Bitte schätzen Sie einmal, wieviele Gefangene es gegenwärtig in Guantánamo gibt. (Ich meine das amerikanische Gefängnis, nicht das cubanische gleichen Namens). Fünftausend? Tausend? Es sind, wie man heute bei Reuters lesen kann, ungefähr 255.
Es waren einmal mehr; aber rund 500 Gefangene wurden bereits freigelassen oder an die Regierungen ihrer jeweiligen Herkunftsländer überstellt.
Immer noch 255 Gefangene zu viel, werden Sie sagen. Ich stimme zu. Nahezu jedermann stimmt zu, einschließlich der US-Regierung. Und zwar der noch amtierenden, deren Verteidigungsminister Gates sich bereits bei seinem Amtsantritt für die Schließung des Gefängnisses auf dem US-Stützpunkt Guantánamo ausgesprochen hat.
Auch Barack Obama hat im Wahlkampf versprochen, Guantánamo zu schließen. Er hat das am vergangenen Sonntag noch einmal bekräftigt: "I have said repeatedly that I intend to close Guantanamo, and I will follow through on that". Er habe wiederholt gesagt, daß er beabsichtigte, Guantánamo zu schließen, und er werde das durchziehen.
Nur ist das leichter gesagt als durchgezogen. Darauf weist heute in der Washington Post Benjamin Wittes hin. Wittes weiß, wovon er spricht. Er ist Autor eines Buchs "Law and the Long War: The Future of Justice in the Age of Terror" (Das Gesetz und der lange Krieg: Die Zukunft der Justiz im Zeitalter des Terrors), war Redakteur der Washington Post und ist gegenwärtig Forschungsdirektor für Öffentliches Recht an der Brookings Institution.
Bei den folgenden Informationen und Überlegungen stütze ich mich größtenteils, aber nicht ausschließlich, auf seinen Aufsatz.
Obama könnte natürlich sein Versprechen einlösen, indem er Guantánamo schließt und die Gefangenen in andere Hafteinrichtungen verlegt. Damit wäre freilich wenig gewonnen, außer daß der antiamerikanischen Propaganda eines ihrer erfolgreichsten Themen genommen wäre.
Denn das Problem ist ja nicht der Ort Guantánamo, sondern es ist die Frage, was man mit enemy combattants tun soll, die in amerikanische Hand geraten sind. "Feindliche Kämpfer" - das sind Personen, die gegen die USA gekämpft haben, die dafür ausgebildet wurden oder die jedenfalls dessen hinreichend verdächtig sind.
Also Soldaten? Nein, Soldaten sind sie nicht. Sie trugen keine Uniform, als sie ergriffen wurden. Sie waren keine Angehörige der Armee irgendeines Staats. Sie waren das, was man mit Begriffen wie "Freischärler", "Partisanen", "irreguläre Kämpfer" bezeichnet. Also keine Kombattanten im kriegsrechtlichen Sinn und deshalb auch nicht in derselben Weise wie Soldaten durch das Kriegsrecht geschützt.
Kann man diese Personen, wenn sie also keine Soldaten sind, einfach als Verbrecher betrachten und nach den allgemeinen Gesetzen aburteilen? Auch das ist schwierig. Nicht allein, weil unklar ist, welche Gerichte denn für sie zuständig sind und nach welchem Recht sie abgeurteilt werden sollen. Sondern auch deshalb, weil die USA das berechtigte Interesse haben, sie auch dann festzuhalten oder jedenfalls daran zu hindern, wieder in den Kampf gegen die USA einzutreten, wenn ihnen keine Verbrechen nachzuweisen sind.
Das ist der Sinn, jedenfalls der primäre Sinn, einer Kriegsgefangenschaft. Feindliche Soldaten werden nicht deshalb inhaftiert, weil sie gegen Gesetze verstoßen hätten, sondern damit sie nicht weiterkämpfen können. Die Gefangenschaft endet mit dem Ende des Kriegs. Aber wann ist ein asymmetrischer Krieg gegen Terroristen zu Ende?
Jedenfalls haben die USA ein berechtigtes Interesse daran, daß diese Personen nicht wieder Anschläge planen und verüben. Man wird sie also solange festhalten wollen, wie diese Gefahr besteht. Wie will man das aber unter die allgemeinen Gesetze subsumieren? Es gibt in einem demokratischen Rechtsstaat keine Präventivhaft, keine Haft auf Verdacht. (Gut, die deutsche Sicherungsverwahrung; die USA kennen so etwas nicht).
Die 255 jetzt noch in Guantánamo einsitzenden Personen umfassen drei Gruppen:
Und der neue Präsident? Er wird, meint Wittes, vor denselben Problemen stehen. Die simple Vorstellung, daß es zwischen den amerikanischen Werten und den nationalen Interessen der USA keinen Widerspruch gebe, könnte sich als "deadly wrong", als fataler Irrtum erweisen.
Auch die neue Regierung werde, was die Behandlung der Gefangenen angeht, vor "wrenching choices with no easy answers" stehen; vor schmerzlichen Entscheidungen ohne einfache Antworten.
Es waren einmal mehr; aber rund 500 Gefangene wurden bereits freigelassen oder an die Regierungen ihrer jeweiligen Herkunftsländer überstellt.
Immer noch 255 Gefangene zu viel, werden Sie sagen. Ich stimme zu. Nahezu jedermann stimmt zu, einschließlich der US-Regierung. Und zwar der noch amtierenden, deren Verteidigungsminister Gates sich bereits bei seinem Amtsantritt für die Schließung des Gefängnisses auf dem US-Stützpunkt Guantánamo ausgesprochen hat.
