24. April 2008

Zettels Meckerecke: Demographischer Schwachsinn

Vielleicht haben Sie es sich ja schon lange abgewöhnt, noch die ARD einzuschalten, außer Schmidt und Pocher am Donnerstag, und Montags die Wiederholung von Dittsche, den Sie am Samstag, auf dem neuen Sendeplatz, mal wieder versäumt haben. Dann sind Sie gut dran.

Wer allerdings, vielleicht ja nur aus alter Gewohnheit, in diesen Tagen regelmäßig die ARD oder auch nur eines der Dritten einschaltet, der hat eine gute Chance, von einem Déjà Vu ins nächste befördert zu werden.

Mit einem Langeweile- Faktor, der nun doch schon erheblich an den "Deutschen Fernsehfunk" der DDR erinnert, läuft in dieser Woche nein, zwar keine Kampagne zum sozialistischen Ernteeinsatz, aber so etwas Ähnliches: Es ist eine "Themenwoche". Das Thema der Themenwoche lautet "Demographischer Wandel".

Wenn man die zugehörige WebSite aufruft, dann trifft man, nach einer gewissen Ladezeit, auf eine neckische Animation, die ein wenig an die Bilderbücher erinnert, mit denen Kindern eine Lebenswelt anschaulich vor Augen geführt werden soll. Hier die der "Stadt".

Also sieht man, was so zu einer Stadt gehört: Eine Fabrik, ein Hochhaus, eine Bank, eine Busstation, ein Rathaus, einen Fluß usw. usw. "Und was haben wir denn hiiiiiier? - "Ein Auto" - "Und welche Farbe hat das Auto?" - "Rooot!" - "Richtig, Leonie, richtig, Lukas. Und was macht das Auto?"

Tja, da müssen Leoni und Lukas ein wenig beobachten, denn es ist ja eine Animation. Sie sehen dann, daß das rote Auto aus einer Art Carport fährt, an dem Hochhaus links in der kleinen Stadt, auf dem oben ein rotes Kreuz prangt, damit wir wissen, daß es ein Krankenhaus ist. Dann biegt es links ab, das rote Auto, und verschwindet hinter dem Hochhaus.

Und dann? Dann ist es weg, das rote Auto. Wie vom Erdboden verschluckt. Vielleicht in den Fluß gefallen? Doch nein! Wenn Lukas, wenn Leonie schön brav aufpassen, dann ist das rote Auto auf einmal wieder da. Ganz links oben fährt es ins Bild, hin zum dem Carport. Wie die Sonne, die im Westen unter- und im Osten wieder aufgeht, kommt das Auto, das hinter dem Hochhaus verschwunden war, ganz woanders wieder heraus.

Na, da staunen sie aber, der Lukas, die Leonie.



Sie finden, lieber Leser, so dämlich, so auf das Niveau von Erstkläßlern zugeschnitten wie diese Animation kann doch der Internet- Auftritt der ARD zu dieser "Themenwoche" nicht sein?

Dochdoch. Das geht schon. Denn die Zielgruppe sind zwar nicht Erstkläßler, aber doch sowas Ähnliches, nämlich die Alten. Da muß man alles schon kindgerecht aufbereiten. Also, "Unsere Kleine Stadt", das ist der Einstieg in die einzelnen Themen, für diejenigen, denen es schwer fiele, eine Liste zu lesen.

Stellen Sie sich vor, sie gehören zur Zielgruppe. Dann müssen Sie jetzt mit Ihrem Cursor - wissen Sie, das ist dieser kleine Pfeil, den sie mit der Maus bewegen können (die Maus, das ist dieses kleine Ding in Ihrer Hand) - also, Sie führen jetzt Ihren Cursor über diese unsere Kleine Stadt, und wenn Sie zum Beispiel auf dem Bankgebäude sind, dann werden Sie staunen: Dann erscheint nämlich eine Schrift, und auf der steht: "Bank: Soziale Sicherheit". Sie haben sich nicht verlesen: Bank, soziale Sicherheit. Und wenn Sie darauf klicken, dann erfahren Sie, was Sie darüber erfahren können, in der Themenwoche, in der ARD.

Sie finden, lieber Leser, ich langweile Sie mit dieser Schilderung? Ja, das ist schon möglich. Aber dann sehen Sie sich mal in dieser Themenwoche um, mit der sich die ARD nach ihrer Selbsteinschätzung "programmübergreifend ihrer gesellschaftlichen Verantwortung" stellt. Und wagen Sie es dann noch, mir Langweiligkeit vorzuhalten.

Da konnten Sie zum Beispiel im "Morgenmagazin" der ARD am Montag erleben, wie "TV-Pensionäre" die Sendung moderieren; am Dienstag waren Ballettänzer "im Alter von 64 bis 80 Jahren" zu bestaunen; und heute brachte ein "90jähriger Rocksänger" seine Kunst zu Gehör.

So beginnt der Tag bei der ARD in dieser Themenwoche. Und so geht es dann weiter, den lieben langen Tag. Bis Abends Wiso über die Rentner aufklärt, die aus Spanien zurück nach Deutschland wollen, bis bei Beckmann Hildegard Hamm-Brücher "zum ersten Mal über das Älterwerden" spricht; bis bei Anne Will über "Die Alten übernehmen die Macht" diskutiert wird, dieweil andere Sendungen uns mit dem "3. Frühling" und "Senioren-Pop mit einem Schuß Erotik" Lust aufs Alter machen.

Und wer immer noch nicht genug hat, der kann sich über die "Altenheimhochburg Oyten" informieren, über ein "Altenheim für Migranten", über "Musizieren im Alter" und "Generationswechsel in der Landwirtschaft". Und so fort, Dutzende von Sendungen.



Was soll der Unfug? Die "gesellschaftliche Verantwortung", der sich die ARD- Verantwortlichen gefälligst zu "stellen" haben, besteht darin, uns für unsere Gebühren einen fairen Gegenwert zu liefern, uns also zu unterhalten, uns zu informieren. Wir bezahlen sie nicht dafür, uns mit einer Woche Sendungen zum immer selben Thema zu langweilen.

Nun gut, man braucht sie ja nicht einzuschalten, diese Sendungen. Zumal man viele schon kennt. Denn diese "Themenwoche" war zugleich die Gelegenheit, alte Sendungen zu recyclen.

"Mehr Zeit zu leben - Chancen einer alternden Gesellschaft" lautet der schönfärbende Obertitel dieser Themenwoche. "Eine neue Chance für alte Sendungen" wäre treffender gewesen.



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