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1. Oktober 2009

Marginalie: Die DDR ist nicht untergegangen


Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen am 27. September 2009. Für eine vergrößerte Ansicht bitte auf die Grafik klicken.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Abbildung: © Bundeswahlleiter, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2008, Wahlkreiskarte für die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag. Geoinformationen © Bundesamt für Kartographie und Geodäsie. Gemäß dem deutschen Urheberrecht gemeinfrei, weil es Teil der Statute, Verordnung oder ein gesetzlicher Erlass (Amtliches Werk) ist, das durch eine deutsche Reichs-, Bundes- oder Landesbehörde bzw. durch ein deutsches Reichs-, Bundes- oder Landesgericht veröffentlicht wurde (§ 5 Abs.1 UrhG).

29. September 2009

Zitat des Tages: Steinmeier und die Sprache der Linken. Wieder wird die SPD einen Vorsitzenden verschleißen

Also muss die SPD nach den Sozialreformen womöglich eine weitere Kehrtwende vollziehen. (...) Denn wer die Linkswähler zurückholen will, muss rasch deren Sprache sprechen lernen. Steinmeier wird den Linken geben, oder andere werden ihn dazu drängen – ihn, der in der großen Koalition die Rente mit 67 oder die höhere Mehrwertsteuer mitbeschlossen hat und der noch im Sommer rot-rote Koalitionen selbst auf Länderebene ablehnte.

Nicht wahr, bis hierhin klingt das wie ein Kommentar aus der "Süddeutschen Zeitung", aber nicht wie ein Kommentar aus der "Welt".

So geht es aber weiter:

Wer soll ihm glauben? Und wie soll das gut gehen?

Schreibt Torsten Krauel in "Welt- Online".


Kommentar: Wie wahr. Die SPD wird sich jetzt nach links orientieren. Sie wird in der Opposition das Volksfront- Bündnis schmieden, das sie 2013 zurück an die Macht bringen soll.

Die beiden rivalisierenden Schmiede dieses Bündnisses, Andrea Nahles und Klaus Wowereit, haben freilich Grund, sich vorerst bedeckt zu halten. Sie wollen möglichst wenig mit der jetzigen Niederlage assoziiert werden. Sie brauchen Zeit, die Flamme zu erhitzen und das Schmieden vorzubereiten.

Also schieben sie Steinmeier nach vorn. Parole: Hannemann, geh du voran. Man wird ihn nicht nur zum Vorsitzenden der Fraktion machen, sondern auch noch zum Vorsitzenden der Partei.

Man wird ihn verschleißen, so wie diese Partei eine ganze Riege von Vorsitzenden verschlissen hat. Zuletzt den noblen Platzeck, der die Flucht ergriff, als er einen Blick in das Haifischbecken geworfen hatte, und den biederen Beck, der sich täppisch in der Beteiligung am Intrigenspiel versuchte.

Steinmeier wird nie Kanzler werden. Er wird auch nicht noch einmal Kanzlerkandidat werden. Die SPD-Linke wird ihn absägen, sobald er seine Funktion erfüllt hat.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.

28. September 2009

Zitat des Tages: Gregor Gysi dreht's wieder einmal, wie es gerade paßt

Das eigentlich Herausragende des Ergebnis [sic] ist, dass die Linke ein zweistelliges Ergebnis erzielt hat, das hat es seit 1949 nie in der Bundesrepublik gegeben.

Gregor Gysi laut FAZ.Net über den Wahlausgang.


Kommentar: Eine erstaunliche Aussage, denn die Partei "Die Linke" ist diesmal zum ersten Mal zu Bundestagswahlen angetreten.

Wen also meint Gysi mit "seit 1949"? Die KPD, die SEW, die ADF, die DFU, die DKP? Die allerdings traten schon früher auf. Und schnitten in der Tat erbärmlich ab.

Es waren freilich allesamt auch nicht einfach "linke" Parteien, sondern Kommunisten; teilweise unter Tarnnamen. Daß Gysi seine Partei in diese Ahnenreihe stellt, ist ein erstaunliches Eingeständnis. Bisher las man's anders.

Aber wenn unter allen diesen Etiketten immer nur dieselben Kommunisten antraten (was ich Gysi gern konzediere), dann müßte man doch vernünftigerweise auch die SED einbeziehen. Deren Ergebnisse lagen nicht nur im zweistelligen, sondern schon fast im dreistelligen Bereich.

Aber er sprach doch nur von der Bundesrepublik, der Gregor Gysi? Dann freilich dürfte er bei seinem Vergleich auch für die jetzigen Wahlen nur die Ergebnisse aus der alten Bundesrepublik zum Vergleich heranziehen. Und dort gab es auch diesmal keineswegs "ein zweistelliges Ergebnis".

Er dreht's also, wie es ihm paßt. Solche kleinen Tricks sind es, mit denen sich ein Mensch entlarvt.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Nachtrag am 1. 11. 2009: Mit Dank an che2001 für den Hinweis darauf, daß ich statt "ADF" irrtümlich "AUD" geschrieben hatte.

27. September 2009

Marginalie: Mein schwarzgelbes Kabinett

Bundeskanzlerin: Angela Merkel (CDU)

Außenminister und Vizekanzler: Guido Westerwelle (FDP)

Innenminister: Günther Beckstein (CSU)

Finanzminister: Hermann Otto Solms (FDP)

Verteidigungsminister:
Wolfgang Schäuble (CDU)

Wirtschaftsminister: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)

Justizministerin:
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)

Europaminister: Eckart von Klaeden (CDU)

Minister für Forschung, Technologie, Wissenschaft und Umwelt:
Hans-Olaf Henkel (parteilos)

Minister für Arbeit, Mittelstand, Landwirtschaft und Soziales: Rainer Brüderle (FDP)

Ministerin für Gesundheit, Familie, Jugend und Sport: Ursula von der Leyen (CDU)



Keine weiteren Ministerien.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.

Wahlen '09 (22): Wow!

Es sieht so aus, als sei das - aus meiner Sicht - überhaupt beste Ergebnis herausgekommen: Eine schwarzgelbe Regierung mit einer außerordentlich starken FDP.

So ganz sicher bin ich, fünfzehn Minuten nach Schließung der Wahllokale, noch nicht. Auch Stoiber war schon zum Wahlsieger ausgerufen worden.

Aber wenn es denn so kommt: Wir sind noch einmal davongekommen.

Nein, das ist zu wenig gesagt: Wir haben dann seit heute jede Chance für eine positive Entwicklung unseres Landes.

Nachtrag um 20 Uhr: Das Ergebnis scheint jetzt festzustehen. Ein Aufschwung wie nach 1949 ist möglich.

In der Opposition wird es jetzt darum gehen, ob die SPD ihre Führungsrolle behält oder hinter die Kommunisten zurückfällt.

Wie auch immer - der Wahlkampf 2013 wird ein Lagerwahlkampf sein; zwischen dem liberalkonservativen Lager und der Volksfront.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Der Reichstag. Vom Autor Norbert Aepli unter Creative Commons Attribution 2.5 - Lizenz freigegeben. Ausschnitt.

Marginalie: Anmerkung zum (vermutlichen) heutigen Wahlerfolg der Kommunisten

Dort, wo die Kommunisten regieren, ist die Wahlbeteiligung erfreulich hoch. Bei den letzten Wahlen in Cuba lag sie zum Beispiel bei 96,89 Prozent, was umso bemerkenswerter ist, als es gar nichts zu wählen gab. Um die 614 zu vergebenden Mandate bewarben sich nämlich genau 614 Kandidaten; siehe Heute wählt Cuba!, ZR vom 20. 1. 2008.

Wo die Kommunisten noch nicht regieren, da profitieren sie hingegen von einer niedrigen Wahlbeteiligung. Denn der Kern ihrer Anhänger ist, wie bei jeder extremistischen Partei, überdurchschnittlich politisch interessiert. Für sie ist es keine Frage, daß sie wählen gehen.

Jetzt, zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale, zeichnet sich eine niedrige Wahlbeteiligung ab. Vielleicht steigt sie noch etwas dank der Wähler, die erst wählen gehen, wenn sie vom Sonntagsausflug bei strahlendem Sonnenschein zurück sind. Aber es ist unwahrscheinlich, daß sie am Ende des Tages hoch sein wird.

Das könnte einer der Gründe dafür sein, daß die Kommunisten heute einen großen Sieg feiern werden. Aber als Erklärung reicht es natürlich nicht.

Woher jetzt dieser Zulauf zu den Kommunisten sogar im Westen? Wegen der Krise? Gewiß nicht. Auch in früheren Krisen blieben die Kommunisten in der Bundesrepublik marginal; weit entfernt von der Fünf- Prozent- Hürde.

Entscheidend dürfte sein, daß es den Kommunisten gelungen ist, nicht mehr als extremistisch wahrgenommen werden. Dazu hat die Einverleibung der WASG beigetragen; sodann der ehemalige SPD-Chef Lafontaine als Aushängeschild; vor allem aber die freundliche Art, in der die Massenmedien die Kommunisten behandeln. Mit einer Super- Fairness, von der die Extremisten auf der Rechten noch nicht einmal träumen können.

Die Kommunisten sind, mit anderen Worten, gesellschaftsfähig geworden. Man findet nichts mehr dabei, sich zu ihnen zu bekennen und sie zu wählen.

Obwohl ihr Vorsitzender Lothar Bisky in Personalunion der Vorsitzende fast aller Kommunisten Europas ist (siehe Lothar Bisky, Vorsitzender von zwei Parteien; ZR vom 1. 9. 2008), präsentieren sich die deutschen Kommunisten nicht unter diesem Etikett, sondern sie spielen erfolgreich die Rolle des Anwalts des Kleinen Mannes.

Würden sie noch als extremistisch wahrgenommen werden, dann hätten sie damit wenig Erfolg. Aber getarnt als eine seriöse Partei sind sie dabei, das Feld zu besetzen, das bisher die Domäne der SPD war.



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Wahlen '09 (21): Krisenwahlen. Schicksalswahlen. Erinnerung an 1949

Angela Merkel wird auch nach diesen Wahlen Kanzlerin bleiben. Dennoch sind sie Schicksalswahlen. Das liegt an der Situation, in der wir zur Wahl gehen.

Die deutsche Befindlichkeit ähnelt derjenigen des Reiters über den Bodensee, der furchtlos über das vereiste Gewässer galoppiert, weil er sich auf festem Land wähnt. Dieser Wahlkampf fand mitten in der schwersten Wirtschaftskrise statt, die uns seit Bestehen der Bundesrepublik getroffen hat. Aber seltsam - wir taten so, als sei dies gar nicht die Lage.

Die Krise hätte das beherrschende Thema des Wahlkampfs sein müssen; stattdessen wurde über die Rente ab 67, über Afghanistan, gar über die Nutzung der Kernenergie gestritten. Der Dienstwagen einer Ministerin hat uns mehr beschäftigt als die Frage, ob es mit unserem Wohlstand demnächst vorbei sein wird.

Statt der Metapher des Reiters über den Bodensee könnte man auch an das Bild eines schwer leck geschlagenen Dampfers denken, dessen Besatzung sich damit beschäftigt, die Passagiere bei Laune zu halten, statt daß man etwas gegen die Havarie tut.



In Krisen werden die Karten neu gemischt. Schon jetzt ist absehbar, daß China aus der gegenwärtigen Krise als eine ökonomische Weltmacht hervorgehen wird. Ob die USA diesen Status nach der Bewältigung der Krise noch werden beanspruchen können, ist zweifelhaft.

