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24. September 2009

Marginalie: Ein gemeinsamer Text von Otto von Habsburg und Daniel Cohn-Bendit - kann es das geben? Es gibt es

Der Text ist am Dienstag in seiner deutschen Version in der "Welt" erschienen. Aufmerksam geworden bin ich auf ihn durch den Blog Alemania: Economía, Sociedad y Derecho. Die englische Version hat der britische Guardian publiziert. Dort wird der Text als Offener Brief bezeichnet.

Zu den weiteren Verfassern neben Cohn-Bendit und Otto von Habsburg gehören u.a. Vaclav Havel und Adam Michnik, die vor 1989 wegen ihres Einsatzes für die Freiheit in der damaligen CSSR und in Polen von den Kommunisten verfolgt wurden.

Es handelt es sich also nicht um einen jener "Aufrufe", in denen Regisseure, Künstler usw. etwas "fordern" oder "verurteilen"; siehe Jetzt aufrufen sie wieder; ZR vom 9. 9. 2009. Sondern diejenigen, die den Text publizieren, sind Menschen, die das Thema hautnah kennen, über das sie schreiben.

Dieses Thema ist der russische Imperialismus. Er war vor gut einem Jahr in den Schlagzeilen, als russische Truppen in Georgien und georgische Truppen in den von Separatisten kontrollierten Landesteil Südossetien einmarschiert waren. Auch hier in ZR gab es damals zahlreiche Artikel zu diesem Thema; u.a. die vierteilige Serie Georgien und der russische Imperialismus. Die militärisch weit überlegenen Russen siegten bekanntlich. Seither ist es um Georgien in den Medien still geworden.

Der aktuelle Anlaß für die Publikation des Offenen Briefs ist die bevorstehende Veröffentlichung eines Berichts der EU über den Georgien- Krieg. Nach dem, was darüber durchgesickert ist, wird dieser Bericht Georgien für den Krieg verantwortlich machen.

Dagegen wenden sich die Autoren des Offenen Briefs; und zwar mit - wie mir scheint - guten Gründen:
... eine Großmacht wird immer einen Vorwand finden oder konstruieren, um in einen Nachbarstaat einzumarschieren, dessen Unabhängigkeit sie stört. Wir sollten uns erinnern, dass Hitler den Polen 1939 vorwarf, mit den Feindseligkeiten begonnen zu haben, ebenso gab Stalin den Finnen die Schuld, als er 1940 in ihr Land einmarschierte. Gleichermaßen lautet im Falle Georgiens und Russlands die entscheidende Frage nicht, welcher Soldat den ersten Schuss abgegeben hat, sondern vielmehr, welches Land in das andere einmarschiert ist.
Die Parallele zum deutsch- sowjetischen Überfall auf Polen und dem sowjetischen Überfall auf Finnland mag auf den ersten Blick weit hergeholt erscheinen.

Gewiß ist Putin kein Hitler oder Stalin; und gewiß wird der Einmarsch nach Georgien nicht einen Weltkrieg auslösen. Aber Putins Ziel, Rußland die Hegemonie über die Länder an seiner Peripherie zu sichern, steht durchaus in der Tradition der Sowjet- Politik. Auch der Einsatz überlegener militärischer Macht, um dieses Ziel zu erreichen.

Und noch eine weitere, beklemmede Parallele sehen die Autoren:
Die EU wurde gegen die Versuchungen Münchens und des Eisernen Vorhangs errichtet. Es wäre zutiefst katastrophal, wenn wir in irgendeiner Form den Eindruck erweckten, jene Art Praktiken stillschweigend hinzunehmen, die unseren Kontinent in den Krieg gestürzt und für den größten Teil des letzten Jahrhunderts geteilt haben. Auf dem Spiel steht nicht weniger als das Schicksal des Projekts, dem wir auch weiterhin unser Leben widmen: der friedlichen und demokratischen Wiedervereinigung des europäischen Kontinents.
In der Tat hat die Politik der EU gegenüber den Hegemonial- Ansprüchen Rußlands manche Ähnlichkeit mit der Appeasement- Politik der Dreißiger Jahre. Damals sprach man in den westlichen Demokratien oft von den "berechtigten Forderungen" Hitlers. Heute wird Verständnis für die "Sicherheitsinteressen" Rußlands geäußert, dem ein hegemonialer Einfluß auf Länder wie die Ukraine und Georgien sozusagen zustehe.

