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24. September 2009

Marginalie: Ein gemeinsamer Text von Otto von Habsburg und Daniel Cohn-Bendit - kann es das geben? Es gibt es

Der Text ist am Dienstag in seiner deutschen Version in der "Welt" erschienen. Aufmerksam geworden bin ich auf ihn durch den Blog Alemania: Economía, Sociedad y Derecho. Die englische Version hat der britische Guardian publiziert. Dort wird der Text als Offener Brief bezeichnet.

Zu den weiteren Verfassern neben Cohn-Bendit und Otto von Habsburg gehören u.a. Vaclav Havel und Adam Michnik, die vor 1989 wegen ihres Einsatzes für die Freiheit in der damaligen CSSR und in Polen von den Kommunisten verfolgt wurden.

Es handelt es sich also nicht um einen jener "Aufrufe", in denen Regisseure, Künstler usw. etwas "fordern" oder "verurteilen"; siehe Jetzt aufrufen sie wieder; ZR vom 9. 9. 2009. Sondern diejenigen, die den Text publizieren, sind Menschen, die das Thema hautnah kennen, über das sie schreiben.

Dieses Thema ist der russische Imperialismus. Er war vor gut einem Jahr in den Schlagzeilen, als russische Truppen in Georgien und georgische Truppen in den von Separatisten kontrollierten Landesteil Südossetien einmarschiert waren. Auch hier in ZR gab es damals zahlreiche Artikel zu diesem Thema; u.a. die vierteilige Serie Georgien und der russische Imperialismus. Die militärisch weit überlegenen Russen siegten bekanntlich. Seither ist es um Georgien in den Medien still geworden.

Der aktuelle Anlaß für die Publikation des Offenen Briefs ist die bevorstehende Veröffentlichung eines Berichts der EU über den Georgien- Krieg. Nach dem, was darüber durchgesickert ist, wird dieser Bericht Georgien für den Krieg verantwortlich machen.

Dagegen wenden sich die Autoren des Offenen Briefs; und zwar mit - wie mir scheint - guten Gründen:
... eine Großmacht wird immer einen Vorwand finden oder konstruieren, um in einen Nachbarstaat einzumarschieren, dessen Unabhängigkeit sie stört. Wir sollten uns erinnern, dass Hitler den Polen 1939 vorwarf, mit den Feindseligkeiten begonnen zu haben, ebenso gab Stalin den Finnen die Schuld, als er 1940 in ihr Land einmarschierte. Gleichermaßen lautet im Falle Georgiens und Russlands die entscheidende Frage nicht, welcher Soldat den ersten Schuss abgegeben hat, sondern vielmehr, welches Land in das andere einmarschiert ist.
Die Parallele zum deutsch- sowjetischen Überfall auf Polen und dem sowjetischen Überfall auf Finnland mag auf den ersten Blick weit hergeholt erscheinen.

Gewiß ist Putin kein Hitler oder Stalin; und gewiß wird der Einmarsch nach Georgien nicht einen Weltkrieg auslösen. Aber Putins Ziel, Rußland die Hegemonie über die Länder an seiner Peripherie zu sichern, steht durchaus in der Tradition der Sowjet- Politik. Auch der Einsatz überlegener militärischer Macht, um dieses Ziel zu erreichen.

Und noch eine weitere, beklemmede Parallele sehen die Autoren:
Die EU wurde gegen die Versuchungen Münchens und des Eisernen Vorhangs errichtet. Es wäre zutiefst katastrophal, wenn wir in irgendeiner Form den Eindruck erweckten, jene Art Praktiken stillschweigend hinzunehmen, die unseren Kontinent in den Krieg gestürzt und für den größten Teil des letzten Jahrhunderts geteilt haben. Auf dem Spiel steht nicht weniger als das Schicksal des Projekts, dem wir auch weiterhin unser Leben widmen: der friedlichen und demokratischen Wiedervereinigung des europäischen Kontinents.
In der Tat hat die Politik der EU gegenüber den Hegemonial- Ansprüchen Rußlands manche Ähnlichkeit mit der Appeasement- Politik der Dreißiger Jahre. Damals sprach man in den westlichen Demokratien oft von den "berechtigten Forderungen" Hitlers. Heute wird Verständnis für die "Sicherheitsinteressen" Rußlands geäußert, dem ein hegemonialer Einfluß auf Länder wie die Ukraine und Georgien sozusagen zustehe.

Besonders besorgniserregend ist, daß die USA des Präsidenten Obama auf einen solchen Kurs der Anerkennung russischer Hegemonie umgeschwenkt zu sein scheinen. Was sich schon kurz nach Obamas Amtsantritt abgezeichnet hatte (siehe Obamas wackelnde Regierung; ZR vom 10.2.2009), ist jetzt Realität geworden: Die USA werden das Raketenabwehr- System in Polen und Tschechien nicht errichten. Sie anerkennen damit die russischen Machtansprüche in Osteuropa.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.

22. April 2009

Zitat des Tages: "Der Iran lädt Obama ein, sich zu demütigen". Die Politik der "ausgestreckten Hand" zeigt ihre Wirkungen

What Iran is doing is inviting Mr. Obama to humiliate his new administration by launching talks with the regime even while it is conspicuously expanding its nuclear program, campaigning to delegitimize and destroy Israel and imprisoning innocent Americans.

(Was der Iran macht, ist dies: Er lädt Obama ein, seine neue Regierung zu demütigen. Er soll Gespräche mit dem Regime starten, während dieses zugleich demonstrativ sein Atomprogramm ausweitet, einen Feldzug führt, um Israel die Anerkennung zu entziehen und es zu zerstören, und unschuldige Amerikaner ins Gefängnis wirft.)

Die Washington Post heute in einem Editorial über die USA-Politik des Iran. Überschrift: "Invitation to Appease"; Einladung zur Appeasementpolitik.

Kommentar: Präsident Obamas Politik der "ausgestreckten Hand" hat dazu geführt, daß Ahmadinedschad in Genf eine Rede hielt, "seemingly calculated to cause maximum outrage in the United States and other Western countries"; so die Washington Post - offenbar kalkuliert, um in den USA und anderen westlichen Ländern maximale Empörung auszulösen.

Obamas Politik der "ausgestreckten Hand" hat auch Nordkorea den Mut gegeben, nicht nur unter Bruch einer UNO-Auflage eine Interkontinental- Rakete zu testen, sondern gleich auch noch am Dienstag vergangener Woche formal alle Zugeständnisse zu annullieren, die ihm die Regierung Bush zu seinem Nuklearprogramm abgerungen hatte.

Dieses wird jetzt in vollem Umfang wieder aufgenommen; der am 27. Juni vergangenen Jahres mit viel Tamtam gesprengte Kühlturm der Nuklearanlage von Yongbyon soll ersetzt werden.

Und wie wirkt sich Obamas Politik der "ausgestreckten Hand" in Osteuropa aus? Dazu empfehle ich, was Califax gestern in "The Outside of the Asylum" geschrieben hat, sowie den gestrigen AP-Artikel von Lynn Berry.

Unter Bruch des mit der EU ausgehandelten Waffenstillstands hat Rußland Truppen nur 40 km vor Tiflis auf georgischem Boden stationiert, die in den letzten Tagen verstärkt wurden. Seit Anfang April hat Rußland außerdem 130 gepanzerte Fahrzeuge an die Grenze zwischen Südossetien und Georgien verlegt und weitere 80 von Rußland nach Südossetien geschickt.

Kommentar von Lynn Berry:
The actions by Russia reflect both its military strength and its willingness to challenge the West to reclaim a dominant role in Georgia and elsewhere in its former sphere of influence.

Die Aktionen Rußlands drücken sowohl seine militärische Stärke aus als auch seine Entschlossenheit, den Westen herauszufordern und wieder eine beherrschende Rolle in Georgien und anderswo in seiner früheren Einflußzone zu spielen.



Das ist das Ergebnis von hundert Tagen "Politik der ausgestreckten Hand". Geradezu ostentativ machen der Iran, Nordkorea und Rußland deutlich, daß sie überzeugt sind, der Regierung Obama auf der Nase herumtanzen zu können.

Mit der dreistesten Symbolik hat das ein weiterer Gegenspieler Obamas, der Präsident Hugo Chávez, zum Ausdruck gebracht. Schauen Sie sich einmal dieses Bild vom Lateinamerika- Gipfel an; achten Sie vor allem auf die Hände der beiden Händeschüttler.

Worauf zeigt Obamas Zeigefinger? Auf ein Buch, das ihm Chávez gerade überreicht. Es handelt sich um so etwas wie die Bibel des lateinamerikanischen Antiamerikanismus, "Open Veins of Latin America: Five Centuries of the Pillage of a Continent" (Die offenen Adern Lateinamerikas: Fünf Jahrhunderte Ausplünderung eines Kontinents) von Eduardo Galeano.

Nachdem Obama ohne Protest dieses "Geschenk" entgegengenommen hatte, schoß das Buch auf der Bestsellerliste von Amazon von Platz 54.295 auf Platz 2.

Dazu gestern der ehemalige UN-Botschafter der USA John Bolton in Fox News:
I think the most troubling aspect of this is, what it showed about the president, how superficial and uninformed he is about diplomacy, about our history in this hemisphere, and about the message he is sending to the Chavezes, Ahmadinejads and Kim Jong-Ils in the world — which is basically, you don't have anything to worry about from this administration.

Ich glaube, der beunruhigendste Aspekt ist, was es über den Präsidenten erkennen ließ - wie oberflächlich und uninformiert er über Diplomatie ist, über unsere Geschichte in dieser Hemisphäre und über die Botschaft, die er den Chávez, Ahmadinedschad, Kim Jong-Il dieser Welt zukommen läßt. Diese lautet im Kern: Von dieser Regierung habt ihr nichts zu befürchten.
Trefflich zusammengefaßt. Obama übertrifft alle Erwartungen; selbst meine pessimistischsten.



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11. März 2009

Zitat des Tages: Der "diplomatische Blitzkrieg" des Präsidenten Obama. Simultanschach eines Nicht-Großmeisters. Für Osteuropa wird es schwer werden

Obama has put into motion a global diplomatic offensive fueled by a dizzying array of special envoys designed to change the dynamic of its relations with key allies like the Europeans and adversaries like the Russians, the Taliban, the Iranians and the Syrians.

This diplomatic blitzkrieg may spin the press into a frenzy. But once we look beyond the handshakes, press conferences and newspaper headlines and drill down into the core, unadulterated demands of each player in question, it becomes clear that such a diplomatic offensive actually could end up yielding very little of substance if it fails to address the real issues.


(Obama hat eine weltweite diplomatische Offensive in Gang gesetzt, die von einer atemberaubenden Riege von Sondergesandten am Laufen gehalten wird. Das Ziel ist es, die Dynamik der Beziehungen zu besonders wichtigen Alliierten wie den Europäern und zu Gegnern wie den Russen, den Taliban, den Iranern und den Syrern zu verändern.

Dieser diplomatische Blitzkrieg mag die Presse vor Verzückung durchdrehen lassen. Aber wenn wir über das Händeschütteln, die Pressekonferenzen und die Schlagzeilen in den Zeitungen hinausblicken und zu den zentralen, ungeschminkten Forderung jedes der fraglichen Mitspieler vorstoßen, dann wird klar, daß eine solche diplomatische Offensive in Wahrheit darauf hinauslaufen könnte, sehr wenig Substantielles zu erbringen, wenn sie die wirklichen Probleme verfehlt.)

Reva Bhalla gestern im auf Geheimdienst- Informationen spezialisierten Informationsdienst Stratfor über die Außenpolitik Präsident Obamas.

