28. April 2008

Zettels Meckerecke: Der Wahnwitz der Pendlerpauschale. Wohin es führt, wenn man die Steuerpolitik ideologisch mißbraucht

Die CSU will, speziell deren Chef Huber will die Entfernungspauschale wieder einführen, die auch die "Pendlerpauschale" heißt. So wird es jedenfalls heute berichtet.

"Pendlerpauschale" wird die Entfernungspauschale seit 2001 genannt, als sie als ein Steuergeschenk aus dem rotgrünen Füllhorn über alle Pendler ausgegossen wurde, ob sie nun mit dem Auto fahren oder nicht.

"Pendlerpauschale" benennt den Wahnwitz, der in die Steuergesetzgebung eingeführt wurde, als die rotgrüne Regierung damals beschloß, das, was bis dahin Steuerhinterziehung gewesen war, zu legalisieren; ja geradezu dazu einzuladen.

Jetzt gehe ich aber zu weit, finden Sie? Nein.

Es geht um Werbungskosten. Werbungskosten sind, so sagt es das Einkommensteuergesetz, "Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen".

Aufwendungen. Also das, was man wirklich ausgegeben hat. Das Geld für das Papier zum Beispiel, auf dem der Schriftsteller seine Manuskripte ausdruckt und den Computer, auf dem er sie erstellt. Die Kosten für Fachliteratur beim Lehrer; für das Benzin, das der Außendienstler verbraucht, um zum Kunden zu kommen.

Solche Kosten kann der Steuerpflichtige vom zu versteuernden Einkommen abziehen, denn dieses Geld konnte er ja nicht für seinen Konsum ausgeben. Er setzte es vielmehr ein, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen; vergleichbar den Betriebsausgaben eines Unternehmens.

Jeder, der Einkommensteuer zahlt und Werbungskosten geltend machen kann, weiß, daß es in diesem Bereich viele Versuchungen zum Schummeln gibt. Privat erworbene Bücher werden als Fachliteratur abgesetzt; Privatfahrten als beruflich bedingte Fahrten usw. Es werden überhöhte Rechnungen ausgestellt und der Betrag als Werbungskosten geltend gemacht.

Das ist Steuerhinterziehung. Es ist Steuerhinterziehung, weil man Ausgaben als Werbungskosten deklariert, die einem gar nicht oder nicht als Werbungskosten entstanden sind, oder die man nicht in der angegebenen Höhe hatte.



Um nachprüfen zu können, ob die angegebenen Aufwendungen auch wirklich entstanden waren, verlangt das Finanzamt Belege. Auch für die Fahrten zwischen Arbeitsplatz und "häuslicher Wohnung" tat es das, bevor die "Pendlerpauschale" erfunden wurde.

Wer vor 2001 mit der Bahn fuhr, der mußte die Fahrkarten vorlegen. Wer mit dem Auto fuhr, mußte seine Kfz-Nummer angeben. Dann allerdings wurden die Fahrtkosten pauschalisiert, da sich die Kosten eines Kfz nur schwer so aufschlüsseln lassen, daß man sie für die Fahrten zur Arbeit getrennt berechnen kann. Die Pauschale war aber so bemessen, daß sie ungefähr die tatsächlichen Kosten für ein durchschnittlich teures Auto traf.

So war es bis zum Jahr 2001. Mit der Änderung des Einkommensteuergesetzes - des Paragraphen 9, Absatz 1, Satz 3, Nummer 4d, um genau zu sein - im Jahr 2001 wurde es hingegen legal, Werbungskosten in die Steuererklärung einzutragen, die dem Steuerpflichtigen gar nicht entstanden sind.

Das war die ausdrückliche Absicht des Gesetzgebers, als er bestimmte, daß der "Abzug der Pauschale bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ... für alle Pendler (gilt), unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen und gleichgültig, ob sie zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Motorrad, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Kraftwagen zur Arbeitsstelle gelangen."

Das Ziel dieser Gesetzesänderung war es, Pendler dazu zu bewegen, nicht mit dem Auto zu fahren; jedenfalls nicht als Einzelner, mit dem eigenen. Es sollte ein Anreiz geschaffen werden, Fahrgemeinschaften zu bilden, das Fahrrad oder den ÖPNV zu benutzen, kurze Entfernungen vielleicht gar zu Fuß zurückzulegen.

Die Kosten, die dadurch dem Steuerpflichtigen nicht entstanden, konnte er gleichwohl in Form der Pendlerpauschale steuermindernd geltend machen.

Der Staat lud dazu ein, ihm zustehende Steuern nicht zu bezahlen, indem man gar nicht entstandene Kosten ganz legal absetzen durfte.



Die Ideologen hatten das Steuerrecht für ihre Zwecke zurechtgebogen.

Auf Dauer war das finanziell nicht haltbar. Aber statt wieder zu der vernünftigen Regelung zurückzugehen, die bis 2001 gegolten hatte, zog man zum Januar 2007 die Notbremse und legte einfach fest, daß die Kosten für den Weg zur und von der Arbeit überhaupt keine Werbungskosten seien. Die berufliche Tätigkeit beginne erst, wenn man den Arbeitsplatz erreicht habe ("Werkstorprinzip"). Gnädig gewährte man, daß die Fahrtkosten ab 20 km "wie Werbungskosten" zu behandeln seien.

Dies war eine nachgerade unverschämte Willkürentscheidung. Sie wird ja inzwischen auch verfassungsrechtlich geprüft; mit guten Aussichten, gekippt zu werden.

Sie wurde getroffen, weil man sich dem Aufschrei der Ideologen nicht aussetzen wollte, der unweigerlich erschollen wäre, wenn man zur alten Regelung zurückgekehrt wäre und damit - in den Augen der Ideologen, in ihrer Propaganda vor allem - ausgerechnet das Auto, diesen blechgewordenen Satanas, wieder "steuerlich begünstigt" hätte. (Was freilich keine Begünstigung gewesen wäre, sondern nur die Wiederherstellung von Steuergerechtigkeit).

Aber nicht diese Willkürentscheidung war der Sündenfall, sondern die Ideologisierung der Steuergesetzgebung durch die Rotgrünen im Jahr 2001.



Eine Aufklärung über diese Hintergründe des jetzigen bayrischen Vorstoßes hätte ich mir zum Beispiel vom heutigen "Morgenmagazin" der ARD gewünscht. Stattdessen wurde die Berichterstattung - bezeichnend für diese Sendung - auf den Verdacht zugeschnitten, der jetzige Vorstoß der CSU sei wahlkampfbedingt.

Das mag er ja sein. Auch ein Wahlkampf kann dazu motivieren, etwas Vernünftiges zu tun oder zu fordern

Vernünftig nun allerdings wäre nicht die Wiedereinführung des rotgrünen Monstrums "Pendlerpauschale", sondern die Rückkehr zu der Selbstverständlichkeit, daß erstens auch Fahrtkosten Werbungskosten sind und daß sie zweitens in genau der Höhe geltend gemacht werden können, in der sie tatsächlich entstanden sind.



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