Besonders besorgniserregend ist, daß die USA des Präsidenten Obama auf einen solchen Kurs der Anerkennung russischer Hegemonie umgeschwenkt zu sein scheinen. Was sich schon kurz nach Obamas Amtsantritt abgezeichnet hatte (siehe Obamas wackelnde Regierung; ZR vom 10.2.2009), ist jetzt Realität geworden: Die USA werden das Raketenabwehr- System in Polen und Tschechien nicht errichten. Sie anerkennen damit die russischen Machtansprüche in Osteuropa.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.

25. Juni 2009

Zitat des Tages: Richard Herzinger zur Lage im Iran. Aber gestern wurde ein Brief Obamas an den Ayatollah Chamenei bekannt

Vor allem aber muss die Vorstellung aufgegeben werden, der Westen habe sich mit einer Parteinahme gegen das Regime zurückzunehmen, um den Führern in Teheran keinen Vorwand zu geben, die Oppositionsbewegung als westlich gesteuert hinzustellen. Auf diese Vorstellung stützte sich die Zurückhaltung von US-Präsident Barack Obama, von der er jetzt endlich deutlich abzurücken beginnt.

Richard Herzinger als Fazit einer vorzüglichen Analyse der Lage im Iran in "Welt- Online".

Kommentar: Ich empfehle sehr den Artikel von Herzinger, der wie so oft mit den Illusionen seiner "linksliberalen" Kollegen souverän aufräumt.

Was die Motive für Obamas Verhalten angeht, bedarf es aber einer Ergänzung, nein einer Korrektur: Es gab für Obamas "Zurückhaltung" ein ganz anderes Motiv als das von Herzinger genannte.

Zwischen dem vierten und dem zehnten Mai dieses Jahres wurde - so wird undementiert berichtet - unter Vermittlung der Schweizer Botschaft in Teheran ein Schreiben zugestellt, in dem der Präsident Obama dem Ayatollah Chamenei eine "Kooperation auf regionaler und bilateraler Ebene" vorschlägt.

An diesem Schreiben war monatelang gefeilt worden; nämlich seit Obamas Amtsantritt im Januar. Und jedenfalls der Entwurf vom Januar enthielt Zusicherungen (assurances), daß Washington "nicht den Sturz des Islamischen Regimes beabsichtigt".

Nachdem er - sehr wahrscheinlich - gerade erst diese Garantie gegeben hatte (die er schon im Herbst 2007 als Kandidat in Aussicht gestellt hatte), konnte sich Obama ja nicht gut gegen das Regime aussprechen. Selbst wenn er es gewollt hätte. Nicht, solange dies das Regime gefährdet hätte und damit seiner Garantie widersprochen hätte.

Einzelheiten mit Zitaten und Nachweisen in Zettels kleinem Zimmer.



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22. April 2009

Zitat des Tages: "Der Iran lädt Obama ein, sich zu demütigen". Die Politik der "ausgestreckten Hand" zeigt ihre Wirkungen

What Iran is doing is inviting Mr. Obama to humiliate his new administration by launching talks with the regime even while it is conspicuously expanding its nuclear program, campaigning to delegitimize and destroy Israel and imprisoning innocent Americans.

(Was der Iran macht, ist dies: Er lädt Obama ein, seine neue Regierung zu demütigen. Er soll Gespräche mit dem Regime starten, während dieses zugleich demonstrativ sein Atomprogramm ausweitet, einen Feldzug führt, um Israel die Anerkennung zu entziehen und es zu zerstören, und unschuldige Amerikaner ins Gefängnis wirft.)

Die Washington Post heute in einem Editorial über die USA-Politik des Iran. Überschrift: "Invitation to Appease"; Einladung zur Appeasementpolitik.

Kommentar: Präsident Obamas Politik der "ausgestreckten Hand" hat dazu geführt, daß Ahmadinedschad in Genf eine Rede hielt, "seemingly calculated to cause maximum outrage in the United States and other Western countries"; so die Washington Post - offenbar kalkuliert, um in den USA und anderen westlichen Ländern maximale Empörung auszulösen.

