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26. Mai 2009

Marginalie: Guantánamo wird geschlossen. Wohin kommen jetzt eigentlich gefangene Terroristen? Nebst einer Erinnerung an den Höhepunkt des Irakkriegs

Auf dem Höhepunkt der Gewalt im Irak, im Januar 2007, als im Irak der Bürgerkrieg drohte, brachte der Senator Barack Obama im US-Senat einen Gesetzesentwurf ein, der zu den unverantworlichsten in der amerikanischen Geschichte gehört.

Dieser Iraq War De-Escalation Act, den ich in diesem Artikel im Detail analysiert habe, sah vor, daß die USA den vollständigen, einseitigen und bedingungslosen Abzug ihrer Truppen verkünden sollten. Beginn 1. Mai 2007. Vollständiger Abzug aller Kampftruppen bis zum 31. März 2008.

Es gibt keinen vernünftigen Zweifel daran, daß dieses Gesetz, hätte es der US-Senat gebilligt und wäre ihm der Präsident gefolgt, nicht nur eine schmähliche Niederlage der USA bedeutet hätte, sondern auch den Bürgerkrieg im Irak und die Errichtung einer Herrschaft der Kaida über die Provinz Anbar; mit Ausbildungslagern für Terroristen, wie sie einst in Afghanistan bestanden.

Dem Senator Obama waren diese Folgen natürlich bekannt. Was ihn veranlaßte, dennoch den Iraq War De-Escalation Act einzubringen, kann man nur vermuten.

Es ging damals eine Anti- Kriegsstimmung durchs Land, Obama war noch ein weithin unbekannter Senator. Die Vermutung liegt nahe, daß er sich an die Spitze der Bewegung für den Abzug aus dem Irak setzen und damit nationale Bekanntheit erlangen wollte. Die militärischen, die außenpolitischen Folgen seines Gesetzes erschienen ihm offenbar gegenüber diesem Karriereziel weniger bedeutsam.

Aus dem Gesetz ist damals zum Glück nichts geworden; es blieb schon im Auswärtigen Ausschuß des Senats hängen. Aus dem Senator Barack Obama ist bekanntlich etwas geworden.



Ich erinnere an diesen Vorgang, weil sich jetzt in Bezug auf Guantánamo etwas Ähnliches abspielt, wenn auch von ungleich geringeren Dimensionen. Nur ist Obama jetzt in einer Position, in der er nicht nur ein Gesetz vorschlagen, sondern in der er Entscheidungen treffen kann.

Eine solche Entscheidung war der Beschluß zur Schließung des Gefangenenlagers in Guantánamo. Wie der Iraq War De-Escalation Act war es eine populäre Entscheidung, als Obama sie verkündet hat. Wie dieser Gesetzentwurf war es eine Entscheidung, die offenbar ohne Rücksicht auf die Folgen getroffen wurde.

Daß die USA sich damit das Problem einhandeln würden, wo man denn die Gefangenen aus Guantánamo hinbringen soll, war von vornherein klar; ich habe im November 2008 darüber berichtet. Sie einfach zu entlassen, ist ein schöner, friedfertiger Gedanke. Nur findet man dann nicht wenige der Entlassenen als Terroristen wieder.

Aber es gibt noch ein viel gravierenderes Problem; darüber haben am vergangenen Wochenende Eric Schmitt und Mark Mazzetti in der New York Times berichtet: Es geht ja nicht nur um die Unterbringung der bisherigen Gefangenen. Es geht auch darum, was man mit neuen Gefangenen macht, die bisher nach Guantánamo kamen. Mit solchen, die im Gefecht gefangen genommen wurden; vor allem aber auch mit Terroristen, denen die Geheimdienste nachspürten und deren Festnahme gelang.

Unter Präsident Bush kamen sie überwiegend nach Guantánamo. Und jetzt? Die Antwort ist einigermaßen ernüchternd, vermutlich selbst für einen Fan des Präsidenten Obama: Man überläßt sie einfach ausländischen Geheimdiensten; diese sollen sie festhalten, sie verhören, sich halt um sie kümmern.

Teilweise hatten die USA auch schon gegen Ende der Amtszeit von Präsident Bush mit dieser Praktik begonnen; aber unter Obama ist sie nun derart zum Standard geworden, daß seit dessen Amtsantritt kein einziger Verantwortlicher der Kaida mehr in die USA verbracht worden ist.

Gejagt und gefangen werden sie wie eh und je. In den vergangenen zehn Monaten wurden beispielsweise nach Informationen der NYT ungefähr ein halbes Dutzend Verantwortliche der Kaida im Nahen Osten gefangen genommen. Sie werden jetzt von den Geheimdiensten von vier Ländern dieser Region festgehalten. In diesem Jahr gelang Pakistan die Gefangennahme von zwei Kaida- Anführern; einem aus Saudi- Arabien und einem Jemeniten. Unter Präsident Bush wären sie nach Guantánamo überstellt worden; jetzt bleiben sie in der Obhut des pakistanischen Geheimdienstes.

Das also ist der Fortschritt in Sachen Menschenrechte, den Präsident Obama mit der Schließung von Guantánamo zu verantworten hat: Gefangene Terroristen werden jetzt von Geheimdiensten festgehalten, deren Verhältnis zu den Menschenrechten etwas bedenklicher sein dürfte als das, was der Regierung Bush angelastet wurde.



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21. Februar 2009

Zitat des Tages: "Amnesty International ist schockiert und äußerst enttäuscht". Die Regierung Obama und die Menschenrechte

"Amnesty International is shocked and extremely disappointed by U.S. Secretary Clinton's comments that human rights will not be a priority in her diplomatic engagement with China.

The United States is one of the only countries that can meaningfully stand up to China on human rights issues. But by commenting that human rights will not interfere with other priorities, Secretary Clinton damages future U.S. initiatives to protect those rights in China.


(Amnesty International ist schockiert und äußerst enttäuscht von den Erläuterungen der amerikanischen Ministerin Clinton, daß bei ihrem diplomatischen Einsatz gegenüber China die Menschenrechte nicht vorrangig sein werden.

Die Vereinigten Staaten gehören zu den einzigen Ländern, die in Bezug auf die Menschenrechte China entgegentreten können. Mit ihrer Erläuterung, daß die Menschenrechte andere Prioritäten nicht beeinträchtigen würden, fügt die Ministerin Clinton künftigen US- Initiativen, diese Rechte in China zu schützen, Schaden zu.)

T. Kumar, in der amerikanischen Organisation von Amnesty International zuständig für Asien und den Pazifik, in einer von Amnesty International USA verbreiteten Erklärung.


Kommentar: Dazu schreibt heute der Pekinger Korrespondent der FAZ, Till Fähnders:
In China wurden die Aussagen der Außenministerin als neuer Ton in den bilateralen Beziehungen und als Hinweis auf eine pragmatischere Haltung Amerikas gewertet. Nach Berichten von Menschenrechtlern hatten Polizeikräfte mehrere chinesische Dissidenten für die Dauer des Besuches unter Hausarrest gestellt.
Und in der Erklärung von Amnesty International USA wird darauf hingewiesen, daß die Verfolgungen von Tibetern, Uiguren und von religiösen Gruppen wie der Falun Gong in großem Umfang weitergehen; daß es Tausende politische Gefangene gibt, daß manche davon hingerichtet werden. Eine halbe Million Menschen seien derzeit in Arbeitslagern. Frauen würden weiter zur Abtreibung und zur Sterilisation gezwungen.



Es ist schon beklemmend: Hillary Clinton und ihr jetziger Chef Obama haben sich im Wahlkampf als die großen Anwälte der Menschenrechte präsentiert, was Guantánamo anging. Jetzt erweist sich dieses Engagement als nichts als heiße Luft. Und zugleich fahren die USA unter der neuen Regierung offenbar ihr weltweites Engagement für die Menschenrechte zurück.

Guantánamo will Obama auflösen. Daß sich dadurch am Status oder an der Behandlung der Gefangenen etwas ändert, ist nicht erkennbar. Sie werden verlegt; das ist alles. Auch die regelmäßige Entlassung von als nicht mehr gefährlich eingestuften Gefangenen war unter Bush längst üblich gewesen. Obama beseitigt ein Symbol, mehr nicht.

Gestern hatte die US-Regierung vor einem Gericht zum Status der Gefangenen im Lager Bagram in Afghanistan Stellung zu nehmen. Dort sitzen mehr als 600 Gefangene ein (Guantánamo: derzeit rund 245). Es ging darum, ob diese Gefangenen das Recht hätten, vor einem US-Gericht gegen ihre Festsetzung zu klagen.

Dieses Recht hatte die Regierung Bush verneint. Nach dem Regierungswechsel hatte der Distrikt- Richter John Bates bei der Regierung Obama angefragt, ob sie bei dieser Position bleibe oder sie zu "differenzieren" (refine) wünsche. Gestern gab die Regierung Obama ihre Antwort. Dazu Reuters:
In a brief filing with the court on Friday, the Justice Department said it would stick to the previous government's position, which argued the four men -- who have been detained at Bagram for over six years -- had no right to challenge their detention in a U.S. court.

Barbara Olshansky, lead counsel for three of the four detainees and a visiting professor at Stanford Law School, said she was deeply disappointed that the Obama administration had decided to "adhere to a position that has contributed to making our country a pariah around the world for its flagrant disregard of people's human rights."

In einer kurzen schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Gericht erklärte das Justizministerium am Freitag, daß es bei der Position der bisherigen Regierung bleiben werde, die die Auffassung vertreten hatte, daß die vier Männer - die seit mehr als sechs Jahren in Bagram festgehalten werden - nicht das Recht hätten, gegen ihre Festsetzung vor einem US-Gericht zu klagen.

