28. März 2011

Nicht hilfreich: Wahlanalyse von Lyllith

Es ist gewählt, und ich gebe mich erleichtert der Hoffnung hin, dass in die Berichterstattung der Realitätssinn wieder einkehrt. Allerdings reicht das Überfliegen erster Kommentare in den Qualitätsmedien aus, um zu sehen, dass es sich dabei um Wunschdenken handeln könnte.

Die Wahlergebnisse dienen lediglich als Anlass, Agitation und Propaganda fortzusetzen und möglichst noch ein Schippchen draufzulegen. Von einer Rückkehr zur Tagesordnung ist nichts zu erkennen. Nachdem man jetzt Blut geleckt hat, steht das große Ziel, die Bundesregierung zu stürzen, auf der Tagesordnung.

Die Presseschau der ZEIT:
Ein "historischer" Wahlsonntag: Selten war sich die Presse so einig. Einhellig sieht man Schwarz-Gelb im Taumel, Kanzlerin und Vizekanzler auf der "Verliererstraße".
Es ist unnötig, Medienschelte zu betreiben; mittlerweile sollte auch dem Letzten klar geworden sein, wie sich die deutschen Leitmedien positionieren. Eine parteipolitische Neutralität anzunehmen, wäre sträfliche Idiotie. Der deutsche Qualitätsjournalist sieht es nicht als seine Aufgabe an, Nachrichten zu vermitteln, sondern er ist politischer Akteur, eingebunden in das rot-grünen Netzwerk.

Wenn etwas "historisch" an diesem Wahlsonntag ist, in seinem Vorfeld und seiner Nachbetrachtung, ist es die Einigkeit der Medienlandschaft; ein Umstand, den ich für demokratiegefährdend halte.

Nüchtern betrachtet sind die Wahlergebnisse in Rheinland-Pfalz (ja, da wurde auch gewählt) und in Baden-Württemberg alles andere als historisch.

Die Wahlen in Rheinland-Pfalz hatten den Charakter einer "normalen" Landtagswahl. Die CDU hat, aus dem Keller kommend, ein wenig hinzugewonnen. Kurt Beck wurde kräftig der Bart gerupft. Die Grünen haben den Katastrophenbonus eingesackt, und die FDP wurde als überflüssig rausgekegelt; die Linke findet sich in der westdeutschen Normalität wieder. Also kein Grund zum Überschnappen, auch nicht für Julia Klöckner.

Die Wahl in Baden-Württemberg stand wegen Stuttgart 21 tatsächlich schon lange unter einem anderen Stern, ohne daß man noch von Erdbeben und Tsunami etwas ahnte.

Sie wurde künstlich zu einer Wahl mit bundespolitischer Bedeutung aufgeblasen, was dadurch verschärft wurde, dass Angela Merkel den Fehdehandschuh aufnahm:
Die Kanzlerin zeigt Kampfesmut: Angela Merkel hat die Landtagswahl in Baden-Württemberg zur Volksabstimmung über das umstrittene Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21" erklärt. Mit diesem Risikokurs überrascht sie auch die eigenen Leute - Schwarz-Gelb liegt laut Umfragen im Land weit zurück. (...)

Die Abstimmung im Frühjahr kommenden Jahres werde "die Befragung der Bürger über die Zukunft Baden-Württembergs, über 'Stuttgart 21' und viele andere Projekte sein", rief Merkel in den Plenarsaal. Die Opposition quietschte vor Vergnügen, witterte sie doch eine prächtige Wahlkampfvorlage.
(Umfrage der TNS Forschung im Auftrag des Spiegel vom 9.10. 2010: CDU 34 %, SPD 19% , Grüne 32%, FDP 6%, Linke 5 %.)

Sicherlich hatte die hohe Zustimmung zu den Grünen zu diesem Zeitpunkt auch etwas mit der Laufzeitverlängerung und den anstehenden Castorprotesten zu tun. Angela Merkel ist es mit dieser Kampfansage trotzdem gelungen, für die CDU in Baden-Württemberg das Ruder herumzureißen., auch wenn es letztlich, bedingt durch die noch frischen Eindrücke der Katastrophe in Japan und die daraus folgenden Mobilisierung, nicht für eine Fortsetzung der Koalition gereicht hat.

Die CDU bleibt die dominierende Partei in Baden-Württemberg, wie es sich in der Verteilung der Direktmandate widerspiegelt (CDU 60, Grüne 9, SPD 1). Sie konnte auch, wenn auch in weit geringerem Umfang als die Grünen, von der erhöhten Wahlbeteiligung profitieren.

Auch wenn die Überschriften etwas anderes suggerieren: Das Wahlergebnis ist denkbar knapp. Zum Teil wurden die grünen Direktmandate mit hauchdünnem Vorsprung gewonnen (zum Beispiel 26 Stimmen in Tübingen).

Was hat zum Erfolg der Grünen geführt? Mit Stuttgart 21 ist es den Grünen gelungen, ein Thema zu besetzen, mit dem sie eine Identifikationsplattform boten; bei dem sie mit dem Eventcharakter mobilisieren und vernetzen konnten, auch wenn der CDU hierbei am Wahltag die größere Problemlösungskompetenz zugestanden wurde. Die Katastrophe von Fukushima traf nicht nur auf das Kernanliegen der Grünen, sondern auch auf eine bereits vorher mobilisierte Masse.

Aus dem Wahlergebnis lässt sich weder eine Generation Fukushima noch eine Generation Joschka ableiten. In der Gruppe der unter 30-jährigen und in der Gruppe der über 60-jährigen liegt die CDU mit größerem Abstand vor den Grünen als in der Gruppe zwischen 30 und 60 Jahren.

Sicherlich hat die CDU einen Schuss vor den Bug erhalten, der allerdings bei näherem Betrachten der Fakten nicht dramatisch ausfällt; was die Gefahr birgt, dass die falschen Schlüsse daraus gezogen werden. Angela Merkel lässt sich nicht von den Wählern, sondern von den Medien in die Arme der Grünen treiben.

Bei der FDP gibt es nichts mehr zu analysieren. Sie hat die Chance zu einem Neubeginn, die sie auch nutzen wird.

Die SPD lebt noch in der Schröderschen Wahnwelt aus der Elefantenrunde; anders kann ich mir Gabriels Verhalten und das breite Gegrinse des SPD-Vorstands nicht erklären. Sie gehört zu den großen Verlierern dieser Wahlen, denn sie hat auch die Anführung der Opposition im Bund endgültig an die Grünen verloren. Allerdings genießt sie Schutz durch den Qualitätsjournalismus. Sie wird immerhin noch als Kellner für den grünen Koch gebraucht.

Zum Abschluss noch das Wahlergebnis aus der hysteriefreien Zone des KKW- Standortes Philippsburg: CDU: 46,65 % , Grüne 15,38%.
Lyllith



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