Wie wird Europa aus der Krise herauskommen, wie insbesondere Deutschland? Das hätte die zentrale Frage dieses Wahlkampfs sein müssen. So, wie wie bei den Wahlen zum ersten Bundestag 1949 die zentrale Frage gewesen war, wie Deutschland aus dem Elend der Nachkriegszeit herauskommt; ob mittels einer Planwirtschaft, wie die SPD sie wollte, oder durch Ludwig Erhards Soziale Merktwirtschaft.

Auch damals wurden die Karten neu gemischt.

England, das nicht den Sieger Churchill wiedergewählt hatte, sondern sich für den Sozialisten Clement Attlee entschied, stieg wirtschaftlich ab; spiegelbildlich zum Aufstieg des besiegten Deutschland.

Das Vereinigte Königreich konnte in den fünfziger Jahren mit dem ebenfalls links regierten Frankeich um den Titel "der kranke Mann Europas" konkurrieren. In der britischen Presse wurde damals gefragt, wer eigentlich den Krieg gewonnen hätte - Deutschland, in dem sich der Wohlstand ausbreitete, oder das niedergehende England.



Nein, ich will die jetzige Krise nicht mit der Nachkriegszeit gleichsetzen. Aber die Erinnerung an 1949 zeigt, daß es Wahlen gibt, in denen die Weichen gestellt werden; Schicksalswahlen.

Daß auch die heutige Wahl diesen Charaker hat, mögen Sie, lieber Leser, vielleicht als eine maßlose Übertreibung sehen. Das solle eine Weichenstellung sein, werden Sie fragen, wo es doch nur darum gehen wird, mit welchem kleineren Partner die Kanzlerin weiterregiert?

Ginge es nur darum, dann hätten Sie mit diesem Einwand vielleicht recht. Aber eine Weichenstellung entscheidet ja nicht nur darüber, wo der Zug auf den nächsten Metern fährt; sie bestimmt auch, wo er nach unter Umständen hunderten von Kilometern ankommt.

Regiert die Kanzlerin künftig zusammen mit der FDP, dann kann das der Beginn einer neuen Epoche des Wohlstands und des Aufstiegs sein. Setzt eine solche Koalition die richtigen Rahmenbedingungen, dann wird sich aus der jetzigen Krise heraus eine Dynamik entwickeln, die durchaus derjenigen in den Jahren des "Wirtschaftswunders" vergleichbar sein könnte.

In einer Koalition mit der SPD wird das kaum gelingen können; mit einer SPD, die zunehmend unter die Kontrolle ihres linken Flügels gerät und die - vom Gesundheitswesen bis zu Mindestlöhnen und Steuererhöhungen - noch einen ganzen Katalog unerfüllter Forderungen hat, die sie in der neuen Legislaturperiode als Regierungspartei durchzusetzen versuchen würde.

Aber das allein macht diese Wahl noch nicht zu einer Schicksalswahl Entscheidend ist, daß eine Neuauflage der Großen Koalition instabil wäre.

Die Kommunisten werden heute ein Ergebnis bekommen, das sie als einen großen Wahlsieg feiern werden. In der SPD wird man die (richtige) Analyse anstellen, daß ihre traditionelle Klientel immer mehr zu den Kommunisten überläuft, die sich als die eigentliche, die bessere SPD darzustellen wissen. Das funktioniert - werden die SPD-Analytiker folgern - so lange, wie sich die SPD in einer Koalition mit der Union befindet und deshalb Kompromisse schließen muß.

Aus der Sicht der SPD kann also eine Neuauflage der Großen Koalition nur eine Übergangslösung sein; eine Etappe auf dem Weg zur Volksfront. Sehr wahrscheinlich würde die SPD eine Große Koalition im Lauf der Legislaturperiode verlassen und die Führung einer Volksfront- Regierung übernehmen. Die Verfassung bietet dafür den einfachen Weg des Konstruktiven Mißtrauensvotums.

Die wirtschaftliche Dynamik, die Deutschland so dringend auf dem Weg aus der Krise braucht, wäre dann dahin.

Schon zusammen mit den Grünen hatte die SPD es zwischen 1998 und 2005 fertiggebracht, Deutschland jenen schon genannten Titel "der kranke Mann Europas" zu verdienen. Und das ohne den Hintergrund einer tiefen Wirtschaftskrise. Wie lange würde wohl in der jetzigen Krise eine linke Koalition dafür brauchen, in der auch noch die Kommunisten über die Wirtschafts- und Sozialpolitik mitbestimmen?

Gewiß, eine Volksfront- Regierung wird nicht gleich den Sozialismus ausrufen. Aber sie wird Maßnahmen ergreifen, die in der Summe darauf hinauslaufen, die Dynamik der Wirtschaft abzuwürgen. Deutschland wird dann einer der großen Verlierer der Krise sein.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Der Reichstag. Vom Autor Norbert Aepli unter Creative Commons Attribution 2.5 - Lizenz freigegeben. Ausschnitt.

26. September 2009

Wahlen '09 (20): Der größte Verlierer ist der Wahlsieger. Der größte Gewinner ist der eigentliche Verlierer. Das könnte das paradoxe Ergebnis sein

Der zu Ende gehende Wahlkampf bestand aus drei Phasen.

In der ersten legte die SPD einen guten, professionellen Start hin, während die Union sich so benahm, als ginge sie das Ganze gar nichts an. Das war die Zeit, in der die erste Folge dieser Serie mit dem Titel erschien: "Kann Angela Merkel die Wahlen noch gewinnen? Es wird schwer werden". So war die Lage im April und im Mai.

Die zweite Phase reichte von ungefähr den Europawahlen Anfang Juni bis Mitte September. Das war die Zeit, in der dieser Wahlkampf seine ganze Langeweile entwickelte; siehe Yes, we gähn. Vier Gründe, warum dieser Wahlkampf solch ein öder Langweiler ist. Das war die Zeit, in der die Union und die FDP zusammen knapp, aber konsistent vorn lagen. Manche hielten damals die Wahl schon für gelaufen. In Wahrheit war alles in der Schwebe, weil ein richtiger Wahlkampf gar nicht stattfand. Es bestand ein, wie ich es damals genannt habe, indifferentes Gleichgewicht.

In der jetzt zu Ende gehenden "heißen" Phase - und so richtig erst in den vergangenen beiden Wochen - fand er statt, der Wahlkampf. Das lag daran, daß es der SPD nach mehreren vergeblichen Anläufen doch noch gelang, eine gewisse Selbstmotivierung hinzubekommen. Es lag auch daran, daß die FDP vor knapp einer Woche endlich Farbe bekannte und sich eindeutig einer Ampel verweigerte. Es lag drittens daran, daß das Thema Afghanistan in den Vordergrund rückte und damit sich die Kommunisten als "Friedenspartei" darstellen konnten.

Das brachte Schwung in den Wahlkampf dieser drei Parteien; einen Schwung, der sich morgen in einen Umschwung - einen last minute swing, einen Umschwung in letzter Minute - umsetzen könnte. Einen Umschwung hin zu diesen drei Parteien und weg von der Union, die es nicht verstanden hat, wenigstens in der Endphase des Wahlkampfs Themen zu setzen und ihre Wähler zu motivieren.

Am 1. September stand hier zu lesen:
Ob es aber auch in der jetzt beginnenden Endphase des Wahlkampfs noch richtig ist, auf eine Emotionalisierung der eigenen Anhänger zu verzichten, das darf füglich bezweifelt werden. Ob die Botschaft "Die Kanzlerin hat uns doch prima durch die Krise gebracht. Also weiter so!" ausreicht, um der heißen Phase des Wahlkampfs den Stempel der Union aufzudrücken, ist zumindest fraglich.
Heute ist es nicht mehr fraglich. Was ich damals befürchtet habe, ist eingetreten.



Der kleine, aber stabile Vorsprung für Schwarzgelb ist damit dahin. Eine gestern veröffentlichte letzte Umfrage von Forsa sieht die Union nur noch bei 33 und die SPD bei 25 Prozent. Ebenso bemerkenswert sind die 14 Prozent für die FDP und die 12 Prozent für die Kommunisten. Mit den 10 Prozent der Grünen liegen damit Schwarzgelb und die Volksfront gleichauf bei je 47 Prozent.

Eine Momentaufnahme, gewiß; und fehlerbehaftet wie jede Umfrage. Aber doch eine Illustration dessen, was sich in den vergangenen beiden Wochen entwickelt hat. Schwarzgelb kann es immer noch schaffen; vielleicht allerdings nur durch Überhangmandate. Aber die Gefahr, daß es nicht reicht, ist einen Tag vor der Wahl größer als irgendwann im letzten halben Jahr.

Und wenn es nicht reicht für eine Koalition aus der Union und der FDP, dann hätten wir sehr wahrscheinlich die im Titel genannte paradoxe Situation:

Die SPD hatte sich von Anfang an das Ziel gesetzt, in der einen oder anderen Koalition an der Regierung zu bleiben. Scheitert Schwarzgelb, dann hat sie dieses Ziel erreicht. Sie ist dann insofern der eigentliche Wahlsieger; denn weder Union noch FDP hätten dann ihr Wahlziel erreicht, und auch nicht die Grünen.

Zugleich wäre aber die SPD der Verlierer dieser Wahl. Denn mit großer Wahrscheinlichkeit wird sie ihr schlechtestes Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik noch unterbieten; dieses hatte sie mit 28,8 Prozent bei den Wahlen zum 2. Deutschen Bundestag am 6. September 1953 gehabt.

Genau umgekehrt würde es sich mit der FDP verhalten. Sie hat exzellente Aussichten, ihr bisher bestes Ergebnis (12,8 Prozent bei den Bundestagswahlen am 17. September 1961) noch zu übertreffen. Und dennoch wäre sie durch die Schwäche ihres Partners CDU/CSU zur Opposition verurteilt.

Sie wäre dann der große Gewinner und doch zugleich der große Verlierer. Die FDP ist seit 1998 in der Opposition; bis zum Ende der neuen Legislaturperiode werden es 15 Jahre geworden sein. Aus der Partei, die einmal auf das Regieren abonniert gewesen war - sei es zusammen mit Adenauer, Erhard und Kohl; sei es mit Brandt und Schmidt - , wäre dann eine Dauer- Oppositionspartei geworden.



Das ist, lieber Leser, die Lage, wie ich sie unmittelbar vor dieser historischen Wahl sehe. Welche Konsequenz daraus aus meiner Sicht folgt, habe ich vor einer Woche darzulegen versucht:

Wenn Sie nicht wollen, daß wir künftig - vielleicht nach der Übergangsperiode einer nochmaligen Großen Koalition - von der Volksfront regiert werden, dann sollten sie alle eventuellen Bedenken zurückstellen und Ihre Stimme der FDP geben; möglicherweise ihre Erststimme der Union.

Das wäre das, was die Franzosen voter utile nennen; nützlich wählen. Wenn Sie statt nützlich sich demonstrativ verhalten, indem Sie zu Hause bleiben, ungültig wählen oder ihre Stimme den Piraten oder einer anderen Splitterpartei geben - dann sollten Sie sich im Klaren darüber sein, daß Sie damit Mitverantwortung für einen möglichen erneuten Versuch tragen, in Deutschland den Sozialismus einzuführen.

Der Wahlkampf hätte eigentlich um diese zentrale Frage geführt werden müssen: Wollen wir das Weiterbestehen einer freien, demokratischen, rechtsstaatlichen Republik, oder soll Deutschland auf den Weg hinein in ein neues sozialistisches Experiment geschickt werden?