Kommentar: Soweit sie bisher erkennbar ist, ist die Außenpolitik des Präsidenten Obama vom selben Stil geprägt wie der Wahlkampf des Kandidaten Obama: Die ganz große Show. Versprechen, Übertreibungen, Knalleffekte.

Beim Kandidaten waren das Worte. Jetzt kann er handeln; und aus den großen Worten wird leerer Aktionismus.

Mich erinnert das manchmal an einen der bekannten Sprüche des Mai '68 in Paris: "Ce que nous voulons? Tout et tout de suite!". Als "Wir wollen alles, und zwar sofort" hat das seinen Weg damals auch zu den deutschen Genossen gefunden.

Das Ergebnis dieses hektischen Aktionismus ist abzusehen: Entweder kommt nichts heraus. Oder aber der jeweilige Verhandlungspartner zieht die Regierung Obama über den Tisch.

Auch die US-Diplomatie hat keine unbegrenzten Ressourcen. Obama agiert derzeit wie ein Simultan- Schachspieler, der gegen ein Dutzend Kontrahenten spielt. Nur daß er ein Anfänger ist, während auf der anderen Seiten des Bretts jeweils ausgebuffte Meister sitzen.



Wenn die Welt Glück hat, endet das alles nur wie das Hornberger Schießen. Wenn eine Region Pech hat, dann läßt sich aber Obama über den Tisch ziehen. Solch eine Region könnte Osteuropa sein. Reva Bhalla:
The Russians are pushing for a grand deal that guarantees a rollback of NATO expansion to Georgia and Ukraine, scraps plans for U.S. ballistic missile defense (BMD), maintains some semblance of Russian nuclear parity in post-Cold War treaties, and ensures Western noninterference in a region that runs from the Baltics down through Eastern Europe and across the Caucasus and Central Asia — what Russia views as its rightful sphere of influence.

Die Russen drängen auf ein umfassendes Abkommen, das den Rollback einer Ausdehnung der NATO nach Georgien und in die Ukraine vorsieht, das die Pläne für eine US- Raketenabwehr (BMD) kassiert, das in den Abkommen in der Zeit nach dem Kalten Krieg so etwas wie eine nukleare Ebenbürtigkeit aufrechterhält und das es sicherstellt, daß der Westen auf die Einmischung in einer Region verzichtet, die vom Baltikum durch Osteuropa und über den Kaukasus hinweg bis nach Zentralasien reicht - das, was Rußland als seine rechtmäßige Einflußsphäre ansieht.
Ich habe Rollback unübersetzt gelassen, weil das ein Schlüsselbegriff ist. Der Begriff entstand zur Zeit des Kalten Kriegs und wurde später wieder von der Regierung Präsident Reagans verwendet. Gemeint war das Zurückdrängen des Kommunismus aus Gebieten, die er erobert hatte.

Jetzt versucht Rußland umgekehrt, den Westen aus seiner "Einflußsphäre" herauszudrängen. Das ist keine Marotte Putins, sondern es ist eine langfristige, von den Strategen der russischen Außenpolitik sorgsam erarbeitete und historisch begründete Politik.

Ich habe das anläßlich des Überfalls auf Georgien, der ein Schritt bei der Umsetzung dieser Politik war, in zwei Artikeln über Igor Maximytschew analysiert, einen der Architekten dieser Politik; langgedienter russischer Diplomat und jetzt Leiter des Bereichs "Europäische Sicherheit" am Europa- Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Solche Leute aus der Schule Molotows und Gromykos - exzellente Diplomaten, unterstützt von einem Geheimdienst, der Jahrzehnte lang Osteuropa kontrolliert hat - sind die Gegenspieler der "Sondergesandten", mit denen Präsident Obama seine neue Osteuropa- und Rußlandpolitik betreibt. Jener Präsident, dem das Wall Street Journal bereits bescheinigt hat, in Bezug auf die Raketenabwehr in Osteuropa zu "wackeln".

Wie das für die Osteuropäer ausgehen wird, ist absehbar.



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24. Januar 2009

Warum der Anschlag in Mumbai die Freiheit Osteuropas bedroht. George Friedmans geopolitisches Mosaik

Bei der juristischen Aufarbeitung der "Spiegel"- Affäre des Jahres 1962 tauchte die sogenannte "Mosaik- Theorie" auf.

Der "Spiegel" hatte damals nachgewiesen, daß alle Fakten in dem inkriminierten Artikel "Bedingt abwehrbereit", denen der Vorwurf des Landesverrats gegolten hatte, zuvor schon anderswo veröffentlicht gewesen waren. Dem wurde die Mosaik- Theorie entgegengehalten: Dadurch, daß er diese Fakten zusammengeführt habe, hätte der "Spiegel" eine "militärisch wesentliche Zusammenfassung" geleistet; und das sei Geheimnisverrat.

Als Vorwurf gegen den "Spiegel" war das damals einigermaßen absurd; aber in der Sache ist es so falsch nicht. Ein wesentlicher Teil der Arbeit von Geheimdiensten besteht darin, an sich bekannte Fakten so zusammenzuführen, daß neue Erkenntnisse entstehen.



Stratfor ist kein Geheimdienst, sondern verkauft Informationen. Allerdings ist es ein Informationsdienst, der seinen Abonnenten - und in beschränktem Umfang auch dem allgemeinen Publikum - Analysen anbietet, wie sie auch von Geheimdiensten erarbeitet werden. Eine besondere Rolle spielt auch hier das Zusammenführen von Informationen aus unterschiedlichen Quellen, aus weit entfernten Teilen der Erde. Das Erstellen eines Mosaiks aus Informations- Steinchen also.

Ein Musterbeispiel ist ein Artikel des Gründers und Leiters von Stratfor, George Friedman, der sich Anfang dieser Woche mit der geopolitischen Situation befaßte, wie Präsident Obama sie bei seinem Amtsantritt vorfindet. Titel: "Obama enters the Great Game" - Obama wird Teilnehmer des Große Spiels.

"Groß" ist dieses Spiel in zweierlei Hinsicht. Erstens, weil es um die globale Verteilung der Macht geht. Zweitens, weil in diesem Spiel voneinander geographisch weit entfernte Schauplätze eine Rolle spielen.

Friedman beschreibt ein Mosaik von Zusammenhängen und Abhängigkeiten. Wenn man ein Mosaik beschreiben will, muß man dessen zweidimensionales Muster linearisieren, wie es die Sprache nun einmal verlangt. Einen "Anfang des Fadens" gibt es eigentlich nicht. Aber man muß irgendwo anfangen. Friedman fängt bei den Anschlägen von Mumbai Ende November 2008 an.



Schon damals war - unter anderem von Stratfor - vermutet worden, daß die eigentliche Zielrichtung der Aktion das indisch- pakistanische Verhältnis war: Die Spannungen zwischen den beiden Ländern sollten so angeheizt werden, daß Pakistan gezwungen sein würde, Truppen an die Grenze zu Indien zu verlegen. Diese würden von der Grenze zu Afghanistan abgezogen werden müssen, also aus dem Operationsgebiet gegen die Kaida und die Taliban.

Die von Stratfor damals vorhergesagte Truppenverlegung hat inzwischen in der Tat stattgefunden, bisher aber glücklicherweise nicht zu der befürchteten Konfrontation geführt. Aber die Beziehungen zwischen Pakistan und Indien bleiben auch weiterhin gespannt. Die militärischer Lage im Grenzgebiet zu Afghanistan ist unsicherer denn je.

Und das nun - so Friedman - hat unmittelbare Konsequenzen für die Strategie, die Präsident Obama offensichtlich für Afghanistan plant: Nach dem Vorbild des Surge im Irak soll die Truppenstärke dort erhöht und sollen die Taliban so geschwächt werden, daß sie schließlich die Waffen niederlegen und sich in Teilen in die Regierung integrieren lassen.

Das verlangt einen verstärkten Nachschub nach Afghanistan.

Hier nun kommt die Geopolitik ins Spiel: Dieser Nachschub verläuft nämlich bisher überwiegend (zu rund drei Vierteln) über Pakistan. Das Benzin, die Munition, die Verpflegung und sonstige Nachschub- Güter werden in Karachi auf Laster geladen und auf zwei Routen (eine über den Khyber- Paß, die andere über das pakistanische Chaman in Richtung Kandahar) nach Afghanistan transportiert.

In dem Maß, in dem die militärische Lage in Pakistan unsicher wird, sind diese für die US-Operationen in Afghanistan lebenswichtigen Nachschub- Linien gefährdet. Obamas Surge- Strategie verlangt es deshalb, neue Wege für den Nachschub aufzubauen.



Damit wandert der geostrategische Blick nach Moskau. Denn es kommen, schreibt Friedman, im wesentlich zwei Routen in Frage: Die eine über Georgien bzw. die Türkei und Armenien, Aserbeidschan und Turkmenistan; die andere über Kasachstan und Usbekistan (siehe diese Karte).

Die zweite Route würde Kasachstan direkt über russisches Gebiet erreichen; die zweite würde durch die unter russischem Einfluß stehenden Staaten Turkmenistan und evtl. Armenien führen; möglicherweise auch durch Georgien.

Welche der Routen Obama auch wählt - er muß sich also mit den Russen ins Benehmen setzen. Die nur zustimmen werden, wenn diplomatischer Druck auf sie ausgeübt wird und/oder wenn ihnen ein für sie interessanter Preis gezahlt wird.

Damit kommt Osteuropa ins Spiel, und damit gewinnt die gerade beendete Erdgas- Krise ihren Stellenwert.

Was den Druck auf Moskau angeht, müßte er, meint Friedman, eigentlich von den Europäern kommen, die ja in Afghanistan ebenfalls militärisch engagiert sind und insofern dieselben Interessen an neuen Nachschub- Routen haben wie die USA. Es würde auch der von Präsident Obama angekündigten "multilateralen" Außenpolitik entsprechen, die Europäer in die Pflicht zu nehmen.

Nur sei deren Bereitschaft zu helfen gering. Zum einen seien sie in Afghanistan ohnehin nicht übermäßig engagiert. Und zweitens hätte ihnen Rußland, indem es den Gashahn zudrehte, gerade klargemacht, wie abhängig sie von Rußland sind.

Viel Druck könnten die Europäer auf die Russen gar nicht ausüben, selbst wenn sie wollten. Schreibt Friedman; und ich sehe nicht, daß man ihm widerprechen könnte.



Bleibt also, mangels einer Peitsche, das Zuckerbrot. Was könnte man den Russen als Preis für ihre Bereitschaft anbieten, einer der beiden neuen Nachschublinien zuzustimmen?

Friedman geht von einer Analyse aus, die auch in diesem Blog schon oft zu lesen war: Daß das vorrangige Ziel der russischen Außenpolitik seit dem Aufstieg Putins die Wiederherstellung des verlorenen Reichs (der Zaren, der Sowjets) ist; vorerst in Form einer Einflußzone.

Von der "Wiederherstellung einer russischen 'Einflußsphäre' dort, wo es einmal die Sowjetunion und ihre Satelliten gegeben hatte" habe ich im vergangenen November geschrieben; zu fast wörtlich derselben Einschätzung kommt jetzt Friedman: "Simply put, the Russians will demand that the United States acknowledge a Russian sphere of influence in the former Soviet Union" - einfach gesagt, würden die Russen verlangen, daß die USA eine russischen Einflußsphäre in der früheren Sowjetunion anerkennen.



