In einem gestrigen Artikel habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß das Flaggschiff der deutschen TV-Berichterstattung, die "Tagesschau", gestern stundenlang die Falschmeldung verbreitet hat, in einem der Kraftwerke von Fukushima hätte eine Kernschmelze begonnen (siehe Besessen von der Kernschmelze; ZR vom 12. 3. 2011). Wie groß ist nun aber die Wahrscheinlichkeit, daß es tatsächlich zu einer solchen Entwicklung kommt?
Dazu hat, während ich den vorausgehenden Artikel schrieb (Welche Formen ionisierender Strahlung können in Fukushima aus den Reaktoren austreten? Wie gefährlich sind sie?; ZR vom 13. 3. 2011), CNN zwei japanische Verantwortliche interviewt und das Statement eines weiteren gebracht.
Was sie sagen, können Sie in diesem Artikel lesen, der um 1.30 Uhr MEZ erschien:
Die Sache wird durch die anderen Stimmen, die bei CNN zu Wort kamen, noch unklarer.
Der japanische Botschafter in den USA, Ichiro Fujisaki, hat dem CNN-Mann Wolf Blitzer gesagt, er wisse nichts von der Gefahr einer Kernschmelze.
Und der Kabinettsekretär Yukio Edano - das ist der Mann mit der seltsamen Uniform, den Sie vermutlich schon im TV gesehen haben - brachte eine weitere Möglichkeit ins Spiel: Es könne sein, daß Messungen, die einen Anstieg der Konzentration von Jod-131 und Cäsium-137 in der Umgebung des Kraftwerks Daiichi anzeigten, falsch gewesen seien, weil die Instrumente nicht richtig arbeiteten. Seit man den gefährdeten Reaktor mit Meerwasser fülle, seien die Meßwerte jedenfalls nicht weiter gestiegen.
Die Lage ist also ganz unklar, so wie schon am ganzen gestrigen Tag.
Ich schreibe diese Marginalie hauptsächlich deshalb, weil die Überschrift des CNN-Artikels lautet: "Official: 'We see the possibility of a meltdown'" - "Offizieller Sprecher: Wir sehen die Möglichkeit einer Kernschmelze".
Das klingt erheblich bedrohlicher, als es im Artikel zum Ausdruck kommt. Es würde mich aber nicht wundern, wenn es der Aufmacher der Morgennachrichten werden würde. Wenn Sie diese Marginalie gelesen haben, dann wissen Sie das einzuordnen.
Aktualisierung um 14.50:
An der Nachrichtenlage hat sich nichts Wesentliches geändert, seit ich diesen Artikel publiziert habe. Entgegen der Panikmache in den deutschen Medien - allen voran "Spiegel-Online" und die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD, ZDF und Phoenix - gibt es bisher keine Bestätigung für eine Kernschmelze in einem oder in mehreren Reaktoren.
Die momentane Nachrichtenlage faßte um 13.48 MEZ CNN so zusammen:
Aktualisierung um 22.30 Uhr:
Es wird immer deutlicher, wie falsch Medien wie "Spiegel-Online" und die Öffentlich-Rechtlichen ihr deutsches Publikum informieren.
Hier sind Auszüge aus der Berichterstattung von CNN, Stand 19.13 Uhr MEZ, die Stimmen amerikanischer Experten enthält. Sie sind deshalb interessant, weil man den japanischen Behörden vorwerfen könnte, daß sie die Lage beschönigen:
Hinweise darauf, daß sich daraus eine ausgedehnte Kernschmelze oder gar eine Katastrophe wie in Tschernobyl 1986 entwickeln könnte: Keine.
Dazu hat, während ich den vorausgehenden Artikel schrieb (Welche Formen ionisierender Strahlung können in Fukushima aus den Reaktoren austreten? Wie gefährlich sind sie?; ZR vom 13. 3. 2011), CNN zwei japanische Verantwortliche interviewt und das Statement eines weiteren gebracht.
Was sie sagen, können Sie in diesem Artikel lesen, der um 1.30 Uhr MEZ erschien:
"There is a possibility, we see the possibility of a meltdown," said Toshihiro Bannai, director of the agency's international affairs office, in a telephone interview from the agency's headquarters in Tokyo. "At this point, we have still not confirmed that there is an actual meltdown, but there is a possibility." (...)Das ist also recht kryptisch. Ob Bannai die Wahrscheinlichkeit für eine Kernschmelze als gering, als mittel oder als hoch ansieht, geht aus dem Interview nicht hervor. Es kann passieren, darüber herrscht ja Einigkeit. Will er sagen, daß es wahrscheinlich passieren wird? Oder will er sagen, daß man die Lage wahrscheinlich wird beherrschen können, aber die Möglichkeit einer Kernschmelze nicht ausschließen kann?
