22. April 2008

Zitat des Tages: Der "Stolz der Paraguayer". Über die parteiliche Berichterstattung der ARD. Und wie ist die Wahl wirklich ausgegangen?

Bisher konnten die Paraguayer nur stolz auf ihre Fußball- Nationalmannschaft sein. Das hat sich heute Nacht geändert.

Die ARD-"Tagesthemen" gestern in einem Korrespondenten- Bericht über den Sieg des Kandidaten der Linken Fernando Lugo bei den Präsidentschaftswahlen in Paraguay.

Kommentar: Wie fast durchgängig bei solchen Ereignissen kann von einer sachlichen Berichterstattung der ARD keine Rede sein. Man kennt das Muster: Der Sieg eines linken Kandidaten oder einer linken Partei wird, wie jetzt, als ein positives Ereignis gemeldet. Ein rechter Wahlsieg, wie vorletzten Montag der Berlusconis, wird hingegen in einem negativen Kontext dargestellt.

Dies nicht in Kommentaren, wo es ja in Ordnung ist, daß der Journalist mitteilt, ob er die eine oder die andere Partei, diesen oder jenen Kandidaten besser findet. Sondern in der Berichterstattung.

Wie parteilich die Berichterstattung in der ARD (und oft auch im ZDF) ist, kann man erst richtig ermessen, wenn man sie mit den Nachrichten in seriösen Sendern wie CNN, BBC World, Al Jazeera English vergleicht. Undenkbar, daß dort im Bericht eines Reporters ein Satz wie der zitierte vorkommt.



Was nun den Sachverhalt angeht, auf den nach der ARD- Berichterstattung die Bewohner Paraguays stolz sein können, so sollte man ihn vielleicht erst einmal zur Kenntnis nehmen. Wie sind die Wahlen denn überhaupt ausgegangen?

Zu diesen Wahlen traten sieben Kandidaten an, darunter diese vier der großen Parteien oder Bündnisse:
  • Fernando Armindo Lugo Méndez, der Kandidat eines Bündnisses aus den folgenden kommunistischen, sozialistischen, linkskatholischen und revolutionären Parteien und Bewegungen:
    * Alianza Patriótica para el Cambio
    * Alianza Democrática Tricolor
    * Alianza Patriótica Socialista
    * Partido Revolucionario Febrerista
    * Partido Liberal Radical Auténtico
    * Partido Demócrata Cristiano
    * Partido Comunista Paraguayo
    * Partido País Solidario
    * Partido Encuentro Nacional
    * Partido Demócrata Progresista
    * Partido Convergencia Popular Socialista
    * Partido de Unidad Popular
    * Partido Frente Amplio de Paraguay
    * Partido Socialista Paraguayo
    * Partido del Movimiento al Socialismo
    * Partido Social Demócrata
    * Bloque Social y Popular
    * Movimiento Popular Tekojoja
    * Movimiento Resistencia Ciudadana
    * Movimiento Acuerdo Ecológico
    * Movimiento Fuerza Republicana
  • Lino César Oviedo Silva, ein rechtskonservativer Politiker und Berufssoldat, war seit 1993 Chef der Streitkräfte Paraguays und gehörte (siehe unten) der Partei der Colorados an. Als der damalige Präsident Juan Carlos Wasmosy ihm 1996 seine Entlassung mitteilte, soll er sich zunächst geweigert und einen Staatsstreich angedroht haben.

    Er kandidierte 1998 für die Präsidentschaft, wurde aber während des Wahlkampfs, in dem er in Führung lag, unter der Beschuldigung dieses angeblich versuchten Staatsstreichs verhaftet und zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der danach gewählte Präsident Raúl Cubas hob das Urteil auf. Nach dem Rücktritt von Cubas flüchtete Oviedo nach Argentinien und dann Brasilien. 2004 kehrte er nach Paraguay zurück und betrieb die Aufhebung des Urteils

    2007 wurde das Urteil vom Obersten Gericht anulliert, nachdem Zeugen die Unschuld von Oviedo bezeugt hatten. Er kandidierte jetzt für die konservative Unión Nacional de Ciudadanos Éticos, deren Vorsitzender er seit 1996 ist.

  • Blanca Margarita Ovelar de Duarte war bisher Kultusministerin und kandidierte für die rechtsbürgerliche Partido Colorado, die unter dem bisherigen Präsidenten Nicanor Duarte Frutos einen sozialdemokratischen Kurs eingeschlagen hatte, mit guten Kontakten zu den links regieten Staaten Lateinamerikas. Frau Ovelar gehört demselben Flügel ihrer Partei an und hatte in den Vorwahlen nur knapp (45,04 Prozent zu 44,50 Prozent) gegen den anderen Kandidaten, Luis Castiglioni, die Kandidatur geschafft

  • Pedro Nicolás Maráa Fadul Niella ist ein christlich- liberaler Ökonom, zeitweise Vorsitzender eines Unternehmerverbands, der bei den Wahlen 2003 für seine Partei Patria Querida angetreten war und über 20 Prozent erreicht hatte.
  • Und wie haben diese vier Kandidat - Lugo für ein kommunistisch- sozialistisch- linkschristliches Bündnis, der rechtskonservative Oviedo, die bürgerlich- sozialdemokratische Blanca Ovelar und der christlich- liberale Fadul - nun abgeschnitten?

    Lugo erhielt 40,82 Prozent, Oviedo 21,98 Prozent, Ovelar 30,72 Prozent und Fadul 2,37 Prozent.

    Das kommunistisch- sozialistische Lager bekam mit Lugo somit 40,82 Prozent, das bürgerliche Lager zusammen 55,07 Prozent. Der ehemalige Colorado Oviedo und die jetzige Kandidatin der Colorados erreichten zusammen die absolute Mehrheit von 52,7 Prozent.

    Nicht wahr, ein linker Sieg sieht anders aus?

    Gäbe es in Paraguay eine Stichwahl, dann würde mit großer Wahrscheinlichkeit Blanca Ovelar sie gewinnen. Aber gewählt ist dort, wer die relative Mehrheit erreicht, und das ist dank der Spaltung des rechtsbürgerlich- konservativen Lagers Lugo.

    Er ist damit in einer ähnlichen Situation wie einst Salvador Allende, der bei den Präsidentschaftswahlen 1970 noch etwas weniger Stimmen bekommen hatte (36,2 Prozent).



    Lugo wird jetzt vor der Entscheidung stehen, ob er gegen die Mehrheit der Wähler eine sozialistische Umgestaltung des Landes versucht, wie sie damals Allende betrieben hatte und wie sie jetzt in Venezuela Chávez betreibt.

    Die kommunistischen und revolutionären Kräfte in seinem Bündnis werden ihn dazu drängen. Ob dieser Mann, der bis zu seiner Suspendierung 2007 als Bischof der Diözese San Pedro amtierte und der noch nie ein politisches Amt innehatte, ihren Pressionen und politischen Winkelzügen gewachsen sein wird, bleibt abzuwarten.

    Gibt er ihnen nach, dann dürfte das, was auf die Paraguayer zukommt, wohl weniger zu Stolz Anlaß geben, als zu Angst und Schrecken.



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