Wie das aussehen könnte, schildert Friedman im Detail:
  • Keine Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die NATO

  • Keine amerikanischen Truppen in diesen beiden Ländern

  • Keine Stationierung größerer amerikanischer Verbände und keine größeren Stützpunkte in den NATO- Ländern Estland, Lettland und Litauen. Die Russen würden darauf drängen, das förmlich zu vereinbaren, was die westlich orientierten dortigen Regierungen schwächen und - das wäre das russische Ziel - rußlandfreundliche Regierungen an die Macht bringen könnte

  • Außerdem würden die Russen das geplante Raketen- Abwehrsystem in Tschechien und Polen ins Spiel bringen und Forderungen in Bezug auf Zentralasien stellen
  • Wird sich Präsident Obama hierauf einlassen? Er wird diese Zugeständnisse nicht öffentlich, nicht formell machen wollen, meint George Friedman. Aber genau darauf würden die Russen wohl beharren.



    Soweit eine Zusammenfassung des Artikels von Friedman. Mein eigener Kommentar dazu: Unter Präsident Bush hätten sich die Osteuropäer wohl keine Sorgen machen müssen. Er hat bis zuletzt einen Beschluß zur Aufnahme Georgiens in die NATO angestrebt. Wie sich Präsident Obama verhalten wird, weiß niemand, da bisher ja über seine Außenpolitik im wesentlichen nur bekannt ist, daß sie "multilateral" und irgendwie netter sein soll als die Bushs.

    Warten wir also ab. Jedenfalls liefert Friedmans Analyse aus meiner Sicht einen nützlichen Rahmen, um das einzuordnen und zu bewerten, was die Regierung Obama in Bezug auf Pakistan, Afghanistan, Rußland und Osteuropa in nächster Zeit unternehmen wird.



    Für Kommentare bitte hier klicken. Foto: Hoshie; der Public Domain zur Verfügung gestellt.

    6. November 2008

    Zitat des Tages: "In Medwedews Rede herrschte ein scharfer Ton. Ob Obama diese Botschaft verstehen wird?" Ein russischer Hintergrundkommentar

    Die neu gewählten Präsidenten der USA und Russlands, Barack Obama und Dmitri Medwedew, haben gleichermaßen mit ernsthaften Problemen zu kämpfen. Gerade deswegen werden beide mehrmals dazu gezwungen sein, Härte zu zeigen.

    Dies war deutlich in dem außenpolitischen Teil der diesjährigen Jahresbotschaft des russischen Präsidenten an die Föderalversammlung zu spüren. In diesem Teil der Rede Medwedews herrschte ein scharfer Ton. Es ist gewissermaßen sogar sehr gut, dass Obama auf dem Höhepunkt seines Erfolgs und am Tag, der der freudigste Tag für die nächsten Jahre sein sollte, so eine Botschaft aus Moskau kriegt. Die Frage aber ist die - ob er diese Botschaft verstehen wird?


    Dmitri Kossyrew, politischer Kommentator der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti, unter der Überschrift "Medwedew zeigt Härte gegenüber USA" über die Jahresbotschaft des russischen Präsidenten Medwedew.

    Kommentar: Der gewählte Vizepräsident Joe Biden hatte es am 19. Oktober vorhergesagt:
    Mark my words. It will not be six months before the world tests Barack Obama like they did John Kennedy. (...) Watch, we're gonna have an international crisis, a generated crisis, to test the mettle of this guy.

    Halten Sie fest, was ich jetzt sage. Es wird keine sechs Monate dauern, bis die Welt Barack Obama prüft, wie sie John Kennedy geprüft haben. (...) Geben Sie Obacht, es wird eine internationale Krise geben, eine herbeigeführte Krise, um dem Mann auf den Zahn zu fühlen.
    Es scheint, daß Putin und sein Medwedew keine sechs Monate gewartet haben. Wohl nicht, was die eigentliche Krise angeht. Aber einen kleinen Vorgeschmack bekommt Obama schon jetzt.

    Medwedew verkündete am Tag nach dem Wahlsieg von Obama nicht nur, daß Rußland im Gebiet von Kaliningrad (Königsberg) "Iskander"- Raketen aufstellen werde, die eine Reichweite von 300 km haben, also Polen unmittelbar bedrohen, und die dazu dienen sollen, "das geplante US-Raketenabwehrsystem in Europa zu neutralisieren".

    Wichtiger - und in den hiesigen Medien wenig beachtet - ist der Zusammenhang, den Medwedew zwischen diesen Raketen, der Krise im Kaukasus und dem internationalen Finanzsystem hergestellt hat. Kossyrew schreibt dazu:
    Einerseits sind in der Rede des russischen Präsidenten die Motive zur Sprache gebracht worden, die eigentlich schon allseits bekannt sind, insbesondere, was die Installierung des Raketenabwehrschildes in Polen und Tschechien betrifft. Obwohl, merkwürdig... In einem Satz sind quasi die Finanzkrise und die Krise im Kaukasus vereint worden. So etwas gab es noch nie. (...) Es gibt noch zwei Zitate, die deutlich zeigen, dass in Russland die beiden Krisen im Prinzip als etwas empfunden werden, was miteinander eng verbunden ist. (...)

    Man kann also zu dem Schluss kommen, dass Russland - und nicht nur allein Russland - eine gewisse Angst verspürt, dass die USA versuchen würden, aus der Krise auf nicht ganz finanzielle Art und Weise herauszukommen, genau gesagt, dass Washington versuchen könnte, diesen "Knoten" militärisch durchzuschlagen. Wo konkret? Im Kaukasus? (...)

    Der russische Vizeaußenminister Grigori Karassin kündigte bereits an, dass man in Moskau "frische Ideen und Herangehensweisen" vom neuen US-Präsidenten erwarte, insbesondere in Bezug auf die kompliziertesten Konflikte der Außenpolitik. Sobald dieser Prozess beginnt, werden die Töne aus Moskau einen sanfteren Klang haben.
    Die Botschaft ist deutlich: Im Kaukasus wird sich Rußland von den USA nicht mehr hineinreden lassen. Falls die Polen glauben, sie seien durch die Aufstellung von US- Abwehrraketen auf ihrem Gebiet vor Rußland sicherer, dann irren sie; sie werden jetzt erst recht bedroht werden.

    Erst wenn Obama einsieht, daß er als Präsident in Ost- und Südosteuropa nichts verloren hat, werden "die Töne aus Moskau einen sanfteren Klang haben". Und die russische Bereitschaft oder Weigerung, bei der Lösung der Finanzkrise zu kooperieren, ist Zuckerbrot und Peitsche in einem, um ihn bei diesem Lernprozeß zu unterstützen.



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    22. Oktober 2008

    Wie Wladimir Putin aus einer Luftwaffenbasis ein Sanatorium zauberte, und aus dem Sanatorium wieder einen Militärstützpunkt. Ein Lehrstück

    Kennen Sie Gudauta? Nein? Dann lesen Sie hier die Geschichte der seltsamen Verwandlung von Gudauta.

    Gudauta ist eine Stadt in Georgien. Ein Badeort, eine Kleinstadt, nordwestlich der Provinzhauptstadt Sukhumi am Schwarzen Meer gelegen. Die Vignette zeigt das Rathaus im Zentrum Gudautas.

    "Eine Stadt in Georgien" stimmt allerdings nicht ganz. Oder vielmehr: Man kann darüber streiten, ob es stimmt. Gudauto liegt nämlich in Abchasien. Und Abchasien ist zwar eine Provinz Georgiens, aber die dort im Augenblick Herrschenden haben die Unabhängigkeit der Provinz erklärt.

    Mit der internationalen Anerkennung hapert es allerdings noch etwas. Bisher wurde Abchasien nur von Rußland und von Nicaragua als Staat anerkannt. Ob sich das noch sehr ändern wird, ist fraglich; denn die Vermutung liegt nahe, daß die Unabhängigkeit nur ein Schritt auf dem Weg zur Einverleibung Abchasiens in die Russische Föderation ist.



    Womit ich beim Thema bin. Das Interessante an Gudauta ist nämlich nicht seine Qualität als Badeort, sondern der Umstand, daß sich dort eine russische Militärbasis befindet. Das heißt, eigentlich dürfte sich dort gar keine russische Militärbasis befinden.

    Bei Gudauta liegt der Luftwaffen- Stützpunkt Bombora, auf dem zu Sowjet- Zeiten das 345. Luftwaffen- Garderegiment stationiert war. Als Georgien die Unabhängigkeit erlangt hatte, blieb der Stützpunkt zunächst erhalten; aber Georgien wollte keine russischen Truppen im Land haben und drängte auf die Aufgabe aller russischer Militärbasen auf seinem Territorium.

    Es gab ein diplomatisches Hin und Her, und im Jahr 1999 erklärten sich die Russen schließlich auf einer Konferenz der OSZE in Istanbul damit einverstanden, den Stützpunkt zusammen mit anderen Basen auf georgischem Boden aufzugeben.

    So steht es in dem betreffenden Artikel der Wikipedia, und das ist auch das Aktuellste, was man dort findet, nebst dem Schlußsatz: "The Gudauta base remains one of the main problems in complicated Russian- Georgian relations"; die Basis bleibe eines der Hauptprobleme innerhalb der schwierigen Beziehungen zwischen Rußland und Georgien.



    Wieso bleibt Gudauta ein Problem, wo doch die Russen sich vor fast zehn Jahren verpflichtet hatten, ihre Militärbasis zu räumen?

    Tja.

    Was eigentlich in Gudauto nach dem Istanbuler Abkommen los war, wußte niemand so recht. Die Russen jedenfalls zeigten sich mit den Ergebnissen der Konferenz von Istanbul zunehmend unzufrieden und forderten Neuverhandlungen, zu denen schließlich im Juni 2007 eine außerordentliche Konferenz der Unterzeichner des KSE-Vertrags in Wien zusammentrat. Was sich dort abspielte, hat damals Jean-Christophe Peuch detailliert im Informationsdienst Eurasia.Net berichtet.

    Danach erklärten die Russen, sie hätten die Basis Gudauta aufgegeben und betrieben die Anlage jetzt als Sanatorium für Offiziere im Ruhestand.

    Die Nato- Staaten wollten, daß das durch eine Inspektion bestätigt werde. Die Russen reagierten so, wie die sowjetische Diplomatie zu reagieren pflegte: Sie sagten nicht ja, nicht nein. Die Georgier wollten unbedingt mit eigenen Inspektoren beteiligt sein; das wiesen die Russen zurück.

    Der russische Verhandlungsführer, Armeegeneral Wladimir Nikischin, sagte Jean- Christophe Peuch: "We are not against such a mission provided it brings necessary, useful and -- most importantly -- fair results" - die Russen seien nicht gegen eine solche Mission, vorausgesetzt, sie erbringe notwendige, nützliche und vor allem faire Ergebnisse. Man durfte dreimal lachen.

    Es ging in Wien aus wie das Hornberger Schießen. Es wurden keine Inspektionen vereinbart, und man wußte weiter nicht, was denn in dem Sanatorium Gudauta so vor sich ging.

    Gut ein Jahr nach der Wiener Konferenz, im August dieses Jahres, marschierte Rußland in Georgien ein und besetzte Abchasien. Und nun erfahren wir, wie es mit dem Sanatorium weitergegangen ist.

    Gestern nämlich berichtete darüber die georgische Zeitschrift "The Financial" in ihrem Internet- Portal FinChannel.Com:
    Abkhazia to Host Two Russian Bases – Shamba
    According to Civil Georgia, Russia will station troops in Abkhazia at two military bases – in Gudauta and Ochamchire, Sergey Shamba, the breakaway region’s foreign minister, said on October 21. Russian troops will also have outposts in upper Kodori Gorge, he said, according to the Abkhaz official news agency, Apsnipress. Russia will have 3,800 servicemen in Abkhazia, Shamba said. (...) He also said that it was planned, as envisaged in a partnership and cooperation treaty with Russia, to sign an agreement with Russia that would pave the way for Russian assistance in protecting the Abkhaz border with Georgia.

