21. März 2011

Kurzberichte zu Fukushima Daiichi (4): Die aktuelle Falschmeldung von "Spiegel-Online" (Stand: Montag, 23.30 Uhr)

"Strahlenangst - Arbeiter müssen AKW Fukushima verlassen" titelt "Spiegel-Online" seit heute 9.14 Uhr.

Das wäre allerdings schlimm, wenn es wahr wäre. Nur ist es eine der vielen Unwahrheiten, mit denen "Spiegel-Online" unverdrossen Panik zu machen versucht.

Kein Arbeiter hat das AKW Fukushima verlassen müssen. Was tatsächlich der Fall ist, hat NHK (zuletzt aktualisiert um 11.35 Uhr) berichtet: Von Block 3 war heute gegen 8.00 Uhr MEZ grau-schwarzer Rauch bisher unbekannter Verursachung aufgestiegen. Daraufhin wurden die Arbeiter aus der Nähe dieses Blocks 3 abgezogen und mußten keineswegs das Gelände des KKW verlassen.

Der Rauch kam von der südlichen Ecke des Gebäudes; an der südöstlichen Seite befindet sich das Abklingbecken. Es ist aber unklar, ob der Rauch aus dem Abklingbecken kommt.

Nach der Aussage des Sicherheitsamts NISA ist die Rauchentwicklung offenbar zurückgegangen, war aber auch zwei Stunden nach Beginn noch vorhanden. Der Wasserstand und der Druck im Inneren von Reaktor 3 haben sich seit dem Entstehen des Rauchs nicht wesentlich verändert. Auch die Strahlungswerte sind unverändert. Bevor der Rauch entstand, lag der Wert an einer Meßstation in der Nähe von Block 3 bei 2,013 mSv/h, danach bei 2,015 mSv/h.



Die Regierung stellt jetzt die Strahlungswerte an allen Meßstationen im Land ins Internet.

Vielleicht wollen Sie sich einmal die Werte für die Provinz Fukushima ansehen. Sie bekommen dann ein Verständnis für die außerordentlich starken Schwankungen allein in dieser Provinz, in der das KKW Daiichi liegt.

Angegeben sind μSv/h. Sie müssen die Werte also durch 1000 teilen, um auf mSv/h zu kommen, das Maß, das üblicherweise in den Nachrichten genannt wird. Mit Ausnahme der Stationen im Nordwesten des KKW liegen die Werte relativ niedrig; typischerweise in der Größenordnung von 0,002 mSv/h. An einer einzigen Meßstation im Nordwesten (Station 32) sind sie aber stark erhöht und erreichten gestern bis zu 0,11 mSv/h. Dieser Wert hat in den Medien großes Aufsehen erregt. Sieht man sich die Werte der anderen 79 Meßstationen in der Provinz Fukushima an, dann relativiert sich das doch erheblich.

Übrigens ist für diese Zusammenstellung das Verteidigungsministerium verantwortlich, was wieder dessen wachsende Rolle bei der Bewältigung des Störfalls zeigen könnte. Denkbar ist allerdings auch, daß die Meßstationen dem Verteidigungsministerium unterstehen, weil sie für den Fall eines Atomkriegs eingerichtet wurden.



Von Jens Wiechers habe ich seine Übersetzung aus dem Japanischen dessen zugeschickt bekommen, was auf der heutigen gemeinsamen Pressekonferenz von TEPCO und NISA gesagt wurde. Kernpunkte:
  • Die Situation verbessert sich weiter und gelangt immer mehr unter Kontrolle.

  • Die Blöcke 1 und 2 sind überwiegend stabil, aber der kritische Zustand ist noch nicht behoben.

  • Block 2 ist jetzt wieder vollständig an das externe Stromnetz angeschlossen. Die Kühlung funktioniert dort jetzt normal.

  • Jetzt wird der zentrale Kontrollraum für das gesamte Kraftwerk wieder in Betrieb genommen; unter anderem muß dazu die Lüftung wieder in Gang gebracht werden. Wenn das gelungen ist, dann wird die gesamte Anlage wieder unter Überwachung sein; es werden vollständige Meßwerte von allen Blöcken zur Verfügung stehen.

  • In Block 3 verbessert sich die Situation, ist aber immer noch kritisch. Die Temperatur ist dort dank der externen Kühlung inzwischen unter 200° gesunken.

  • Ebenfalls noch noch nicht behoben ist das Problem der Kühlung der Brennelemente im Abklingbecken von Block 4. Dort wird weiter mit Hilfe von Löschfahrzeugen Wasser eingebracht, was die Situation bisher stabilisiert hat. Heute soll ein neues Löschfahrzeug eingesetzt werden, das über einen hohen Löschturm verfügt.

  • Block 5 ist an das externe Stromnetz angeschlossen; alle Systeme arbeiten normal. Block 6 erhält seinen Strom im Augenblick noch von Dieselgeneratoren; der Anschluß an das Netz steht bevor.



  • Das gegenwärtige Fazit ist: Die Arbeiten gehen gut voran, aber die Blöcke 2, 3 und 4 sind noch nicht voll unter Kontrolle.




    Aktualisierung um 20.00:

    Bei dem Fahrzeug, das ich als ein "Löschfahrzeug mit einem hohen Löschturm" bezeichnet hatte, handelt es sich, wie um 16.07 Uhr MEZ von CNN gemeldet wurde, nicht eigentlich um ein Löschfahrzeug, sondern um ein Gerät, das sonst zum Einbringen von flüssiger Betonmasse in großen Höhen eingesetzt wird. Jetzt wird damit aber kein Beton eingebracht, sondern nur Kühlwasser.

    Ansonsten liegen keine neuen Meldungen von Bedeutung aus Fukushima Daiichi vor.




    Aktualisierung um 23.30 Uhr:

    Es gibt jetzt eine neue Meldung von NHK, wonach der weiße Rauch, der im Lauf des heutigen Montag von Reaktor 2 ausgegangen war, einen steilen Anstieg der Radioaktivität zur Folge gehabt hatte.

    Die Strahlung rund einen Kilometer westlich des Blocks 2 stieg um 10.30 Uhr MEZ kurzzeitig auf 1,93 mSv/h an. 50 Minuten später war sie wieder auf 0,49 mSv/h gefallen. Um 14.00 MEZ lag sie noch bei 0,38 mSv/h. Während des Strahlungsmaximums wurden die Arbeiter vorübergehend aus der Umgebung der vier beschädigten Reaktoren abgezogen. Die in deutschen Medien, allen voran - wie meist - "Spiegel-Online", behauptete Evakuierung des KKW fand nicht statt.

    Nach Angaben der NISA geht die vorübergehend erhöhte Strahlung möglicherweise auf zerborstene Brennelemente im Abklingbecken zurück.
    Zettel



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Die Titelvignette zeigt ein von Tungsten in die Public Domain gestelltes Schema der fünf "Verteidigungslinien", die einen Reaktor schützen. Näheres finden Sie hier.