What we have seen is only the slight indication from a monitoring post of cesium and iodine," he said. Since then, he said, plant officials have injected sea water and boron into the plant in an effort to cool its nuclear fuel and stop any reactions. "We have some confidence, to some extent, to make the situation to be stable status," he said. "We actually have very good confidence that we will resolve this."
"Es gibt eine Möglichkeit, wir sehen die Möglichkeit einer Kernschmelze", sagte Toshihiro Bannai, Leiter der internationalen Abteilung der [Japanischen] Agentur [für Sicherheit in Kernkraftwerken und Industrie] in einem Telefoninterview aus der Zentrale der Agentur in Tokio. "Bisher haben wir noch keine Bestätigung, daß es wirklich eine Kernschmelze ist, aber es besteht die Möglichkeit". (...)
"Bisher sehen wir nur ganz leichte Anzeichen von einer Meßstation für Cäsium und Jod", sagte er. Anschließend haben Mitarbeiter des Kraftwerks Meerwasser und Bor in die Anlage eingebracht, um den nuklearen Brennstoff zu kühlen und alle Reaktionen zu stoppen. "Wir haben einige Zuversicht, in einem gewissen Umfang, die Situation in einen stabilen Zustand zu bringen" sagte er. "Wir haben sogar eine sehr gute Zuversicht, daß wir das hinbekommen werden".
Die Sache wird durch die anderen Stimmen, die bei CNN zu Wort kamen, noch unklarer.
Der japanische Botschafter in den USA, Ichiro Fujisaki, hat dem CNN-Mann Wolf Blitzer gesagt, er wisse nichts von der Gefahr einer Kernschmelze.
Und der Kabinettsekretär Yukio Edano - das ist der Mann mit der seltsamen Uniform, den Sie vermutlich schon im TV gesehen haben - brachte eine weitere Möglichkeit ins Spiel: Es könne sein, daß Messungen, die einen Anstieg der Konzentration von Jod-131 und Cäsium-137 in der Umgebung des Kraftwerks Daiichi anzeigten, falsch gewesen seien, weil die Instrumente nicht richtig arbeiteten. Seit man den gefährdeten Reaktor mit Meerwasser fülle, seien die Meßwerte jedenfalls nicht weiter gestiegen.
Die Lage ist also ganz unklar, so wie schon am ganzen gestrigen Tag.
Ich schreibe diese Marginalie hauptsächlich deshalb, weil die Überschrift des CNN-Artikels lautet: "Official: 'We see the possibility of a meltdown'" - "Offizieller Sprecher: Wir sehen die Möglichkeit einer Kernschmelze".
Das klingt erheblich bedrohlicher, als es im Artikel zum Ausdruck kommt. Es würde mich aber nicht wundern, wenn es der Aufmacher der Morgennachrichten werden würde. Wenn Sie diese Marginalie gelesen haben, dann wissen Sie das einzuordnen.
Aktualisierung um 14.50:
An der Nachrichtenlage hat sich nichts Wesentliches geändert, seit ich diesen Artikel publiziert habe. Entgegen der Panikmache in den deutschen Medien - allen voran "Spiegel-Online" und die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD, ZDF und Phoenix - gibt es bisher keine Bestätigung für eine Kernschmelze in einem oder in mehreren Reaktoren.
Die momentane Nachrichtenlage faßte um 13.48 MEZ CNN so zusammen:
Japanese authorities have said there is a "possibility" that a meltdown has occurred in the reactors. (...) But Japanese officials stressed that there were no indications of dangerously high radiation levels in the atmosphere around the two reactors at the Fukushima Daiichi nuclear plant in northeastern Japan. They said they were unable to confirm whether a meltdown had occurred because they cannot get close enough to the reactors' cores.Aber für "Spiegel-Online", dessen Meldungen leider viele Menschen immer noch für seriöse Nachrichten halten, steht fest: "Kernschmelze in zweitem Reaktor".
"We are continuing to monitor the radiation, but it is under control," Edano told reporters. Later Sunday, a spokesman for Japan's prime minister repeated that assertion and said he would not describe what was occurring in the reactors as a "meltdown." "The situation is under control. ....We have been succeeding in lowering pressure inside the containment vessel," spokesman Noriyuki Shikata said.
Die japanischen Behörden sagen, es gebe eine "Möglichkeit", daß es in den Reaktoren eine Kernschmelze gegeben hat. (...) Aber die japanischen Verantwortlichen betonten, daß es keine Hinweise auf eine gefährlich erhöhte Strahlung in der Luft in der Umgebung der beiden Reaktoren des Fukushima-Daiichi-Kernkraftwerks im Nordwesten Japans gebe. Sie sagten, daß sie nicht bestätigen könnten, ob eine Kernschmelze stattgefunden hätte, weil sie nicht nah genug an die Reaktorkerne herankommen können.