Guido Westerwelle hat diese Alternative in seiner Rede in Hannover klar beschrieben. Aber dieses Thema hat nicht den Wahlkampf der FDP geprägt; schon gar nicht denjenigen der Union. Das war der große Fehler beider Parteien. Hoffen wir, daß er sich morgen nicht rächen wird.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Der Reichstag. Vom Autor Norbert Aepli unter Creative Commons Attribution 2.5 - Lizenz freigegeben. Ausschnitt.

23. September 2009

Würden Sie den letzten Bundestag noch einmal wählen? Ein Gastkommentar von Kallias

Eine ähnliche Frage wird einem oft gestellt, wenn man aus dem Urlaub zurückkommt: "Würdest du nochmal hinfahren?" Damit ist nicht gemeint, ob man die Reise wiederholen möchte, sondern ob man alles in allem zufrieden war. Eine gute Frage, die auch beim Wählen helfen kann.

Wen am Sonntag wählen? Bei fast allen Wortmeldungen dazu geht es um Fragen, welche die Zukunft betreffen - wie wir unsere Wunschregierung ins Amt bringen können, was die diversen Parteien vielleicht tun werden, was in den Programmen Gutes und weniger Gutes steht, von wem wir was erwarten können.

Diese Orientierung an der kommenden Periode ist naheliegend: Wir wählen ja den nächsten Bundestag, nicht den letzten noch einmal. Und in der Zukunft soll es besser werden; die Vergangenheit läßt sich sowieso nicht mehr ändern. Dennoch ist es falsch, in dieser Weise nach vorne zu sehen.

Erstens haben wir Wähler das schon früher so gehalten und dabei zahlreiche Reinfälle erlebt. Wer etwa 1998 die versprochene Neue Mitte gewählt hat, bekam ein rotgrünes Projekt geliefert; wer 2002 das rotgrüne Projekt fortgesetzt sehen wollte, bekam die Agenda 2010 um die Ohren gehauen; wer 2005 die Liberale Merkel als Bundeskanzlerin haben wollte, musste ihren legendären Linkskurs erleben.

Wenn wir am Sonntag bei der FDP oder der CDU ankreuzen, wissen wir genausowenig, was wir bekommen werden; und zwar weder, wenn es für Schwarzgelb reicht, noch im anderen Fall. All die komplizierten Betrachtungen, wem man mit welcher Stimmabgabe um 18.00 zur Mehrheit verholfen haben wird, sind angesichts des 18.01-Problems, daß wir nicht wissen, was die Politiker dann machen werden, eigentlich für die Katz.

Zweitens wissen die Parteien ja, daß sie wegen der Erwartungen gewählt werden, die man mit ihnen verbindet. Folglich konzentrieren sie sich darauf, Erwartungen zu manipulieren, statt Ergebnisse herauszustreichen.

Da man naturgemäß die Zukunft schlechter kennt als die Vergangenheit, fällt es schwer, sich diesen Manipulationen zu entziehen.

Wie oft wurde zum Beispiel schon versprochen, man werde in ein paar Jahren einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen - kein Problem, denn wenn daraus nichts wird, bringt man einfach ein neues Versprechen, eine neue Jahreszahl. Niemals hat dagegen jemals ein Finanzminister behaupten können, er hätte einen solchen Haushalt vorgelegt, wenn es nicht gestimmt hat. Fakten kann man auch durch Interpretationen verschleiern, doch sind solche Manipulationen leichter aufzudecken, als die Versprechungen zu durchschauen sind, es werde allerlei per Krafteinsatz und Programmaussage besser werden.

An diesen Verhältnissen sind die Wähler schuld, die sich an Erwartungen orientieren: Sie bekommen, was sie haben wollen. Sie bekommen immer wieder schöne Erwartungen aufgebunden. Wenn wir dagegen Resultate haben wollen, müssen wir aufgrund der Resultate wählen, und das heißt, nicht länger in die dunkle Zukunft zu starren, sondern die Vergangenheit in Augenschein zu nehmen. Das heißt insbesondere, uns auf die Ergebnisse des Regierungshandelns zu konzentrieren.

Fragen wir uns also an erster Stelle, ob die Regierung gut genug gewesen ist; ob sie einigermaßen das geleistet hat, was man von einer Regierung erwarten kann. Dann sollten wir sie wiederwählen.

Wichtig dabei ist, keine Wunderdinge zu verlangen, denn wenn die Regierung fest damit rechnen muß, abgewählt zu werden, dann wird sie sich auch nicht besonders anstrengen, sondern lieber das Regieren genießen.

Zu niedrig darf die Meßlatte andererseits auch nicht liegen, sonst gibt es keine anstrengenden und Mut erfordernden Taten. Belohnen wir dagegen annehmbare Leistungen, dann werden wir unsere Politiker dazu erziehen, Qualitätsarbeit abzuliefern.

Findet man nun, daß die Regierung zu schlecht war, um die Wiederwahl zu verdienen, sollte man die Opposition wählen, und zwar auch dann - das ist der springende Punkt bei dieser Überlegung - wenn ihr Personal und ihr Programm wenig vertrauenerweckend wirken. Denn wenn sie an die Regierung kommt und dort erwartungsgemäß versagt, dann wählt man sie eben beim nächsten Mal wieder ab. Das machen die nicht oft!

Und daher finde ich es ungünstig, auf diesen oder jenen wunden Punkt bei der FDP zu starren und sich zu fragen, ob man eine solche Partei wählen kann. Findet man als bürgerlicher Wähler, daß die Große Koalition alles in allem gute Arbeit abgeliefert hat, wähle man die Union. Sieht man das nicht, sollte man die FDP als bürgerliche Oppositionspartei unterstützen.

Bei der CDU soll man schon genau und kritisch hinsehen - sie hat regiert. Bei der FDP kann man großzügiger sein. Schließlich wissen wir ja nicht, was von ihr kommen wird, wenn sie erst einmal regiert. Sie jedoch sollte wissen, daß wir ihr dabei genau auf die Finger sehen werden.

Nur so wird alles besser.



© Kallias. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Florian, Ungelt und R.A., die eine frühere Fassung des Kommentars in Zettels kleinem Zimmer bereits kommentiert haben.

22. September 2009

Zitat des Jahres: "... am 27. September um 18.01 Uhr"

Süddeutsche Zeitung: Wenn Westerwelle eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP ausschließt...

Steinmeier: ...höre ich nicht auf, Wahlkampf zu machen. Ich weiß aus Erfahrung, dass auch die FDP frühestens am 27. September um 18.01 Uhr eine Bewertung des Wahlergebnisses vornehmen kann und wird.


Der Kanzlerkandidat der SPD im Interview mit Nico Fried und Wolfgang Krach von der "Süddeutschen Zeitung".


Kommentar: Vielleicht ist es ein wenig voreilig, schon Ende September das Zitat des Jahres zu küren. Ich glaube aber nicht, daß das, was Frank- Walter Steinmeier da ... tja, wie soll man sagen? ... hat fallen lassen, was er rausgelassen, was er preisgegeben hat -, daß das im letzten Quartal des Jahres noch übertroffen werden wird.

"Auch die FDP", sagt er. Auch sie werde erst am Wahlabend eine "Bewertung des Wahlergebnisses" vornehmen. Und zwar - das geht aus dem Kontext hervor - in Bezug darauf, ob sie eine bestimmte Koalition ausschließt.

Das verräterische "auch" besagt: So, wie beispielsweise auch die SPD. Die zwar versichert, sie werde im Bund nicht mit der Partei "Die Linke" zusammenarbeiten. Aber "auch" sie wird - so sagt es dem Kandidaten Steinmeier seine Erfahrung - die Situation nach Schließung der Wahllokale neu bewerten.

Interpretiere ich zu viel an unfreiwilliger Ehrlichkeit in Steinmeiers Aussage hinein?

Ich glaube nicht. Denn zum Thema einer Zusammenarbeit mit der Partei "Die Linke" sagt Steinmeier, der als Chef der deutschen Diplomatie seine Worte zu wägen weiß, in dem Interview diesen einen Satz: "Ich habe klar gesagt, was ich nicht will, nämlich eine Koalition mit der Linken".

Was er nicht will. Man tut vieles, was man nicht gewollt hat. Daß er für eine solche Koalition definitiv nicht als Kanzler zur Verfügung steht, hat Steinmeier nicht gesagt. Daß seine Partei sie eingehen könnte, hat er erst recht nicht ausgeschlossen.



Warum also Zitat nicht nur des Tages, sondern gleich des Jahres?

Weil es eine Rarität ist, daß ein Spitzenmann einer Partei es so deutlich macht - wenn auch unfreiwillig -, welche Distanz zwischen dem liegt, was seine Partei öffentlich verkündet, und den Entscheidungen, die zu treffen sie in Wahrheit willens ist.

Weil Steinmeiers Lapsus blitzartig den Zustand einer SPD beleuchtet, die sich noch antikommunistisch geriert, und die doch innerlich längst bei der Zusammenarbeit mit den Kommunisten angekommen ist.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.

20. September 2009

Wahlen '09 (19): Ich rate, EfDePe zu wählen

Der Titel dieses Artikels ist ein Plagiat. "Ich rate, EsPeDe zu wählen" dichtete Günter Grass einst als Wahlkämpfer für Willy Brandt.

Wahlkampf habe ich in diesem Blog nicht gemacht, auch nicht für die FDP. Ich habe deren Wahlkampf allerdings mit kritischer Solidarität begleitet; vor allem, was die Möglichkeit - aus meiner Sicht: die Gefahr - einer Ampel- Koalition angeht. Am 18. Februar habe ich hier geschrieben:
Viel wird davon abhängen, ob die FDP sich entschließen kann, eine eindeutige Wahlaussage zu machen: Daß sie nur unter Führung der CDU in eine Regierung eintreten wird. Bevorzugt natürlich als deren einziger Partner. Falls das Ergebnis das nicht erlauben sollte, dann unter Einbeziehung der Grünen. Wenn die FDP sich so festlegt, dann hat sie am 27. September meine Stimme. Wenn sie in diesem Punkt wackelt, dann werde ich sie nicht wählen.
Die FDP hat für mein Verständnis viel zu lange mit ihrer Festlegung gewartet, nicht in ein Kabinett Steinmeier einzutreten. Heute endlich hat sie diese Entscheidung getroffen. Eindeutig.

Gewiß spielten bei der monatelangen Zögerlichkeit taktische Überlegungen eine ausschlaggebende Rolle: Man wollte es unter allen Umständen vermeiden, als "Anhängsel" der Union zu erscheinen.

Die FDP hat dafür auf einen entscheidenden Vorteil im Wahlkampf verzichtet; nämlich denjenigen, die SPD immer wieder zu fragen, mit wem ein Kanzler Steinmeier denn eigentlich regieren will, wenn nicht in einer Koalition mit den Grünen und den Kommunisten.

Eine auf Schwarzgelb festgelegte FDP hätte diesen Punkt glaubwürdig vertreten können; eine wackelnde konnte es nicht. Daß die SPD und die Grünen jetzt mit einem Anschein von Recht argumentieren können, eine so späte Festlegung sei nicht glaubhaft, ist die logische Folge der FDP- Taktik.



Die Wahrheit aber ist: Seit heute kann jeder, der die FDP wählt, sicher sein, damit seine Stimme nicht für einen Kanzler Steinmeier und für die Minister Trittin und Künast abzugeben. Einen Bruch des heutigen Versprechens kann sich die FDP nicht leisten.