Barbara Olshansky, die Hauptvertreterin von drei der vier Gefangenen und Gastprofessorin an der juristischen Fakultät der Universität Stanford, erklärte, sie sei tief enttäuscht von der Entscheidung der Regierung Obama, "bei einer Position zu bleiben, die dazu beigetragen hat, unsere Land wegen seiner flagranten Mißachtung der Menschenrechte zu einem weltweiten Paria zu machen".



Ich bin nicht der Meinung, daß die USA durch Mißachtung der Menschenrechte zu einem weltweiten Paria geworden sind. Ich bin allerdings der Meinung, daß die Regierung Bush, so sehr sie sich um die Durchsetzung der Menschenrechte weltweit bemüht hat, nicht genügend für ihre Einhaltung im eigenen Land getan hat.

Jetzt zeichnet sich ab, wie es unter dem Präsidenten Obama werden wird: Was das Verhalten der USA selbst angeht, business as usual; was die Durchsetzung der Menschenrechte weltweit angeht, worse than before.



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14. Februar 2009

Kurioses, kurz kommentiert: Steinmeiers Unschuldige

Nur unter strengen Auflagen will die Bundesregierung Guantanamo- Häftlinge nach Deutschland lassen. Außenminister Frank- Walter Steinmeier (SPD) und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sind sich einig, dass in jedem Fall einzeln geprüft werden soll, ob der Betreffende eine Gefahr für die deutsche Gesellschaft darstellt.

Aus einer Vorabmeldung zum "Spiegel" 8/2009.

Kommentar: Seltsam. Wie kann denn jemand eine Gefahr für die deutsche Gesellschaft sein, den selbst die Amerikaner - laut Steinmeier - "für unschuldig halten"?

Oder sollte Steinmeier sich inzwischen sachkundig gemacht und herausgefunden haben, daß in Guantánamo keine "Unschuldigen" sitzen, sondern Dschihadisten?



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28. November 2008

Zitat des Tages: "Die Attentäter von Bombay wollen Frieden und Gerechtigkeit"

Les Moudjahidin du Deccan ... demandent que les musulmans d’Inde puissent vivre en paix. (...) On peut donc comprendre ces attaques de Bombay comme ... un appel aux autorités indiennes pour qu’elles fassent justice aux musulmans (...).

(Die Mudschahedin des Deccan ... verlangen, daß die Moslems in Indien in Frieden leben können. (...) Man kann also die Angriffe in Bombay als ... einen Appell an die indischen Behörden verstehen, daß sie den Moslems Gerechtigkeit widerfahren lassen (...).)

Aus einem Interview im gestrigen Nouvel Observateur.

Kommentar: Das Bemerkenswerte an diesem Zitat ist weniger die erstaunliche These, daß diejenigen, die seit zwei Tagen in Mumbai am Werk sind, mit Massenmord und Geiselnahme dafür eintreten, in Frieden leben zu können und Gerechtigkeit zu erfahren.

Das Bemerkenswerte ist vielmehr, wer das gesagt hat. Nicht ein Islamist. Noch nicht einmal ein Moslem. Sondern Christophe Jaffrelot, einer der führenden französischen Politologen.

Jaffrelot ist Direktor des Centre d'études et recherches internationales (CERI), der bedeutendsten französischen Forschungs- Einrichtung für internationale Fragen. Das CERI ist eine Einrichtung des nationalen Forschungs- und Lehrinstituts SciencesPo, in dem die Elite der französischen Politologen ausgebildet wird.



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Terrorismus als angewandte Psychologie: Was soll mit den Anschlägen in Mumbai erreicht werden?

Von militärischen Aktionen unterscheiden sich terroristische Angriffe dadurch, daß sie keine materiellen Ziele verfolgen, sondern psychologische. Der Gegner soll nicht unmittelbar militärisch oder wirtschaftlich geschwächt werden, sondern es soll Schrecken (lat. terror) verbreitet werden. Terrorismus ist angewandte Psychologie.

Die konkreten Absichten können verschieden sein. Es kann zum Beispiel darum gehen, politische, wirtschaftliche und andere Verantwortliche einzuschüchtern und damit gefügig zu machen; das war eines der wesentlichen Ziele des "individuellen Terrors", wie ihn die RAF zu praktizieren versuchte.

Das primäre Ziel kann es auch sein, den Haß zwischen Bevölkerungsgruppen anzustacheln und damit zugleich die Kampfbereitschaft der eigenen Anhänger zu stärken. Das stand oder steht beim Terror der irischen IRA im Vordergrund; bei dem der baskischen ETA, teils auch bei dem der Palästinenser.

Vor allem aber sind die Adressaten des Terrors die Öffentlichkeiten bestimmter Länder oder auch die gesamte Weltöffentlichkeit. Anschläge führen zu Medienberichten, die auf die Themen aufmerksam machen, denen die Terroristen zu mehr Beachtung verhelfen wollen. Über den Hebel der Öffentlichkeit können in demokratischen Ländern Regierungen in ihren Entscheidungen beeinflußt werden.

Beherrschend ist dieses Ziel der Beeinflussung der Öffentlichkeit in asymmetrischen Kriegen wie dem, den die Kaida und andere Dschihadisten gegen den Westen führen. Hier dient der Terror fast ausschließlich dazu, Bilder des Schreckens samt den zugehörigen Kommentaren in die Medien des Feindes zu bringen.

Manchmal haben die Terroristen Glück, und das führt zu sofortigen Demutsgebärden wie dem Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak, nachdem im März 2004 in Madrid gebombt worden war; unmittelbar vor Wahlen, die den Sozialisten der PSOE die Macht brachten.

Der Regelfall ist eher ein allmählicher psychologischer Abnutzungskrieg. Das Medien- Zeitalter hat ihn möglich gemacht.

Aus Vietnam waren die USA nicht deshalb abgezogen, weil sie den Krieg verloren gehabt hätten, sondern weil seine Fortsetzung bis zum Sieg angesichts der Opfer und Kosten der Öffentlichkeit nicht mehr zu vermitteln gewesen war. Dies war der erste Krieg, der via TV live in die Wohnzimmer gebracht wurde; das erwies sich als der entscheidende strategische Vorteil der Nordvietnamesen.

Daraus haben die heutigen Dschihadisten ihre Lehre gezogen. Sie haben im Irak Geiseln vor laufender Kamera abgeschlachtet, sie haben ihren Terror vor Wahlen in den USA verstärkt, sie haben immer wieder das Internet und die Medien sehr effizient für ihre "Propaganda der Tat" genutzt.

Sie hatten damit einen großen Teil der amerikanischen Öffentlichkeit, sie hatten die gesamte Führung der Demokratischen Partei, sie hatten auch denjenigen, der demnächst Präsident der USA wird, in der ersten Hälfte des Jahres 2007 so weit, daß diese bereit gewesen waren, den Krieg verloren zu geben und den Irak den Dschihadisten zu überlassen. Nur dank der Standfestigkeit von Präsident Bush scheiterte das.



Was und wer steckt hinter den jetzigen Anschlägen in Mumbai? Das ist heute nicht viel klarer als gestern, als ich die wichtigsten Möglichkeiten zusammengestellt habe. Hinzugekommen ist allerdings eine weitere, etwas überraschende Variante: Daß die Mafia von Bombay eine zentrale Rolle gespielt haben könnte. Wenn das so sein sollte, dann wird man ihr freilich eher eine unterstützende Funktion zuordnen. Daß sich in der Unterwelt massenhaft Selbstmord- Attentäter rekrutieren ließen, ist sehr unwahrscheinlich.

"Belastbare" Erkenntnisse über die Täterschaft fehlen heute wie gestern. Die obigen Überlegungen lassen aber doch eine begründete Vermutung zu. Diese trifft sich mit der Einschätzung eines indischen Experten.

In der Jerusalem Post berichet heute Yaakov Lappin über ein Gespräch mit Oberst Behram A. Sahukar, der unter anderem als Spezialist für Sicherheit und Terrorismus am indischen Institute of Defense Studies and Analyses (IDSA) tätig war und der gegenwärtig an der United Service Institution of India forscht.

Wer ist der Adressat der Anschläge von Mumbai?

Diese Stadt ist das New York Indiens. Das Geschäfts- und Hotelviertel, in dem die Anschläge verübt wurden, hat für Inder einen ähnlichen Symbolwert, wie ihn das World Trade Center für die USA hatte.

Daß man sich dieses Ziel ausgesucht hat, läßt vermuten, daß es primär die indische Öffentlichkeit ist, die beeinflußt werden soll, nicht diejenige der USA oder Europas. Den meisten im Westen ist Bombay allenfalls als der Sitz von Bollywood ein Begriff. Für Inder aber symbolisiert diese Stadt ihren Aufstieg zur modernen Industrienation. Anschläge dort treffen das Land ins Mark.

Wenn der Adressat die indische Öffentlichkeit ist - warum dann aber die gezielte Geiselnahme von Amerikanern, Briten und Israelis? Das Interview mit Oberst Sahukar liefert eine mögliche Erklärung:
"There have been growing strategic ties between India and the US ... and growing ties between India and Israel," Sahukar said. Indian- Israeli relations have "been getting stronger by the day," Sahukar noted (...)

Americans, British nationals and Israelis had been singled out in Mumbai as a result "of the closeness of their governments to us," Sahukar explained. The attackers perceive India's close ties with these countries and its partnership in the global war on terror "as a war against true Islam," he added.

"Es bilden sich immer engere strategische Verbindungen zwischen Indien und den USA ... und engere Beziehungen zwischen Indien und Israel", sagte Sahukar. Die Beziehungen zwischen Indien und Israel werden "jeden Tag stärker", bemerkte Sahukar (...).