    Schamba: Abchasien wird zwei russische Basen aufnehmen
    Laut Civil Georgia wird Rußland Truppen auf zwei Militärbasen stationieren - in Gudauta und Ochamchire. Das sagte Sergej Schamba, der Außenminister der abtrünnigen Region, am 21. Oktober laut der abchasischen amtlichen Nachrichtenagentur Apsnipress. Die russischen Truppen würden des weiteren Außenposten in oberen Teil der Kodori- Schlucht einrichten. Wie Schamba sagte, wird Rußland 3.800 Mann in Abchasien stationieren. (...) Er sagte ebenfalls, daß es, wie in dem Vertrag für Partnerschaft und Zusammenarbeit vorgesehen, beabsichtigt sei, einen Vertrag mit Rußland zu unterzeichnen, der den Weg dafür ebnen werde, daß Rußland sich daran beteiligt, die abchasische Grenze zu Georgien zu schützen.



    Ich finde diese Geschichte in mehrfacher Hinsicht interessant.

    Erstens zeigt sie, auf welche planmäßige, langfristig angelegte Weise Rußland dabei vorgeht, die alten sowjetischen Machtpositionen wieder einzurichten.

    Zweitens arbeitet die russische Diplomatie exakt so, wie man es aus Sowjetzeiten kennt: Man macht scheinbar Zugeständnisse, die dann nicht eingehalten werden. Es werden vage Versprechungen formuliert. Solange man schwach ist, zeigt man sich konziliant, und sobald man in einer Position der Stärke ist, ist es vorbei mit dem Entgegenkommen. Auch dumme Lügen wie die vom Sanatorium werden nicht verschmäht.

    Abchasien dürfte für die Russen mindestens so wichtig, wahrscheinlich wichtiger sein als Südossetien. Man hat das Tamtam in Südossetien veranstaltet und sich hinter diesem Sperrfeuer ohne großen Widerstand des Westens Abchasien unter den Nagel gerissen.

    Drittens ist die Geschichte des Stützpunkts Gudauta bezeichnend für das Verhalten der europäischen Gegenspieler Rußlands. Die das eben nicht sind. Die sich hinhalten, die sich einwickeln lassen und dann die vollendeten Tatsachen, die die Russen schaffen, mehr oder weniger achselzuckend hinnehmen.

    Und das ist vielleicht der Hauptunterschied zur Zeit des Kalten Kriegs. Damals hatten die Russen es mit einem entschlossenen Westen zu tun. Heute gibt es bei uns nicht wenige, die wohlwollend zusehen, wie die Russen ihre "berechtigten Interessen" verfolgen.



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    10. Oktober 2008

    Georgien und der russische Imperialismus (2): "Mit dem Rückzug ist es vorbei". Igor Maximytschew stellt die Frage von Leben und Tod

    Der Ausgangspunkt des ersten Teils war eine Bemerkung von Helmut Schmidt zur geographischen Lage Georgiens: Es sei "kein Teil Europas, sondern ein Teil Asiens"; so hatte er es gegenüber Giovanni die Lorenzo gesagt, und so war es letzte Woche im "Zeit- Magazin" zu lesen gewesen. Der Kontext des Interviews zeigte, daß Schmidts Interesse allerdings nicht der Geographie galt, auch nicht der Kulturgeschichte, sondern - wie auch anders - der Außenpolitik.

    Seine Überlegungen liefen darauf hinaus, daß wir uns nicht "über die Einflußsphären [von] Großmächte[n] hinwegsetzen" sollten. Und Georgien, so implizierte es Schmidt, gehört nun einmal zur russischen Einflußsphäre. Schon weil es ein asiatisches Land sei, habe es nichts in der Nato zu suchen.

    Als ich das las, habe ich mich gefragt, welche Länder wohl zur deutschen Einflußsphäre gehören. Polen? Österreich? Dänemark, Holland und Belgien? Oder vielleicht nur Luxemburg?

    Oder meint Schmidt, daß zwar Rußland (Brutto- Inlandprodukt 2007: 1.290 Milliarden Dollar) Anrecht auf eine "Einflußsphäre" hat, aber nicht Deutschland (Brutto- Inlandprodukt 2007: 3.322 Milliarden Dollar)?



    Von Einflußsphären sprach man im 19. und im 20. Jahrhundert. Im Zeitalter der Globalisierung ist dieser Begriff ebenso obsolet, wie es der Kolonialismus ist, den das Vereinigte Königreich und Frankreich Mitte des 20. Jahrhunderts aufgaben, Rußland aber erst Anfang der neunziger Jahre.

    Die Sowjetunion war der Erbe des zaristischen Kolonialreichs gewesen, das sich in nichts von dem der Briten und Franzosen unterschieden hatte - außer, daß die Kolonialgebiete, geographisch bedingt, nicht in Übersee lagen, sondern um das Mutterland herum. Und daß sie dann später von der Sowjetunion zu "Sowjetrepubliken" erhoben wurden.

    Hinzu kam die Beute des Zweiten Weltkriegs - die Satellitenstaaten, die überwiegend nie zu Rußland gehört hatten, die nun aber innerhalb des Warschauer Pakts so etwas wie Vasallen- Völker der Sowjetunion wurden.

    Sie konnten sich, ebenso wie ein Teil der russischen Kolonialvölker, in den neunziger Jahren befreien. Und sind seither wie diese verständlicherweise in Sorge, daß ihr alter Kolonialherr sich erneut zu ihrem Herren aufschwingen könnte, daß die vorerst nicht mehr so mächtige Vormacht wieder erstarken und ihre "Einflußsphäre" wieder herstellen könnte.

    Dies scheint aber nicht die Sicht Helmut Schmidts zu sein. Er sieht - jedenfalls in diesem Interview - die Dinge aus russischer Perspektive.

    Aus einer ähnlichen Perspektive vielleicht, wie sie Igor Maximytschew entworfen hat.



    In Berlin gibt es seit 1992 einen Verein namens "Berliner Freunde Rußlands", der im "Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur" residiert und laut Satzung "die humanistischen und völkerverbindenden Traditionen deutsch- russischer und deutsch- sowjetischer Freundschaft weiter[führt]".

    In diesem Verein fand am 2. Februar dieses Jahres eine bemerkenswerte Veranstaltung statt. Ein Vortrag, den die Freunde Rußlands gemeinsam mit u.a. der Rosa- Luxemburg- Stiftung veranstalteten, der parteinahen Stiftung vormals der PDS und jetzt von "Die Linke", vergleichbar der Konrad- Adenauer- Stiftung der CDU und der Friedrich- Naumann- Stiftung der FDP.

    Daß ein Verein, der sich laut Satzung der Freundschaft mit dem heutigen, also mit einem vom Kommunismus befreiten Rußland widmet, zu einem Vortrag zusammen mit einer kommunistischen Organisation einlädt, ist für sich genommen interessant. Noch bemerkenswerter wird es durch die Person des Vortragenden, laut Ankündigung "Prof. Dr. Igor Maximytschew, Gesandter a.D.".

    Gesandter war Maximytschew in Ostberlin, in jener Botschaft, die in der DDR als Statthalterei der UdSSR fungierte. Hier das Wichtigste über ihn:
    Prof. Dr., geb. 1932, von 1956 bis 1993 im diplomatischen Dienst der UdSSR bzw. Russlands, u.a. 1987-1992 Gesandter an der Botschaft Unter den Linden in Berlin. Seit 1993 Leiter des Bereichs "Europäische Sicherheit" am Europa- Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, Moskau.
    Also ein ehemals sowjetischer, jetzt russischer Deutschland- Experte. Wie es nicht selten ist, nach Ende seiner diplomatischen Karriere in eine hochrangige Berater- Position gewechselt.

    Während der Tage der Wende erreichte Maximytschew eine gewisse Berühmtheit; in der TV-Produktion "Deutschlandspiel" von Hans C. Blumenberg, die im Jahr 2000 die damaligen Ereignisse rekonstruierte, wurde er von Peter Ustinov verkörpert.

    In Deutschland geriet er danach ein wenig in Vergessenheit, bis er - mit seiner Erfahrung, seiner hochrangigen Stellung, seinem blendenden Deutsch die ideale Besetzung - am 28. August dieses Jahres bei Maybrit Illner die russische Position zur Invasion Georgiens vertrat.

    Und zwar wie! Die "Netzeitung" berichtete am 29. August:
    Der sowjetische und russische Gesandte in Ost- Berlin, Igor Maximytschew vertrat bei Maybritt Illner eine harte Position. Russland werde keine Konzessionen mehr an den Westen machen. "Mit dem Rückzug ist es vorbei", sagte Maximytschew bei und fügte hinzu: "Russland steht mit dem Rücken zur Wand. Seit der Zeit Gorbatschows war das Land auf dem Rückzug. Wir gaben alles, was von uns gefordert wurde in der Hoffnung, dass das belohnt wird, dass wir als Partner betrachtet werden." Am Ende habe aber gestanden, "dass Russland aussätzig ist und dass alles, was da geschieht, verdammungswürdig ist", sagte der frühere Diplomat, der heute am Europa-Institut in Moskau tätig ist.
    Im Anschluß an die Sendung stand Maximytschew für Fragen im Internet zur Verfügung. Seine Antworten sollte man aufmerksam lesen; zum Beispiel diese beiden:
    Frage: Was meinen Sie zu den Befürchtungen, die Estland nun hegt, dass es dort zu einer gleichen Situation, wie in Georgien kommen könnte, angesichts der russischen Minderheiten und den anhaltenden Spannungen zwischen Russland und Estland?

    Maximytschew: Solange uns Estland nicht angreift, fürchte ich keine größere Auseinandersetzung.

    (...)

    Frage: Herr Maximytschew, was meinen Sie mit Genozid im Zusammenhang Georgen / Südossetien, und würde Sie das Vorgehen Russlands in Tschetschenien auch als Genozid bezeichnen?

    Maximytschew: Schlagen Sie das im Wörterbuch nach.
    So diplomatisch anwortete er, der alte Diplomat Maximytschew. In dem Vortrag, den er am 2. Februar bei den Freunden Rußlands hielt, redete er hingegen Tacheles.

    Und machte sichtbar, wie er als Deutschland- Experte, als Sicherheits- Experte des Kreml die strategische Lage Rußlands sieht. Er entwarf ein Bild, in dem Georgien nur ein Mosaikstein ist.

    Der Vortrag hieß "Der Vertrag von Brest 1918 und das Problem der europäischen Sicherheit heute". Am Ende zog Maximytschew dieses düstere Fazit:
    Der Vertrag von Brest ist leider keine graue Vergangenheit. Sein Gespenst geht in Europa um und nicht nur in Europa. Der Geist von Brest und seine möchte- gern- Vollstrecker sind gefährlich nah an die Machthebel der Welt plaziert. Nicht nur Rußland, sondern auch die ganze übrige Welt muß sich diese Realität vor Augen halten, denn diese Situation stellt an uns alle die Frage von Leben oder Tod.
    Die Frage von Leben oder Tod. So sieht Maximytschew die Situation Rußlands. Und viel spricht dafür, daß Wladimir Putin sie genauso sieht und daß sein Vorgehen in Georgien dieser Sicht entstammt.



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    4. Oktober 2008

    Georgien und der russische Imperialismus (1): Wo liegt Georgien? Über eine eigenartige Bemerkung Helmut Schmidts

    "Es wird zum Beispiel allen Ernstes debattiert, Georgien in die Nato aufzunehmen. Georgien ist aber kein Teil Europas, sondern ein Teil Asiens. Der Nordatlantik- Vertrag spricht davon, daß man andere europäische Staaten aufnehmen kann, von asiatischen Staaten ist dort keine Rede". Das sagte Helmut Schmidt in "Auf eine Zigarette" zu Giovanni di Lorenzo ("Zeit-Magazin" 41/2008, S. 54).

