24. April 2008

Marginalie: Präsident Sarkozy vor der Presse. Impressionen

Seit eineinhalb Stunden überträgt France24 ein Pressegespräch von Präsident Sarkozy anläßlich des ersten Jahrestags seiner Amtsübernahme. Daraus ein paar Impressionen.

Das Auffälligste für französische Zuschauer dürfte der völlig andere Stil sein als der aller früherer Amtsinhaber.

Wenn überhaupt einmal der Präsident sich herabließ, mit der Presse zu sprechen, dann hatte das den Charakter einer Audienz. Ein oder zwei ausgewählte Journalisten, offensichtlich abgestimmte Fragen. Serenissimus geruht seinem Volk Fragen zu beantworten. So hatte es de Gaulle eingeführt. So praktizierten es alle seine Nachfolger, von Pompidou über Giscard d'Estaing bis zu Mitterand und Chirac.

Wie ganz anders Sarkozy! Er benimmt sich immer noch mehr wie ein Politiker als wie der Staatspräsident mit der ganzen Würde, die in Frankreich diesem Amt zukommt. Er läßt sich auf Diskussionen ein, fällt den Journalisten ins Wort, kritisiert sie oder ihre Sendungen. Er benimmt sich wie im Wahlkampf, wenn er bestimmte Slogans - plus travailler pour plus gagner zum Beispiel, mehr arbeiten, um mehr zu verdienen - immer wieder repetiert. Wie immer ist er zappelig, fast ein wenig hyperaktiv.

Dabei ist er intellektuell brillant - mit einer beeindruckenden Faktenkenntnis, mit lateinischer Beredsamkeit.

Kurz, er wirkt immer noch wie das Wunderkind, wie diese Mischung aus machtbesessenem Arbeitstier und naivem großen Jungen, die die Schriftstellerin Yasmina Reza beschrieben hat, nachdem sie Sarkozy monatelang im Wahlkampf begleitet hatte.



Dazu gehört auch eine für einen Präsidenten sehr eigenartige Selbstbezogenheit. Unaufhörlich teilt Sarkozy den Franzosen in diesem Gespräch mit, was er für ein Mensch ist - wieviel er arbeitet, welches seine Werte sind, daß er seine Versprechen halte werde, daß er bereit sei, seine Fehler zu korrigieren usw. Eben hat er gesagt "Moi je suis là pour faire". Frei übersetzt: Ich bin ein Macher.

Man stelle sich vor, die Kanzlerin würde sagen: "Ich bin eine Macherin". Das würde in Deutschland als peinlicher empfunden werden als ein mutiges Décolleté.



Bereits zweimal hat Sarkozy jetzt den Vergleich mit Deutschland gezogen. Einmal, als er die niedrigere Steuerquote in Deutschland lobte, dann jetzt eben, als er Vorhersagen zitierte, wonach die französische Wirtschaft in diesem Jahr stärker wachsen werde als die deutsche.

Mir ist das schon oft aufgefallen: In Frankreich schaut man viel mehr auf Deutschland als umgekehrt. Der Vergleich mit dem voisin d'Outre-Rhin, dem Nachbarn jenseits des Rheins, ist in Frankreich allgegenwärtig. Während nach meinem Eindruck in Deutschland viel weniger auf das geachtet wird, was in Frankreich passiert.



Interessant übrigens das Arrangement: Sarkozy sitzt an einem Schreibtisch, ihm gegenüber zwei Moderatoren, sehr bekannte französische Journalisten. Aber nicht sie befragen ihn vor allem, sondern ein dritter Journalist. Zu jedem Themenbereich wird jeweils einer an den Tisch gerufen, als Vierter Mann sozusagen, oder Vierte Frau.

Und noch etwas Auffallendes: Im Hintergrund ist, wie immer, eine große französische Fahne aufgehängt. Aber daneben, in derselben Größe, die Fahne Europas. Ich kann mich nicht erinnern, das jemals bei einem solchen Auftritt eines französischen Staatspräsidenten gesehen zu haben.



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