Amerikaner, Briten und Israelis wurden in Mumbai "wegen der Enge der Beziehungen ihrer Regierungen zu uns" herausgegriffen, erläuterte Sahukar. Die Angreifer würden die engen Bindungen Indiens an diese Länder und dessen Beteiligung als Partner im globalen Krieg gegen den Terror "als Krieg gegen den wahren Islam" sehen, fügte er hinzu.
Wenn Sahukar recht hat, dann würden sich diese Anschläge exakt in das beschriebene Muster psychologischer Kriegsführung durch die Terrroristen fügen: Sie wollen über die indische Öffentlichkeit auf die indische Regierung Druck ausüben mit dem Ziel, daß diese ihren prowestlichen Kurs ändert. So, wie es 2004 in Madrid gelungen ist, freilich mit Hilfe eines Regierungswechsels.

Zugleich sollen - das nannte Sahukar als weiteres Ziel - innerhalb von Indien die Gegensätze zwischen den Hindus und den überwiegend der Unterschicht angehörenden Moslems verstärkt werden; das wäre eine weitere der oben genannten klassischen psychologischen Zielrichtungen eines Terror- Angriffs. Je größer diese Gegensätze werden, desto mehr können die Dschihadisten in Indien auf weitere Anhänger und Sympathisanten, auf neue Mitglieder rechnen.



Wer hat die Anschläge geplant und ausgeführt? Es muß nicht unbedingt eine einzige Organisation sein. Von der Waffenbeschaffung und der taktischen Planung über das Training der Terroristen bis zur genauen Ortskenntnis verlangen solche Anschläge das Wissen und die Fähigkeiten zahlreicher "Spezialisten" auf lokaler wie auf überregionaler Ebene. Aus diesem Grund waren zum Beispiel schon in den siebziger Jahren internationale Terroristen an der Zusammenarbeit mit der RAF interessiert.

In dem Interview spricht Sahukar von einer möglichen "coalition of home- grown Indian jihadi sleeper cells and Pakistan- based radical elements", einer Koalition zwischen einheimischen Zellen von "Schläfern" und Extremisten, die ihre Basen in Pakistan haben.

Als Indiz für die Beteiligung der Letzteren sieht er es, an daß die Terroristen mit Landungsbooten (die vermutlich von einem Mutterschiff abgesetzt worden waren) in Mumbai an Land gegangen waren. Auch sei die Koordination einer so umfangreichen Aktion nur einer großen Organisation zuzutrauen.

Als eine möglicherweise ebenfalls beteiligte Gruppe nennt Sahukar die "Jaish e Muhammad"- Gruppe von Omar Sheikh und Maulana Mazood Azhar. Das würde - wenn es zutrifft - die Verbindung zwischen den jetzigen Anschlägen und dem Krieg im Irak herstellen und auch auf die übereinstimmende psychologische Strategie verweisen.

Omar Sheik nämlich war der Mann, der im Jahr 2002 im Irak den jüdischen amerikanischen Journalisten Daniel Pearl vor laufender Kamera bestialisch abschlachtete; ein besonders brutaler Versuch der psychologischen Beeinflussung der amerikanischen Öffentlichkeit.



Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: NSF. Als Werk der US-Regierung in der Public Domain.

7. September 2007

Marginalie: Terrorbekämpfung - Online-Durchsuchungen? Strafbarkeit des Aufenthalts in Trainingslagern?

Die Debatte um Online-Durchsuchungen ist, wie zu erwarten war, durch die aktuellen Ereignisse neu angeheizt worden. Und die Diskussion wurde um den Vorschlag erweitert, den Aufenthalt in Trainingscamps der Dschihadisten unter Strafe zu stellen. Ein Vorschlag, für den sich - anders als für die Online-Durchsuchung - sogar der SPD-Innenminister von Schleswig-Holstein, Stegner, erwärmen kann.

Ich habe zu diesen beiden Vorschlägen keine abgeschlossene Meinung. Aber meine Tendenz geht dahin, sie genau umgekehrt zu beurteilen wie Stegner:
  • Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Online-Durchsuchung, die denselben Einschränkungen unterliegen würde wie jetzt bereits die Telefon- Überwachung, kann ich nicht nachvollziehen. Mir scheint der Unterschied nur in dem technischen Fortschritt zu bestehen, der zwischen Telefonnetz und Internet liegt.

    Ähnlich habe ich nie verstanden, wieso es bedenklich sein soll, biometrische Daten als ein schützenswerteres Rechtsgut zu behandeln als das Bild, das in jedem Paß prangt: Das eine ist doch nur die technische Verbesserung des anderen. Genauso, wie die Fotografie eine technische Verbesserung gegenüber dem Signalement war, mit dem sich früher die Polizei begnügen mußte.

  • Anders beurteile ich den Vorschlag, jemanden bereits dafür zu bestrafen, daß er (oder sie, um pc zu bleiben) ein Trainingslager einer islamistischen Organisation besucht. Für Menschen, die keine deutschen Staatsbürger sind, kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen - mit welcher Rechtfertigung sollte es das deutsche Recht zum Beispiel einem Türken verbieten, sich in Pakistan von Saudis an der Kalaschnikow aubilden zu lassen? Wie will man prognostizieren, daß er diese Kenntnisse jemals in Deutschland und/oder gegen Deutsche einsetzen wird?

    Aber auch bei Deutschen scheint mir das problematisch zu sein. Zum einen, weil der Beweis schwer zu führen sein dürfte, daß jemand in einem solchen Lager nicht nur den Koran studiert, sondern auch das Bombenbauen erlernt hat. (Siehe den Fall Murat Kurnaz; wo man ja meines Wissens nicht weiß, zu welchem Zweck er denn nach Pakistan gereist ist). Zum anderen, weil ich nicht sehe, mit welcher Berechtigung man es jemandem verbieten kann, sich einer Ausbildung zu unterziehen, auch wenn sie paramilitärisch sein sollte, solange er das Gelernte nicht zum Schaden anderer anwendet.
  • Mein liberalkonservativer Vermittlungsausschuß hat also einmal in die konservative, einmal in die liberale Richtung entschieden.

    Vorläufig jedenfalls. Denn wie gesagt, eine sichere Meinung habe ich in keinem der beiden Fälle. Und bin also für kritische Kommentare in diesem Fall besonders offen.

    Für Kommentare und Diskussionen zu diesem Beitrag ist in "Zettels kleinem Zimmer" ein Thread eingerichtet. Wie man sich dort registriert, ist hier zu lesen. Registrierte Teilnehmer können Beiträge schreiben, die sofort automatisch freigeschaltet werden.

    6. August 2007

    Von kleinen Eichmanns, edlen Dschihadisten und gefälschten Daten. Eine sehr amerikanische Geschichte

    Auf den Fall bin ich durch einen Kommentar von Gregory Rodriguez in der "Los Angeles Times" vom 3l. Juli aufmerksam geworden. Es ist der Fall Ward Churchill.

    Interessierten Zeitungslesern in den USA dürfte der Fall seit Jahren geläufig sein. Genauer: Seit 2003. Damals publizierte Ward Churchill ein Pamphlet über den Anschlag auf das World Trade Center mit demTitel "Some People Push Back: On the Justice of Roosting Chickens".

    Wörtlich übersetzt heißt das: "Manche Leute schlagen zurück. Über die Gerechtigkeit des Bratens von Hähnchen".

    Die Metapher des Hähnchen- Bratens hat Ward Churchill einer Bemerkung des extremistischen schwarzen Politikers Malcolm X entnommen, der den Tod von Präsident Kennedy zynisch mit dem Satz kommentierte, daß das halt ein Beispiel dafür sei, wie Hähnchen heimkehren, um gebraten zu werden.



    Die "Brathähnchen" in dem Pamphlet von Churchill sind die Opfer des Anschlags auf das World Trade Center vom 11. September 2001. Über sie schreibt er (Hervorhebung von mir):
    True enough, they were civilians of a sort. But innocent? Gimme a break. They formed a technocratic corps at the very heart of America's global financial empire – the "mighty engine of profit" to which the military dimension of U.S. policy has always been enslaved – and they did so both willingly and knowingly. Recourse to "ignorance" – a derivative, after all, of the word "ignore" – counts as less than an excuse among this relatively well-educated elite. To the extent that any of them were unaware of the costs and consequences to others of what they were involved in – and in many cases excelling at – it was because of their absolute refusal to see. (...) If there was a better, more effective, or in fact any other way of visiting some penalty befitting their participation upon the little Eichmanns inhabiting the sterile sanctuary of the twin towers, I'd really be interested in hearing about it.

    Sicherlich, sie waren eine Art Zivilisten. Aber unschuldig? Momentchen mal. Sie bildeten ein Corps von Technokraten im Herzen des weltweiten Finanz- Imperiums der USA - der "gewaltigen Profitmaschine", der die militärische Dimension der US-Politik schon immer sklavisch unterworfen war -, und sie waren das sowohl willig als auch wissentlich. "Ignoranz" für sich zu reklamieren - ein Wort, das schließlich von "ignorieren" kommt - kann bei dieser relativ gut ausgebildeten Elite überhaupt nicht als Entschuldigung gelten. Sofern irgend jemand von ihnen sich nicht bewußt gewesen sein sollte, welche Kosten und Konsequenzen für andere das bedeutete, woran er beteiligt - und oft in herausragender Weise beteiligt - war, dann nur, weil er sich vollständig weigerte, zu sehen. (...) Wenn es irgendeine bessere, effektivere, oder in der Tat überhaupt irgend eine andere Art gegeben hätte, diese kleinen Eichmanns, die sich in dieser sterilen Zufluchtsstätte der Twin Towers aufhielten, angemessen für ihre Teilnahme zu bestrafen, dann würde es mich interessieren, sie zu erfahren.
    Ward Churchill behauptete in dieser Schrift also nicht weniger, als daß die 3000 Opfer des Anschlags zu Recht getötet worden seien, als "Strafe" für ihre Mitwirkung an der "gewaltigen Profitmaschine".