Obamas Politik der "ausgestreckten Hand" hat auch Nordkorea den Mut gegeben, nicht nur unter Bruch einer UNO-Auflage eine Interkontinental- Rakete zu testen, sondern gleich auch noch am Dienstag vergangener Woche formal alle Zugeständnisse zu annullieren, die ihm die Regierung Bush zu seinem Nuklearprogramm abgerungen hatte.

Dieses wird jetzt in vollem Umfang wieder aufgenommen; der am 27. Juni vergangenen Jahres mit viel Tamtam gesprengte Kühlturm der Nuklearanlage von Yongbyon soll ersetzt werden.

Und wie wirkt sich Obamas Politik der "ausgestreckten Hand" in Osteuropa aus? Dazu empfehle ich, was Califax gestern in "The Outside of the Asylum" geschrieben hat, sowie den gestrigen AP-Artikel von Lynn Berry.

Unter Bruch des mit der EU ausgehandelten Waffenstillstands hat Rußland Truppen nur 40 km vor Tiflis auf georgischem Boden stationiert, die in den letzten Tagen verstärkt wurden. Seit Anfang April hat Rußland außerdem 130 gepanzerte Fahrzeuge an die Grenze zwischen Südossetien und Georgien verlegt und weitere 80 von Rußland nach Südossetien geschickt.

Kommentar von Lynn Berry:
The actions by Russia reflect both its military strength and its willingness to challenge the West to reclaim a dominant role in Georgia and elsewhere in its former sphere of influence.

Die Aktionen Rußlands drücken sowohl seine militärische Stärke aus als auch seine Entschlossenheit, den Westen herauszufordern und wieder eine beherrschende Rolle in Georgien und anderswo in seiner früheren Einflußzone zu spielen.



Das ist das Ergebnis von hundert Tagen "Politik der ausgestreckten Hand". Geradezu ostentativ machen der Iran, Nordkorea und Rußland deutlich, daß sie überzeugt sind, der Regierung Obama auf der Nase herumtanzen zu können.

Mit der dreistesten Symbolik hat das ein weiterer Gegenspieler Obamas, der Präsident Hugo Chávez, zum Ausdruck gebracht. Schauen Sie sich einmal dieses Bild vom Lateinamerika- Gipfel an; achten Sie vor allem auf die Hände der beiden Händeschüttler.

Worauf zeigt Obamas Zeigefinger? Auf ein Buch, das ihm Chávez gerade überreicht. Es handelt sich um so etwas wie die Bibel des lateinamerikanischen Antiamerikanismus, "Open Veins of Latin America: Five Centuries of the Pillage of a Continent" (Die offenen Adern Lateinamerikas: Fünf Jahrhunderte Ausplünderung eines Kontinents) von Eduardo Galeano.

Nachdem Obama ohne Protest dieses "Geschenk" entgegengenommen hatte, schoß das Buch auf der Bestsellerliste von Amazon von Platz 54.295 auf Platz 2.

Dazu gestern der ehemalige UN-Botschafter der USA John Bolton in Fox News:
I think the most troubling aspect of this is, what it showed about the president, how superficial and uninformed he is about diplomacy, about our history in this hemisphere, and about the message he is sending to the Chavezes, Ahmadinejads and Kim Jong-Ils in the world — which is basically, you don't have anything to worry about from this administration.

Ich glaube, der beunruhigendste Aspekt ist, was es über den Präsidenten erkennen ließ - wie oberflächlich und uninformiert er über Diplomatie ist, über unsere Geschichte in dieser Hemisphäre und über die Botschaft, die er den Chávez, Ahmadinedschad, Kim Jong-Il dieser Welt zukommen läßt. Diese lautet im Kern: Von dieser Regierung habt ihr nichts zu befürchten.
Trefflich zusammengefaßt. Obama übertrifft alle Erwartungen; selbst meine pessimistischsten.



