3. April 2007

Randbemerkung: "Furchtbares, nicht wieder gut zu machendes Unrecht". Zum Tod von Hans Filbinger

Als 1978 der "Fall Filbinger" die Öffentlichkeit beschäftigte, war ich, wie die meisten Liberalen und Linken, davon überzeugt, daß die gegen Filbinger gerichteten Vorwürfe berechtigt waren. Das war ein Irrtum gewesen.

Heute steht fest, daß Filbinger als Marinerichter nichts, absolut nichts, getan hat, was ihm vorzuwerfen gewesen wäre. Er war Opfer einer Kampagne der Abteilung X der HVA des MfS (Aktive Maßnahmen im OG) geworden, der sich allerdings nur allzu bereitwillig bundesdeutsche Medien anschlossen, allen voran der "Spiegel". Auslösend waren Vorwürfe eines Theaterautors namens Rolf Hochhuth gewesen; schweigen wir über ihn.

Einen umfassenden und präzisen Überblick über diese "Affäre Filbinger" bietet die Wikipedia. Die internationale, versteht sich; während der entsprechende Artikel in der deutschen Wikipedia, wie so oft, von ungleich schlechterer Qualität ist.

Wer sich über die Einzelheiten des "Falls" informieren möchte, der findet alles Wissenswerte in einem ausgezeichneten Artikel des früheren Mitherausgebers der FAZ, Günther Gillessen.

Informationen über die Involvierung der HVA des MfS liefert ein Buch von zwei ehemaligen hohen Offizieren der HVA:
Günter Bohnsack and Herbert Brehmer, Auftrag: Irreführung. Wie die Stasi Politik im Westen machte. Hamburg: Carlsen, 1992.


Das Zitat im Titel dieses Beitrags stammt von Gebhard Müller, früherer Präsident des BVG. Natürlich meint es nicht Unrecht, das Filbinger verübt hätte, sondern das Unrecht, das ihm mit dieser Kampagne angetan worden war.

Ich habe das Zitat einer Rede im Bundestag entnommen, die der Abgeordnete Wolfgang v. Stetten am 15.05.1997 gehalten hat.

Wer sich die Mühe macht, die Fakten zum "Fall Filbinger" zur Kenntnis zu nehmen, der wird mir darin zustimmen, daß v. Stetten ein zutreffendes Résumé zieht:
Wir sollten uns übrigens hüten, überheblich über ehemalige Wehrmachtsrichter oder Kriegsrichter zu urteilen, ohne die damals geltenden Gesetze zu kennen und die Kriegssituation zu berücksichtigen.

Während alle Urteile der Standgerichte - und es hatte nichts mit Wehrmachtsgerichtsbarkeit zu tun - schon allein wegen der fehlenden ordentlichen Verfahren - als Unrechtsurteile bezeichnet werden können, ist dies bei Urteilen der Wehrmachtsgerichtsbarkeit anders. (...) Es gab drastische Strafen, auch Todesurteile, z. B. bei Vergewaltigung und Tötungen.

Für Hitler und seine Nationalsozialisten waren diese Urteile vielfach - insbesondere bei Wehrkraftzersetzung, Feigheit vor dem Feinde oder Desertation - zu milde. Deswegen wurden ab 1944 Standgerichte eingesetzt bzw. Sonderkommandos der GESTAPO übernahmen grausam deren Aufgaben.

Angeblich zu "milde" Richter wurden strafversetzt oder wie einer der Obersten Richter, Dr. Karl Sack, sogar hingerichtet, andere von der GESTAPO verfolgt und konnten nur mit Mühe ihr Leben retten. Mit einer merkwürdigen Doppelmoral werden lebende oder tote Wehrmachtsrichter auch 50 Jahre nach dem Krieg von bestimmten selbsternannten antifaschistischen Gruppen verleumdet und verfolgt.

So ist u. a. Filbinger "furchtbares, nicht wieder gut zu machendes Unrecht geschehen", so der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Dr. Gebhard Müller, zum Rufmord an Professor Filbinger.

Damals ahnten wir, heute wissen wir es, daß die Kampagnen von der berüchtigten Abteilung X der Stasi ferngesteuert waren. Wer heute noch den absolut rehabilitierten Dr. Filbinger angreift, entlarvt sich als Mittäter der Stasi.


Wie konnten damals so viele Journalisten, so viele seriöse Zeitschriften wie der "Spiegel", der "Stern", die "Zeit" sich an dieser Kampagne beteiligen?


Aus heutiger Sicht ist das unverständlich. Waren das denn alles Kommunisten? Waren sie unfähig zu einer ordentlichen Recherche?

Ich habe keine Antwort auf diese Frage. Ich kann nur aus eigener Erinnerung sagen, daß damals für sehr viele Deutsche schon der Vorwurf einer "Nazi- Vergangenheit" genügte, um jemanden zu diskreditieren.

Zumal, wenn er ein Konservativer war wie Filbinger. Er stammte aus einem katholisch- konservativen Milieu. Er war nie in der Versuchung gewesen, die "Weltanschauung" der Nazis zu übernehmen. Er war sogar - nachzulesen bei Gillessen - von den Widerständlern des 20. Juli Karl Sack und Berthold Schenk Graf von Stauffenberg für ein Amt nach dem erfolgreichen Putsch vorgesehen gewesen, weil sie von seiner "antinationalsozialistische[n] Grundsatztreue und Loyalität" überzeugt waren.

Aber das half ihm 1978 nichts. Er war halt ein entschiedener Gegner der Linken. Er hatte einen Wahlkampf mit dem Slogan "Freiheit oder Sozialismus" geführt. Das brachte ihn ins Visier der HVA, machte ihn zum Gegenstand der Tätigkeit von deren Desinformations- Abteilung.

Wie Globke, wie Lübke, wie Kiesinger diente er der HVA dazu, die Bundesrepublik als von Nazis regiert zu diffamieren.

Getreu den Prinzipien der kommunistischen Propaganda wurde jedes diese Opfer mit einem Etikett versehen: Der "Kommentator der Rassengesetze", der "KZ- Baumeister", der "NS- Propagandist". Und Filbinger war der "furchtbare Jurist".



Dem Mann ist Unrecht geschehen. Ob wenigstens die Nachrufe ihm gerecht werden? Ich habe mir noch keine angesehen.