Also wählen Sie, lieber Leser, am Sonntag mit Ihrer Zweitstimme die FDP?

Vielleicht sind Sie ja noch unentschlossen. Dann möchte ich, geradeheraus gesagt, mit diesem Artikel Ihre Überlegungen zugunsten der FDP zu beeinflussen versuchen.

Dazu stelle ich mir vor, welche Erwägungen Sie veranlassen könnten, sich gegen eine Stimmabgabe für die FDP zu entscheiden.

Daß jemand zwischen der FDP und einer extremistische Partei schwankt, halte ich für abwegig; jedenfalls für zu vernachlässigen. Von der NPD, der Partei "Die Linke", der DVU usw. wird also im Folgenden nicht die Rede sein.

Vorstellen kann ich mir aber, daß jemand zwischen der FDP und der SPD oder den Grünen schwankt; sehr gut vorstellen kann ich mir, daß er unschlüssig ist, ob er die FDP oder nicht lieber die Piraten oder die Union wählen soll. Und ebenfalls vorstellen kann ich mir die Erwägung, statt einer Stimmabgabe für die FDP lieber zu Hause zu bleiben oder ungültig zu wählen.



Sie erwägen das Nichtwählen oder eine ungültige Stimmabgabe? Es gibt nicht wenige politisch Interessierte, die sich für eine dieser beiden Optionen entscheiden, weil sie mit keiner der zur Wahl stehenden Parteien einverstanden sind; weil sie vielleicht überhaupt Zweifel an der Gedeihlichkeit des Zustands unserer Demokratie haben.

Ihnen möchte ich zu bedenken geben, daß ein solcher demonstrativer Akt schlicht nicht funktioniert.

Ungültige Stimmen werden als solche gezählt und dann kaum noch erwähnt. Niemand weiß ja, warum eine Stimme ungültig ist. Vielleicht hat ein Wähler aus Unwissenheit sein Kreuz bei zwei Parteien gemacht; vielleicht hat er "Heil Hitler" auf den Wahlzettel geschrieben.

Ungültigen Stimmen sieht man es nicht an, ob sie möglicherweise ernsthaften und respektablen Überlegungen entstammen. Sie fallen einfach unter den Tisch; oder vielmehr: Sie landen beim Zählen alle auf demselben Häufchen. Niemand interessiert sich für das, was auf ihnen steht.

Ebenso wirkungslos ist das demonstrative Nichtwählen. Denn auch da weiß man ja nicht, ob jemand wegen des schönen oder schlechten Wetters nicht zur Wahl ging; ob ihm die Politik schnuppe ist oder ob er mit der Wahlenthaltung irgend etwas ausdrücken wollte.

Immerhin erspart sich der Nichtwähler den nutzlosen Gang zur Wahlurne, den der demonstrativ ungültig Wählende auf sich nimmt; für nichts und wieder nichts.

Mein Rat ist also: Wenn Sie sich schon nicht zur Stimmabgabe für die FDP durchringen können, dann bleiben Sie zu Hause, statt sich der sinnlosen Mühe des Ungültig- Wählens zu unterziehen.

Sie sollten sich aber durchringen; denn die Taube in der Hand ist immer noch besser als der Fasan auf dem Dach.


Sie erwägen, die SPD oder die Grünen zu wählen? Sie wählen damit nicht die Ampel, sondern Sie wählen die Volksfront.

Die FDP hat heute eindeutig und per bindendem Parteitagsbeschluß die Ampel ausgeschlossen. Sprecher der Grünen und der SPD bezweifeln, daß das wirklich gilt. Besser können SPD und Grüne nicht dokumentieren, was von ihren eigenen Aussagen zu halten ist, sie würden nicht mit der Partei "Die Linke" zusammenarbeiten.

Sie trauen der FDP das zu, was zu tun sie selbst in ihrer großen Mehrheit längst bereit sind. Wenn Schwarzgelb scheitert, dann wird es die Volksfront geben. Vielleicht nicht sofort; aber es wird sie geben. Es wird sie geben, weil sie in einer zwingenden politischen Logik liegt, die der kluge Linke Erhard Eppler bereits vor zweieinhalb Jahren formuliert hat; siehe Marginalie: Erhard Eppler und die Volksfront; ZR vom 19. Januar 2007.


Sie erwägen, die Union zu wählen? Wenn Sie zwischen der FDP und der Union schwanken, dann stehen Sie vermutlich nicht den Linken und den Ökologen in dieser Partei nahe, sondern den Liberalkonservativen. Diese können Sie aber nicht besser stärken, als durch eine Stimmabgabe für die FDP.

In der Großen Koalition ist die Union nach links gerückt, so wie in der seinerzeitigen sozialliberalen Koalition die FDP nach links gerückt war. Koalitionen stärken in der Regel denjenigen Flügel einer Partei, der dem Koalitionspartner nahesteht. Wenn Ihre Partei die Union von Ludwig Erhard ist und nicht diejenige des Ministerpräsidenten Rüttgers, dann sollten Sie diesmal die FDP wählen.


Sie erwägen, die Piraten zu wählen? Tun Sie's nicht! Tun Sie's bittebitte nicht! Bei dieser Wahl steht zu viel auf dem Spiel, als daß ein rationaler, liberaler Wähler es sich leisten könnte, seine Stimme zu verschenken. Tun Sie's, wenn es denn sein muß, bei der nächsten Wahl, bei der wenig auf dem Spiel steht. Tun Sie's als Brandenburger von mir aus bei der Landtagswahl; Platzeck wird eh weiterregieren.

Aber jetzt wo die Entscheidung zwischen einer liberalkonservativen Regierung und der Volksfront fallen wird, muß ein Liberaler schon mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn er der FDP seine Stimme verweigert.



Jeder Liberale sollte sich allerdings sehr genau überlegen, was er mit seiner Erststimme macht.

Hier kann die Entscheidung logischerweise nur unter Berücksichtigung der Verhältnisse in den einzelnen Wahlkreisen getroffen werden. Überall dort, wo ein Direktmandat für den Kandidaten der Union möglich, aber nicht sicher ist, sollten rational handelnde Liberale ihm ihre Erststimme geben.

Denn Überhangmandate der Union könnten am Ende darüber entscheiden, ob Guido Westerwelle Außenminister wird oder Jürgen Trittin. Und - wer weiß - Gregor Gysi Justizminister.

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19. September 2009

Marginalie: Der Osten ist rot. Auch zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung

Die Daten aus Umfragen werden heute nur noch selten nach Ost und West getrennt aufgeführt. Leider; denn ohne diese Aufschlüsselung versteht man die politische Situation in Deutschland nicht.

"Welt- Online" zeigt die aktuellen Daten von Infratest dimap getrennt nach östlichen und westlichen Bundesländern.

In der einstigen Deutschen Demokratischen Republik hat nicht nur die Volksfront eine satte Mehrheit. Sondern die Kommunisten könnten sogar mit der SPD allein regieren; und zwar als die Mehrheitspartei dieser Koalition (27 Prozent Kommunisten, 25 Prozent SPD; 7 Prozent Grüne). CDU (27 Prozent) und FDP (10 Prozent) liegen im Osten hoffnungslos zurück.

Spiegelbildlich ist die Situation in der alten Bundesrepublik. Würde nur dort gewählt, dann brauchten sich die CDU (37 Prozent) und die FDP (15 Prozent) keine Sorgen um den Wahlausgang zu machen.

Gewiß, auch innerhalb des Ostens und innerhalb des Westens gibt es regionale Unterschiede. In Sachsen sind die politischen Verhältnisse tendenziell eher wie im Westen, in Bremen sind sie eher wie im Osten als wie in Baden- Württemberg.

Aber auch in Sachsen lagen die Kommunisten bei den Landtagswahlen vor vier Wochen über zwanzig Prozent; und im Bund wollten gar 28 Prozent der Sachsen die Kommunisten wählen. (Die letzte dazu verfügbare Umfrage liegt allerdings zwei Jahre zurück). Andererseits gibt die neueste Umfrage zu den Bundestagswahlen in Baden- Württemberg (Infratest dimap, 16.9.2009) der FDP nicht weniger als 18 Prozent - ein Wert, der in einem östlichen Land unvorstellbar wäre.



Zwei Jahrzehnte haben also nichts daran geändert:

Die alte Bundesrepublik hat auch jetzt wieder ihre liberalkonservative Mehrheit wie zur Zeit Konrad Adenauers und Helmut Kohls.

In der alten DDR genießen die Kommunisten zwar heute so wenig die Zustimmung der Mehrheit "ihrer" Menschen wie in den Jahrzehnten, als sie die Macht an sich gerissen hatten. Sie stützten sich damals auf eine Minderheit von vielleicht einem Viertel bis einem Drittel der Bevölkerung. Und an dieser starken Minderheit der Kommunisten haben zwei Jahrzehnte der Freiheit, des wachsenden Wohlstands, haben alle Kontakte mit dem Westen und Transferleistungen aus dem Westen offenbar kaum etwas geändert.



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Zitat des Tages: Das deutsche Volk fällt "sein eigenes Urteil". Madrid, März 2004 - Deutschland, September 2009. Eine beklemmende Parallele

Entscheidet das Volk sich (...) für eine Fortsetzung des Krieges, hat es sein eigenes Urteil gefällt. Die Bundestagswahl ist die einzige Möglichkeit des Volkes, die Politik des Landes zu gestalten.

Der Islamist Bekkay Harrach, Kampfname Abu Talha, in einem Video der Kaida, in dem Deutschland nach der Bundestagswahl ein "böses Erwachen" angedroht wird.


Kommentar: Das Wort Terror leitet sich vom lateinischen terrere ab, "in Angst versetzen". Terrorismus ist eine Form des Kampfs, die sich der Angst bedient, um politische Ziele zu erreichen.

Die Angst, die der Terror erzeugt, ist also kein Selbstzweck. Terroristen überlegen, wann sie bei wem Angst erzeugen müssen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Vor den spanischen Parlamentswahlen im März 2004 hatten die damals oppositionellen Sozialisten angekündigt, im Fall ihres Wahlsiegs die spanischen Truppen sofort aus dem Irak abzuziehen. Unmittelbar vor den Wahlen verübte die Kaida die Anschläge von Madrid. Die amtierende konservative Regierung, die bis dahin bei den Umfragen in Führung gelegen hatte, reagierte hilflos und unglaubwürdig. Die Sozialisten gewannen die Wahl. Die spanischen Truppen wurden aus dem Irak abgezogen.

Gut fünf Jahre später gibt es jetzt in Deutschland eine beklemmend ähnliche Situation. Die amtierende Regierung will die deutschen Truppen in Afghanistan belassen. Die Möglichkeit eines alsbaldigen Abzugs besteht allein dann, wenn es zu einer Regierung unter Beteiligung der Kommunisten kommt.

Das Video, aus dem das Zitat stammt, wurde der ARD zugesandt. Es ist nicht veröffentlicht worden; in der Tat wäre es unverantwortlich, der Kaida durch seine vollständige Veröffentlichung eine Plattform zu geben.

Das publizierte Zitat läßt aber kaum einen Zweifel an der Intention des Videos: Es ist als Wahlhilfe für die Partei "Die Linke" gedacht. Die Deutschen sollen die "Politik des Landes" so "gestalten", daß ihnen das angedrohte "böse Erwachen" erspart bleibt. Will sagen: Sie sollen diejenigen wählen, die für den Abzug aus Afghanistan eintreten.



