13. Oktober 2012

Zitat des Tages: Die Psychologie Barack Obamas

Mit doppelter Rassenzugehörigkeit aufgewachsen, mit einer weißen Mutter und weißen Großeltern und einem abwesenden kenyanischen Vater, meisterte er während seiner Kindheit in Hawaii und Indonesien die schwierige Aufgabe, sich seinen Weg durch verschiedene Kulturen zu bahnen, seinen Ziele zu erreichen, ohne in Fallen zu tappen. Das machte ihn zugleich höflich und wetteifernd; brennend vor Ehrgeiz, aber der Konfrontation ausweichend. (...) Er schlängelte sich glatt und meist allein durch die Hindernisse, die das Leben bereithält, begann sich als nicht nur vom Glück begünstigt, sondern auserwählt zu sehen; ein Empfinden, das Selbstüberschätzung, ja Hybris nach sich ziehen konnte.
David Maraniss gestern in der Washington Post über Barack Obama (meine Übersetzung; das Original finden Sie unten).

Kommentar: Das ist eine der knappsten und besten psychologischen Charakterisierungen Obamas, die ich bisher gelesen habe. David Maraniss ist ein ausgezeichneter Kenner der Vita Barack Obamas, er hat kürzlich eine vielgelobte Biographie über ihn vorgelegt und schreibt in der Washington Post regelmäßig Artikel zu Aspekten von Obamas Leben; beispielsweise über die Beziehung zu seiner Mutter (und die Nicht-Beziehung zu seinem Vater, bei dem er nur einen Monat verbrachte).

Maraniss hat diesen Artikel gestern in Zusammenhang mit dem Scheitern Obamas in der Debatte mit Mitt Romney publiziert.

Er vergleicht ihn mit Bill Clinton (über den er auch eine Biographie geschrieben hat). Dieser habe sich jeder Situation perfekt anpassen können; seine Antennen seien immer auf seine Umgebung gerichtet gewesen. Obama aber hätte den Empfang auf sein eigenes Inneres eingestellt.

Clinton habe jede Rolle gespielt, die verlangt gewesen sei; Obama aber sehne sich nach Rollen, die seine Bewunderung hätten. So habe er sich auch in der Debatte mit Romney benommen - als der abgehobene Juraprofessor, der zuhört, Zugeständnisse macht, komplexe Einwände formuliert.

Kann Obama talk his way out of the trap - sich aus der Falle herausreden, fragt Maraniss, und meint: Nachdem er zunächst herumrudere, sei Obama doch bereit, sich zu stellen, wenn der Druck am größten ist.



Die zitierte Passage im Original:

Growing up biracial, with a white mother and grandparents and an absent Kenyan father, during his childhood in Hawaii and Indonesia he mastered the challenging task of negotiating his way through different cultures, getting to where he wanted to go while avoiding traps. This made him at once polite and competitive, burning to win yet reluctant to confront. (...) Obama, weaving around life’s potential barriers smoothly and largely alone, came to regard himself as not only lucky but destined, a sensibility that could lead to overconfidence, if not hubris.
Zettel



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