    Ist das nicht überinterpretiert? Kann jemand, der halbwegs bei Sinnen ist, so etwas behaupten?

    Er kann. Jedenfalls kann das Ward Churchill. Er läßt keinen Zweifel an seiner Meinung. Über die Attentäter des 11. September schreibt er:
    With that, they've given Americans a tiny dose of their own medicine. This might be seen as merely a matter of "vengeance" or "retribution," and, unquestionably, America has earned it, even if it were to add up only to something so ultimately petty. (...) There is, however, no reason to believe that retributive parity is necessarily an item on the agenda of those who planned the WTC/Pentagon operation. If it were, given the virtual certainty that they possessed the capacity to have inflicted far more damage than they did, there would be a lot more American bodies lying about right now. (...) Middle-Easterners, unlike Americans, have no history of exterminating others purely for profit, or on the basis of racial animus. Thus, we can appreciate the fact that they value life – all lives, not just their own – far more highly than do their U.S. counterparts.

    (...) In sum one can discern a certain optimism – it might even be call humanitarianism – imbedded in the thinking of those who presided over the very limited actions conducted on September 11.

    Damit [mit dem Anschlag; Zettel] haben sie den Amerikanern eine winzige Dosis von deren eigenen Medizin gegeben. Das könnte als lediglich eine Frage von "Rache" oder "Vergeltung" gesehen werden, und fraglos hat Amerika es verdient, auch wenn es sich nur auf etwas so letztlich Geringfügiges belief. (...) Es gibt jedoch keinen Grund für die Annahme, daß eine Parität der Vergeltung notwendigerweise ein Punkt auf der Agenda derer ist, die die WTC/Pentagon- Operation planten. Wäre sie das gewesen, dann würden angesichts der faktischen Gewißheit, daß sie die Kapazität besaßen, viel mehr Schaden anzurichten, als sie es taten, jetzt im Augenblick viel mehr amerikanische Leichen herumliegen. (...) Im Unterschied zu den Amerikanern haben die Menschen des Mittleren Ostens keine Geschichte des Ausrottens anderer allein um des Profits willen, oder aufgrund ihres rassischen Wesens. Also können wir die Tatsache würdigen, daß sie das Leben - jedes Leben, nicht nur ihr eigenes - weit höher schätzen als ihre US-amerikanischen Gegenspieler.

    Kurzum, man kann im Denken derer, die die sehr begrenzte Aktion vom 11. September leiteten, einen gewissen Optimismus entdecken. Man könnte es sogar Humanität nennen.


    Was ist das für ein Mensch, der solche unglaublichen, solche zynischen und obszönen Sätze zu Papier brachte?

    Er war, als er das schrieb, ein amerikanischer Universitäts- Professor. Kein gewöhnlicher allerdings, sondern er war Direktor der Abteilung für Ethnische Studien der Unversität von Colorado.

    Ein ungewöhnlicher Professor freilich nicht nur, weil er ein Department leitete. Sondern auch, was seine akademische Karriere angeht:

    In den USA gibt es keine Habilitation. Man wird erst Assistant Professor, dann Associate Professor und schließlich - wenn es klappt - Full Professor; und zwar aufgrund der Publikationen, die man (überwiegend) nach der Promotion veröffentlicht hat. Dabei zählen im wesentlich nur Publikationen in angesehenen, peer reviewed Fachzeitschriften - Zeitschriften, die Artikel nur dann annehmen, wenn eine Reihe von (meist drei oder vier) Gutachtern das befürwortet.

    Ward Churchill freilich hatte, als er Assistant Professor wurde, als er unbefristet angestellt wurde, keine Publikationen vorzuweisen, die nach seiner Promotion entstanden wären. Denn er war - so kann man es in der Wikipedia lesen - gar nicht promoviert! Was es bei einem amerikanischen Professor eigentlich gar nicht geben kann. Und publiziert hat er kaum in anerkannten Fachzeitschriften, sondern in Zeitungen und der "alternativen" Presse.



    Wie kommt's, das so jemand in höchste akademische Ränge aufsteigen konnte? Man muß dazu wissen, daß an vielen US- Universitäten in den siebziger Jahren Departments entstanden, die keine der klassischen Wissenschaften pflegen, sondern, sagen wir, aus dem Zeigeist hervorgequollene Disziplinen. Dazu gehören die Women's Studies, heute meist Gender Studies, also feministische "Wissenschaft". Und dazu gehören jene Ethnic Studies, für die Ward Churchill als Professor angestellt wurde.

    Welches seltsame Verständnis von Wissenschaft dieses Department hat, geht aus seiner Selbstbeschreibung hervor. Darin heißt es:
    The Department of Ethnic Studies encourages participatory, experiential, student-centered learning and empowers students to move beyond existing social, cultural, and political paradigms to more inclusive paradigms in which they are the subjects of their own reality. Consequently, all students are encouraged to examine and analyze their own inherited political/ economic and social/ cultural background and identities.

    Die Abteilung für Ethnische Studien ermutigt teilnehmendes, erfahrendes, studentzentriertes Lernen und befähigt die Studierenden, über die existierenden sozialen, kulturellen und politischen Paradigmen hinauszugehen, hin zu umfassenderen Paradigmen, in denen sie die Subjekte ihrer eigenen Realität sind. Folglich werden alle Studierende ermutigt, ihren eigenen ererbten politisch/ ökonomischen und sozial/ kulturellen Hintergrund und ihrer Identität zu untersuchen und zu analysieren.
    Mit anderen Worten, die Wertfreiheit und Objektivität der Wissenschaft gilt hier nicht. Das Studium wird als eine Art Selbsterfahrungs- Gruppe angeboten.



    Nun gut, Ward Churchill dürfte nicht der einzige wissenschaftlich nicht ausgewiesene Professor sein, der in einem solchen fragwürdigen Studiengang an einer US- Universität Karriere machen konnte. Das ist halt das Erbe der siebziger Jahre.

    Aber nun hatte er dieses Pamphlet geschrieben. Nun hatte er es dadurch zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Und nun begann man sich auch außerhalb von Boulder, Colorado für das zu interessieren, was er als sein "wissenschaftliches Werk" vorgelegt hatte.

    Es regten sich Zweifel an dessen Wissenschaftlichkeit. Eine Kommission wurde tätig.

    Wie gründlich dergleichen an einer US- Universität betrieben wird, wenn erst einmal ein Stein ins Rollen gekommen ist, das kann man dieser Aufstellung entnehmen. Im wesentlich geht es um die Untersuchung des Vorwurfs von Academic Misconduct, also akademisches Fehlverhalten. Dazu gehören Plagiate, Fälschungen, erfundene Daten; dergleichen.

    Das Untersuchungskomitee kam zu dem Ergebnis, daß Churchill jahrelang Quellen gefälscht hatte; zum Beispiel, wenn er immer wieder behauptete, die US- Armee hätte 1837 absichtlich mit Pocken verseuchte Decken an die Mandan- Indianer verteilt, um unter ihnen eine Pocken- Epidemie auszulösen. Das Komitee fand des weiteren, daß Professor Churchill wiederholt Plagiate begangen hatte, zum Beispiel einen Artikel seiner Kollegin Fay G. Cohen unter seinem eigenen Namen publiziert.



    Am 24. Juli 2007 nun hat die University of Colorado at Boulder die Konsequenz gezogen und Churchill entlassen. In der Presseerklärung dazu heißt es:
    The record of the case shows a pattern of serious, repeated and deliberate research misconduct that fell below the minimum stand of professional integrity, involving fabrication, falsification, improper citation and plagiarism.

    Die Akte zu dem Fall zeigt ein Muster schwerer, wiederholter und absichtlicher akademischer Verfehlungen, die den Minimal- Standard professioneller Integrität unterschritten. Dazu gehören erfundene Daten und Fälschungen, unrichtige Zitate und Plagiate.
    Betont wird in der Mitteilung, daß die Entscheidung nichts mit Churchills Pamphlet zum 11. September zu tun habe.



    Ende gut, alles gut? Es gibt noch etwas zu berichten.

    Auf seiner - im Augenblick noch zugänglichen - WebSite an der University of Colorado schreibt Churchill: "Ward Churchill is a Creek and enrolled Keetoowah Band Cherokee". Er sei ein Creek- Indianer und ein eingetragenes Mitglied der Cherokees, Unterabteilung Keetoowah.

    Das ist eine der zahlreichen Versionen über seine angebliche indianische Herkunft, die er im Lauf der Zeit zum Besten gegeben hat. In der Wikipedia ist das sorgfältig dokumentiert. Offiziell anerkannt ist nichts davon. (In den USA wird Indianern vom zuständigen Ministerium ein sogenanntes Certificate of Degree of Indian Blood ausgestellt, aufgrund dessen sie Anspruch auf die für Indianer vorgesehenen Vergünstigungen haben).

    Ein Reporter der Rocky Mountain News, Kevin Flynn, hat sich die Mühe gemacht, die Genealogie von Ward Churchill penibel zu erforschen. Sogar ein DNA-Test bei einem Verwandten wurde gemacht. Ergebnis dieses Stücks besten amerikanischen investigativen Journalismus: "Are Ward Churchill's claims of American Indian ancestry valid? Our findings: Genealogical records, DNA dont support assertions." Hat Ward Churchill indianische Vorfahren? Weder genealogische Dokumente noch ein DNA-Test bestätigten das.