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17. September 2009

Wahlen '09 (18): Die Volksfront schon jetzt? Oder besser bis 2013 warten? Die Interessenlage der drei Partner

Angenommen, Schwarzgelb verfehlt die Mehrheit: Soll die Linke dann schon jetzt die Volksfront riskieren, oder wartet man besser bis 2013? Die strategische Lage in den drei Parteien ist verschieden.

Die Grünen haben kein Problem mit der Volksfront. Sie haben sich mit der Wahl von Trittin und Künast zu ihren beiden Spitzenkandidaten unzweideutig für diese Option entschieden. Nur die Volksfront kann die Grünen zurück an die Macht bringen; denn ein Bündnis mit der Union und den Liberalen würde diese Partei zerreißen.

Schwieriger ist die Situation für die SPD. Sie windet sich bei dieser Frage; ihre Position ist so unglaubhaft, wie es die einer Partei überhaupt nur sein kann.

In den Ländern - aktuell in Thüringen und im Saarland - möchte man die Zusammenarbeit mit den Kommunisten. Nicht nur die betreffenden Landespolitiker wollen sie, sondern ausdrücklich auch der Vorsitzende Müntefering will sie. Für den Bund schließt die SPD die Volksfront ebenfalls nicht aus, allerdings erst für 2013.

Man hat also keine grundsätzliche Scheu, als Demokraten den Kommunisten in die Regierung zu verhelfen. Wenn es in den Ländern ist. Wenn es 2013 ist.

Warum dann aber nicht 2009 im Bund? Natürlich deshalb, weil die Transformation der SPD von einer sozialdemokratischen Volkspartei zu der im Hamburger Programm beschlossenen Partei des Demokratischen Sozialismus noch nicht weit genug fortgeschritten ist.

Damit die Volksfront steht, müssen Leute wie der aufrechte Peer Steinbrück erst noch kaltgestellt werden. Kanzler der Volksfront können Wowereit, Nahles oder - wer weiß - Sigmar Gabriel erst dann werden, wenn die Entclementisierung der SPD zum Abschluß gekommen ist.

Das kann man den Wählern selbstredend nicht sagen. Man sagt, die Partei "Die Linke" sei nicht zuverlässig; es gebe unüberbrückbare Gegensätze, vor allem in der Außenpolitik. Vor allem, was Afghanistan angehe.

Damit begibt man sich freilich in die Hand der Kommunisten. Denn was, wenn diese einfach in Sachen Afghanistan ihre bisherige Position räumen?



Kommunisten nämlich interessiert nicht im Geringsten, ob sie ihr Programm durchsetzen können. Sie interessiert allein die Änderung des, wie sie es nennen, "Kräfteverhältnisses".

Nie haben Kommunisten eine Regierungsbeteiligung ausgeschlagen, die ihnen angeboten wurde. Nie haben sie eine Regierung verlassen, weil deren Kurs nicht mit ihrem Programm in Einklang zu bringen gewesen wäre.

1981 begannen die französischen Kommunisten zusammen mit den Sozialisten das bisher letzte sozialistische Experiment in Westeuropa. 1983 scheiterte es; Mitterand entschied, daß es beim Kapitalismus bleiben werde. Die Kommunisten verharrten in der Regierung - in einer Regierung, die mit ihrer Politik der austérité, also des schlanken Staats, das Gegenteil von dem machte, was die Kommunisten gewollt hatten. Erst als Mitterand sie wieder und wieder demütigte und als sie keine Hoffnung auf Einfluß mehr haben konnten, zogen sie später ihre Minister zurück.

Also wird auch jetzt in Deutschland Afghanistan kein Hindernis für die Volksfront sein. Jedenfalls nicht, was die Kommunisten angeht. In "Spiegel- Online" haben Veit Medick und Sebastian Winter diese neueste Wende der Kommunisten dokumentiert.



Die Grünen wollen es. Die Kommunisten wollen es um den Preis der Selbstverleugnung. Die Sozialdemokraten wollen es eigentlich auch. Nur noch nicht jetzt. Nur noch nicht im Bund.

Wie entwickelt sich eine solche Situation? Man gibt den Zögerlichen etwas Zeit. Man baut ihnen die eine oder andere Goldene Brücke. Und über die marschieren sie dann. Vielleicht nicht gleich; aber doch bald.



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16. September 2009

Wahlen '09 (17): Zwei Verlierer, drei Gewinner. Erosionen und Aufschüttungen in der deutschen Parteienlandschaft

Ob es am übernächsten Sonntag zu einer Mehrheit für Schwarzgelb reichen wird, kann niemand seriös vorhersagen. Es wird von der Tagesform abhängen; davon, ob noch das eine oder andere neue Thema auftaucht; vielleicht auch von einem Fehler, den sich einer der Spitzenleute auf den letzten Metern leistet.

Insofern bleibt die Wahl spannend. Verlierer und Gewinner andererseits zeichnen sich inzwischen einigermaßen deutlich ab. Verlieren werden die beiden Parteien, die den Namen "Volksparteien" immer weniger verdienen. Gewinnen werden die "Kleinen", die so klein nicht mehr sind.

Die SPD wird sehr wahrscheinlich ihr schlechtestes Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik einfahren. Auch die letzte veröffentliche Umfrage (FG Wahlen, 11. September) sieht sie bei unter 25 Prozent; wie alle Umfragen seit Wochen. Sollte Steinmeier am Ende, sagen wir, 28 Prozent schaffen, dann wäre das schon ein großer Erfolg. Die SPD läge damit aber immer noch unter ihrem Allzeit- Tief seit 1949 (28,8 Prozent bei den Wahlen zum 2. Deutschen Bundestag am 6. September 1953).

Der Union dürfte es nur marginal besser gehen. In zwölf der sechzehn bisherigen Bundestagswahlen lag sie über 40 Prozent; ein Ergebnis, von dem Angela Merkel derzeit nur träumen kann. Wenn es gut für sie läuft, dann wird die Union ihre drei schlechtesten Ergebnisse (31,0 Prozent 1949; 35,1 Prozent 1998 und 35,2 Prozent 2005) vielleicht ein wenig übertreffen. In Anbetracht der Umfragen der letzten Wochen wäre es schon bemerkenswert, wenn sie über ihr viertschlechtestes (38,2 Prozent bei den Wahlen 2002) hinauskäme.

Das "Duell" am vergangenen Sonntag war also nicht nur - wie oft genug kritisiert wurde - ein Dialog der Vertreter von zwei Regierungsparteien; sondern es war auch die Präsentation der beiden großen absehbaren Verlierer des Jahres 2009. Und spiegelbildlich dazu sah man am Montag, als die Spitzenleute der drei Oppositionsparteien miteinander diskutieren durften, zugleich die drei vermutlichen Gewinner.

Nur ein einziges Mal in der Geschichte der Bundesrepublik hat die FDP mehr als zwölf Prozent geschafft; das war bei den Wahlen 1961, als sie für die Ablösung Konrad Adenauers durch Ludwig Erhard eingetreten war. Wenn nicht noch etwas ganz Unerwartetes geschieht, dann dürfte Guido Westerwelle den damaligen Gewinner Erich Mende deutlich distanzieren. Dreizehn Prozent sind der FDP schon fast sicher; fünfzehn Prozent sind keine unrealistische Erwartung.

Auf einen ähnlichen Erfolg dürfen sich die Kommunisten freuen. Als KPD hatten sie 1949 knapp sechs Prozent geschafft. Als ADF und DKP waren sie zwischen 1969 und 1983 weit unter einem Prozent geblieben. Als PDS lagen sie zwischen 1990 und 2002 nur ein einziges Mal (1998) mit 5,1 Prozent ganz knapp über der Fünf- Prozent- Hürde. Als Die Linke PDS schafften sie vor vier Jahren 8,7 Prozent. Diesmal dürften sie unter ihrem momentanen Namen Die Linke noch deutlich besser abschneiden. Ein zweistelliges Ergebnis liegt für sie im Bereich des Möglichen.

Auch den Grünen geben die derzeitigen Umfrage- Ergebnisse eine exzellente Chance, zweistellig zu werden. Jedenfalls dürften sie ihre beiden bisher besten Ergebnisse (8,3 Prozent 1987 und 8,6 Prozent 2002) übertreffen.



Die Großen werden kleiner; die Kleinen wachsen. Dieser sozusagen egalitäre Trend könnte die Quintessenz der Wahlen 2009 sein. Vielleicht gehen die Erosion auf der einen und die Aufschüttung auf der anderen Seite so weit, daß es künftig überhaupt nicht mehr sinnvoll sein wird, zwischen großen und kleinen Parteien eine Trennlinie zu ziehen. Die SPD dürfte am 27. September näher bei der FDP liegen als bei der Union; schon Äquidistanz wäre für sie ein Erfolg.

Wir Deutschen waren es seit den Wahlen von 1949 gewohnt gewesen, gewissermaßen zwei Hochgebirgs- Gipfel und eine Hügellandschaft vor uns zu haben. Am 27. September dürfte die Parteien- Landschaft eher einem einzigen Mittelgebirge gleichen; manche Berge höher als andere, aber doch nicht um Größenordnungen von diesen verschieden.

Woher kommt diese Veränderung? Wie meist in solchen Fällen kann man die Erklärung eher in einem langfristigen Trend oder eher in der aktuellen Situation suchen.

Aktuell werden die drei Oppositionsparteien dadurch gestärkt, daß sie eben Oppositionsparteien sind. In jeder funktionierenden Demokratie gibt es annähernd gleich viele Menschen, die mit der jeweiligen Regierung zufrieden und die mit ihr unzufrieden sind. Wenn eine Regierung einmal sechzig Prozent Zustimmung und nur vierzig Prozent Ablehnung erhält, dann ist das schon sehr viel. Meist liegen Regierung und Opposition näher beieinander.

In der zitierten Umfrage der FG Wahlen vom 11. September liegt die Regierung bei 59 Prozent und die Opposition bei 36 Prozent. Bei anderen Instituten ist die Differenz noch geringer; Forsa (Umfrage vom 9.9.) gibt der Regierung zum Beispiel 56 Prozent und der Opposition 38 Prozent.

So gesehen wären die Schwäche der Großen und die Stärke der Kleinen also nur Ausdruck der Tendenz der Wähler, eine Regierung nicht zu stark und die Opposition nicht zu schwach werden zu lassen. Aber ist das die ganze Erklärung?

Dagegen spricht, daß der einstige "Trend zum Zweiparteien- System" sich schon seit längerer Zeit umgekehrt hat. Bei den ersten Bundestagswahlen 1949 hatten Union und SPD zusammen 60,2 Prozent. Dieser Wert stieg danach kontinuierlich und erreichte 1976 mit 91,2 Prozent sein Maximum. Seither fällt er ebenso monoton ab: Bei den Wahlen 1980 lag er noch bei 87,4 Prozent, 1990 nur noch bei 77,3 Prozent und 2005 bei gerade noch 69,4 Prozent. Ganz ohne Große Koalition.

Welche Trends spiegeln sich in diesem umgekehrt U-förmigen Verlauf? Man kann darüber viel spekulieren.

Von einem "Zerfall der klassischen Milieus" sprechen Soziologen gern - des katholischen auf der einen Seite, desjenigen der Arbeiterschaft auf der anderen. Viel erklärt ist damit nicht; denn zu Volksparteien waren sowohl die Union als auch die SPD ja gerade dadurch geworden, daß sie über ihre klassischen Milieus hinaus Anhänger gefunden hatten.

Mir scheint die Erosion der Volksparteien eher so etwas wie eine Normalisierung zu sein.