    Georgien gar kein Staat Europas, sondern ein asiatisches Land? Wenn ein Mann wie Helmut Schmidt das sagt, dann gibt das zu denken. Und es gibt sozusagen zu lesen; nachzulesen nämlich, ob Schmidt Recht hat.

    In Deutschland gibt es gegenwärtig wohl kaum jemanden, dessen Wort so viel gilt wie das Helmut Schmidts. Als Kanzler wurde er geschätzt, heute wird er verehrt.

    Zu Recht. Niemand verbindet so wie er lange politische Erfahrung, analytischen Scharfsinn, die Weisheit des Alters und die Kunst, das Wesentliche zu sehen und es griffig zu formulieren.

    Hat er am Ende auch damit Recht, daß Georgien gar kein europäisches Land ist? Sehen wir zu. Betrachten wir die Frage zunächst unter dem historisch- kulturellen und dann unter dem geographischen Aspekt.



    Historisch war Georgien Teil des Kulturkreises der griechisch- römischen Antike.

    Der westliche Teil Georgiens war den Griechen als das Kolchis bekannt, in das Jason und die Argonauten auf der Suche nach dem Goldenen Vlies wollten. Das Land wurde von Griechen kolonisiert; der jetzt durch die russische Invasion in die Schlagzeilen geratene Hafen Poti zum Beispiel ist das griechische Phasis.

    Zur Zeit Alexanders des Großen war Griechisch eine der Landesprachen in Kolchis. Später dann wurde es als die Provinz Lazicum Teil des Römischen Reichs.

    Nun, auch die heutige Türkei war einmal an ihren Küsten griechisch kolonisiert und gehörte später zum Römischen Reich. Aber durch das Eindringen der Araber und später der Seldschuken wurde Anatolien ein Teil des islamischen Kulturkreises.

    Nicht so Georgien. Es ist eines der ältesten christlichen Länder; und es ist immer ein christliches, ein unserem Kulturkreis angehörendes Land geblieben.

    Beide Staaten auf dem Territorium des heutigen Georgien - Kolchis und Iberien -, führten das Christentum als Staatsreligion bereits Anfang des vierten Jahrhunderts ein; früher als die meisten Länder außerhalb des Römischen Reichs.

    In der Folgezeit wurde der Kaukasus, so wie heute, Schnittpunkt von Weltmacht- Interessen. Georgien war umstritten zwischen dem Persischen Reich und dem Reich der Seldschuken, die Anatolien erobert hatten.

    An der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert dann entstand unter König David Agmaschenebeli das selbständige, vereinte, christliche Georgien mit einer eigenständigen Orthodoxen Kirche. Um die Wende zum 13. Jahrhundert war es unter Königin Tamar der stärkste christliche Staat im gesamten Gebiet der östlichen Mittelmeer- Region.

    In den folgenden Jahrhunderten blieb Georgien eines der wenigen christlichen Länder in dieser Region, immer unter Attacke seitens der Ottomanen und der Perser.

    Immer aber ein christlicher Staat, und immer selbständig. Bis es 1801 von Rußland annektiert wurde, von dem es seine Unabhängigkeit erst wieder 1918 erlangte. Freilich nur kurz, bis 1921. Dann kamen die Russen zurück, jetzt als Sowjets. Seit dem 9. April 1991 ist Georgien wieder selbstständig.

    Europäischer kann ein Land kaum sein.

    Ein Vorposten Europas freilich, immer von Asien her bedroht - aus dem Osten von den Persern, aus dem Süden von den Seldschuken und Ottomanen. Gerade deshalb ein besonders bewußt europäisches Land.

    Geschichtlich und kulturell gesehen ist Helmut Schmidts Behauptung, Georgien sei ein asiatisches Land, nicht nur eigenartig. Sie ist nachgerade abwegig.



    Nun kann man argumentieren, die Grenze zwischen Europa und Asien sei nicht kulturell definiert, sondern geographisch. So, wie generell die Kontinente nach geographischen Kriterien voneinander abgegrenzt werden.

    Nur, nach welchen? Bei Kontinenten wie Amerika und Australien ist das einfach, weil sie von den anderen durch Ozeane getrennt sind. Afrika und Asien lassen sich immerhin durch die Landenge zwischen Mittelmeer und Rotem Meer auf eine einigermaßen "natürliche" Weise abgrenzen, die seit 1869 vom Suezkanal markiert wird.

    Aber Europa und Asien? Man kann mit guten geographischen Gründen argumentieren, daß Europa eigentlich eine Halbinsel Asiens sei. Da es nun aber einmal traditionell den Erdteil Europa gibt, hat man ihn mehr schlecht als recht durch Gebirgszüge abzugrenzen versucht: Den Ural im Osten und den Kaukasus im Süden. Dazwischen Flüsse, die die Grenze markieren.

    Nun liegt Georgien allerdings mitten im Kaukasus. Somit hilft uns das noch nicht viel weiter.

    Wo also verläuft sie exakt, die Grenze Europas am Kaukasus? So macht die Frage nicht viel Sinn; denn es handelt sich ja nur um eine gedachte, eine willkürlich festzulegende Grenze. Und beim Denken, beim Definieren sind sich selten alle einig.

    So auch hier. Es gibt - man kann das in der Wikipedia nachlesen - ganz verschiedene Vorstellungen davon, wo genau diese Kaukasus- Grenze Europas verläuft.

    Vom Zaren mit der Kartierung Rußlands betraut, hat der Geograph Philip Johan von Strahlenberg sie im Jahr 1730 einigermaßen willkürlich in die Manytschniederung nördlich des Kaukasus gelegt.

    Andere sehen die Grenze südlich des Kaukasus. Viele heutige Geographen ziehen sie entlang der Gipfellinie des Kaukausus ("Meso- Kaukasus- Grenze").

    Der Artikel über Georgien in der Wikipedia beginnt mit dem Satz: "Georgia is a transcontinental country in the Caucasus region, partially in Eastern Europe and partially in Southwestern Asia." (Georgien ist ein transkontinentales Land im Gebiet des Kaukasus, teils zu Osteuropa und teils zu Südwestasien gehörig). Die Europakarte der Wikipedia zeigt, daß Georgien ziemlich genau zur Hälfte (der europäische Teil ist etwas größer) in dem (so abgegrenzten) Europa und in Asien liegt.

    Georgien ist im übrigen seit 1999 Mitglied des Europarats.



    Was also mag Helmut Schmidt sich bei seiner Behauptung gedacht haben, daß Georgien "kein Teil Europas, sondern ein Teil Asiens" sei? Er sagt es im nächsten Satz: Es geht ihm nicht um Geographie; sondern es geht ihm um seine Ablehnung eines Beitritts Georgiens zur Nato. Und diesen lehnt er ab, weil er dagegen ist, sich (so sagt er es in dem Interview) "über die Einflußsphären [von] Großmächte[n] hinweg[zu]setzen".

    Schmidt sieht das Verhältnis zwischen Deutschland und Rußland aus der Sicht eines Teilnehmers am Zweiten Weltkrieg, der an der Ostfront kämpfte und für den ein gutes Verhältnis zu Rußland oberste Priorität hat: "Beide haben schrecklich gelitten und wissen das auch voneinander."

    Deshalb fürchtet er offenbar eine neue Konfrontation mit Rußland; deshalb will er den Russen ihre "Einflußsphäre" zubilligen. Und deshalb verlegt er Georgien nach Asien; denn dann kann es gar nicht der Nato beitreten, sondern gehört zwangsläufig zur russischen "Einflußsphäre".

    Auch der große Helmut Schmidt ist halt ein Politiker, der manchmal nicht von den Fakten zu den Zielen gelangt, sondern der die Fakten sub specie seiner Ziele darstellt.

    Helmut Schmidt möchte, so scheint mir, zur endgültigen Sicherung des Friedens eine Versöhnung Deutschlands mit Rußland ähnlich derjenigen, die einst unter den Kanzlern von Adenauer bis Kohl mit Frankreich gelang.

    Was ja schön und sehr erstrebenswert ist. Oder vielmehr, was es wäre, wenn in Rußland noch Gorbatschow regierte.

    Daß dort inzwischen ein autoritärer Herrscher an der Macht ist, der es sich offensichtlich zum Ziel gesetzt hat, nach dem Imperium der Zaren und dem der Sowjets ein drittes Russisches Reich zu schaffen, unter Einschluß der osteuropäischen Teile dieser beider früherer Imperien - das scheint Helmut Schmidt nicht zu sehen oder nicht sehen zu wollen.

    Im zweiten Teil gehe ich auf diese neue russische Sicht der strategischen Lage in Osteuropa ein, wie sie in den Überlegungen eines russischen Europa- Experten zum Ausdruck kommen.



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    23. September 2008

    Zitat des Tages: Was haben Schweden und Australien gemeinsam?

    Australia and Sweden have something very basic in common. Neither is dependent on Russia for its energy needs. In a sense, that fact sets them free. Absent anything resembling American leadership, it also points in the direction of adequate responses to an unreliable, aggressive state.

    (Australien und Schweden haben etwas sehr Grundlegendes gemeinsam. Keines der beiden Länder ist für seine Energieversorgung auf Rußland angewiesen. In gewisser Weise macht diese Tatsache sie frei. Da so etwas wie eine Führung durch die USA fehlt, weist das auch den Weg, wie man auf einen unzuverlässigen, aggressiven Staat reagieren sollte.)

    John Vinocur gestern in der International Herald Tribune.

    Kommentar: Vinocur ist manchen vielleicht noch als Deutschland- Korrespondent der IHT Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre in Erinnerung. Ein ausgezeichnet Deutsch sprechender, brillanter Journalist, der oft auch in TV-Diskussionen auftrat. Ein klassischer "Amerikaner in Paris"; inzwischen von Präsidenten Sarkozy gar in den Stand eines Ritters der Ehrenlegion erhoben.

    Das Zitat bezieht sich auf die Reaktionen Australiens und Schwedens auf den russischen Überfall auf Georgien: Australien hat die Ratifizierung eines Vertrags mit Rußland über Uranlieferungen ausgesetzt. Schweden hat einen Bericht über seine Militärplanung zur Überarbeitung zurückgezogen, um ihn an die neue Situation anzupassen. Eine geplante Truppen- Reduzierung soll gestrichen werden.



    Kleine Reaktionen, gewiß. Aber immerhin Reaktionen darauf, daß Rußland mit der Wiedererrichtung des verlorenen Imperiums begonnen hat.

    Das russische Militärbudget für 2009 wird gegenüber 2008 um 26 Prozent steigen. Die Ausgaben für neue Waffensysteme werden um 30 Prozent anwachsen. Und wie reagiert der Westen auf die neue Bedrohung durch Rußland? Vinocur schreibt:
    But the Bush administration has done nothing meaningful or palpable so far to bring substance to its pledge in early August that "Russia cannot be allowed to get away with invading its neighbor." Since then, Russia has recognized the independence of South Ossetia and Abkhazia, essentially annexing two Georgian provinces, and raised its troop strength in them to 7,600 men.

    What did the European Union, which is handling the bargaining to get the Russian military out of Georgia, say about that just last week? (...) José Manuel Barroso, the president of the EU Commission, offered that Russia's withdrawal from "Georgia proper" will be enough to restart the negotiations it postponed on a Strategic Partnership agreement between the EU and Russia.