    Und wie es halt so geht, wenn jemand eine Story erfindet - sie fällt mal so aus, mal so. Mal behauptete Churchill, er sei zu weniger als einem Viertel indianische Abstammung. Mal sagte er, er sei zu drei Sechzehntel Cherokee. Dann wieder war er angeblich zu nur einem Sechzehntel Cherokee. In einer anderen Version seiner Abstammung erklärte er, er habe väterlicherseits Muscogee- und Creek- Indianer als Vorfahren, mütterlicherseits Cherokee- Vorfahren. Und er behauptet, er sei eingetragenes Mitglied der Keetoowahs.

    Die Wahrheit ist, daß dieser Stamm ihn drei Monate lang, im Jahr 1994, zu seinem Ehrenmitglied gemacht hatte - wie auch Bill Clinton.

    Der Stamm hat kategorisch erklärt, Churchill gehöre ihm nicht an. Das hinderte diesen nicht daran, bis zu seiner Entlassung auf seiner WebSite das Gegenteil zu behaupten.

    Warum? Nun, wie man in der Wikipedia nachlesen kann, bezeugen Angehörige der Universität von Colorado, daß Churchill dort überhaupt nur angestellt wurde, weil er vorgab, Indianer zu sein - als Teil der damaligen Politik dieser Universität, ethnische Diversität in ihren Fakultäten zu fördern.



    Schlußbemerkung: Ich finde, das ist eine sehr amerikanische Geschichte.

    Eine Geschichte von der Freiheit unter dem First Amendment, das es - und die Universität von Colorado hat das ausdrücklich bestätigt - jedem, auch einem Professor erlaubt, solche unglaublichen Behauptungen aufzustellen wie in dem Pamphlet zum 11. September.

    Eine Geschichte von dem Bemühen dieses Landes, mit seiner multikulturellen Vergangenheit und Gegenwart zurechtzukommen; erfolgreicher als in fast jedem anderen Land der Welt.

    Eine Geschichte aber auch von den Selbstreinigungs- Kräften dieser Gesellschaft, hier des akademischen Systems. Man hat ihn lange wirken lassen, diesen Extremisten und Scharlatan. Am Ende aber hat er das bekommen, was er verdient hat.

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    30. Juli 2007

    So macht Kommunismus Spaß (5): Terrorismus der RAF, Terrorismus der Dschihadisten.

    In "Welt-Online" steht im Augenblick ein sehr lesenswertes Interview mit der Tochter des vor dreißig Jahren, am 30. Juli 1977, von deutschen Terroristen ermordeten Bankiers Jürgen Ponto, Corinna Ponto. Darin sagt sie:
    Eines Tages werden die Täter der RAF, wie auch der ETA, der Action directe und ihre Sympathisanten damit leben müssen, dass sie vor der Geschichte die ersten Formen, die nationalen Anfänge des inzwischen weltweiten Terrorismus gebildet haben.
    Als ich im dritten Teil dieser Serie erörtert habe, warum heute der RAF-Terrorismus wieder so sehr in den Medien präsent ist, habe ich auf diesen Zusammenhang hingewiesen: Was damals ein paar Dutzend Verbrecher begonnen haben, das ist heute ein weltweites, uns alle bedrohendes Phänomen geworden. Man interessiert sich wieder für den RAF- Terrorismus, so habe ich argumentiert, weil er dem gegenwärtigen so ähnlich ist.

    Jetzt möchte ich diese Überlegungen fortsetzen; aber diesmal mit Hinweis auf Unterschiede zwischen dem damaligen und dem heutigen Terrorismus.



    Da ist erstens der Modus Operandi.

    Die RAF ermordete, ebenso wie die Brigate Rosse, am liebsten einzelne Menschen.

    Mal jagte man das Opfer in die Luft, wie Herrhausen. Mal knallte man es nieder, wie Buback und Ponto. Mal ließ man jemanden wochenlang leiden, bevor man "seiner kläglichen und korrupten Existenz ein Ende" machte. So stand es in einem "Bekennerschreiben", wie die Mitteilungen der Mörder verniedlichend genannt werden. Ein Ende durch Genickschuß, das hatte man sich für Schleyer einfallen lassen.

    Also, die RAF war sehr erfindungsreich, was die Art anging, wie sie ihre Opfer zu Tode beförderte. Aber es waren einzelne Opfer. Die "Zielperson", ihre Begleiter, ihr Fahrer.

    Die heutigen islamistischen Terroristen lieben das zwar auch; sie köpfen dann schon mal denjenigen, den sie in ihre Gewalt gebracht haben, statt ihn ins Genick zu schießen; kein sehr großer Unterschied.

    Aber vor allem lieben sie das große Spektakel, die modernen Terroristen. Normale Bürger, sozusagen vom Baby bis zum Greis, sind ihre bevorzugten Opfer, und immer gleich möglichst viele davon. So weit war die RAF noch nicht gekommen.

    Daß Menschen aus der gesamten Bevölkerung zu Opfern werden würden, das lag freilich auch in der Konsequenz der Strategie der RAF. Dazu gleich mehr.



    Ein zweiter - der wesentliche - Unterschied scheint mir darin zu bestehen, daß die heutigen Dschihadisten sozusagen ernsthafte, realitätsbezogene Mörder sind, während die RAF-Mörder im Grunde aus einem Wahn heraus zu Verbrechern wurden.

    Die Dschihadisten führen einen blutigen Krieg mit allen Konsequenzen, für sich, für andere. Es ist ein richtiger Krieg. Ein asymmetrischer Krieg, der sozusagen in unsere Zeit paßt.

    Die Terroristen sind Teil einer weltweiten Bewegung, die immerhin bereits einen Staat erobert hatte, die weltweit unzählige Unterstützer und Sympathisanten hat. Die, dank der "Spenden" u.a. aus Saudi- Arabien, über nahzu unbegrenzte Geldmittel verfügt. Die im System der Madrasas in Westpakistan inzwischen eine schlagkräftige Vorfeld- Organisation hat, die ihr ständig neue, ideologisch bereits indoktrinierte Mitglieder zuführt.

    So abscheulich, so verbrecherisch dieser Terrorismus ist: Er ist doch ein realistisches Unternehmen. Die Mörder wissen, was sie wollen. Und sie haben Chancen, es zumindest partiell zu erreichen. Wenn die USA nach den nächsten Präsidentschaftswahlen überstürzt aus dem Irak abziehen, dann ist ein von der El Kaida errichtetes Kalifat in einem Teil des Irak keineswegs eine Utopie.




    In dem Film Black Box BRD äußern sich Eltern und Freunde ausführlich über den Terroristen Wolfgang Grams, der in Bad Kleinen ums Leben kam. Er wird als ein sozial engagierter, nachdenklicher und intelligenter junger Mann geschildert, der zur RAF kam, weil er unbedingt "etwas tun" habe wollen gegen das Unrecht in der Welt.

    Als ich den Film gesehen habe, kam mir das umso bizarrer vor, je mehr dieses positive Bild von Grams sich entfaltete. Nicht, weil ich es den Gewährsleuten nicht abnehmen würde, daß Grams so gewesen ist. Sondern weil ich mich gefragt habe: Was in aller Welt wollte ein Mensch wie Grams damit erreichen, daß er sich entschloß, "etwas zu tun"?

    Welches waren denn überhaupt die politischen Ziele der RAF? Was war ihr Gegenstück zu dem Ziel der Dschihadisten, das Kalifat zu errichten?

    Welche Schritte zu diesem Ziel plante die RAF? Vergleichbar der Strategie der Dschihadisten, Länder wie Afghanistan und den Irak zu erobern und dort die Keimzellen des Kalifats zu schaffen, flankiert von Terroranschlägen in westlichen Ländern, um diese vom Eingreifen abzuhalten?



    Es gibt, von einigen kleineren Schriften abgsehen, nur zwei Texte, in denen die Ziele und die Strategie der RAF dargestellt wurden.

    Der eine trägt den Titel "Das Konzept Stadtguerrilla" und stammt von Ulrike Meinhof. Der andere, "Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa", wurde 1971 von Horst Mahler im Gefängnis verfaßt und unter der Tarnbezeichnung "Neue Straßenverkehrsordnung" herausgeschmuggelt. Später hat Wagenbach ihn als Rotbuch 29 veröffentlicht.

    Also, wenn man wissen will, was denn "die RAF eigentlich wollte", dann ist man auf diese beiden Texte aus der Frühzeit angewiesen; der eine verfaßt von einer Autorin, die schon bald völlig an den Rand der Gruppe geriet, der andere von einem Autor, der heute ein Anführer der Rechtsextremen ist.

    Nicht eben viel; nicht eben eine gute Quellenlage, wenn man wissen will, wofür diese Leute eigentlich Menschen gequält, zerfetzt, ins Genick geschossen haben.



    Was steht in diesen beiden Texten? Sie sind einander sehr ähnlich; nur ist der von Mahler ausführlicher. Beide sind orthodox- kommunistisch. Die Argumentation wird von Lenin und von Mao her aufgebaut; es geht den Autoren darum, nachzuweisen, daß ihre Strategie streng den Anweisungen dieser Meister der Revolution folgt.