Unter einem Verhältniswahlrecht ist eine Vielfalt von Parteien die Regel. Man kann das an der Weimarer Republik sehen, der italienischen Nachkriegsrepublik, der französischen Dritten Republik und der dortigen Vierten Republik. Erklärungsbedürftig ist nicht, daß wir jetzt auf ein Fünfparteiensystem zusteuern (oder sechs, wenn man CDU und CSU getrennt rechnet). Erklärt werden muß vielmehr der frühere Trend zum Zweiparteiensystem, obwohl wir kein Mehrheitswahlrecht haben.

Er mag am schieren Erfolg der Bonner Republik gelegen haben; am Erfolg vor allem ihrer Sozialen Marktwirtschaft. Über sie gab es einen breiten Konsens; wobei die Union mehr für den Markt und die SPD mehr für das Soziale stand.

Dieser Konsens endete mit dem Auftreten der Grünen, die Politik nicht als den Ausgleich von Interessen verstehen, sondern als ein Instrument zur Änderung der Gesellschaft und zur Erziehung der Bürger. Erst recht gilt das natürlich für die Kommunisten.

Die Grünen und die Kommunisten haben die deutsche Politik ideologisiert; mit Ausstrahlungen bis weit in die einstigen Volksparteien hinein. Nur die FDP steht noch gegen diese Ideologisierung. Das dürfte ein wesentlicher Grund für ihren gegenwärtigen Aufstieg sein.

Wohin er die FDP noch führen kann, ist im Augenblick ganz offen.

Die drei bisher "Kleinen" sind Parteien mit einem klaren Profil: Die Grünen und die Kommunisten stehen für zwei Varianten eines ideologisch gefärbten Etatismus. Die FDP steht ebenso eindeutig für eine offene, freiheitliche Gesellschaft.

Die beiden ehemaligen "Volksparteien" lassen ein solches Profil vermissen. Das war einmal ihre Stärke, weil sie dadurch integrativ sein konnten. Es könnte sich zunehmend als ihre Schwäche erweisen. Es könnte ihnen gehen wie den großen Warenhäusern, die vom Hosenknopf bis zum DVD-Rekorder alles im Sortiment haben: Der Kunde kehrt ihnen zunehmend den Rücken und kauft dort ein, wo das Angebot weniger gemischt ist.



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14. September 2009

Zitat des Tages: Yes, yes. Gähn, gähn

Yes, we gähn.

Aufmacher-Schlagzeile von "Bild" am 14. September 2009 zum "Duell" Merkel- Steinmeier.

Kommentar: Schön, daß jetzt auch den Kollegen von "Bild" der Kalauer eingefallen ist, der hier am 14. August zu lesen gewesen war.



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10. September 2009

Wahlen '09 (16): Bei Forsa liegen die Kommunisten gleichauf mit der FDP bei 14 Prozent. Jetzt wackelt das Gleichgewicht. Kann die CDU noch reagieren?

In der letzten Phase eines Wahlkampfs geht es - das gehört zum politischen ABC - vorrangig um Mobilisierung. Die Argumente sind längst ausgetauscht, die meisten Wähler haben sich eine Meinung gebildet.

Genauer gesagt: Mehr oder weniger haben sie sich eine Meinung gebildet, die Wähler. Bei manchen ist ihre Entscheidung vorläufig; sie ist leicht umzustoßen. Diese Wähler sind anfällig für das allgemeine Klima, für die Stimmung in den letzten Wochen, den letzten Tagen vor der Wahl.

Weiterhin: Viele von denen, die sich eine relativ gefestigte Meinung gebildet haben, gehen vielleicht wählen, vielleicht auch nicht. So wichtig ist ihnen das Wählen nun auch wieder nicht, daß sie sich auf jeden Fall zum Wahllokal aufmachen.

Die Strategen in den Wahlkampf- Zentralen haben also zwei Aufgaben: Sie müssen erstens ihre Anhänger möglichst vollständig an die Urnen bringen. Sie müssen zweitens ein Diskussionklima erzeugen, in dem die Schwankenden, die leicht Beeinflußbaren sich auf ihre Seite schlagen.

Dazu braucht man in der Endphase ein Thema, das emotionalisiert; eines oder - noch besser - mehrere (siehe Wind ins Gesicht, Rückenwind. Die windigen Tricks der SPD könnten erfolgreich sein).

Solche Themen kann man sich nicht backen. Aber wenn sich eines anbietet, dann muß man es packen, es festhalten, es ausquetschen wie eine Zitrone.

Das tun die Kommunisten mit dem Thema "Afghanistan". Und es funktioniert. Es funktioniert beängstigend gut.



Gestern sind drei Umfragen publiziert worden; von Allensbach, Emnid und Forsa. Obwohl sie alle das Publikationsdatum 9. September haben, sind sie nicht im selben Zeitraum durchgeführt worden. Bei Wahlrecht.de findet man die in diesem Fall wichtigen Erhebungszeiträume angegeben.

Diese sind deshalb entscheidend, weil am vergangenen Freitag, dem 4. September, die Diskussion um den Afghanistan- Einsatz der Bundeswehr begann. (In der Nacht zum Freitag hatte die Bombardierung der Tank- Lastzüge stattgefunden).

Das ist ein ideales Mobilisierungsthema für die Kommunisten; denn einerseits sind sie die einzige größere Partei, die für einen umgehenden Abzug aus Afghanistan eintritt, andererseits teilt diese Meinung eine große Mehrheit der Bevölkerung. Ein Potential also, das nur darauf wartete, ausgeschöpft zu werden. Der Vorfall bei Kundus bot und bietet dazu eine exzellente Gelegenheit.

Allensbach sammelte die Daten für die gestern publizierte Erhebung vom 26.08. bis zum 02.09. Da konnten die Ereignisse in und um Afghanistan also keine Rolle spielen. Forsa befragte hingegen vom 1.09. bis zum 07.09; drei Tage also vor und vier Tage nach dem Vorfall von Kundus.

In der Allensbach- Umfrage lagen die Kommunisten bei 11,5 Prozent; am oberen Rand des Bereichs, in dem sie sich seit Monaten bewegen. Bei Forsa schnellte ihr Wert auf 14 Prozent hoch. Damit lagen sie gleichauf mit der FDP; etwas, das es in diesem Jahr noch nicht gegeben hatte. Die Umfrage von Emnid umfaßte vier Tage vor und vier Tage nach der Nacht zum 4. September. Hier erreichten die Kommunisten 12 und die FDP nur noch 13 Prozent.



Es ist also das eingetreten, was ich am vergangenen Samstag so beschrieben hatte:
Schwarzgelb hat einen hauchdünnen Vorsprung. Er ist so gering, daß er durch den kleinsten Stoß kippen kann - irgend ein emotionalisierendes Thema, das jetzt noch aufkommt; ein beliebiges Ereignis, das die Stimmung verändert. In der Physik nennt man das ein indifferentes Gleichgewicht. Solange keine Kraft einwirkt, bleibt das System stabil. Aber schon eine geringe Kraft genügt, um diese Stabilität zunichte zu machen.
Der Stoß ist erfolgt; das Gleichgewicht ist in akuter Gefahr.

Die Union und die FDP haben insofern noch Glück, als das emotionalisierende Thema nur den Kommunisten nützt, aber nicht der SPD und den Grünen, die nolens volens zu ihrer Afghanistan- Politik stehen müssen. Zumal Steinmeier muß das, der als Außenminister für diese Politik schließlich federführend ist.

Aber es ist zu vermuten, daß der erstaunliche Zuwachs der Kommunisten sich nicht ausschließlich aus dem rotgrünen Lager speist. Auch unter Bürgerlichen gibt es Menschen, denen - jedenfalls im jetzigen Zustand der Emotionalisierung - der Frieden so wichtig ist, daß sie eine vermeintliche Friedenspartei selbst dann wählen, wenn sie nicht allzu viel vom sonstigen Programm der Kommunisten halten.

Noch hat Schwarzgelb einen knappen Vorsprung vor der Volksfront; auch wenn in allen drei Umfragen die 50- Prozent- Marke unterschritten wird. Aber eine anhaltende Emotionalisierung durch das Afghanistan- Thema, vielleicht dazu noch ein Hochspielen des Themas "Atomkraft", wie das der Minister Gabriel gerade versucht, - und die Volksfront könnte an Schwarzgelb vorbeiziehen.

Es sei denn, die Union und die FDP finden ihrerseits ein Thema, das Wähler mobilisiert. Bisher ist davon nichts zu sehen.



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7. September 2009

Bombardierte Tanklastzüge, die Taliban, der deutsche Wahlkampf. Und zivile Opfer. Eine gespenstische Diskussion. Hintergründe

Es ist gespenstisch.

Seit Wochen wurde eine Aktion militanter Islamisten erwartet mit dem Ziel, den deutschen Wahlkampf zu beeinflussen. In der Nacht vom vergangenen Freitag auf Samstag sollte ein solcher Anschlag offenbar versucht werden. Das Ziel war möglicherweise das deutsche Feldlager in Kundus. Der Anschlag konnte dadurch vereitelt werden, daß die für für seine Ausführung vorgesehenen Tank- Lastzüge rechtzeitig bombardiert wurden.

Und wovon ist in der deutschen Öffentlichkeit die Rede? Nicht von den Taliban, nicht von dem verhinderten Anschlag; schon gar nicht von dem Zusammenhang mit dem deutschen Wahlkampf. Sondern fast ausschließlich von den Zivilisten, die wahrscheinlich bei der Bombardierung ums Leben gekommen sind.

Der deutsche kommandierende Offizier, Oberst Georg Klein, durch dessen Entscheidungen ein möglicher Anschlag verhindert wurde, wird nicht etwa belobigt, sondern die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft allen Ernstes, ob gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen eines Tötungsdelikts eingeleitet werden wird.



Was hat sich zugetragen?

Taliban wollten vermutlich - so schildert es jedenfalls Verteidigungsminister Jung - einen Anschlag auf das deutsche Feldlager in Kundus verüben, "mit entsetzlichen Folgen für unsere Soldaten". Dazu brachten sie zwei Tank- Lastzüge in ihre Gewalt. Sie hatten eine scheinbare Kontrollstation eingerichtet, dort die Lastzüge abgefangen und deren Fahrer geköpft.

Einzelheiten des weiteren Geschehens hat die Washington Post zu recherchieren versucht und das Ergebnis gestern publiziert. Das Wichtigste aus diesem Artikel hat gestern "Spiegel- Online" übernommen.

Heute bringt die Washington Post allerdings einen weiteren Artikel der AP-Korrespondenten Douglas Birch, Kay Johnson, Melissa Eddy und Frank Jordans, der deutlich vorsichtiger formuliert ist als der Artikel von gestern.

Nach dem, was derzeit bekannt ist, scheint der Ablauf der folgende gewesen zu sein:

Die gekaperten Tank- Lastzüge wurden aus der Luft geortet - entweder von patrouillierenden US-Jets oder von einem B-1-Bomber, den Oberst Klein angefordert hatte; da gehen die Meldungen auseinander.

Zur genaueren Beobachtung wurden zwei F-15E-Jäger eingesetzt. Bilder aus deren Videokameras wurden an das deutsche Hauptquartier gefunkt. Was genau auf diesen Bildern zu sehen war, ist umstritten. Es heißt einerseits, es seien Bewaffnete mit Panzerfäusten zu sehen gewesen; jedoch ist andererseits bisher offen, ob die Bilder scharf genug waren, um solche Details zu erkennen.