    Aber die Regierung Bush hat bisher nichts Sinnvolles oder Greifbares getan, um ihrem Versprechen Anfang August Nachdruck zu verleihen, daß "es Rußland nicht erlaubt werden darf, mit der Invasion eines Nachbarn davonzukommen". Seither hat Rußland die Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien anerkannt und damit praktisch zwei georgische Provinzen annektiert, und es hat seine dortige Truppenstärke auf 7.600 Mann verstärkt.

    Was hat die Europäische Union, die bei den Verhandlungen darüber, das russische Militär aus Georgien herauszubekommen, federführend ist, dazu gerade erst letzte Woche gesagt? (...) José Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission, bot an, daß ein russischer Rückzug aus dem "eigentlichen Georgien" genügen werde, um die Verhandlungen über eine Strategische Partnerschaft zwischen der EU und Rußland wieder aufzunehmen, die unterbrochen worden waren.
    Mit anderen Worten: Der russische Testlauf war ein voller Erfolg. Die EU hat sich beim russischen Überfall auf Georgien ebenso als Papiertiger erwiesen wie die USA.

    In Moskau dürften jetzt die Pläne für die Invasion der Ukraine in das Stadium der konkreten Vorbereitung treten.



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    18. September 2008

    Was geschah wirklich in Georgien? Der "Spiegel", amerikanische Experten und die Chronik eines Showdowns (Teil 3)

    In den ersten beiden Teilen ging es noch einmal um den Ablauf der Ereignisse am 7. und 8. August. Das Ergebnis war, daß sie vorerst nicht zuverlässig rekonstruierbar sind. Wer an diesen beiden Tagen und in der Nacht dazwischen wen provoziert hat, wer bei diesem Showdown wem zuvorgekommen ist, läßt sich nicht sicher ausmachen.

    Treten wir jetzt einen Schritt zurück. Schauen wir nicht mehr auf die Details, sondern auf den Zusammenhang. Den genauen Ablauf kennen wir nicht. Über den Kontext, in dem sich die militärischen Ereignisse dieser Nacht und des nachfolgenden Tages abspielten, gibt es bessere und sicherere Informationen. Darüber, wie es zu diesem Showdown kam und wer in ihm der Schurke ist.

    Das sieht auch Matthew J. Bryza so, ein Spitzenbeamter des US-Außenministeriums, der am 11. September vor der Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Helsinki- Kommission) seine Aussage machte:
    There will be a time for assessing blame for what happened in the early hours of the conflict, but one fact is clear -- there was no justification for Russia’s invasion of Georgia. There was no justification for Russia to seize Georgian territory, including territory well beyond South Ossetia and Abkhazia, in violation of Georgia’s sovereignty, or to attack and destroy military infrastructure.

    Irgendwann einmal wird man die Schuld an dem ermitteln können, was sich in den ersten Stunden dieses Konflikts zutrug, aber eine Tatsache ist schon jetzt klar: Es gab keine Rechtfertigung für die russische Invasion Georgiens. Es gab keine Rechtfertigung dafür, daß Rußland georgisches Gebiet besetzte, und zwar unter Verletzung der Souveränität Georgiens auch Gebiet weit über Südossetien und Abchasien hinaus, und daß es die militärische Infrastruktur angriff und zerstörte.
    Bryza schildert ausführlich die Vorgeschichte des Konflikts - den Zerfall des sowjetischen Imperiums, die daraus resultierenden Unruhen und Kriege. Die Entstehung des souveränen Georgien und der separatistischen Bewegungen in Südossetien und in Abchasien. Den Versuch verschiedener Organisationen, Kriege zu verhindern und eine friedliche Entwicklungen einzuleiten.

    Vor allem die OSZE tat das, und die UNO. Die UNO hatte eine Gruppe eingerichtet mit dem schönen Namen "Freunde Georgiens", der Rußland, die USA, das UK, Frankreich und Deutschland angehören. In ihr versuchte man, die Entwicklung im Kaukasus friedlich zu halten.

    Die Russen aber - so schildert es Bryza - machten immer wieder Schwierigkeiten. Diese Obstruktionspolitik eskalierte seit der Konferenz von Bukarest im April 2008, auf der Georgien der Status "Membership Action Plan", also die Zusage einer Aufnahme in die Nato, verweigert worden war:
    Then in April (...) then-President Putin issued instructions calling for closer official ties between Russian ministries and their counterparts in both of the disputed regions. Russia also increased military pressure as Russian officials and military personnel were seconded to serve in South Ossetia’s de-facto government in the positions of "prime minister," "defense minister," and "security minister."

    On April 20, the Russian pressure took a more ominous turn when a Russian fighter jet shot down an unarmed Georgian unmanned aerial vehicle over Georgian airspace in Abkhazia. (...) In late April, Russia sent highly-trained airborne combat troops with howitzers to Abkhazia, ostensibly as part of its peacekeeping force. Then in May, Russia dispatched construction troops to Abkhazia to repair a railroad link within the conflict zone.

    Im April dann (...) erließ der damalige Präsident Putin Anweisungen, die engere offizielle Bindungen zwischen russischen Ministerien und ihren Kollegen in beiden umstrittenen Regionen anordneten. Rußland erhöhte auch den militärischen Druck. Russische Beamte und Militärs wurden zur Hilfe geschickt, um in der De- Facto- Regierung Südossetiens die Positionen des "Premierministers", des "Verteidigungsministers" und des "Sicherheitsministers" zu übernehmen.

    Am 20. April nahm der russische Druck eine bedrohlichere Wendung, als ein russischer Kampfjet einen unbewaffneten, unbemannten georgischen Flugkörper im georgischen Luftraum über Abchasien abschoß. (...) Gegen Ende April entsandte Rußland hochtrainierte Luftlandetruppen mit Haubitzen nach Abchasien, angeblich als Teil seiner Friedenstruppe. Im Mai dann schickte Rußland Pioniertruppen nach Abchasien, um eine Eisenbahnverbindung zur Konfliktzone zu reparieren.
    Die übrigen Staaten in der Gruppe "Freunde Georgiens" beobachteten diese Vorgänge mit Sorge und versuchten immer wieder, Rußland in eine friedliche Lösung einzubeziehen.

    Im Juni und Juli zum Beispiel forderte man Rußland auf, sich an der Ausarbeitung eines Friedensplans für Abchasien zu beteiligen, der dessen weitgehende Autonomie innerhalb Georgiens, den verfassungsmäßigen Schutz der abchasischen Sprache und Kultur usw. vorsah. Rußland verweigerte sich der eingehenden Diskussion dieses Plans und blieb Mitte Juni sogar einer dafür angesetzten Konferenz in Berlin fern.

    Ebenfalls im Juni reiste Bryza nach Moskau, um für eine Deeskalation zwischen Georgien und Rußland zu werben; sein russischer Kollege antwortete, daß Rußland keinen ersten Schritt tun werde. Für Juli war nochmals eine Konferenz gemeinsam mit Georgien und Rußland angesetzt. Wieder weigerte sich Rußland, daran teilzunehmen. Begründung: Im Außenministerium seien "alle im Urlaub".

    Rußland boykottierte weiter alle Versuche der USA und der Europäer, den Konflikt zu entschärfen. Im Juli drangen russische Flugzeuge in den georgischen Luftraum ein. Anfang August explodierten in Südossetien zwei Bomben, die fünf georgische Polizisten verletzten. Am 2. August kam es zu einem Feuerüberfall auf georgische Polizei. Am 4. August begannen die Südosseten, Hunderte Frauen und Kindern nach Rußland zu evakuieren.

    Am 5. August gab Rußland bekannt, es werde russische Bürger in Südossetien verteidigen (also Osseten, an die man russische Pässe ausgehändigt hatte). Am 6. August beschuldigten sich Südossetien und Georgien gegenseitig, Dörfer in Südossetien zu beschießen.



    In dieser gefährlichen Lage reiste der zuständige georgische Minister ("Minister für Konfliktlösung") am 7. August zu Verhandlungen nach Südossetien. Sein südossetischer Kollege weigerte sich, mit ihm zu sprechen. Sein russischer Kollege erschien nicht zu dem Treffen, weil er angeblich eine Autopanne hatte.

    In der Nacht zum 8. August begannen Kämpfe zwischen südossetischen und georgischen Truppen. Georgien verkündete einen Waffenstillstand, aber die Südossetier kämpften weiter. Sie standen, so Bryza, wahrscheinlich unter dem Kommando der russischen Beamten, die Rußland in die südossetische Regierung ensandt hatte.

    Nach georgischen Angaben schossen die Südosseten aus Positionen hinter den Linien der russischen Friedenstruppen. Russische Truppen rückten durch den Roki-Tunnel vor.

    Die USA hatten, so Bryza, die Georgier immer wieder davor gewarnt, sich auf einen bewaffneten Konflikt mit den Russen einzulassen, den sie nur verlieren konnten. Nun aber rückten georgische Kräfte auf Tschwinwali vor und lieferten nach Bryzas Aussage damit Rußland den Vorwand für die seit langem vorbereitete Militäraktion gegen Georgien:
    Moscow’s pretext that it was "intervening" in Georgia to protect Russian "citizens" and "peacekeepers" in South Ossetia was simply false. It was soon revealed that the real goal of Russia’s military operation was to eliminate Georgia’s democratically elected government and to redraw Georgia’s borders.

    Der Vorwand Moskaus, es habe in Georgien "eingegriffen", um russische "Bürger" und "Friedenstruppen" zu schützen, war schlicht unwahr. Es zeigte sich bald, daß das wahre Ziel der russischen Militäroperation war, die demokratisch gewählte Regierung Georgiens zu stürzen und die Grenzen Georgiens neu zu ziehen.
    Moskau hätte dabei, sagt Bryza, sämtlich internationale Abkommen über Abchasien und zahlreiche Resolutionen des UN- Sicherheitsrats gebrochen.



    In seiner Aussage vor dem Verteidigungsausschuß des US-Senats hat am 10. September der Unterstaatssekretär im Pentagon Eric S. Edelman diese Schilderung Bryzas weitgehend bestätigt und um Details ergänzt.

    Beispielsweise sagte Edelman, daß die US-Berater in Georgien am 7. August Hinweise darauf gehabt hätten, daß die Georgier eine militärische Operation vorbereiteten; an diesem Tag seien die für den Einsatz im Irak vorgesehenen Truppen nicht zum Training erschienen. Das militärische Vorgehen Georgiens bewertet Edelman so:
    The Georgian leadership’s decision to employ force in the conflict zone was unwise. Although much is still unclear, it appears the Georgians conducted what they thought was a limited military operation with the political aim of restoring Georgian sovereignty over South Ossetia to eliminate the harassing fire from the South Ossetian separatists on Georgian civilians. This operation was hastily planned and implemented. (...) Russia used Georgia’s ground operation as the pretext for its own offensive.

    Die Entscheidung der georgischen Führung, in der Konfliktzone militärische Gewalt anzuwenden, war unklug. Zwar ist vieles noch unklar, aber es scheint, daß die Georgier eine ihrer Absicht nach begrenzte Militäroperation durchführen wollten, deren politisches Ziel es war, die georgische Souveränität über Südossetien wiederherzustellen. Damit sollte dem Beschuß georgischer Zivilisten durch südossetische Separatisten ein Ende gemacht werden. Diese Operation wurde überstürzt geplant und umgesetzt. (...) Rußland benutzte die Bodenoperation Georgiens als Vorwand für seine eigene Offensive.
    Für eine Offensive, die seit langem geplant und vorbereitet worden war. Rußland hatte - so stellt es sich jetzt dar - den Konflikt systematisch geschürt und friedliche Lösungen blockiert, bis die Situation reif für ein russisches Eingreifen war.