"Wir beobachten die Strahlung weiter, aber sie ist unter Kontrolle" sagte Edano gegenüber Journalisten. Später am Sonntag wiederholt ein Sprecher des japanischen Premierministers diese Versicherung und sagte, daß er das, was sich ereignet, nicht als "Kernschmelze" bezeichnen würde. "Die Situation ist unter Kontrolle. ... Es ist uns gelungen, den Druck innerhalb des Containments zu senken", sagte der Sprecher Noriyuki Shikata.
Aktualisierung um 22.30 Uhr:
Es wird immer deutlicher, wie falsch Medien wie "Spiegel-Online" und die Öffentlich-Rechtlichen ihr deutsches Publikum informieren.
Hier sind Auszüge aus der Berichterstattung von CNN, Stand 19.13 Uhr MEZ, die Stimmen amerikanischer Experten enthält. Sie sind deshalb interessant, weil man den japanischen Behörden vorwerfen könnte, daß sie die Lage beschönigen:
"I don't think we're really close to a meltdown," said Dale Klein, vice chancellor for special engineering projects at the University of Texas, referring to the Daiichi plant. There does appear to be some fuel damage to one of the reactors, but the seawater method to keep them cool seems to be working. I think when the dust all settles, the death toll from the tsunami and the earthquake will be much more significant than any damage from these reactors," he said.Zitiert wird des weiteren James Acton vom Programm für Atompolitik der Carnegie-Stiftung. Er weist darauf hin, daß der Einsatz von Meerwasser einen Reaktor so nachhaltig schädigt, daß er danach nicht mehr eingesetzt werden kann. So etwas tue man nur, wenn wirklich Not am Mann sei. Die Japaner seien also wohl besorgt gewesen, daß es zu einer Kernschmelze hätte kommen können. CNN weiter:
"Ich denke nicht, daß wir wirklich nah an einer Kernschmelze sind" sagte Dale Klein, Vizekanzler für besondere Projekte in den Ingenieurwissenschaften an der Universität von Texas, in Bezug auf das Kraftwerk in Daiichi. "Es sieht in der Tat nach einer gewissen Schädigung der Brennstäbe in einem der Reaktoren aus, aber die Meerwasser-Methode, mit der man sie kühlt, scheint zu funktionieren. Ich denke, wenn sich der Staub gelegt hat, dann werden die Todesopfer des Tsunami und des Erdbebens viel bedeutsamer sein als Schäden durch diese Reaktoren".
He added that the word "meltdown" can mean a lot of different things, depending on its severity. (...) A major explosion of a reactor at the Daiichi plant is "almost inconceivable," he said. "I think that worst-case outcome is unbelievably unlikely in this case"."Kernschmelze" meint nicht nur diesen apokalyptischen Fall, daß brennendes nukleares Material sich durch die Bodenwanne hindurchfrißt, sondern auch einen viel geringfügigeres Geschehen. Das geht aus dieser Passage der Meldung von CNN hervor:
Er fügte hinzu, daß das Wort "Kernschmelze" je nach Schwere sehr unterschiedliche Sachverhalte bezeichnen kann. (...) Eine große Explosion des Reaktors im Kraftwerk Daiichi ist "fast unvorstellbar", sagte er. "Ich glaube, daß dieser schlimmste Fall in diesem Fall unglaublich unwahrscheinlich ist."
Japan's nuclear agency said there was a strong possibility that the radioactive cesium detected by monitors was caused by the melting of a fuel rod at the plant, indicating at least a partial meltdown. High levels of hydrogen inside the reactors -- the element behind the explosion concerns -- is another sign of a potential meltdown.Das ist der momentane Stand: Es hat möglicherweise eine partielle Kernschmelze gegeben, die vielleicht einen einzelnen Brennstab betraf. Durch den Einsatz von Meerwasser zur Kühlung ist der Prozeß gegenwärtig, wie es scheint, unter Kontrolle.
Die japanische Atombehörde erklärte, daß es die deutliche Möglichkeit gebe, daß das radioaktive Cäsium, das von den Meßgeräten entdeckt worden war, durch das Schmelzen eines Brennstabs in der Anlage verursacht wurde, was auf eine jedenfalls partielle Kernschmelze hindeute. Eine hohe Konzentration von Wasserstoff - des Elements, auf das sich die Befürchtungen einer Explosion beziehen - im Reaktorinneren sei ein weiteres Anzeichen für eine mögliche Kernschmelze.
Hinweise darauf, daß sich daraus eine ausgedehnte Kernschmelze oder gar eine Katastrophe wie in Tschernobyl 1986 entwickeln könnte: Keine.
Zettel
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