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4. Januar 2009

Zitate des Tages: Minister Steinmeiers Beschwichtigungspolitik

Steinmeier ruft Israel und Hamas zu Waffenruhe auf

BERLIN: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat Israel und die radikal- islamische Hamas zu einer Waffenruhe im Gazastreifen aufgefordert. Die andauernden Kämpfe gefährdeten die bisherigen Fortschritte im Nahost- Friedensprozess, sagte Steinmeier in einem Telefonat mit seiner israelischen Kollegin Zipi Livni. (...) Der SPD-Politiker appellierte deshalb an Livni, die derzeitigen arabischen Bemühungen um einen Waffenstillstand konstruktiv aufzunehmen. Von der Hamas verlangte er, den Beschuss israelischen Territoriums mit Raketen sofort einzustellen.


Aus einer Meldung der "Deutschen Welle" vom 1. Januar 2009


Zur Flankierung einer Waffenstillstandsvereinbarung und Unterstützung eines politischen Prozesses sei auch die Entsendung von Beobachtern unter VN-Dach unter der Voraussetzung denkbar, dass alle Parteien zustimmen und verbindlich auf jegliche Gewaltanwendung verzichten.

Aus einer Pressemitteilung des Auswärtigen Amts vom gestrigen Samstag.


Friedensinitiativen und so genannte Friedensideen oder internationale Konferenzen widersprechen dem Grundsatz der Islamischen Widerstandsbewegung. Die Konferenzen sind nichts anderes als ein Mittel, um Ungläubige als Schlichter in den islamischen Ländern zu bestimmen ... Für das Palästina- Problem gibt es keine andere Lösung als den Jihad. Friedensinitiativen sind reine Zeitverschwendung, eine sinnlose Bemühung.

Artikel 13 der Charta der HAMAS



Kommentar: Ob Außenminister Steinmeier schon einmal einen Blick in die Charta der HAMAS geworfen hat? Sein Verhalten läßt er vermuten, daß er sein Bild von dieser Organisation aus der Zeitung hat. Sagen wir, aus der "Süddeutschen Zeitung", in der Thorsten Schmitz nach Beginn der israelischen Militäraktion schrieb:
Anstatt die Hamas zu bombardieren, dadurch Hass zu säen und Terrorangriffe zu provozieren, müsste Israel die radikal- islamische Gruppe ... umgarnen (...) Die Hamas muss in den politischen Prozess integriert werden und Regierungsaufgaben übernehmen.
Mir scheint, es ist dringend an der Zeit, den Begriff Appeasement, zu deutsch "Beschwichtigungspolitik", wieder in das aktuelle politische Vokabular aufzunehmen.



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10. August 2008

Wer sind die Adressaten des Ossetien-Kriegs? Merkel, Steinmeier, Sarkozy. Nebst einer Erinnerung an München 1938

Gestern brachte die ARD-"Tagesschau" in mehreren Ausgaben die Meldung, Südossetien gehöre zwar zu Georgien, "wird aber überwiegend von Russen bewohnt".

Das war eine krasse Falschmeldung. Tatsächlich sind - man konnte es gestern hier lesen - nur ungefähr zwei Prozent der Einwohner Südossetiens Russen. Ungefähr zwei Drittel sind Osseten, zwischen fünfundzwanzig und dreißig Prozent sind Georgier. Ein Blick in die zum Beispiel in der Wikipedia verfügbaren Daten der Volkszählungen von 1926, 1939, 1959, 1970 und 1979 hätte die Redaktion der "Tagesschau" davor bewahrt, eine falsche Behauptung zu verbreiten.



Wie kam es zu dieser Falschmeldung? Es scheint, daß die Redakteure der "Tagesschau" ungeprüft russische Meldungen übernommen und sie falsch interpretiert haben, die seit gestern verbreitet werden; ich hatte sie den Tag über in dem russischen Propagandasender Russia Today gehört. Danach haben achtzig Prozent der Bewohner Südossetiens einen russischen Paß.

Der russische Präsident Medwedew erklärte gestern, "that Russian forces in South Ossetia also have a mission to protect civilians in the province, most of whose residents hold Russian passports"; daß die russischen Streitkräfte in Südossetien auch den Auftrag haben, Zivilisten in dieser Provinz zu schützen, von deren Einwohnern die meisten einen russischen Paß besitzen.