Zusätzlich zu diesen Bildern hatten die deutschen Kommandeure die Aussage eines Informanten zur Verfügung, die - so sagte Oberst Klein - bis ins Detail mit den Informationen aus den Luftaufnahmen übereinstimmten. Dieser Informant versicherte, es seien nur Taliban bei den Tank- Lastzügen, die in einem Flußbett festsaßen.

Daraufhin forderte Klein die Bombardierung an. Auf jeden der beiden Tank- Lastzüge wurde eine satellitengesteuerte 500- Pfund- Bombe abgeworfen.

Inzwischen steht fest, daß sich auch Zivilisten bei den beiden Fahrzeugen befunden hatten. Warum, ist unklar. Möglicherweise wollten einige sich Benzin verschaffen, andere waren vielleicht nur Neugierige. Es gibt Berichte, wonach die Taliban Dorfbewohner mit vorgehaltener Waffe gezwungen hatten, sich zu den Fahrzeugen zu begeben, um dabei zu helfen, sie wieder flott zu bekommen.

Die Zahl der bei dem Angriff Getöteten und Verletzten ist derzeit unbekannt. Schätzungen liegen zwischen etwas über 50 und mehr als 120. Ob unter den Getöteten Zivilisten sind und wenn ja, wieviele, ist ebenfalls bisher nicht ermittelt.

Soweit die Fakten, die für so viel Aufregung sorgen, daß selbst ein bedächtiger Mann wie Volker Rühe von einem "Desaster" spricht.

Woher kommt diese Aufgeregtheit? Der Vorfall steht in mindestens zwei allgemeineren Kontexten. Erstens geht es um die strategische Situation und die Zusammenarbeit zwischen den Verbündeten in Afghanistan, zweitens um den Wahlkampf in Deutschland.



Als sich noch unter der rotgrünen Regierung Deutschland zu einem militärischen Beitrag in Afghanistan entschloß - "aufraffte" ist vielleicht das treffendere Wort -, da geschah das unter der Illusion, dies sei kein Kampfeinsatz, sondern eine Art militärisch umrahmte Entwicklungshilfe. Man hatte sich den damals ruhigen Norden des Landes ausgesucht. Dort sollten die Soldaten Brunnen graben und Schulen errichten; allenfalls derartige Maßnahmen militärisch absichern. Ungefähr so, wie der Polizist an der Ecke dafür sorgt, daß in seinem Revier niemand Dummheiten macht.

Lange Zeit schien das auch zu funktionieren, denn die neu erstarkten Taliban konzentrierten sich zunächst auf den Süden, wo sie eher als im Norden auf Sympathie der Bevölkerung rechnen konnten. Als aber durch die Offensiven vor allem der US-Truppen die Lage im Süden für sie immer brenzliger wurde, wichen viele nach Norden aus. Und damit hatte die Bundeswehr sie auf dem Hals.

Seither ist der Einsatz der Bundeswehr allmählich zu einem Kampfeinsatz geworden; ungewollt und ohne volle Unterstützung durch die deutsche Politik. Lange Zeit war es den deutschen Soldaten verboten, überhaupt von sich aus offensiv zu werden. Es gab groteske Situationen; wie etwa die, daß man sich dem Feind sozusagen präsentierte, um ihn zum Angriff zu veranlassen und auf diesem Weg selbst die Erlaubnis zu haben, ihn zu bekämpfen.

Dieses Verhalten, für das unsere Soldaten selbst am allerwenigsten können, hat ihnen bei den anderen Truppen in Afghanistan einen schlechten Ruf eingebracht; den Ruf von, um es direkt zu sagen, Duckmäusern. In dem gestrigen Artikel der Washington Post heißt es dazu:
German troops have long been criticized for restrictions that limit the battle their troops see. A U.S. based military analyst, Anthony Cordesman, said German troops don't have "the situational and combat experience" to confront Taliban on the ground. "They're as oriented toward staying in their armored vehicles as any group I've met," Cordesman said. "They're not active enough to present much of a threat to the Taliban most of the time."

Die deutschen Truppen werden seit langem wegen Einschränkungen kritisiert, die dazu führen, daß sie nur begrenzt in Kämpfe geraten. Ein Militär- Analytiker in den USA, Anthony Cordesman, meinte, die deutschen Truppen hätten "nicht die Situations- und Kampferfahrung", um den Taliban auf dem Boden entgegenzutreten. "Sie sind so darauf ausgerichtet, in ihren gepanzerten Fahrzeugen zu verbleiben, wie ich es nur je bei einer Gruppe erlebt habe", sagte Cordesman. "Sie sind nicht aktiv genug, um in der Regel für die Taliban eine Gefahr zu sein".
Diese Spannungen zwischen den deutschen und den verbündeten Truppen sind der eine Aspekt der Situation in Afghanistan, der den jetzigen Vorfall so brisant macht. Offenbar hat man beim US-Militär den Eindruck, die Deutschen wollten selbst nicht kämpfen, würden aber schon gern US-Flugzeuge anfordern, um den Job für sie zu tun.

Der zweite Aspekt ist die Änderung der Afghanistan- Strategie, die Präsident Obama verordnet hat; siehe Präsident Obamas verwirrende Strategie für Afghanistan; ZR vom 31.3.2009. Es ist keine klare Strategie; aber sie enthält zumindest Elemente von counterinsurgency; also dem Versuch, nicht nur militärisch gegen den Aufstand vorzugehen, sondern auch die hearts and minds, das Herz und den Verstand der Bevölkerung zu gewinnen.

Dazu gehört, daß der mit der Ausführung dieser Strategie beauftragte General Stanley McChrystal strikte Richtlinien zur Vermeidung ziviler Opfer erlassen hat. Diese gelten zwar nur für den Beschuß und die Bombardierung von Gebäuden; insofern war die Bombardierung der Tank- Lastzüge kein formaler Verstoß. Aber ganz offenbar ist McChrystal doch wütend über den Vorfall; zumal die Bundeswehr nicht in der vorgeschriebenen Weise sofort durch Entsendung von Bodentruppen untersucht hat, welches die Folgen des Bombardements waren.

Aus dieser Lage in Afghanistan erklärt sich die angespannte diplomatische Situation, die zum heutigen Titel der Washington Post geführt hat: "US-German rift emerges over Afghan deaths case" - wegen der Toten in Afghanistan werde ein Riß zwischen den USA und Deutschland sichtbar.



Der zweite Kontext, in dem man den Vorfall sehen muß, sind die bevorstehenden Wahlen. Es gibt seit Monaten Hinweise darauf, daß die Kaida versuchen wird, im Vorfeld dieser Wahlen einen Anschlag zu verüben, dessen Ziel es ist, das Ergebnis zu beeinflussen. In Deutschland konnten die Sicherheitsbehörden das bisher verhindern. Die Vermutung liegt nahe, daß ein erfolgreicher Anschlag der Taliban auf das deutsche Feldlager in Kundus eine ähnliche Funktion erfüllt haben würde.

Terroristische Anschläge dienen selten dazu, den Gegner militärisch zu schwächen. In der Regel ist der Adressat die Öffentliche Meinung eines Landes, das den Terrorismus bekämpft; siehe Terrorismus als angewandte Psychologie; ZR vom 28.11.2008.

Die Kaida ist ausgezeichnet über die politische Situation in den wichtigsten Ländern Europas informiert. Mit den Anschlägen vom 11. März 2004 in Madrid gelang es ihr beispielsweise, die Wahlen in Spanien zu beeinflussen, was zum Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak führte.

Auch jetzt könnte ein Anschlag in Deutschland oder auf deutsche Truppen in Afghanistan eine solche Wirkung haben. Zwar stehen mit Ausnahme der Kommunisten alle großen Parteien bisher zu den deutschen Verpflichtungen in Afghanistan. Aber bei der SPD und vor allem bei den Grünen gibt es Überlegungen, das alles neu zu überdenken.

Schließlich hatte man seinerzeit - siehe oben - für brunnengrabende Soldaten gestimmt, nicht für eine Truppe, die unter Kriegsbedingungen kämpfen muß. Gerhard Schröder, der weniger Rücksichten zu nehmen braucht als die aktiven Politiker der SPD, hat bereits das Thema eines Abzugs innerhalb einer festen Frist ins Spiel gebracht.

Da die Kommunisten ohnehin für einen sofortigen Abzug sind, dürfen sich die Taliban und die Kaida von einem Sieg der Volksfront am 27. September Vorteile versprechen. Ein Attentat auf deutsche Truppen mit zahlreichen Toten könnte in der Tat die Stimmung in Deutschland so beeinflussen, daß einer Volksfront- Regierung der Abzug leicht fallen dürfte; selbst wenn das bei den Verbündeten auf Widerstand stoßen würde. Die neugewählte sozialistische Regierung Spaniens hat 2004 im Irak vorgemacht, daß das geht.



Die Kommunisten jedenfalls haben schnell geschaltet und ihren Wahlkampf auf den Vorfall in Afghanistan eingestellt. Für morgen planen sie gar "Mahnwachen und Demonstrationen" gegen den deutschen Einsatz.

Ich fürchte, sie werden viele gutwillige Menschen erreichen, die zu Recht entsetzt sind, wenn Zivilisten in einem Krieg zu Schaden kommen.

Das ist eine sympathische menschliche Reaktion; aber sie sollte nicht handlungsleitend sein.

Es gibt keinen Krieg, in dem nicht auch Zivilisten zu Schaden kommen. So bedauerlich das ist, es ist nun einmal so. Daß immerhin versucht wird, zivile Opfer so weit wie möglich zu vermeiden, ist eine zivilisatorische Errungenschaft der Gegenwart; bisher im wesentlichen beschränkt auf die USA und Europa. Der Normalfall ist leider noch immer, daß gezielt Krieg gegen Zivilisten geführt wird; der Krieg der Kaida ist nahezu ausschließlich ein Krieg gegen Zivilisten.

Ob der Oberst Georg Klein nach den Informationen, die er hatte, davon ausgehen konnte, daß der angeforderte Angriff keine Zivilisten treffen würde, das wird die Untersuchung ergeben. Falls Zivilisten zu Tode kamen, sollte Deutschland den Angehörigen in aller Form sein Bedauern aussprechen und ihnen vor allem, wie das in Afghanistan erwartet wird, eine großzügige Entschädigung zahlen. Unsere Politik aber darf ein solcher Vorfall nicht beeinflussen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Taliban im Süden Afghanistans, aufgenommen im Dezember 2006. Als Werk der US-Regierung (Voice of America) in der Public Domain (Ausschnitt).

5. September 2009

Wahlen '09 (15): Die Landtagswahlen haben nichts geändert. Das indifferente Gleichgewicht besteht weiter. Entschieden wird auf den letzten Metern

Auf den Ausgang der Wahlen würde ich gegenwärtig keinen Cent wetten.

Noch immer hat dieser Wahlkampf keine Dynamik. In einer früheren Folge dieser Serie hatte ich die Lage durch den Vergleich mit einem Fußballspiel illustriert, in dem die führende Mannschaft ein knappes 1:0 zu halten versucht. Allmählich scheint mir ein drastischer Vergleich aus dem Sport angemessen: Mit der Radsport- Disziplin Sprint, bei der zwei Fahrer den größten Teil der Strecke ganz langsam, manchmal fast stehend nebeneinander unterwegs sind, einander immer belauernd - bis einer plötzlich im Höchsttempo loslegt und der andere dann folgen muß.