Auch Barack Obama hat im Wahlkampf versprochen, Guantánamo zu schließen. Er hat das am vergangenen Sonntag noch einmal bekräftigt: "I have said repeatedly that I intend to close Guantanamo, and I will follow through on that". Er habe wiederholt gesagt, daß er beabsichtigte, Guantánamo zu schließen, und er werde das durchziehen.
Nur ist das leichter gesagt als durchgezogen. Darauf weist heute in der Washington Post Benjamin Wittes hin. Wittes weiß, wovon er spricht. Er ist Autor eines Buchs "Law and the Long War: The Future of Justice in the Age of Terror" (Das Gesetz und der lange Krieg: Die Zukunft der Justiz im Zeitalter des Terrors), war Redakteur der Washington Post und ist gegenwärtig Forschungsdirektor für Öffentliches Recht an der Brookings Institution.
Bei den folgenden Informationen und Überlegungen stütze ich mich größtenteils, aber nicht ausschließlich, auf seinen Aufsatz.
Obama könnte natürlich sein Versprechen einlösen, indem er Guantánamo schließt und die Gefangenen in andere Hafteinrichtungen verlegt. Damit wäre freilich wenig gewonnen, außer daß der antiamerikanischen Propaganda eines ihrer erfolgreichsten Themen genommen wäre.
Denn das Problem ist ja nicht der Ort Guantánamo, sondern es ist die Frage, was man mit enemy combattants tun soll, die in amerikanische Hand geraten sind. "Feindliche Kämpfer" - das sind Personen, die gegen die USA gekämpft haben, die dafür ausgebildet wurden oder die jedenfalls dessen hinreichend verdächtig sind.
Also Soldaten? Nein, Soldaten sind sie nicht. Sie trugen keine Uniform, als sie ergriffen wurden. Sie waren keine Angehörige der Armee irgendeines Staats. Sie waren das, was man mit Begriffen wie "Freischärler", "Partisanen", "irreguläre Kämpfer" bezeichnet. Also keine Kombattanten im kriegsrechtlichen Sinn und deshalb auch nicht in derselben Weise wie Soldaten durch das Kriegsrecht geschützt.
Kann man diese Personen, wenn sie also keine Soldaten sind, einfach als Verbrecher betrachten und nach den allgemeinen Gesetzen aburteilen? Auch das ist schwierig. Nicht allein, weil unklar ist, welche Gerichte denn für sie zuständig sind und nach welchem Recht sie abgeurteilt werden sollen. Sondern auch deshalb, weil die USA das berechtigte Interesse haben, sie auch dann festzuhalten oder jedenfalls daran zu hindern, wieder in den Kampf gegen die USA einzutreten, wenn ihnen keine Verbrechen nachzuweisen sind.
Das ist der Sinn, jedenfalls der primäre Sinn, einer Kriegsgefangenschaft. Feindliche Soldaten werden nicht deshalb inhaftiert, weil sie gegen Gesetze verstoßen hätten, sondern damit sie nicht weiterkämpfen können. Die Gefangenschaft endet mit dem Ende des Kriegs. Aber wann ist ein asymmetrischer Krieg gegen Terroristen zu Ende?
Jedenfalls haben die USA ein berechtigtes Interesse daran, daß diese Personen nicht wieder Anschläge planen und verüben. Man wird sie also solange festhalten wollen, wie diese Gefahr besteht. Wie will man das aber unter die allgemeinen Gesetze subsumieren? Es gibt in einem demokratischen Rechtsstaat keine Präventivhaft, keine Haft auf Verdacht. (Gut, die deutsche Sicherungsverwahrung; die USA kennen so etwas nicht).
Die 255 jetzt noch in Guantánamo einsitzenden Personen umfassen drei Gruppen:
Mit allen diesen Schwierigkeiten, schreibt Wittes, haben sich Mitglieder der Regierung Bush in den vergangenen sieben Jahren herumgeschlagen. Man tue ihnen Unrecht, wenn man das nicht anerkenne.Diejenigen, die für ein Strafverfahren in Frage kommen. Wieviele das sind, hängt davon ab, vor welche Art von Gericht sie gestellt werden sollen. Ein amerikanisches Bundesgericht? Militärgerichte? Die speziellen Gerichte (Military Commissions), die die Regierung Bush eingerichtet hat? Die Demokraten haben sie kritisiert. Wird Obama sie abschaffen? Durch welche Art von Gerichtsbarkeit ersetzen? Die zweite Gruppe umfaßt ungefähr 60 Gefangene, die die USA gern an ihre Heimatländer übergeben würden. Das Problem ist, daß ihnen dort Mißhandlungen drohen könnten. (Diejenigen, die Guantánamo für eine Art KZ halten, werden das zynisch finden. Guantánamo ist aber keine Art von KZ). Die dritte Gruppe umfaßt Kämpfer, denen keine individuellen Straftaten nachzuweisen sind, die freizulassen aber für die USA zu gefährlich wäre. Es muß bei diesen Leuten damit gerechnet werden, daß sie in ihre Gruppen zurückkehren und den Kampf gegen die USA wieder aufnehmen.
Und der neue Präsident? Er wird, meint Wittes, vor denselben Problemen stehen. Die simple Vorstellung, daß es zwischen den amerikanischen Werten und den nationalen Interessen der USA keinen Widerspruch gebe, könnte sich als "deadly wrong", als fataler Irrtum erweisen.
Auch die neue Regierung werde, was die Behandlung der Gefangenen angeht, vor "wrenching choices with no easy answers" stehen; vor schmerzlichen Entscheidungen ohne einfache Antworten.
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