Wieso haben die meisten Einwohner einer Provinz des souveränen Staats Georgien einen russischen Paß? Nicht, weil sie Russen wären. Sondern weil - so berichtet es zum Beispiel Robert Parsons im aktuellen Telegraph - Rußland sie in den vergangenen Jahren systematisch mit russischen Pässen ausgestattet hat:
Georgia now stands on the very brink of a grotesquely uneven conflict with a resurgent Russia itching to flex its muscles and burning with post-imperial hubris. The chosen causus belli is South Ossetia, which fought a separatist war with Georgia in 1992 and has enjoyed the support of Russia ever since.

So much so, that Russia has spent the intervening years handing out Russian passports to any South Ossetian who cares to have one. These are the people who Dmitry Medvedev had in mind on Thursday when he said that as president of the Russian Federation, he was obliged to defend the lives of Russian citizens wherever they were.

Georgien steht jetzt unmittelbar am Rand eines grotesk ungleichen Konflikts mit einem wieder aufstrebenden Rußland, das es juckt, seine Muskeln spielen zu lassen und das vor postimperialer Hybris brennt. Der Kriegsgrund, den man ausgesucht hat, ist Südossetien, das 1992 gegen Georgien einen Unabhängigkeitskrieg ausfocht und das sich seither der Unterstützung Rußlands erfreut.

So sehr, daß Rußland die zurückliegenden Jahre damit verbrachte, jedem Südossetier, der einen haben mochte, einen russischen Paß auszuhändigen. Dies sind die Leute, die Dmitri Medwedew am Donnerstag meinte, als er sagte, daß er als Präsident der Russischen Föderation verpflichtet sei, das Leben russischer Bürger zu schützen, wo immer sie seien.



Man sieht, wie langfristig die Russen das vorbereitet haben, was sich jetzt abspielt.

Südossetien gehört im gleichen Sinn, auf derselben Rechtsgrundlage zu Georgien, wie Tschetschenien zu Rußland. Tschetschenien, gegen dessen Unabhängigkeit Rußland einen blutigen Krieg geführt hat.

Warum unterstützen die Russen dann den südossetischen Separatismus? Die Frage ist begründet, wenn man sich zum Beispiel das Verhalten der Staaten Afrikas ansieht. Viele von ihnen sind von separatistischen Bestrebungen bedroht. Also stehen sie fast alle gegen jeden Separatismus zusammen, auch wenn dieser einen verfeindeten Staat treffen mag. Denn sie wissen, daß erfolgreiche Beispiele ansteckend sind.

Wenn sich Rußland so ostentativ anders verhält als die afrikanischen Staaten, wenn es in Bezug auf Südossetien exakt das Gegenteil des Prinzips vertritt, das es für Tschetschenien in Anspruch nimmt, dann muß das also schwerwiegende Motive haben.

Über das Hauptmotiv schreibt die Washington Post in einem Editorial in ihrer heutigen Ausgabe:
At its summit in Bucharest, Romania, in April, NATO offered Georgia eventual membership. This was not the more concrete promise that Georgia and the Bush administration had wanted. But Tbilisi and Washington settled for less in deference to European NATO members who wanted to avoid inflaming Russia. It didn't work, because Moscow responded by increasing its ties to Abkhazia and South Ossetia (...)

It's doubtful, though not unthinkable, that Russia plans to conquer all of Georgia. But its objectives are no less cynical for that. Simply by keeping the country in a constant state of territorial division and conflict, it hopes to show NATO that Georgia is too unstable for membership -- thus giving Georgia no choice but to submit to Moscow's "influence."

Auf ihrem Gipfel in Bukarest (Rumänien) im April bot die Nato Georgien eine Mitgliedschaft als Endziel an. Das war nicht das konkretere Versprechen, das Georgien und die Regierung Bush gewünscht hatten. Aber Tiflis und Washington gaben sich mit Rücksicht auf die europäischen Nato- Staaten, die es vermeiden wollten, Rußland zu erzürnen, mit weniger zufrieden. Das funktionierte nicht, denn Rußlands Reaktion bestand darin, seine Bindungen zu Abchasien und Südossetien zu verstärken. (...)

Es ist zweifelhaft, wenn auch nicht undenkbar, daß Rußland vorhat, das gesamte Georgien zu erobern. Aber deshalb sind seine Ziele nicht weniger zynisch. Einfach indem es das Land in einem anhaltenden Zustand der Trennung seines Gebiets und des Konflikts hält, hofft es der Nato zu zeigen, daß Georgien für eine Mitgliedschaft zu instabil ist - so daß Georgien keine Wahl bleibt, als sich dem "Einfluß" Rußlands zu unterwerfen.



