31. August 2008

Der 44. Präsident der USA (15): Warum die Nominierung von Sarah Palin eine brillante Entscheidung sein könnte. Oder im Fiasko enden (Teil 1)

Wie man sich denken kann, hat die Entscheidung John McCains, die Gouverneurin Sarah Palin zu seiner Partnerin im Kampf um das Weiße Haus zu machen, zu sehr unterschiedlichen Reaktionen geführt.

Nicht oft gab es bei CNN so gegensätzliche Kommentare wie die von Paul Begala und von Ed Rollins zu diesem Thema. "Is McCain out of his mind?" fragt Begala - ob McCain übergeschnappt sei. Rollins hingegen nennt die Entscheidung McCains brillant, wenn auch riskant.



Sehen wir uns an, wie Begala, ein ehemaliger Mitarbeiter Bill Clintons, argumentiert:
Palin, a first-term governor of a state with more reindeer than people, will have to put on a few pounds just to be a lightweight. Her personal story is impressive: former fisherman, mother of five. But that hardly qualifies her to be a heartbeat away from the presidency.

For a man who is 72 years old and has had four bouts with cancer to have chosen someone so completely unqualified to become president is shockingly irresponsible. Suddenly, McCain's age and health become central issues in the campaign, as does his judgment.

Palin, in ihrer ersten Amtszeit als Gouverneurin eines Bundeslands mit mehr Rens als Einwohnern, wird ein paar Pfund zulegen müssen, um wenigstens ein Leichtgewicht zu sein. Ihre persönliche Geschichte ist eindrucksvoll: Ehemalige Fischerin, Mutter von fünf Kindern. Aber das qualifiziert sie kaum dazu, einen Herzschlag vom Amt des Präsidenten entfernt zu sein.

Für einen Mann, der 72 Jahre alt ist und der viermal akuten Krebs hatte, ist es entsetzlich unverantwortlich, jemanden ausgewählt zu haben, der so völlig unqualifiziert für das Amt des Präsidenten ist. Plötzlich werden McCains Alter und seine Gesundheit zentrale Themen des Wahlkampfs - und auch sein Urteilsvermögen.
Rollins hingegen, ein altgedienter Republikaner seit der Zeit Ronald Reagans, weist auf die Vorzüge von Sarah Palin hin:
Conservatives love her, and she shares John McCain's value system. She is also known for taking on the establishment and ethics is her forte. She defeated the longtime senator and Republican governor in a primary and then went on and defeated the former Democratic governor. (...)

I think the potential for her to attract women voters is immense. And I am betting, win or lose or draw, she is a future star of a party in desperate need of young people and women role models.

Die Konservativen mögen sie, und sie teilt John McCains Wertesystem. Sie ist auch dafür bekannt, sich mit dem Establishment anzulegen, und Ethik ist ihre Stärke. Sie schlug den langjährigen Senator und republikanischen Gouverneur in einer Vorwahl und dann auch gleich noch den ehemaligen demokratischen Gouverneur. (...)

Ich glaube, ihr Potential, weibliche Wähler anzuziehen, ist immens. Und ich wette darauf, daß sie einmal Star in einer Partei sein wird, die Junge und Frauen als Rollenmodelle dringend braucht.



Die Argumente beider Seiten sind nicht von der Hand zu weisen, auch wenn Begala, wie er das gern tut, übertreibt; er ist der Typ Kommentator, der für einen guten Witz seine Großmutter verkauft. Bei Diskussionen in CNN immer für eine Pointe gut.

Aber er hat im Kern recht - natürlich wäre es problematisch, wenn Sarah Palin, frisch nach Washington gekommen, Präsidentin werden müßte.

Würde McCain dagegen nach einigen Jahren im Amt ausfallen, dann sähe es anders aus, denn diese offenbar mit einem glänzenden Intellekt und einem starken Charakter begabte Frau scheint - soweit ich das beurteilen kann, nachdem ich mich ein wenig über sie informiert habe - durchaus das Zeug zur Präsidentin zu haben. Wenn sie, sagen wir, zwei Jahre Vizepräsidentin war und dann für McCain einspringen müßte, dann wäre sie sicher besser auf das Amt vorbereitet als jetzt Barack Obama.

Und damit sind wir beim entscheidenden Punkt: Wie man die Kandidatur von Sarah Palin beurteilt, ist eine Frage der Risiko- Abwägung. Wenn Obama Präsident wird, dann kommt mit Sicherheit jemand in dieses Amt, dem es dafür an Erfahrung fehlt. Wenn McCain mit Palin als Running Mate Präsident wird, dann kann das passieren.

Ja, aber ist Obama, immerhin eine Legislaturperiode lang Senator, nicht doch qualifizierter als Sarah Palin? Als eine Frau, die seit noch nicht einmal zwei Jahren Gouverneurin im fernen Alaska ist, wo sie ungefähr so viele Einwohner regiert wie bei uns die Oberbürgermeisterin Petra Roth, nämlich weniger als 700.00? Zuvor war sie Bürgermeisterin von Wasilla gewesen; Einwohnerzahl je nach Quelle 5470, 6715 oder 8471 Seelen.

Nun, das kann man so und so sehen. Natürlich hat Obama aus seiner Zeit als Senator Erfahrungen mit den Verhältnissen in Washington, mit den Themen, die im Senat verhandelt werden. Palin hat das nicht. Aber sie steht immerhin seit zwölf Jahren in der politischen Verantwortung. Anders als Obama. Die einzige Organisation oder Körperschaft, für die er jemals Verantwortung getragen hat, war in Chicago das Developing Communities Project; maximale Zahl der Mitarbeiter: 13.

(Fortsetzung folgt)



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