18. Oktober 2012

Zitat des Tages: "Zwischen Guttenbergs und Schavans Doktorarbeiten liegen Welten". Nebst einer Anmerkung zur seltsamen Stellungnahme eines linken Politologen

Zwischen den Mängeln in Guttenbergs Doktorarbeit und der von Schavan liegen Welten. (...) Dass im derzeitigen Verfahrensstand an der Universität ein Gutachten an die Presse gegeben wird, das die Betroffene nicht kennt, ist eine Verletzung fundamentaler Verfahrensrechte.
Der Bremer Jura-Professor Andreas Fischer-Lescano, der 2011 als erster auf die Plagiate in der Dissertation Karl-Theodor zu Guttenbergs aufmerksam gemacht hatte; zitiert von "Welt-Online".

Kommentar: Fischer-Lescano faßt bündig das zusammen, was der Kern dieser Angelegenheit ist, die eine Schavan-Affäre zu nennen es keinen Anlaß gibt:

Es geht erstens nicht um massive Plagiate, wie im Fall Guttenberg, sondern allenfalls um eine zu unbekümmerte Nutzung von Sekundärliteratur, wie sie freilich in vielen wissenschaftlichen Arbeiten anzutreffen ist. In einer eingehenden Analyse des Gutachtens von Prodekan Stefan Rohrbacher haben das Helmut Fend und Elmar Tenorth, beide emeritierte Professoren der Pädagogik, noch einmal bestätigt; sie hatten sich bereits im Sommer in einer Stellungnahme mit dem Plagiatsvorwurf befaßt.

Zweitens: Sofern von einer Affäre gesprochen werden kann, ist dies jetzt eine Affäre der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. "Verrat machte Plagiatsuche zum Politskandal" titelte dazu "Welt-Online" gestern reißerisch, aber im Kern zutreffend.

Nicht nur daß das Gutachten - laut Pressestelle der Universität soll es nun gar keines sein, sondern eine "Sachverhaltsmitteilung" - dem "Spiegel" zugespielt wurde, ist skandalös. Auch das Vorgehen der Promotionskommission (einer Kommision nicht "der Universität", wie es oft heißt, sondern der Fakultät), Frau Schavan nicht einmal anzuhören, bevor diese "Sachverhaltsmitteilung" verfaßt und verteilt wurde, widerspricht jeder Praxis in solchen Fällen.

Und: Wenn Stefan Rohrbachers Text also gar kein Gutachten ist - dann sieht das Procedere der Kommission demnach vor, eine Entscheidung ohne ein einziges Gutachten zu fällen? Das Übliche wäre es gewesen, mindestens zwei Gutachten einzuholen und dabei auch externe Gutachter hinzuzuziehen.



Die Entwicklung des Falls bestätigt die Bewertung, die am Montag hier zu lesen war (Plagiatorin Schavan?; ZR vom 15. 10. 2012): Wer sich wie Andreas Fischer-Lescano, Helmut Fend und Elmar Tenorth mit Sachkunde äußert, der nimmt Annette Schavan gegen den Vorwurf des Plagiats in Schutz.

Es gibt allerdings, wie anders, auch unqualifizierte Stellungnahmen. Eingebettet sowohl in den Artikel von Fend und Tenorth als auch bei "Welt-Online" in den Artikel über die Reaktion der Heinrich-Heine-Universität ist ein von der Agentur Reuters erstelltes Video, in dem als einer von zwei Interviewten der Kölner Politologe Christoph Butterwegge eine Stellungnahme abgibt. Darin sagt er:
Die Meßlatte ist hier deshalb besonders hoch zu legen, weil natürlich man in der politischen Verantwortung als Ministerin für Bildung und Forschung ganz anders bewertet wird als jeder Andere, der vielleicht im Laufe seines Berufslebens unter anderem auch mal eine Doktorarbeit geschrieben hat, um sich zu qualifizieren, um als Akademiker auf dem Arbeitsmarkt besser Fuß zu fassen. Der ist anders zu bewerten als eine Wissenschaftsministerin.
Würde der Doktortitel aberkannt, müsse Frau Schavan "spätestens dann" zurücktreten.

Was veranlaßt Reuters, zu diesem Thema ausgerechnet Butterwegge zu befragen, der wie wenige Politologen seine Wissenschaft und sein politisches Engagement miteinander vermengt? (Er war 2010 im Gespräch, als Minister für die Partei "Die Linke" nach Düsseldorf zu gehen, wäre diese in eine Koalition mit der SPD eingetreten).

Was veranlaßt die ehrwürdige und seriöse Agentur Reuters, dieses Gewäsch Butterwegges als Video anzubieten?

Ob eine Promotion aberkannt wird, hängt bekanntlich allein von wissenschaftlichen und durchaus nicht von politischen Gesichtspunkten ab; und schon gar nicht davon, ob jemand Wissenschaftsminister ist oder "auch mal eine Doktorarbeit geschrieben hat, um ... als Akademiker auf dem Arbeitsmarkt besser Fuß zu fassen". Und um den Rücktritt der Ministerin zu fordern, falls ihr der Doktorgrad aberkannt werden sollte, braucht man nun wahrlich nicht wie Butterwegge Professor der Politologie (Schwerpunkt: Armutsforschung) zu sein .

Man könnte diesen Auftritt des linken Politologen als eine Lappalie ansehen. Aber er zeigt eben, wie sehr hier wieder einmal eine Frage politisiert wird, die mit Politik nichts zu tun hat.
Zettel



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