10. April 2007

Zettels Oster-LobhudelEi (7): Modell Deutschland. Eine Mini-Historie, Teil vier und Schluß

Während des Wahlkampfs 1998 dachte ich manchmal: Was wir jetzt brauchen, das ist der Wechsel zu einer CDU- geführten Regierung.

Aber die hatten wir ja, die CDU- geführte Regierung. Nur war sie ausgelaugt, am Ende.

Und für den Wechsel standen nur die Sozialdemokraten bereit. Ich habe mich damals manchmal gefragt, ob es nicht immer noch besser wäre, eine SPD- geführte Regierung zu bekommen, als diese Agonie der letzten Kohl- Jahre sich perpetuieren zu lassen.

Also war ich damals, im Frühherbst 1998, manchmal nahe daran, die SPD zu wählen. Auch angesichts der Verheißungen Schröders von einer "Neuen Mitte". Angesichts seiner Entscheidung für den Liberalen Jost Stollmann als Wirtschafts- Minister im Fall eines Wahlsiegs. Ein deutsches New Labour, das erschien mir durchaus attraktiv.

Aber ich kannte diesen Gerhard Schröder ein wenig, aus gemeinsamen Juso- Tagen. Also ahnte ich, daß das alles nur Schaumschlägerei war; wie alles bei Schröder. Und habe dann doch die FDP gewählt.



Kohls letzte Jahre als Kanzler: Das war ein Jammer. Helmut Kohl, dieser große Staatsmann, dem Deutschland so viel zu verdanken hatte, wollte und wollte nicht seinen Sessel räumen.

Das alte Syndrom: Der große Churchill endete politisch als ein Regierungschef, der kaum noch die Geschäfte führen konnte. Der große Adenauer, der in Ehren hätte abtreten können, mußte am Ende regelrecht aus dem Amt gemobbt werden.

Und Kohl hätte als großer Kanzler, von allen hochgeachtet, abtreten können, wenn er 1992, zwei Jahren vor den Wahlen 1994, den Stab an Wolfgang Schäuble weitergereicht hätte. Oder spätestens - aber wirklich allerspätestens - 1996, in der Mitte der nachfolgenden Legislaturperiode.

Stattdessen verhielt sich Kohl wie der Altbauer, der dem Jungbauern den Weg zur Übernahme des Hofs verbauen will, solange er noch japsen kann. Es war ein trauriges Schauspiel.



So sahen das wohl viele Deutsche; und so wurde ein Provinzpolitiker, der sich durch nichts hervorgetan hatte als durch populistische Aktionen und publikumswirksame Auftritte - so wurde dieser Gerhard Schröder aus Niedersachsen, in der Außenpolitik so unerfahren wie in der Wirtschaftspolitik, noch nicht einmal des Englischen mächtig, Bundeskanzler.

Er erwies sich als der einzige vollständige Versager in der Geschichte der deutschen Bundeskanzler. Auch Erhard war durch das Amt überfordert gewesen; aber er hatte zuvor doch als Wirtschaftsminister einen ausgezeichneten Job gemacht.

Schröder dagegen hatte nichts vorzuweisen an politischen Leistungen, als er Bundeskanzler wurde. Und er hatte nichts vorzuweisen an politischen Leistungen, als er abtrat.



Es war eine nachgerade gespenstische Zeit, die 1998 begann. Was ich zu ihr zu sagen habe, das habe ich in früheren Beiträgen geschrieben: Hier, hier und hier.

Um es in einem Satz zusammenzufassen: Es war der Versuch einer Restauration des Geistes, der Werte, der Ziele der siebziger Jahre durch eine Regierung aus Menschen, die damals die prägenden Einflüsse ihres Lebens erfahren und sich danach nicht mehr geändert hatten.

So, wie die Bourbonen nach dem Ende Napoléons noch einmal das alte Köngreich, das Ancien Régime, zu restaurieren versucht hatten. Es war eine Metternich- Zeit, diese rotgrüne Periode.



Das Erstaunliche ist, daß auch in dieser Zeit, in der die Regierenden alle Erfordernisse der Gegenwart ignorierten, das "Modell Deutschland" nicht totzukriegen war.

Denn die Industrie arbeitete daran, Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung zu finden.

In den Medien waren immer deutlicher liberale und konservative Stimmen zu vernehmen. Journalisten wie Frank Schirrmacher und Henryk M. Broder wurden zu so etwas wie Meinungsführern.

Selbst in den Universitäten änderte sich das Meinungsklima. Man konnte auf einmal laut sagen, daß man Drittmittel aus der Industrie, ja aus dem Verteidungsministerium einzuwerben wünschte. Die neue Studentengeneration interessierte sich nicht mehr für Marx und den Konsumterror, sondern dafür, wie man sich am besten fit macht für die Berufswelt.

Während die Altgewordenen der 68er Generation als Spätberufene, sechzigjährigen Pfadfindern gleich, in der Bundesregierung ihre Programmatik von 1972 abzuarbeiten versuchten, wandelte sich die Gesellschaft.



Das wurde sichtbar, als auch die Regierung sich geändert hatte, im Herbst 2005. Seither hat sich die Stimmung in Deutschland gedreht. Die Jammerei überläßt man den pflichtgemäß Jammernden von der Linkspartei. Ansonsten herrscht zunehmend Optimismus; viele Umfragen zeigen das.

Alles also wieder im Geleise mit dem "Modell Deutschland"?

Jedenfalls im Ausland sieht man das so. Kürzlich habe ich im französischen Sender LCP die Übertragung einer Sondersitzung des französischen Senats gesehen, in der mit Experten über die Herausforderungen der mondialisation, also der Globalisierung, debattiert wurde. Immer wieder war davon die Rede, wie viel besser die Deutschen das bewältigten, und was man in Frankreich tun müsse, um ihnen nachzueifern.

Ein optimistischer Ausklang dieser kleinen Oster- Serie also? Schon. Nur mit einem caveat: Es ist nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern scheint zu einer realen Möglichkeit zu werden, daß 2009 eine Volksfront- Regierung in Deutschland an die Macht gelangt.

Wahrscheinlich überlebt das "Modell Deutschland" auch das ziemlich unbeschadet. Volksfront- Regierungen verlieren ja im allgemeinen nach kurzer Zeit die Unterstützung der Wähler; man sieht das gerade wieder in Italien.

Aber ein Rückschlag wird das schon sein, 2009. Es sei denn, daß wider alle momentanen Daten die Deutschen in zweieinhalb Jahren nicht mehr mehrheitlich links sind; oder aber daß die Grünen sich dann der Koalition mit den Kommunisten verweigern.

Daß die SPD sich den Kommunisten verweigert, glaube ich nicht.