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    17. September 2008

    Was geschah wirklich in Georgien? Der "Spiegel", amerikanische Experten und die Chronik eines Showdowns (Teil 2)

    Richtig gewonnen ist ein Krieg immer erst dann, wenn er auch propagandistisch gewonnen ist. Wir kennen das aus Xenophons Anabasis und Cäsars De bello gallico, wie Propaganda einen Krieg begleitet: Im Vorfeld, dann während der Schlachten, vor allem aber auch in der Zeit danach, wenn die Frage nach den Verantwortlichkeiten, manchmal die nach der "Kriegsschuld" in den Mittelpunkt rückt.

    Eine Frage, die bekanntlich in Bezug auf den Ersten Weltkrieg auch nach fast einem Jahrhundert immer noch kontrovers diskutiert wird. Sonderlich optimistisch sollte man also nicht sein, daß die Frage nach der Schuld am Krieg in Georgien demnächst eine befriedigende Antwort finden wird.



    In den Tagen nach dem Krieg habe ich drei Master Narratives diskutiert (siehe die Links in Teil 1; hier zu den Artikeln vom 12. und 13. August):
  • Ein "Hineinschliddern" in den Krieg, also eine Eskalation, die irgendwann außer Kontrolle geriet.

  • Ein georgischer Angriff auf Südossetien, geführt in der Erwartung, die Russen würden stillhalten oder vom Westen zum Stillhalten veranlaßt werden.

  • Ein vorbereiteter russischer Angriff auf Südossetien und Georgien mit dem Ziel, Saakaschwilie zu stürzen und das Land wieder in den russischen Einflußbereich zu bringen.
  • Am Ende des zweiten Teils dieser damaligen Serie habe ich am 12. August geschrieben:
    Was ist von diesen drei Master Narratives zu halten? Wirklich klären wird sich das allenfalls dann, wenn weitere Informationen vorliegen, vor allem solche aus den Berichten von Geheimdiensten. (...)

    Die drei Interpretationen schließen einander nicht völlig aus. Im Prinzip könnte es sein, daß der tatsächliche Ablauf Elemente von allen dreien enthielt. Daß beispielsweise beide Seiten zwar Pläne für diesen Krieg in ihren Schubladen hatten, daß aber eine unkontrollierte Eskalation dazu führte, daß diese Pläne jetzt umgesetzt wurden. Auch ein Plan von Tiflis, Südossetien jetzt zurückzuerobern, ist nicht unbedingt unvereinbar mit einem Plan Moskaus, Georgien zu demütigen und aus der Nato herauszuhalten.
    An dieser Sachlage hat sich bis heute nichts geändert. Auch und gerade nicht durch die ein wenig vollmundig auf der Titelseite angekündigte Story des "Spiegel" dieser Woche, auf die ich in Teil 1 eingegangen bin.

    Nach wie vor herrscht über den Beginn des georgischen Angriffs auf Tschinwali einigermaßen Übereinstimmung - in der Nacht vom 7. zum 8. August vor Mitternacht. Nach wie vor ist es aber völlig unklar, wann die russischen Truppen durch den Roki- Tunnel nach Südossetien eindrangen.

    Die auch vom "Spiegel" kolportierte Version, dies sei erst am Vormittag des 8. August geschehen, ist inzwischen noch unglaubhafter, als sie bereits am Montag war.

    Inzwischen hat die New York Times nämlich über den Mitschnitt eines Telefonats berichtet, das südossetische Grenzsoldaten über Handy (und daher genau zeitlich lokalisierbar) bereits in den Morgenstunden des 7. August geführt haben (siehe auch den Bericht darüber in der heutigen FAZ):
    "Listen, has the armor arrived or what?" a supervisor at the South Ossetian border guard headquarters asked a guard at the tunnel with the surname Gassiev, according to a call that Georgia and the cellphone provider said was intercepted at 3:52 a.m. on Aug. 7. "The armor and people," the guard replied. Asked if they had gone through, he said, "Yes, 20 minutes ago; when I called you, they had already arrived."

    "Hör mal, ist der Panzer [könnte auch heißen: Sind die Panzer] eingetroffen, oder wie?" fragte ein Überwacher im Hauptquartier des südossetischen Grenzschutzes einen Posten am Tunnel mit dem Nachnamen Gasiew bei einem Anruf, das laut Georgien und dem Provider um 3.52 Uhr am Morgen des 7. August aufgezeichnet wurde. "Der Panzer [die Panzer] und die Leute" antwortete der Posten. Auf die Frage, ob sie durch seien, sagte er: "Ja, vor 20 Minuten; als ich Sie anrief, waren sie schon angekommen".
    Nun gut, das ist wieder nur eine weitere Facette. Die Russen sagen, das seien keine Invasionstruppen gewesen, sondern Verstärkung für die Friedenstruppe.

    Vielleicht waren ja alle die Panzer und Schützenpanzer, die nach Südossetien einrückten, nur Verstärkungen für die Friedenstruppe?



    So, wie es im Augenblick aussieht, wird sich der genaue Ablauf der Ereignisse in naher Zukunft wohl nicht zuverlässig rekonstruieren lassen.

    Beide Seiten waren auf einen militärischen Konflikt vorbereitet; eben wie - siehe Teil 1 - beim Showdown im Western. Wer nun als erster eine Handbewegung zum Holster hin gemacht, wer dann als erster gezogen, wer als erster geschossen, wer als erster getroffen hat - man wird das vorläufig offen lassen müssen. Dazu brauchte man, um im Bild zu bleiben, eine Zeitlupe des Bewegungsablaufs bei beiden Kontrahenten.

    In einer anderen Hinsicht aber scheint sich der Nebel allmählich zu lichten: Was die Vorgeschichte des Konflikts angeht. Dazu wurden in der letzten Woche zwei Dokumente veröffentlicht: Die Aussage von Matthew J. Bryza, eines der zuständigen Beamten im US-Außenministerium vor der Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Helsinki- Kommission) sowie die Aussage von Eric S. Edelman, Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium, vor dem Verteidigungsausschuß des US-Senats.

    (Fortsetzung hier)



    Mit Dank an Califax. Für Kommentare zu diesem Artikel gibt es einen Thread in "Zettels kleinem Zimmer". Dort findet man auch eventuelle Aktualisierungen und Ergänzungen.

    15. September 2008

    Was geschah wirklich in Georgien? Der "Spiegel", amerikanische Experten und die Chronik eines Showdowns (Teil 1)

    Wir kennen alle die Szene: Showdown im Western. In der Main Street bewegen sich die beiden Gegner aufeinander zu. Jeder hat dasselbe Problem: Zieht er als erster und erschießt den anderen, dann ist er ein Mörder und wird gehängt. Wartet er, bis der andere schießt, dann ist er ebenso ein toter Mann.

    Die Kunst - die Überlebenskunst - besteht darin, zu warten, bis der andere als erster zieht - zumindest die Hand in Richtung Holster bewegt -, dann aber selbst schneller zu schießen. Dann ist der andere tot, und man selbst hat in Notwehr geschossen. Man endet weder durch die Kugel des Gegners noch in der Schlinge des Henkers.

    Nicht leicht, das hinzubekommen. Und es wird immer deutlicher, daß dies ziemlich genau die Situation war, aus der heraus sich die Ereignisse in Südossetien in der Nacht vom 7. zum 8. August entfalteten.

    Die Spannungen waren so gestiegen, daß beide Seiten einander kriegsbereit gegenüberstanden. Jede Seite wartete darauf, daß die andere anfangen würde, und war entschlossen, ihr dann zuvorzukommen. Der andere sollte als der Aggressor dastehen, man selbst wollte aber zugleich den Vorteil des Preemptive Strike, des Präventivschlags haben.



    So jedenfalls stellen sich mir, nachdem ich fünf Wochen lang die Meldungen ziemlich genau verfolgt habe (siehe die Links am Ende dieses Artikels), das dar, was der "Spiegel" von heute die "Klärung der Schuldfrage" nennt.

    Eine eigenartige "Spiegel"- Story ist das. Nicht ganz die Titelgeschichte, aber immerhin auf die Titelseite gehoben. Dort mit der vollmundigen Frage: "Was geschah wirklich in Georgien?". Und am Ende des Artikels mit der resignativen Feststellung: "Wahrheit und Lüge über den kurzen Krieg im Kaukasus sind noch immer schwer zu trennen."

    Fürwahr. Und auch bei dem, was der "Spiegel"- Artikel (38/2008, S. 128 - 132) uns sagen will, ist schwer zu trennen zwischen Fakten, Vermutungen und Kolportiertem; vielleicht auch gezielter Desinformation. Nicht weniger als sieben Autoren haben daran mitgewirkt; ich habe nicht den Eindruck, daß sie sich in der Bewertung der Ereignisse einig geworden wären.

    Auch die "Spiegel"-Autoren sehen als entscheidend das an, was in "Zettels kleinem Zimmer" in diesem und vor allem in diesem Thread wochenlang ausführlich diskutiert wurde: Welches war genau der Zeitablauf in der Nacht vom 7. zum 8. August und in den Morgenstunden des 8. August?

    Relativ sicher scheint zu sein, wann Georgien mit dem Artilleriebeschuß von Tschinwali begann: Ungefähr um 22.30 am Abend des 7. August. So lag es der Diskussion in "Zettels kleinem Zimmer" zugrunde.

    Nach wie vor völlig unklar ist hingegen, wann die russischen Truppen in Richtung Roki- Tunnel in Marsch gesetzt wurden, wann deren Anwesenheit dort von den Georgiern entdeckt wurde und wann sie den Tunnel auf der südossetischen Seite verließen. Auch die sieben Autoren der "Spiegel"-Story sind sich darüber augenscheinlich nicht einig:
    Die georgische Behauptung, die Russen hätten provoziert und Truppen in den Roki-Tunnel einmarschieren lassen, wurde von den Nato-Experten keineswegs bezweifelt. (S. 130)

    Erst gegen elf Uhr [am 8. August vormittags; Zettel] ziehen ihre [der Russen] Truppen aus Nordossetien durch den Roki-Tunnel. (S. 130)

    Hauptmann Denis Sidristy, Kommandeur einer Kompanie des 135. motorisierten Infanterieregiments, schildert, wie er bereits in der Nacht zum 8. August mit seiner Einheit durch den Roki-Tunnel nach Zchinwali vorrückte (S. 132)
    Und am 25. August stand im "Spiegel" " zu lesen:
    Für eine friedliche Lösung ist es am nächsten Morgen [des 8. August] zu spät. Seit 2.06 Uhr am frühen Freitag laufen Meldungen über russische Panzer im Roki- Tunnel über die Ticker der Presse- Agenturen. Durch den Roki-Tunnel führen die Russen insgesamt, die Schätzungen differieren, 5500 bis 10 000 Soldaten nach Südossetien.
    Wenn die ersten Meldungen über russische Truppen im Roki- Tunnel in der Nacht zum 8. August um 2.06 von den Agenturen verbreitet wurden, dann kann dieser Angriff nicht gut erst gegen elf Uhr am Morgen des 8. August begonnen haben. Es sei denn, die Agenturen verfügten über die Fähigkeit zur Präkognition.

    Und dann kann der Einmarsch nach Südossetien auch schwerlich die Reaktion auf einen Beschuß Tschinwalis gewesen sein, der gerade einmal dreieinhalb Stunden zuvor begonnen hatte.

    Es sei denn, die russischen Befehlswege verliefen in der Art der Quanten- Verschränkung über paranormale Psi- Kanäle und die russische 58. Armee hätte die Fähigkeit, ihre Schützenpanzer und Panzer schneller marsch- und gefechtsbereit zu machen, als Houdini sich aus seinen Fesseln befreien konnte.

    Kurzum, auch wer den heutigen "Spiegel" gelesen hat, der ist, was die "Kriegsschuld" angeht, so klug als wie zuvor.