    Das Ziel ist die kommunistische Revolution. Dazu muß man eine revolutionäre Situation schaffen; und die soll eben unter anderem durch Mordanschläge herbeigeführt werden. Mahler konkretisiert das mehr als Meinhof:
    In der Anfangsphase bilden sich dezentralisiert und unabhängig voneinander einzelne Partisanengruppen, die Kommandoaktionen unternehmen. (...) Wenn die Kommandos taktisch richtig vorgehen, werden sie erreichen, daß die Unterdrückungskräfte, insbesondere die Polizei das System der Einzelstreifen in den Wohngebieten (Revieren) aufgeben müssen und sich nur noch in kampfstarken Gruppen bewegen können (...) Die Guerilla wird in der Lage sein, nach ihrer eigenen taktischen Wahl ausreichende Kräfte - ausgerüstet mit automatischen Waffen - zu konzentrieren, die derartige Patrouillen erfolgreich angreifen können. (...) Sowenig der Staat in der Lage ist, hinter jeden Arbeiter einen Gendarmen zu stellen, sowenig ist er in der Lage, jeden einzelnen Kapitalisten, Regierungsbeamten, Richter, Offizier usw. mit einem bewaffneten Posten zu schützen. (...) Gleichzeitig muß durch geeignete Aktionen der Guerilla das Privileg der Straflosigkeit für die Funktionsträger des staatlichen Unterdrückungsapparates beseitigt werden.
    Und so weiter. Entworfen wird das Szenario des allmählichen Aufbaus einer kommunistischen "Gegenmacht", wie sich das ja im Vorfeld des Vietman- Kriegs in der Tat abgespielt hatte.



    Nur, seltsam - wie man, von diesem Szenario ausgehend, zur kommunistischen Revolution kommen will, darüber findet sich in keiner der beiden Schriften auch nur ein einziges Wort.

    Wohlüberlegt, scheint mir. Denn es liegt doch auf der Hand, daß der Staat diese Guerilla- Spielerei nicht so hätte gewähren lassen, wie damals die meisten Hochschulrektoren die Revoluzzer- Spielerei der "Roten Zellen" gewähren ließen.

    Meinhof und Mahler muß es natürlich klar gewesen sein, daß diese von ihnen entworfene Strategie, sollte sie denn funktionieren, unweigerlich in einen Bürgerkrieg hätte führen müssen. Vielleicht träumten sie davon, so weit zu kommen wie 1920 die Rote Ruhrarmee oder die kommunistische Armee des Max Hölz in Sachsen.

    Daß dann den Revolutionären zwar keine Freicorps, aber die Bundeswehr, wenn nötig vielleicht die US-Streitkräfte entgegentreten würden, das dürften Meinhof und Mahler verstanden haben. Sie hatten ja am Beispiel des Vietnam- Kriegs gerade erst gesehen, welche entsetzlichen Opfer - gerade auch unter der Zivilbevölkerung - der Guerillakrieg kostet, wie sie ihn herbeibomben wollten.



    Sie wollten dieses Blutvergießen offensichtlich. Die Ermordung von einzelnen Personen sollte der erste Schritt sein; so etwas wie eine Initialzündung.

    Als es richtig losging mit dem Morden, da waren sie allerdings nicht mehr dabei, die beiden Theoretiker und Strategen.

    Beide waren Intellektuelle, die sich in Militärisches hineinträumten, die sich Gewaltphantasien hingaben; Phantasien, die angesichts der friedlichen, von Willy Brandt regierten Bundesrepublik, in der kein Arbeiter an Revolution und Bürgerkrieg dachte, wahnhaft waren.

    Als die RAF dann in großem Stil zu morden anfing, da war es vorbei mit den programmatischen Schriften. Wollte man überhaupt noch irgend etwas, außer Herumballern, Bonnie und Clyde spielen, sich am Besitz einer Knarre ergötzen, die eigenen Leute aus dem Knast holen wie weiland Zorro seinen Vater?

    Jedenfalls habe ich darüber nichts finden können, was diese zweite, was die dritte "Generation" der deutschen Terroristen überhaupt politisch wollte. Immer noch den Bürgerkrieg, und am Ende die Errichtung der Diktatur des Proletariats? Wenn nicht, was dann?

    Alle aus der RAF, die sich öffentlich zu ihrer Vergangenheit zu erklären versucht haben - Boock, Dellwo, Jünschke, Grashof, Mayer-Witt - , haben dazu, soviel ich weiß, kein Wort gesagt. Sie reden vom Vietnam- Krieg, vom "Kampf gegen den Imperialismus". Nicht davon, welche Lage in der Bundesrepublik sie denn herbeibomben und herbeischießen wollten.



    Und das ist eben der Unterschied zu den heutigen Dschihadisten. Diese wissen, was sie wollen. Sie halten - zu Recht - die Errichtung des Kalifats für realistisch.

    Die RAF hatte anfangs ein Ziel und eine Strategie, die ungefähr so realistisch waren wie der Versuch, das Hippie- Paradies Christiania im Zentrum des Teheran Ahmadinedschads wieder aufzubauen. Dann, so scheint es, verschwand diese Fata Morgana. Was blieb, was Dutzenden von Menschen das Leben gekostet hat, das war die Kriminalität von Desperados.

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    12. April 2007

    Randbemerkung: Die Scharia, Günther Oettinger und der Hut des Landvogts Geßler

    Ich bin ein Gegner des Totalitarismus in allen seinen Spielarten. Also bin ich ein Antinazi (und auch ein Antifaschist, was ja nicht dasselbe ist). Ich bin ein Antiislamist und ein Antikommunist. Ich bin ein radikaler und überzeugter Gegner des Antisemitismus, auch wenn er sich als Antizionimus oder Antiimperialismus oder Fürsorge für die Palästinenser oder sonstwie tarnt.

    Muß ich deshalb dann, wenn jemandem vorgeworfen wird, er sei ein Nazi gewesen, sofort zustimmen? Muß ich dann, wenn einer Richterin vorgeworfen wird, sie habe nach der Scharia geurteilt, sofort zustimmen?

    Muß ich Jeden, sozusagen reflexhaft, für einen Kommunisten halten, dem das vorgeworfen wird? Muß ich jeden, der sich kritisch über einen israelischen Politiker und seine Politik geäußert hat (wie zum Beispiel seinerzeit Rudolf Augstein über die Groß- Israel- Politik der israelischen Rechten), für einen Antisemiten halten?

    Muß ich Martin Walser, der sich sein Leben lang mit der deutschen Schuld gegenüber den Juden auseinandergesetzt und daran gelitten hat, für einen Antisemiten halten, nur weil er in einer Rede ehrlich seine Zweifel und Überlegungen zur Instrumentalisierung von Auschwitz mitgeteilt hat? Und weil ein Kritiker, der ihn schlecht behandelt und den er schlecht behandelt hat, zufällig Jude ist?

    Natürlich muß ich das alles nicht. Aber ich habe zunehmend den Eindruck, daß viele das erwarten. Daß sie es von uns Skeptikern verlangen. Bei Strafe des Vorwurfs, wir seien in Wahrheit gar nicht gegen den Nazismus, den Kommunismus, den Islamismus, den Antisemitismus. Der Geßler- Hut, so kommt es mir manchmal vor, muß gegrüßt werden.

    Zwei aktuelle Beispiele sind der Fall der Frankfurter Familienrichterin und heute der Fall Filbinger, der dabei ist, zu einem Fall Oettinger zu werden.



    Ich bin entschieden und massiv dagegen, in irgendeiner Weise, auch indirekt, dem Islam einen Einfluß auf unsere Rechtsordnung einzuräumen.

    Wer einen "Ehrenmord" begeht, der sollte wegen dieses Motivs nicht milder, sondern im Zweifelsfall härter bestraft werden. Denn es liegt auf der Hand, daß er aus einem niedrigen Motiv handelte; er nämlich sein soziales Ansehen höher stellte als ein Menschenleben. Daß in irgend einer Weise die Scharia unsere Rechtsordnung beeinflußen könnte, ist nach meiner Überzeugung inakzeptabel

    Nur hat die Frankfurter Richterin, die so massiv unter Kritik geriet, das ja nicht getan, auch nicht ansatzweise. Sondern sie hatte bei der Entscheidung, ob ein Härtefall vorlag, der eine Scheidung vor Ablauf der gesetzlichen Trennungsfrist gerechtfertigt hätte, mit berücksichtigt, daß die klagende Frau einen frommen Moslem geheiratet hatte, über dessen Eheverständnis sie sich hätte klar sein können.

    Mag sein, daß das juristisch falsch gewesen war; das kann ich nicht beurteilen. Mit der Verwendung der Scharia als Rechtsquelle hat es jedenfalls nichts zu tun.



    Ich bin entschieden dagegen, Verbrechen milder zu bestrafen oder in einem freundlicheren Licht zu sehen, nur weil die Täter politisch motiviert waren. Das gilt für NS-Verbrecher, es gilt für Dschihadisten, es gilt für die RAF und andere kommunistische Verbrecher.

    KZ-Mörder, Mauermörder, RAF-Mörder, islamistische Mörder werden durch ihre Motive nicht gerechtfertigt; sondern sie sollten nach meiner Überzeugung besonders hart bestraft werden, weil sie ihre Taten auch noch ideologisch zu bemänteln versuchten und versuchen. Sie sind in der Regel uneinsichtig; ein klassischer Grund für die Ausschöpfung des jeweiligen Strafrahmens.

    Ich war, obwohl ich Gegner der Todesstrafe bin, damit einverstanden, daß 1962 Adolf Eichmann hingerichtet wurde; denn es gibt so etwas wie einen Anspruch der Opfer, daß an einem so exorbitant schuldigen Täter Gerechtigkeit geübt wird. Ich war und bin der Meinung, daß viele Nazi-Verbrecher zu milde bestraft wurden.

    Nur war Hans Filbinger kein Nazi-Verbrecher. Er war kein Nazi, und er hat keine Verbrechen begangen. Er war das Opfer einer Kampagne der Abteilung X der HVA des MfS und eines eitlen Dramatikers, der später dadurch hervortrat, daß er ein Theater erwarb und als Eigentümer verfügte, daß Stücke von ihm zu spielen seien; so jedenfalls der "Tagesspiegel".

