7. Oktober 2012

Zitat des Tages: Vertrauen in die Demokratie und ein grölender Intelligenzpöbel. Zur Nicht-Affäre Steinbrück

Demokratie braucht Vertrauen, und die meisten Politiker - ja, auch Peer Steinbrück - verdienen dieses Vertrauen. Wer es dennoch nicht aufbringen kann und hinter jeder Säule des Parlaments einen Korruptionsskandal wittert, sollte es sich im Utopia des grölenden Intelligenzpöbels bequem machen, der nichts als Verachtung für Politiker übrig hat. .
Jasper von Altenbockum in der FAZ über die Kritik daran, daß Peer Steinbrück als Abgeordneter gegen hohe Honorare Vorträge gehalten hat.

Kommentar: Von Altenbockum hat in seinem zentralen Punkt Recht: Einem Abgeordneten kann und sollte es nicht verboten werden, neben seinen Diäten - die ja eben dies sind und kein Gehalt - Geld zu verdienen; mit welcher Tätigkeit auch immer. Wer das unterbinden will, schreibt der Autor, der "degradiert das Mandat des Abgeordneten zu einer beamtenhaften Existenz unter staatlicher Kontrolle".

Ein Rechtsanwalt muß seinen Praxis nicht aufgeben, wenn er Abgeordneter wird; ein Ex-Minister wie Steinbrück darf das tun, was Ex-Minister gern machen, nämlich vor ausgewählten Zuhörern ein wenig von ihrer Erfahrung als Insider preisgeben. Gegen das Honorar, das ein solcher Redner verlangen kann und das solche Hörer oder die betreffenden Einlader gern zu finanzieren bereit sind.

Soweit kann man von Altenbockum nur zustimmen: Kein Abgeordneter sollte seine "freie berufliche Existenz gegen materielle und transparenzwütige Reglementierung eintauschen müssen". Und wenn er als Vortragender so begehrt ist, daß er für einen Vortrag oder auch nur ein Interview schon einmal 10.000 oder 20.000 Euro fordern kann (so die "Welt" über Steinbrücks Honorare, insgesamt angeblich mehr als eine Million Euro seit dem Herbst 2009), - auch dann ist das nicht zu beanstanden.

Ich stimme dem Autor auch bei seiner kraftvollen Verteidigung des Vertrauens zu. Daß Kontrolle besser sei als Vertrauen, ist bekanntlich das Prinzip der Kommunisten. Das grundsätzliche Mißtrauen, das sich in dieser Maxime ausdrückt, tötet jede Demokratie. Der Politiker hat den Anspruch, daß man ihn - sozusagen als default - erst einmal als ehrlich und vertrauenswürdig ansieht. Mißtrauen ist erst dann begründet, wenn es eben im Wortsinn "begründet" ist, wenn es dafür also konkrete Gründe gibt.



Bei Peer Steinbrück sind diese bisher nicht zu erkennen. Wohl aber sind beim Feldzug gegen ihn politische Motive zu erkennen. Es ist schon bemerkenswert, welche Unheilige Allianz sich gegen Steinbrück gebildet hat - Christsoziale und Kommunisten Arm in Arm.

Aber sollte ein ehemaliger Minister denn nicht, ganz abgesehen von der Frage seines Honorars, etwas mehr Distanz zur Finanzwelt wahren? Ich kann auch das nicht sehen.

Würde man es Steinbrück denn vorwerfen, wenn er überwiegend Vorträge vor Gewerkschaftern gehalten hätte? Würde man daraus eine zu große Nähe zu den Gewerkschaften ableiten? Oder würde man es Katrin Göring-Eckardt vorhalten, daß sie vielleicht zu oft in kirchlichen Kreisen aufgetreten ist? Mir scheint, es geht gar nicht um politische Nähe an sich, sondern wieder einmal nur um die "Finanzwelt", die von der linken Publizistik ja zunehmend mit derjenigen Funktion ausgestattet wird, die in der christlichen Überlieferung der leibhaftige Satan hat.

Steinbrück war nun einmal Finanzminister in einer kritischen Phase. Daß sich Banker für seine Erfahrungen, vielleicht seine Einschätzungen und Prognosen interessierten, ist naheliegend. Solange er Ex-Minister und ansonsten nur einfacher Abgeordneter war, sprach nichts dagegen, daß er ihren Wissensdurst befriedigte. Und als Kanzlerkandidat wird er sich künftig natürlich zurückhalten.
Zettel



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