    Im zweiten Teil werde ich u.a. über das berichten, was zwei US-Experten in der vergangenen Woche zum Ablauf der Ereignisse in der Nacht zum 8. August und über die Hintergründe dieses Kriegs offiziell zu Protokoll gegeben haben; und auch über die russische Militärdoktrin.

    Zunächst aber die Links zu den Artikeln, in denen ich mich bisher mit dem Georgien- Krieg befaßt habe:
  • 9. August: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt. Nebst einer Zusammenfassung der Ereignisse, die zu diesem Krieg führten

  • 10. August: Wer sind die Adressaten des Ossetien-Kriegs? Merkel, Steinmeier, Sarkozy. Nebst einer Erinnerung an München 1938

  • 11. August: Zitate des Tages: Zwei britische Stimmen zur russischen Invasion Georgiens

  • 12. August: Hintergründe des Kriegs in Georgien (1): In den Krieg geschliddert? Oder gepokert und verloren?

  • 12. August: Hintergründe des Kriegs in Georgien (2): Rußlands Rückkehr zu einer imperialen Politik? Nebst der Stellungnahme von Präsident Saakaschwili

  • 13. August: Hintergründe des Kriegs in Georgien (3): Präsident Saakaschwili schildert den Ablauf der Ereignisse

  • 13. August: Eilmeldung bei CNN: Russische Truppen rücken in Richtung Tiflis vor. Saakaschwili: "Wir werden uns nicht ergeben"

  • 14. August: Vier historische Parallelen zum russischen Überfall auf Georgien

  • 15. August: Zitat des Tages: Krieg zwischen der Nato und Rußland? Über eine seltsame Inkonsistenz im linken Denken

  • 16. August: Krieg in Georgien: Eine Zwischenbilanz in Zitaten

  • 17. August: Zitat des Tages: "Nach Georgien kommt die Ukraine dran". Sowie über militärische Aspekte der Invasion Georgiens

  • 20. August: Kurioses, kurz kommentiert: Die besseren Argumente der Weicheier

  • 24. August: Zitat des Tages: "Warum sollte Moskau warten?" - In Georgien zieht Rußland seine Truppen "zurück, aber nicht ab"

  • 25. August: Kriegsschuld und Kriegsziele in Georgien: Alternative Erklärungsmuster

  • 2. September: Was weiß die OSZE über den Schuldigen am Georgien-Krieg? Wie "Spiegel-Online" wieder einmal manipuliert hat
  • (Fortsetzung hier)



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    29. August 2008

    Zitat des Tages: "Die Nato ist ein Kriegsinstrument gegen Rußland". Sagt Peter Scholl-Latour. Aber nicht deshalb ist das zitierenswert

    Die Nato ist, so wie es jetzt aussieht, wieder zu einem Kriegsinstrument gegen die So ... gegen Rußland geworden. Und das muß endlich mal aufhören, nicht wahr.

    Peter Scholl-Latour gestern bei Maybrit Illner.

    Kommentar: Nicht weil Peter Scholl-Latour das gesagt hat, ist es mein "Zitat des Tages". Sondern aus einem anderen Grund, auf den ich gleich komme. Aber zunächst zu Scholl- Latour:

    Peter Scholl-Latour ist ein großer Journalist und eine beeindruckende Persönlichkeit. Ein Mann offenbar mit der Vitalität von Johannes Heesters, zugleich ein unermüdlicher Reporter wie Egon Erwin Kisch. Einer von den Journalisten, die sich vor Ort umsehen, statt ihr Bild von der Welt in der heimischen Redaktion zu formen.

    Peter Scholl-Latour ist auch einer der letzten großen lebenden Gaullisten. Als Lothringer zugleich Deutscher und Franzose. Mit einem Doktorgrad in Politischer Wissenschaft des Eliteinstituts Institut d'études politiques de Paris. Und - man kann es kaum glauben - ein Veteran des Indochinakriegs!

    Von 1945 bis 1947 kämpfte er als Soldat einer französischen Kommandoeinheit (des Fallschirmjäger- Kommandos von Pierre Ponchardier) in Indochina gegen die Kommunisten, die damals noch nicht Viet Cong hießen, sondern Viet Minh. Und aus dieser Zeit stammt eine prägende Erfahrung seines Lebens:

    Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs versuchte Frankreich, seine alte Kolonie Indochina wieder unter seiner Kontrolle zu bekommen. Die USA ließen es dabei schmählich im Stich; jedenfalls in den ersten Jahren, als Scholl- Latour dort kämpfte.

    Die Viet Minh waren Verbündete der USA im Krieg gegen Japan gewesen; die Franzosen hingegen waren in amerikanischen Augen Imperialisten, die ihr Kolonialreich wieder errichten wollten. Also taten die USA nichts, um den gegen die Viet Minh kämpfenden Franzosen zu helfen. Erst einige Jahre später, mit dem Beginn des Kalten Kriegs, änderte sich das.

    Diese Erfahrung hat Peter Scholl-Latour offensichtlich nie vergessen. So scharfsinnig oft seine politischen Analysen sind - sobald es um die USA geht, lassen sie die übliche Klarheit und Qualität vermissen.

    Im Irak- Krieg beispielsweise hat er den USA schon vor dem Krieg "massive Propaganda" vorgeworfen ("Daß unsere Politiker die massive Propaganda der USA als Tatsache akzeptieren, offenbart den Zustand der Abhängigkeit, in dem sie sich gegenüber den USA befinden"; Interview mit der "Jungen Freiheit" vom Januar 2003) und ihnen dann eine vernichtende Niederlage vorhergesagt ("Der Krieg im Irak ist verloren, das kann man in aller Deutlichkeit sagen"; Scholl- Latour im März 2007 gegenüber der österreichischen Wochenzeitung "Zur Zeit"). Das eine so falsch wie das andere; aber als Äußerung eben verständlich aus der Weltsicht Scholl- Latours.



    Daß er also jetzt die Osterweiterung der Nato nicht als den freiwilligen Beitritt von Ländern sieht, die sich von Rußland bedroht fühlen und sich nach Westen orientieren wollen, sondern als das Schmieden eines "Kriegsinstruments" gegen Rußland - geschenkt. Von Scholl- Latour ist keine andere Sichtweise zu erwarten. Es ist halt die persönliche Perspektive eines großen alten Mannes mit seinen ihn prägenden Lebenserfahrungen.

    Daß er also die zitierten beiden Sätze geäußert hat - das wäre mir kein "Zitat des Tages" wert gewesen. Wohl aber etwas anderes: Das Publikum im Mainzer Studio quittierte diese Äußerung mit starkem Beifall.

    Daß jemand im Jahr 2008 die Nato als ein Kriegsinstrument gegen Rußland bezeichnet und fordert, daß das "endlich mal aufhören" müsse, und daß der Betreffende dafür von einem deutschen Publikum - keine Kommunisten, keine Rechtsextremen, sondern ganz normale Bürger - ebenso spontanen wie kräftigen Beifall bekommt, das ist die Nachricht. Das ist eine Nachricht über den Stand des deutschen öffentlichen Bewußtseins im Jahr 2008.



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    24. August 2008

    Zitat des Tages: "Warum sollte Moskau warten?" - In Georgien zieht Rußland seine Truppen "zurück, aber nicht ab"

    Gleichwohl geht man in Moskau davon aus, dass der Republikaner John McCain das Rennen macht. Dessen dezidiert antirussischer Kurs bringe eine weitere Verschärfung. Warum also sollte man bis nach den Wahlen in den USA warten?

    Dies alles sollte Anlass sein, die Dinge endlich so zu sehen, wie sie wirklich sind: Russland ist nach dem Ende der Sowjetunion und den chaotischen neunziger Jahren wiederauferstanden, als ein Land, das wirtschaftlich potent und militärisch handlungsfähig seine legitimen Interessen in den Grenzen des Völkerrechts entschieden wahrnimmt.


    Aus einer Analyse des Georgien- Kriegs in der gestrigen Ausgabe des Informationsdienstes "Rußland Aktuell".

    Der Autor des lesenswerten Beitrags ist Wolfgang Seiffert, Autor von "Wladimir Putin - Wiedergeburt einer Weltmacht?". Seiffert war in der DDR Professor für Internationales Wirtschafts- und Völkerrecht und Berater von Erich Honecker. Nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik arbeitete er bis 1994 als Direktor des Instituts für osteuropäisches Recht der Universität Kiel und lehrte danach am Zentrum für deutsches Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau.

    Kommentar: Der Autor weiß also, wovon er redet. Und er redet Tacheles. Auch darüber, daß es gar keinen Sechs- Punkte- Plan der EU gegeben habe, sondern daß dieser Plan von Medwedew formuliert worden sei. Mit der Gummi- Klausel, daß russische Truppen in Georgien "Sicherheitsmaßnahmen durchführen" dürfen.

    Dazu paßt ein Artikel vom Freitag ebenfalls in "Rußland Aktuell" mit dem treffenden Titel "Georgien: Russland zieht Truppen zurück – nicht ab". Auszug:
    Heute werden, so Russlands Militärführung, alle nach Georgien eingerückte Einheiten in "Sicherheitszonen" verlagert. Russische Soldaten werden aber weiterhin Georgiens Ost- West- Achse kontrollieren. (...)

    Entsprechend des Sechs- Punkte- Plans, der dem Waffenstillstand im Kaukasuskrieg zugrunde liegt, dürfen 'die russischen Friedenstruppen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen durchführen, bis ein internationaler Mechanismus vereinbart ist'. (...)

    Im Prinzip ändert sich also nicht so viel durch den Rückzug: Russische Soldaten stehen weiterhin an strategisch wichtiger Stelle in Kern- Georgien (...)
    Damit bestätigt sich das, was der Rußland- Kenner Vladimir Socor schon Anfang der Woche geschrieben hat; siehe hier und den Artikel vom Califax ebenfalls vom vergangenen Mittwoch.

    Und wer es genau wissen will, wie die angeblich von der EU formulierten sechs Punkte tatsächlich zustandegekommen sind, der findet es von Vladimir Socor hier im Detail beschrieben:
    The Medvedev- Sarkozy document reveals glaring procedural flaws. Presented by Sarkozy to Saakashvili for signing, and bearing Sarkozy’s hand-written inserts, the French- language document was evidently typed by the Russians and handed to Sarkozy during his Moscow visit.

    The tell- tale signs are obvious. The document's preamble names Medvedev first and Sarkozy second, and misspells "Sarcozy." The body of the document contains several errors of French grammar and style. The Russians added, in French, the fatal points 5 and 6, which did not figure in French Minister of Foreign Affairs Bernard Kouchner’s four-point draft.

    Das Medwedew- Sarkozy- Dokument läßt eklatante Verfahrensmängel erkennen. Das in französischer Sprache abgefaßte Dokument, das von Sarkozy an Saakaschwili zur Unterschrift übergeben wurde und das Sarkozys handschriftliche Einfügungen trug, wurde offenkundig von den Russen getippt und während seines Besuchs in Moskau an Sarkozy ausgehändigt.

    Die verräterischen Anzeichen sind unübersehbar. Die Präambel des Dokuments nennt Medwedew an erster und Sarkozy an zweiter Stelle und schreibt diesen falsch "Sarcozy". Der Hauptteil des Dokument enthält mehrere Verstöße gegen die französische Grammatik und Stilistik. Die Russen hatten auf Französisch die verhängnisvollen Punkte 5 und 6 hinzugefügt, die in dem 4-Punkte- Entwurf des französischen Außenministers Kouchner nicht enthalten gewesen waren.
    Man muß Wladimir Putin schon Anerkennung zollen. Besser hätte ein Molotow oder ein Gromyko diese Operation auch nicht planen und durchführen können.



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