Losgelegt hat in diesem Wahlkampf noch niemand. Man mag kaum glauben, daß es nur noch drei Wochen bis zur Entscheidung sind. Letztes Jahr in den USA war einen Monat vor den Wahlen schon alles so gut wie entschieden; siehe Obama/Palin werden gewinnen; ZR vom 7.10.2008. Denn in den Wochen zuvor hatte Obamas Wahlkampf die klassische Dynamik entwickelt, die zum Sieg führt: Gute Umfrageergebnisse erzeugen mehr Zuversicht. Zuversicht beflügelt den Wahlkampf. Dies wiederum führt zu noch besseren Ergebnissen. Die Spirale des Erfolgs.

Nichts davon gibt es bisher im deutschen Wahlkampf.

Ich hatte vor den Landtagswahlen damit gerechnet, daß mit ihnen entweder das 1:1 oder das 2:0 fallen würde. SPD- Erfolge in Thüringen und im Saarland hätten das 1:1 bedeutet; ein gutes Abschneiden der CDU das 2:0. Was entweder das schwarzgelbe Lager oder dasjenige der Volksfront (und reaktiv damit auch die jeweils andere Seite) zu größeren Anstrengungen angespornt hätte.

So dachte ich; siehe Fällt am Sonntag endlich das Tor, das dem Ballgeschiebe ein Ende macht?; ZR vom 28.8.2009. Es ist anders gekommen. Die CDU hat zwar in Thüringen und im Saarland schlecht abgeschnitten (anders als in Sachsen und NRW); aber für die SPD waren alle vier Wahlergebnisse ein Desaster, auch wenn sie das zu verbergen suchte; siehe Landtagswahlen- Kaleidoskop. Wer hat eigentlich gewonnen, wer verloren?; ZR vom 31.8.2009.



In einer grotesken Verkehrung der Wahrheit hat die SPD- Führung eine eklatante Niederlage in eine Art Sieg umzudeuten versucht. Die aktiven Genossen scheint das auch beflügelt zu haben; gut möglich, daß es auf diesem Weg am Ende doch noch wahlentscheidend wird.

Beim Wähler aber ist bisher kein SPD- Erfolg angekommen. Die Ergebnisse der Umfragen belegen das.

Drei Institute (Emnid, die Forschungsgruppe Wahlen - FGW - und Infratest Dimap) haben Umfragen sowohl in der Woche unmittelbar vor als auch in der Woche nach den Landtagswahlen durchgeführt. Die Resultate findet man bei wahlrecht.de; und zwar hier (Emnid), hier (FGW) und hier (Infratest Dimap).

Hier sind die Ergebnisse für die großen Parteien; gefettet jeweils diejenigen aus der Befragung nach den Wahlen vom vergangenen Sonntag. Die Daten der drei Institute stehen in der Reihenfolge, in der ich diese oben genannt habe:
CDU: 35 --> 34; 37 --> 37; 35 --> 35

FDP: 14 --> 14; 14 --> 15; 15 --> 14

SPD: 24 --> 26; 23 --> 23; 23 --> 23

Grüne: 12 --> 11; 12 --> 11; 13 --> 13

Die Linke: 10 --> 11; 9 --> 10; 10 --> 11
Mittelt man die Daten der drei Institute (was allerdings nur eine sehr grobe Methode des Aggregierens von Daten ist), dann lag die CDU vor den Landtagswahlen bei 35,6 und liegt sie danach bei 35,3 Prozent; die FDP bei 14,3 und wieder 14,3 Prozent; die SPD bei 23,3 und 24,0 Prozent; die Grünen bei 12,4 und 11,6 Prozent und die Kommunisten bei 9,7 und 10,7 Prozent.

Mit anderen Worten: Die Wirkung der Landtagswahlen auf die Umfragedaten war null, berücksichtigt man die Fehlertoleranz.

Die Situation ist heute noch immer so wie schon seit Monaten: Schwarzgelb hat einen hauchdünnen Vorsprung. Er ist so gering, daß er durch den kleinsten Stoß kippen kann - irgend ein emotionalisierendes Thema, das jetzt noch aufkommt; ein beliebiges Ereignis, das die Stimmung verändert.

In der Physik nennt man das ein indifferentes Gleichgewicht. Solange keine Kraft einwirkt, bleibt das System stabil. Aber schon eine geringe Kraft genügt, um diese Stabilität zunichte zu machen.

Bisher hat vor allem die SPD eine solche Kraft ins Spiel zu bringen versucht, indem sie Reizthemen hochgespielt hat - die angebliche Gefährlichkeit der Atomkraft, das angebliche Guttenberg- Papier, gar Merkels Einladung an Ackermann. Das war alles doch arg durchsichtig; nichts davon ist offenbar beim Wähler angekommen.



Aber es kann ja noch etwas kommen. Ein spielentscheidendes Tor kann in letzter Minute fallen.

Vielleicht gelingt es der SPD im Verein mit den anderen Volksfront- Partnern doch noch, manchem Wähler einen Schrecken vor schwarzgelbem "Sozialabbau" einzujagen. Die Mobilisierung ihrer Anhänger scheint der SPD jedenfalls im Augenblick besser zu gelingen als der Union; siehe Wind ins Gesicht, Rückenwind. Die windigen Tricks der SPD könnten erfolgreich sein; ZR vom 1.9.2009. Vielleicht wird auch die Union doch noch wach und erinnert zum Beispiel offensiv daran, wohin sieben Jahre Rotgrün das Land gebracht hatten.

Vielleicht wird auch Afghanistan ein heißes Thema, das dann freilich vor allem den Kommunisten nutzen dürfte. Unter deren Druck könnten aber auch die SPD und die Grünen auf Distanz zur bisherigen Afghanistan- Politik gehen; deren Unterstützung für den bedrängten Verteidigungsminister hält sich bisher jedenfalls in Grenzen.

Nichts Gewisses weiß man nicht. Das einzig Sichere ist: Wenn manche Leute in der Union und bei der FDP meinen, sie hätten den Sieg so gut wie in der Tasche, dann irren sie.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Der Reichstag. Vom Autor Norbert Aepli unter Creative Commons Attribution 2.5 - Lizenz freigegeben. Ausschnitt.

1. September 2009

Zitat des Tages: Wind ins Gesicht, Rückenwind. Die windigen Tricks der SPD könnten erfolgreich sein


Die SPD ist zurück. Die SPD will siegen, und die SPD kann siegen (...) Jetzt kämpfen wir mit Rückenwind.


Frank- Walter Steinmeier gestern in Hannover, nachdem seine Partei vorgestern bei der Wahl des Landtags im Saarland das schlechteste Ergebnis seit 1960, in Thüringen und Sachsen das jeweils zweitschlechteste Ergebnis seit der Wiedervereinigung und bei den Kommunalwahlen in NRW ihr schlechtestes Ergebnis überhaupt geholt hatte; siehe Landtagswahlen- Kaleidoskop. Wer hat eigentlich gewonnen, wer verloren?; ZR vom 31.8.2009.


Kommentar: Die SPD versucht, eine ihrer schlimmsten Niederlagen in einen Sieg umzudeuten. Die beiden Tricks, mit denen Müntefering und Genossen das zu bewerkstelligen suchen, sind denkbar einfach:

Erstens bemühen sie sich, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von ihren eigenen miserablen Ergebnissen abzulenken, indem sie die Verluste der CDU groß herausstellen.

Zweitens versuchen sie, im Saarland und in Thüringen mit Hilfe der Kommunisten an die Regierung zu kommen, um so den Eindruck zu erwecken, sie seien dort der Wahlsieger.

Werden sie mit diesen windigen Tricks Erfolg haben? Werden sie aus dem Wind, der ihnen am Sonntag ins Gesicht wehte, in der Wahrnehmung der Wähler einen Rückenwind machen können?

Gestern habe ich geschrieben, die Wähler seien "nicht so begriffsstutzig, den SPD- Großsprechern abzunehmen, daß sie im Grunde gesiegt hätten". Das denke ich immer noch. Dennoch könnte die Rechnung der tricksenden Genossen aufgehen.

Denn es geht ja nicht darum, wer bei den Wahlen am Sonntag in den Augen der Wähler gesiegt hat. Für den Schlußspurt im Wahlkampf entscheidend wird sein, welches der beiden Lager seine Anhänger besser mobilisieren kann.

Mobilisierung ist ein entscheidendes Moment in der Schlußphase jedes Wahlkampfs. In dieser Phase geht es darum, ob die eigenen Anhänger motiviert genug sind, um am Arbeitsplatz, um unter Freunden für ihre Partei zu werben. Es geht darum, welche Partei als die aktivere wahrgenommen wird; als diejenige, die im Wahlkampf die Themen setzt.

Offenbar nehmen die Anhänger der SPD ihrer Führung das Märchen vom erfolgreichen Wahlsonntag ab; sie möchten ja nur allzu gern glauben, daß es so sei.

In "FR- Online" schreibt Steffen Hebestreit über die gestrige Kundgebung der SPD in Hannover:
Knapp vier Wochen vor der Bundestagswahl läutet die SPD die "heiße Phase" ein – und endlich verhageln die Ergebnisse mal nicht die Planung des Willy- Brandt- Hauses. (...) Erleichterung darüber, dass da etwas in Bewegung geraten ist, wie SPD-Chef Franz Müntefering den 8000 Zuhörern in Hannover zuruft. "Was kann die SPD besser als die anderen?", fragt er. "Alles", schreit junges Parteivolk. Jaha, das Selbstbewusstsein kehrt zurück.



Nicht die Realität bestimmt das Selbstbewußtsein, sondern die Wahrnehmung der Realität, wie verzerrt sie auch immer sein mag.

Und ist das Selbstbewußtsein erst mal da, dann ist es ohnehin egal, woher es stammt. Der Motivationstrainer Müntefering wird seiner Partei in den kommenden Wochen unermüdlich einhämmern, der Wahlkampf hätte eine Wende genommen und man sei jetzt auf der Siegesstraße. Erreicht er mit dieser Botschaft über den Transmissionsriemen der SPD- Anhänger die Masse der Wähler, dann könnte das eine sich selbst erfüllende Prophezeiung werden.

Die Kanzlerin hat gestern deutlich gemacht, daß sich an ihrer bisherigen "milden" Strategie nichts ändern werde.

Bisher ist diese Strategie ja auch erfolgreich gewesen. Bisher, das heißt in den Wochen und Monaten, in denen es nicht um Mobilisierung ging.

Ob es aber auch in der jetzt beginnenden Endphase des Wahlkampfs noch richtig ist, auf eine Emotionalisierung der eigenen Anhänger zu verzichten, das darf füglich bezweifelt werden. Ob die Botschaft "Die Kanzlerin hat uns doch prima durch die Krise gebracht. Also weiter so!" ausreicht, um der heißen Phase des Wahlkampfs den Stempel der Union aufzudrücken, ist zumindest fraglich.

Angela Merkel hat im Wahlkampf 2005 den Fehler gemacht, durch die Berufung des Professors Kirchhof in ihr Team den Wahlkampf in seiner Endphase über das Thema "Steuergerechtigkeit" zu emotionalisieren.

Sie hat daraus gelernt. Aber es könnte sein, daß sie nicht das Richtige gelernt hat. Nicht die Emotionalisierung als solche war damals der Fehler gewesen, sondern die Wahl des Themas, mit dem die Union den Wahlkampf emotionalisierte. Oder genauer: Mit dem sie dem Wahlkämpfer Schröder die Steilvorlage dafür lieferte, ihn in seinem Sinn zu emotionalisieren.



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