    Der Ministerpräsident Oettinger hat in seiner gestrigen Trauerrede das gesagt, was die Wahrheit ist. Wer das nicht glaubt, den bitte ich, den penibel recherchierten Artikel von Günther Gillessen zu lesen. Soweit mir bekannt ist, ist in keinem einzigen Punkt bisher Gillessen eine Ungenauigkeit nachgewiesen worden.



    Noch eine allgemeine Überlegung. Natürlich haben Politiker sich nach anderen Gesichtspunkten zu richten als ein Journalist oder ein Blogger, der sine ira et studio das schreiben kann, von dessen Richtigkeit er nach bestem Wissen und Gewissen überzeugt ist. Nur gebe ich dies zu bedenken:

    Wenn man einen nachdenklichen und ehrenwerten Mann wie Martin Walser als Antisemiten brandmarkt - wird das nicht bei vielen die Überlegung auslösen, dann könne der Antisemitismus doch gar nicht so schlimm sein, wenn jemand wie Walser zu den Antisemiten gehört?

    Wenn man den anständigen, katholisch- konservativen Hans Filbinger (von Verschwörern des 20. Juni bekanntlich für ein Amt vorgesehen) als Nazi, gar als "sadistischen Nazi" tituliert - wird das nicht zu der Überlegung führen, daß die Nazis dann so schlimm doch nicht gewesen sein können?



    Am Ende zahlt sich auch in der Politik Augenmaß aus. Wer bei jedem Knacken im Gebüsch "Der Wolf!, der Wolf" ruft, dem glaubt man auch dann nicht mehr, wenn wirklich ein Rudel Wölfe im Anmarsch ist.

    20. März 2007

    Neues zum Fall Kurnaz. Oder: Die Mär vom blauäugigen Parzival, dem bösen Riesen und den schnöden Rittern

    Wir ordnen uns die Welt mit Hilfe von Schemata, Scripts, Frames; wie immer man das genannt hat. Das tun wir spontan, aber wenn es um Politisches geht, dann helfen die Medien uns oft dabei.

    Das Script, das uns fast alle deutschen Medien zu dem Fall Murat Kurnaz angeboten haben und anbieten, ist die Geschichte vom blauäugigen Parzival Murat Kurnaz, der auszog, um in Pakistan wenn auch nicht seinen Gral, so doch spirituelle Erleuchtung zu finden.

    Aber oh weh, da kam der Böse Riese USA, raubte und mißhandelte ihn und verschleppte unseren armen Helden in die finstere Höhle Guantánamo. Dort schmachtete er Jahr um Jahr, unser blauäugiger Parzival.

    Und kein Ritter kam, ihn zu befreien. Insbesondere die deutschen Ritter, allen voran der Truchseß Steinmeier, machten sich schuldig, indem sie dem armen Parzival schnöde die Befreiung versagten.

    Also werden sie jetzt vor die Ritterschaft geladen, die säumigen Ritter, und sollen sich rechtfertigen. Was sie aber, so wissen wir, gar nicht können, denn ihre Pflichtvergessenheit ist ja längst ans Licht gekommen.

    So denken wir. So sollten wir jedenfalls denken, wenn wir der Berichterstattung der meisten deutschen Medien folgen.

    Man könnte auch sagen, wenn wir ihr auf den Leim gegangen sind. Wenn wir das Script, das sie uns anbieten, in unsere Sicht der Welt eingebaut haben.



    Im Januar und zu Beginn dieses Monats habe ich auf ein paar Fakten hingewiesen, die nicht so recht in dieses Script passen:

    Murat Kurnaz wurde in Pakistan in einer Einrichtung einer Organisation namens Tablighi Jamaat festgenommen, die als Rekrutierungs- Organisation für Dschihadisten gilt.

    Was die angeblichen Folterungen angeht, ist er Zeuge in eigener Sache, und das Handbuch der El Kaida weist festgenommene und dann freigelassene Dschihadisten an, stets zu behaupten, sie seien gefoltert worden.

    Daß ein Türke, um spirituelle Erleuchtung zu erlangen, ausgerechnet nach Pakistan zieht, ist zumindest dann unplausibel, wenn man weiß, daß seine Familie in der Türkei lebt. Er also dort jede Möglichkeit gehabt hätte, sich in einem islamischen Zentrum spirituell weiterzubilden. Was zog ihn ausgerechnet nach Pakistan?



    Nun berichtet der Tagesspiegel in seiner morgigen Ausgabe Neues zum Fall Kurnaz, sehr Interessantes:
    Der Verdacht, dass sich Murat Kurnaz in islamistischen Kreisen bewegt hat, hat sich erhärtet. (...)

    Kurnaz war im Herbst 2001 nach Pakistan gereist, dort festgenommen und von den USA über vier Jahre in Guantanamo festgehalten worden. Sein Gefährte Selcuk Bilgin (...) sagte ein Jahr später einem Deutsch-Libanesen namens Ali T. in der Bremer Abu-Bakr-Moschee, Kurnaz "nach Afghanistan geschickt" zu haben. (...) Laut Vernehmungsprotokoll der Polizei sagte der Entführer: "Selcuk erzählte mir auch, dass er schon einmal einen jungen Mann in den Dschihad nach Afghanistan geschickt hatte. Es war der Murat Kurnaz." (...)

    Laut T. spielte bei seiner Radikalisierung auch der islamistische Vorbeter der Abu-Bakr-Moschee, Ali Miri, eine zentrale Rolle. Miri hatte zudem nach Aussagen von Kurnaz' Mutter starken Einfluss auf ihren Sohn.
    Natürlich sind auch solche Zeugenaussagen kritisch zu würdigen.

    Nur - was in aller Welt veranlaßt die deutsche Öffentlichkeit, die Zeugenaussagen des Murat Kurnaz in eigener Sache nicht kritisch zu würdigen?

    Wie kommen die meisten deutschen Medien dazu, diesem Mann die unglaubwürdige Behauptung, er habe sich ausgerechnet nach Pakistan aufgemacht, um dort spirituelle Erleuchtung zu finden, abzunehmen?

    Mir scheint, da hat diesen Medien, da hat den meisten von uns das Script vom blauäugigen Parzival, dem Übles widerfährt, ganz schön den klaren Blick getrübt.

    18. März 2007

    "So macht Kommunismus Spaß" (3): Die Aktualität der RAF

    Über die RAF wird gegenwärtig in der Öffentlichkeit so intensiv und langanhaltend diskutiert wie seit dreißig Jahren nicht mehr; seit dem Deutschen Herbst 1977. Was sind die Ursachen?

    Vordergründig natürlich die Debatte um eine vorzeitige Haftentlassung von Mohnhaupt und Klar. Aber auch andere Top- Terroristen sind früher vorzeitig entlassen worden, ohne daß das eine solche Diskussion ausgelöst hätte. Es müssen wohl andere Momente hinzukommen. Plausibel erscheinen mir zwei Faktoren.



    Der erste ist der gegenwärtige Generationswechsel. Die Achtundsechziger nähern sich dem Rentenalter; wenn auch manche, wie Claus Peymann, noch putzmunter sind. Jedenfalls ist aber die Generation ihrer Kinder - der um 1960, 1970 Geborenen - jetzt an führende Positionen in der Publizistik, in den Medien gelangt.

    Sie stellen nun an ihre Elterngeneration dieselben Fragen, die die Achtundsechziger an ihre Eltern gestellt haben: Wie konntet ihr auf eine solche Ideologie hereinfallen? Wie konntet ihr Sympathie für Mörder empfinden? Wie konntet ihr euch selbst auf ein hohes moralisches Roß setzen, um von diesem herab scheußliche Verbrechen wenn auch nicht zu billigen, so doch ihnen nicht so entschlossen entgegenzutreten, wie das nötig gewesen wäre?



    Zweitens ist das Thema "Terrorismus" ja nicht Vergangenheit, sondern bedrängende Gegenwart. Es ist gut möglich, daß wir in Deutschland vor einer Welle des Terrorismus stehen, die derjenigen der siebziger Jahre vergleichbar ist. Viele Fachleute rechnen jedenfalls damit.

    In gewisser Weise war die RAF somit ihrer Zeit voraus gewesen.

    Zwar hatte es auch damals schon weltweit Terrorismus gegeben. Daher bezog man ja seine Vorbilder, bis hin zu der Selbst- Bezeichnung als "Stadtguerrilla", die die RAF von den südamerikanischen Tupamaros und ähnlichen Terror- Organisationen übernommen hatte.

    Aber dieser Terrorismus fand doch fern von den westlichen Demokratien statt, den "Metropolen", wie die Linken damals sagten. Und er war jeweils aus bestimmten lokalen Problemen heraus entstanden - der palästinensische Terror aus der Situation der in Lagern lebenden Palästinenser heraus, der südamerikanische Terror als Reaktion auf die dort herrschenden Diktaturen, der Terror in Irland, im Baskenland auf der Grundlage örtlicher ethnischer oder religiöser Konflikte.

    Das qualitativ Neue bei der RAF (und in geringerem Maß bei den Brigate Rosse und der Action Directe) war die völlige Abwesenheit solcher lokaler Motive für den Einsatz des Verbrechens für politische Ziele. Das gab dieser europäischen, dieser speziell deutschen Variante des Terrorismus etwas Mutwilliges, etwas Willkürliches, etwas, sagen wir, Dezisionistisches.

    Auch wenn man den Terror der Palästinenser, der Tupamaros, der IRA nicht billigte, konnte man doch seine Motive verstehen - Flüchtlingsschicksale, Schicksale von durch Dikaturen Verfolgten, tiefverwurzelte, über Generationen hinweg gewaltsam ausgetragene Konflikte wie in Irland. Terrorismus als letzter Ausweg, oder als Fortsetzung einer blutigen Tradition.

