19. März 2011

Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (2): Die Lage hat sich heute massiv verbessert (Stand: Samstag, 15.00)

Es gab am heutigen Tag - in Japan ist es jetzt 23.00 Uhr - zwei neue Entwicklungen.

Zum einen ist jetzt nicht mehr nur von einer Stabilisierung die Rede, sondern es ist ein optimistischer Ton in die Verlautbarungen eingekehrt.

Um 13.23 Uhr MEZ berichtete beispielsweise NHK:
Chief Cabinet Secretary Yukio Edano says the situation at the Fukushima Daiichi nuclear power plant is improving. He says unpredictable factors remain but the government will do its best to fix the problem.(...) He said he believes the water-spraying over the spent fuel rod pool in the No.3 reactor was successful. He added that the current situation is more stable than before.(...)

The Chief Cabinet Secretary said the government is trying to fully resolve the problem and create stable conditions by monitoring and cooling down each nuclear reactor at the plant. He said he cannot give an exact time when power will be fully restored at the plant but the overall situation is improving step by step.

Chef-Kabinettssekretär Yukio Edano erklärte, daß sich die Situation am KKW Fukushima Daiichi verbessert habe. Es blieben unvorhersehbare Faktoren bestehen; die Regierung werde aber ihr Bestes tun, das Problem zu lösen. (...) Nach seiner Beurteilung sei das Einbringen von Wasser über dem Abklingbecken in Block 3 ein Erfolg. Er fügte hinzu, daß die jetzige Situation stabiler sei als bisher. (..)

Der Chef-Kabinettssekretär sagte, daß die Regierung sich bemühe, das Problem vollständig zu lösen und eine stabile Lage herzustellen. Hierzu werde jeder Atomreaktor des Kraftwerks überwacht und heruntergekühlt. Er könne keinen genauen Zeitpunkt angeben, zu dem das Kraftwerk wieder vollständig an das Stromnetz angeschlossen sein werde, aber die allgemeine Situation verbessere sich Schritt für Schritt.
Dieser optimistische Ton ist deshalb bemerkenswert, weil es Edano in allen Verlautbarungen der vergangenen Woche strikt vermieden hatte, ein zu günstiges Bild zu zeichnen. Wenn man seine zurückliegenden Stellungnahmen mit dem vergleicht, was sich dann tatsächlich entwickelt hat, dann wird deutlich, daß er stets zum Understatement neigte.

Sein jetziger Optimismus dürfte sich vor allem auf zwei Entwicklungen gründen:

Zum einen ist das KKW jetzt wieder an das Stromnetz angeschlossen (keine "Notstromleitung", sondern ein vollwertiger Anschluß). Heute wurden die Stromverbindungen zu den Blöcken 1 und 2 wieder hergestellt. Morgen sollen die restlichen Blöcke folgen.

Das heißt aber nicht, daß nun sofort die Kühlung über Pumpen wieder beginnen kann. Daß die Kühlung jetzt nur noch "anspringen" müsse, ist eine laienhafte Vorstellung; es handelt sich ja nicht um die Klimaanlage im Büro. Die Pumpen werden jetzt durchgeprüft, zerstörte Verkabelungen wiederherstellt und Wartungsarbeiten vorgenommen.

Zweitens waren die Maßnahmen zur Kühlung überaus erfolgreich; offenbar erfolgreicher als erwartet. Das wird innerhalb der zweiten Entwicklung deutlich.



Diese zweite Entwicklung besteht darin, daß sich jetzt das Militär verstärkt einschaltet. In den ersten Tagen war die Armee (SDF = Self Defense Force; Selbstverteidigungs-Streitmacht) nach außen hin überhaupt nicht in Erscheinung getreten. Erst ab Mitte der Woche wurde sie für die Öffentlichkeit sichtbar hinzugezogen, und zwar mit dem Einsatz von Löschfahrzeugen von Militärflughäfen (in den deutschen Medien oft irrtümlich als "Wasserwerfer" bezeichnet; Wasserwerfer der Polizei waren ebenfalls erprobt worden, hatten sich aber als ineffizient erwiesen).

Heute nun trat Verteidigungsminister Toshimi Kitazawa vor die Presse und erweckte den Eindruck, daß jetzt die SDF einen wesentlichen Teil der Verantwortung übernommen hat. Er teilte z.B. mit, daß an allen vier beschädigten Reaktoren die Temperatur an den Außenwänden jetzt unter 100 Grad liege. Insbesondere sei es durch den Einsatz der Löschfahrzeuge gelungen, das Abklingbecken in Block 3 herunterzukühlen; dieses sei jetzt in einem erheblichen Umfang gefüllt. Die Reaktoren seien insgesamt jetzt in einem stabileren Zustand, als man es erwartet habe.

Die SDF werde die Temperaturen weiter überwachen und zugleich die Schäden von einem Hubschrauber aus untersuchen.

Dann kam der vielleicht wichtigste Satz: Premierminister Naoto Kan hätte ihn, den Verteidigungsminister, damit beauftragt, umfangreich Daten zu sammeln und sie gründlich auszuwerten.

Bisher lag die Verantwortung für die Maßnahmen gegen den Störfall hauptsächliich bei der Betreibergesellschaft TEPCO; beteiligt waren außerdem die INES, das Amt für Sicherheit in Industrie und Nukleartechnologie und natürlich die japanische Regierung in Gestalt ihres Sprechers Edano. Jetzt ist also die SDF hinzugekommen.



Die Dinge entwickeln sich mit dieser Wendung zum Positiven so, wie Sie es, wenn Sie in der vergangenen Woche diesen Blog regelmäßig gelesen haben, erwarten konnten. Sie entwickeln sich damit in diametralem Gegensatz zu dem, was die Panikmache der meisten Medien Ihnen hatte weismachen wollen.

Es ist noch nicht einmal 48 Stunden her, daß die "Tagesschau" vom Donnerstag um 20.00 Uhr Ihnen das Bild einer heraufziehenden Katastrophe zu vermitteln versuchte, in der "noch immer" versucht werde, eine "Kernschmelze einzudämmen", in der angeblich "Helfer ihr Leben riskieren"; in der ein Szenario droht, in dem "unvorstellbar heißes Plasma" durch "die Betonhülle des Reaktors" dringt, ins Erdreich gelangt und sogar "das Trinkwasser radioaktiv verseuchen" könnte (siehe Die "Tagesschau" gestern über Fukushima: Vierzehn sachliche Fehler; ZR vom 18. 3. 2011).

Wem es nicht schon klar gewesen war, dem dürfte dieser Bericht der "Tagesschau" vor Augen geführt haben: Aus dem einstigen Vorbild an verantwortlichem, zuverlässigem Nachrichtenjournalismus ist eine Sendung geworden, die schlampig redigiert wird und in der Nachrichten mit politischer Propaganda vermengt werden.

Falls Sie Englisch können, meiden Sie die deutschen Medien, wenn sie objektiv informiert werden wollen. Informieren Sie sich bei CNN, bei Al Jazeera, bei der BBC. Lesen Sie die internationale Presse.

Wenn Sie nicht Englisch können, dann müssen Sie es entweder lernen, oder Sie leben im Tal der Ahnungslosen.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Die Titelvignette zeigt ein von Tungsten in die Public Domain gestelltes Schema der fünf "Verteidigungslinien", die einen Reaktor schützen. Näheres finden Sie hier.