, heute nur noch als "Entdecker" der Marskanäle bekannt, konnte 1866 zuerst anhand der Perseiden nachweisen, daß ihre Bahn mit der des vier Jahr zuvor entdeckten Kometen Swift-Tuttle identisch war, und daß es sich dabei um Staubteilchen handeln mußte, die sich bei der Aufheizung durch die Sonne am sonnennächsten Punkt der Umlaufbahn als Kometenschweif gelöst und entlang dieser Umlaufbahn verteilt hatten. Dei Komet ist selbst nach wie vor "aktiv". Sein letzter Besuch im inneren Sonnensystem erfolgte 1992 (er blieb allerdings 160 Millionen Kilometer entfernt und lag mit fünfter Größenklasse knapp unter der Sichtbarkeitsgrenze); beim nächsten Durchgang 2126 kommt er uns gut 25 Millionen Kilometer nahe und dürfte ein lohnenderes Himmelsschauspiel abgeben.
* * *
Eines fällt jedenfalls auf: bei den Gedichten (und auch den beiden Musikstücken), die dieses Sommerdivertimento als Aufhänger nehmen, herrscht - ganz anders als bei anderen astronomisch grundierten Tropen - ein melancholischer, schwarz lasierter Ton vor. Anders als Mondschein, als Nordlichter, als die abstrakten Konfigurationen der Sternbilder, der Nebelflecken oder der Planeten des Sonnensystems scheint dieses flüchtige Verlöschen eher Anlaß zur Reflexion über die Winzigkeit und Sekundenhaftigkeit der einzelnen menschlichen Existenz zu sein. Wo ansonsten eine "kinship with the stars" anklingt, werden Einsamkeit und Isolation assoziiert. Das mag ein Klischee sein, festzustellen ist es dennoch. Ob nun bei W. S. Merwin "Nocturne II" von 2009, in dem sich der August wie ein Dieb heranschleicht und sich das Jahr bereits neigt, während der Regen herabrauscht und die Sternschnuppen irgendwo, ungesehen, fallen (mit einer Geschwindigkeit, die wir uns zum Glück nicht vorstellen können, weil uns die Erkenntnis der Wahrheit verbrennen würde)...
August arrives in the dark
we are not even asleep and it is here
with a gust of rain rustling before it
how can it be so late all at once
somewhere the Perseids are falling
toward us already at a speed that would
burn us alive if we could believe it
but in the stillness after the rain ends
nothing is to be heard but the drops falling
one at a time from the tips of the leaves
into the night and I lie in the dark
listening to what I remember
while the night flies on with us into itself
we are not even asleep and it is here
with a gust of rain rustling before it
how can it be so late all at once
somewhere the Perseids are falling
toward us already at a speed that would
burn us alive if we could believe it
but in the stillness after the rain ends
nothing is to be heard but the drops falling
one at a time from the tips of the leaves
into the night and I lie in the dark
listening to what I remember
while the night flies on with us into itself
... oder in Isabel Rogers "Watching der Perseids" von 2016, in dem der kurzzeitige Erkenntnisschock über unser "kosmisches Ausgesetztsein" alsbald durch die aufgehende Sonne verdunkelt wird, die unsere Sonne wieder auf die bergende irdische Begrenztheit zurückstutzt und die Fragen nach unserer eigentlichen Existenz zum Schweigen bringt, bevor wir in ihnen ertrinken.
We survey our closed dominion
until we look up in August
to find comet dust flaring in the night.
This vastness, this vertiginous awareness
mocking gravity on our speck of now,
wakes us with a recalibrating jolt.
But soon our familiar star will claw toward us
in seven-league boots from the east,
drawing its Valium thread across our planet
as if to cloak a birdcage
to muffle questions that blink through dark matter
and would pour over us
until we drowned, dreaming of amnesia.
until we look up in August
to find comet dust flaring in the night.
This vastness, this vertiginous awareness
mocking gravity on our speck of now,
wakes us with a recalibrating jolt.
But soon our familiar star will claw toward us
in seven-league boots from the east,
drawing its Valium thread across our planet
as if to cloak a birdcage
to muffle questions that blink through dark matter
and would pour over us
until we drowned, dreaming of amnesia.
Auch Twyla Hansens "August 12 in the Nebraska Sand Hills Watching the Perseids Meteor Shower" zentriert sich um diese existentielle Verlorenheit: im bleiernen Dunkel sind wir absolut allein und hilflos:
Like cattle, we are powerless, by instinct can see
why early people trembled and deliberated the heavens.
Off in the distance those cattle make themselves known,
a bird song moves singular across the horizon.
Not yet 2:00, and bits of comet dust, the Perseids,
startle and skim the atmosphere like skipping stones.
In the leaden dark, we are utterly alone.
why early people trembled and deliberated the heavens.
Off in the distance those cattle make themselves known,
a bird song moves singular across the horizon.
Not yet 2:00, and bits of comet dust, the Perseids,
startle and skim the atmosphere like skipping stones.
In the leaden dark, we are utterly alone.
Auch das zweite J-Pop-Stück, in dem die Perseiden Erwähnung finden, Sekai no Owaris (der Bandname bedeutet "Das Ende der Welt") "RPG" von 2013, konterkariert seinen kindlich-exaltierten Kindergeburtstagsgestus durch seinen Text:
大切な何かが 壊れたあの夜に
僕は星を探して一人で歩いていた
ペルセウス座流星群 君も見てただろうか
僕は星を探して一人で歩いていた
ペルセウス座流星群 君も見てただろうか
("In jener Nacht, als zwischen uns etwas Entscheidendes zerbrach / ging ich allein fort und sah mir die Sterne an. / Die Perseiden: hast du sie auch gesehen?")
* * *
* * *
Im Gegensatz zur anscheinenden Opiono communis der kreativen Klasse, der sich sicher noch Friedrich Schiller ("Schwatzt mir nicht so viel von Nebelflecken und Sonnen") und Walt Whitman ("When I heard the learned astronomer") angeschlossen hätten, sei angemerkt, daß bei Sternfreunden und Zeitgenossen, die mit den Erkenntnissen der Astronomie vertraut sind, der Anblick selbst von Staubkörnchen, die ihre Milliarden Jahre dauernde kosmische Odyssee als flüchtige Leuchtspur beenden, freilich eher Gelassenheit und innere Ruhe als Grauen über die eigene Winzigkeit auszulösen pflegt.
U.E.
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