Das ist die Quittung dafür, daß die Nato es im April in Bukarest abgelehnt hat, Georgien den Status Membership Action Plan (MAP) zu gewähren, also die verbindliche Einleitung des Prozesses der Aufnahme in die Nato. Ob es Rußland gewagt hätte, gegen einen solchen Nato- Aspiranten so vorzugehen, wie es das jetzt gegen das ohne Verbündete dastehende Georgien tut, ist sehr die Frage.

Es ist wieder einmal - siehe auch die ausgezeichnete Analyse in "Hotel Villa de Art" - wie in München 1938: Einem aggressiven, expansiven und undemokratischen Staat mit Kompromissen entgegenzukommen, stärkt nur dessen Appetit.

Damals, im April dieses Jahres, schrieb der Economist unter der Überschrift "With allies like these" (Mit derartigen Verbündeten) über den Antrag Georgiens auf den MAP-Status:
... to many, particularly America and ex-communist states, this was a question of principle: NATO had to keep its vow to welcome fragile democracies, and should give no veto to Russia, especially in its current aggressive mood.

Germany says Russia's president-elect, Dmitry Medvedev, should get time to settle in without being forced into a spat with NATO. "What is the rush?" asked one senior official.

At a bad-tempered foreign ministers' meeting on the opening night, Germany's foreign minister, Frank-Walter Steinmeier, told colleagues Georgia would not be fit to join until it had resolved the “frozen conflicts” over two Russian-backed statelets on its soil. (...)

After much haggling, the allies declared that the two countries “will become members of NATO” eventually — but that a decision on MAP would only be taken by foreign ministers in December. Even that could be a humiliation for the Georgians, whose volatile president, Mikheil Saakashvili, privately compared anything short of MAP to appeasement of the Nazis.

Für viele, vor allem Amerika und ex- kommunistische Staaten, war das eine Frage des Prinzips: Die Nato hatte ihren Schwur zu halten, fragile Demokraten willkommen zu heißen, und durfte Rußland, vor allem in seiner momentanen aggressiven Haltung, kein Vetorecht einräumen.

Deutschland erklärt, der gewählte russische Präsident, Dmitri Medwedew, sollte Zeit bekommen, sich einzurichten, bevor man ihn in eine Auseinandersetzung mit der Nato hineinzwinge. "Wo ist der Grund zur Eile?" fragte ein leitender Beamter.

Auf einem angespannten Treffen der Außenminister am ersten Abend der Konferenz erklärte der deutsche Außenminister Frank- Walter Steinmeier gegenüber seinen Kollegen, daß Georgien solange nicht reif für eine Mitgliedschaft sei, wie es nicht die "eingefrorenen Konflikte" mit zwei von Rußland unterstützten Mini- Staaten auf seinem Boden gelöst hätte. (...)

Nach viel Geschacher verkündete die Allianz, daß die beiden Länder [es ging auch um die Ukraine; Anmerkung von Zettel] schlußendlich "Mitglieder werden" - daß aber eine Entscheidung über eine MAP von den Außenministern erst im Dezember getroffen werden würde. Selbst das konnte für die Georgier eine Demütigung sein, deren sprunghafter Präsident Michael Saakaschwili im vertraulichen Gespräch alles unterhalb einer MAP mit der Beschwichtigungs- Politik der Nazis verglich.

Wie sehr er mit seinem Vergleich recht haben würde, hat vermutlich damals selbst der georgische Präsident nicht geahnt.

Nur daß Hitlers Verhalten nach 1938 die westlichen Staaten aufrüttelte. Während Putin vermutlich zu Recht darauf spekuliert, daß - siehe oben das Editorial der Washington Post - Steinmeier, Merkel und Sarkozy die Botschaft des jetzigen Kriegs richtig verstehen werden: Wenn ihr gut Freund mit Rußland sein wollt, dann Finger weg von Georgien.



Mit Dank an Kane. Für Kommentare zu diesem Artikel gibt es einen Thread in "Zettels kleinem Zimmer". Dort findet man auch eventuelle Aktualisierungen und Ergänzungen.