    Nichts dergleichen gab es in Deutschland. Keiner von denen, die sich entschlossen, zu politisch motivierten Mördern zu werden, hatte persönlich oder in seiner Familie etwas so Schlimmes erlebt, daß ihn das hätte motivieren können, dagegen zur Waffe zur greifen.

    Auch die politischen Verhältnisse in Deutschland boten dazu nicht den geringsten Anlaß. Es war ja die Zeit der sozialliberalen Koalition. Nicht die Spur einer "faschistischen Gefahr", die in irgendeiner Weise ein Motiv für den "bewaffneten Kampf" hätte liefern können.

    Nein, die Motivation dieser Leute war eine rein abstrakte. Sie litten nicht. Keiner aus ihrem Umkreis litt. Ihre Aggression entstand nicht aus Frustration. Sondern sie entstand aus dem Glauben. Die RAF-Mörder waren Glaubenskrieger.



    Sie glaubten an die kommunistische Utopie. Sie sahen sich als Soldaten in einem weltweiten Kampf gegen das Böse. Heute heißt das Dschihad.

    Die heutigen Dschihadisten gleichen den RAF-Mördern wie ein Ei dem anderen: Auch sie kommen in der Regel aus der bürgerlichen Mittelschicht, haben selbst kein Leid durch die USA oder den Westen erfahren. Auch sie verfolgen die Strategie, "den Kampf in die Metropolen" zu tragen; also Anschläge dort zu verüben, wo friedliche, demokratische Verhältnisse und Wohlstand herrschen.

    Wir tun also gut daran, uns an den RAF-Terror zu erinnern. Er ist so etwas wie die Blaupause für das, was uns für die kommenden Jahre bevorstehen könnte.

    Die ersten beiden Folgen dieser Serie sind hier und und hier zu lesen.

    12. März 2007

    Erpressung, Öffentlichkeit und die Strategie der Dschihadisten

    Es gibt, was die Rolle und Funktion von Öffentlichkeit angeht, zwei Arten der Erpressung.

    Die eine scheut die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser. Wer jemanden, sagen wir, mit der Kenntnis über einen dunklen Punkt in dessen Leben zu erpressen versucht, der kann das nur solange, wie der betreffende Sachverhalt nicht öffentlich geworden ist. Es liegt im Wesen dieser Art von Erpressung, verdeckt zu sein.

    Die zweite Art der Erpressung ist hingegegen öffentlich, ja sie lebt geradezu von Öffentlichkeit. Sie kann überhaupt nur gelingen, wenn sie an die Öffentlichkeit gelangt. Wer zum Beispiel einen Discounter mit der Drohung erpreßt, Waren seines Sortiments zu vergiften, der droht ihm damit, Kunden abzuschrecken. Abgeschreckt werden Kunden aber nur, wenn die Erpressung öffentlich wird.

    Folglich sind die Opfer solcher Erpressungen, ist die Polizei daran interessiert, die Sache geheimzuhalten, soweit das geht. Nur dann, wenn anders ein Schaden nicht abzuwenden ist oder wenn es fahndungstaktisch erforderlich scheint, wird eine solche Erpressung publik gemacht.

    Auch die Medien spielen hier im allgemeinen mit. Sie wägen ihre Informationspflicht gegen den Schaden ab, den eine Berichterstattung erzeugen würde, und folgen im allgemeinen dem Rat der Betroffenen und der Polizei.



    Diese Abwägung war den Medien auch aufgegeben, als vor fast dreißig Jahren, im Herbst 1977, Hanns- Martin Schleyer von Terroristen entführt worden war. Der Sachverhalt selbst war natürlich sofort gemeldet worden - ich erinnere mich noch sehr gut an die ersten Meldungen am Nachmittag des 5. September - , aber was dann kam, unterlag einer sogenannten Nachrichtensperre.

    Die Regierung bat die Medien - mehr konnte sie ja nicht - nichts über den Fall zu publizieren, das nicht mit dem Krisenstab abgestimmt worden war. Die Medien hielten sich daran, nahezu ausnahmslos.

    Das führte dazu, daß die Terroristen nicht entfernt den Propaganda- Erfolg erzielten, den sie sie sich von ihrer Aktion versprochen hatten. Von den Videos, die sie mit ihrem Opfer produziert hatten, wurden nur wenige Ausschnitte gezeigt. Die zahlreichen - wohl über 50 - "Erklärungen" mit ihren Propaganda- Phrasen erreichten ihren Adressaten, die deutsche Öffentlichkeit, nicht.



    Die Schleyer-Entführung illustriert einen allgemeinen Sachverhalt: Keine Variante der Erpressung ist so auf Öffentlichkeit angewiesen, lebt nachgerade von Öffentlichkeit, wie die politische Erpressung durch Geiselnahme.

    Das war vor dreißig Jahren so, als der demokratische Rechtsstaat es mit ein paar Dutzend Kommunisten zu tun hatte, die beschlossen hatten, eine "Rote Armee" aufzubauen, um einen Bürgerkrieg in Deutschland zu entfachen. Es ist heute nicht anders, wo der Freie Westen sich zehntausenden von fanatischen Dschihadisten gegenübersieht.

    Die Erpressungen mittels Entführungen, wie sie zum Beispiel im Irak seit Jahren stattfinden, sind im Grunde nichts als ein Stück Agitprop. Propaganda der Tat. Was ja überhaupt das Wesen des Terrorismus ist: Nicht der materielle Schaden zählt, den man durch Anschläge, Entführungen und dergleichen anrichtet, sondern die Angst - eben terror, zu deutsch Angst -, die man damit verbreitet.



    Im Einzelnen wechseln die Ziele der Entführungen im Irak: Manchmal geht es den Terroristen darum, ausländische Firmen davon abzuhalten, Kontrakte im Irak einzugehen. Manchmal ist das Ziel, die Verwaltung des Irak zu destabilisieren. Oft geht es aber auch darum, Regierungen zu erpressen. Von der spanischen, der italienischen Regierung zum Beispiel den Abzug ihrer Truppen aus dem Irak zu erpressen.

    Und jetzt also will man erpressen, daß Deutschland sein militärisches Engagement in Afghanistan aufgibt.

    Dazu brauchen die Terroristen - wie ein Lidl-Erpresser für seine Ziele - die Medien. Und ganz anders als 1977, bei der Schleyer- Entführung, spielen sie diesmal mit, die deutschen Medien. Nein, das ist zu pauschal formuliert: Viele deutsche Medien. Manche tun mehr, als vermutlich der optimistischste Terrorist erwarten konnte.

    Die "heute"- Sendung des ZDF hatte gestern um 19 Uhr als Aufmacher die Meldung, daß es ein Video von Extremisten gibt, in dem der Abzug des deutschen und des österreichischen Militärs aus Afghanistan verlangt wird. Es wurden längere Auszüge aus diesem Video gezeigt, komplett mit den deutschen Untertiteln, die die Terroristen eingebaut hatten. Eine bessere Propaganda hätten sich diese Terroristen überhaupt nicht wünschen können.

    Wer diejenigen sind, die dieses Video produziert haben, welche Bedeutung sie überhaupt innerhalb der El Kaida oder in ihrem Umfeld haben, ist völlig unklar. Das ZDF aber tut ihnen den Gefallen, ihnen just die Publicity zu verschaffen, die sie für ihre Drohungen brauchen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich das schreibe, hat sogar die WebSite von ZDF- "Heute" dieses Thema als Aufmacher.

    Bei der El Kaida dürfte heute, da man ja Sektkorken nicht knallen lassen darf, die Pfeife kreisen. Auch wenn - was man natürlich wußte - die Bundesregierung nicht auf die Erpressung eingehen wird, ist der Propaganda- Erfolg erreicht: Viele Deutsche werden darüber nachdenken, ob man nicht besser aus Afghanistan abzieht, um sich nicht weiter solchen Gefahren auszusetzen.



    "Spiegel-Online" steht dem nicht nach. Zeitweise als Aufmacher brachte SPON eine längere Analyse des kundigen Yassin Musharbash über die Hintergründe der aktuellen Entführung. Was ja lobenswert ist. Aber warum mußte SPON darin Informationen verpacken, die es erlauben, mit ein wenig Googeln auf eine deutschsprachige WebSite zu gelangen, auf der in geradezu unglaublicher Weise Mord verherrlicht wird? Auf der sich seitenlang Eintragungen finden wie dieser:
    Freitag, 22.09. 2006: - Das zum detonieren bringen eines Sprengsatzes, bei einem Auto der abtrünnigen Polizei im Khaless Gebiet, was zur Tötung von 2 von ihnen (einer von ihnen war ein Offizier) und zur Verletzung von anderen führte, aller Lob und Dank gebührt Allah. - Das zum detonieren bringen eines Sprengsatzes, bei einem Humvee-Fahrzeug der abtrünnigen Polizei im Khaless Gebiet, was zur Tötung von 2 von ihnen und zur Verletzung von weiteren führte, aller Lob und Dank gebührt Allah. - Tötung von 2 Spionen, die zu Gunsten der Kreuzdiener arbeiteten, im Katoun Gebiet, aller Lob und Dank gebührt Allah. Samstag. 23. 09. 2006: - Tötung eines Spions, der zu Gunsten der Kreuzdienertruppen arbeitete, in Schahraban, aller Lob und Dank gebührt Allah.
    Am 1. Oktober 2006 zog diese WebSite von Blogspot zu Wordpress um, und wenn man mit umzieht, dann findet man eine riesige Sammlung von Videos, auf denen jede Art von Mord, Folter, von Abscheulichkeiten aller Art zu sehen sind und verherrlicht werden.

    Und man findet dort das Video, das den Deutschen gestern Abend in längeren Auszügen vorzuführen sich die "heute"- Sendung veranlaßt sah.