28. März 2008

Marginalie: Wie verbrachte Saddam Hussein die Tage vor seiner Hinrichtung?

Mich interessiert das. Man kann einwenden, daß es doch unerheblich sei, wie Saddam Hussein seine letzten Tage verbrachte; daß das Interesse daran nicht nur eine unziemliche Neugier erkennen lasse, sondern auch eine bedauerliche, wenn nicht gar gefährliche Neigung, Politisches zu vermenscheln.

Sei's drum. Also, wenn es Sie auch interessiert, wie Saddam Hussein vor seiner Hinrichtung lebte und was er tat: CNN hat gestern darüber berichtet. Die CNN-Reporterin Kyra Phillips durfte seine Zelle besuchen, dort Aufnahmen machen, mit Generalmajor Doug Stone sprechen, der für Saddam während seiner Gefangenschaft verantwortlich war.

Man sah die Zelle, in der Saddam lebte und arbeitete. Ja, arbeitete, denn er schrieb fast unaufhörlich. Was schrieb er? Er schrieb Geschichte, jedenfalls wollte er das, versuchte er das.

Er schrieb, wie es alles gewesen war, aus seiner Sicht. Um sich zu rechtfertigen, offensichtlich. Und er schrieb es in einem manchmal nachgerade poetischen Stil. Zum Beispiel über die Bombardierung Bagdads:
The nights are darker after the sunset, but the smoke and the burning overwhelms the city. You will feel suffocated under its skies. The days are now nights. No stars. No moon, but lots of screams.

Die Nächte sind dunkler nach Sonnenuntergang, aber der Rauch und das Lodern begraben die Stadt. Man fühlt sich am Ersticken unter ihren Himmeln. Die Tage sind jetzt Nächte. Keine Sterne. Kein Mond, aber viel Schreien.
In einem anderen Text wendet Saddam sich an seine Landsleute:
Dear nation: Get rid of the hatred, take the clothes of hate and throw it into the ocean of hatred. God will save you and you will start a clean life, with a clean heart.

Liebe Nation, mache dich frei von diesem Haß. Nimm die Kleider des Hasses und wirf sie in den Ozean des Hasses. Gott wird euch erretten, und ihr werdet ein reines Leben beginnen, mit einem reinen Herzen.


Nicht nur in seiner Zelle schrieb Saddam solche Sätze, die der Reporterin Phillips als "poetry" erscheinen, als Lyrik. Sondern auch in seinem Garten.

Ja, in seinem Garten. Denn man hatte ihm einen kleinen Garten eingerichtet, den er von seiner Zelle aus direkt betreten konnte. Dort hatte er mehrere Beete angelegt; allerdings wollte nicht so recht gedeihen, was er dort gepflanzt hatte.

Im Gärtchen hatte man ihm ebenfalls einen Arbeitsplatz hergerichtet. Da er den Stuhl unbequem fand, hatte man ihm die Armlehnen nachträglich gepolstert. In den Garten ging er auch, wenn er eine Zigarre rauchen wollte.

Angeredet wurde Saddam mit "Vic". Keine Abkürzung von "Victor". Sondern das Wachpersonal war sich zunächst unschlüssig gewesen, wie man ihn nennen solle; "Mr. President" fand man irgendwie unpassend. Saddam nun hatte gesehen, daß hinter seinem Namen in einem Document "VIC" stand und fragte, was das bedeute. "Very Important Criminal" sagte man ihm, "sehr wichtiger Verbrecher". So solle man ihn denn anreden, war Saddams Antwort. Fortan hieß er beim Wachpersonal "Vic".



Ja, nicht wahr, das sind so Anekdötchen, die einen fast vergessen lassen, daß es sich um einen Massenmörder handelt, dessen verehrtes Vorbild Stalin war und dessen eigene Gefangene einer etwas anderen Behandlung unterworfen worden waren als jetzt Saddam selbst in der Obhut der US Army. (Wer es ertragen kann und will, kann sich hier ansehen, wie Saddams Leute mit Gefangenen umgingen).

Das letzte Bild, das die US-Wachmannschaft aufnahm, bevor Saddam zur Exekution and die Irakis übergeben wurde, zeigt ihn mit einem verärgerten Blick. Der Grund sei gewesen, sagte Generalmajor Stone, daß er eine Beschriftung entdeckt hatte, auf der sein Name falsch geschrieben war.

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