Nirgends im politischen Spektrum verkündet man so laut, so selbstgerecht den Wert der "Solidarität", wie das auf der Linken geschieht.
Nirgends praktiziert man so ostentativ Umgangsformen, die diesen Wert ausdrücken sollen. Die Pflicht zum Beispiel, einander unter "Genossen" zu duzen, wie sie nach wie vor nicht nur bei den Kommunisten gilt, sondern zum Beispiel auch bei den französischen Sozialisten und den deutschen Sozialdemokraten. Das gemeinsame Absingen von Liedern, als sei man bei den Pfadfindern.
Das Verhalten der Genossen freilich dementiert nicht selten den Anspruch, der mit derlei Rituellem verknüpft ist.
Die Geschichte aller kommunistischer Parteien ist eine Geschichte von Genossenkämpfen.
Kämpfen, die anfangs meist mit dem Tod des Unterlegenen endeten, später mit der Vernichtung von dessen bürgerlicher Existenz. Sofern man dazu die Macht hatte; heute geht es, da es an dieser mangelt, meist zivilisierter zu.
Im Vergleich damit waren die Sozialdemokraten immer schon zivilisierter. Gerade das unterschied sie ja von den Kommunisten. Sie waren Demokraten, und das spürte man.
Spürt man es auch heute noch? Zweifel sind begründet.
Als vier hessische Genossen sich entschlossen, ihrem Gewissen zu folgen und in einer entscheidenden Abstimmung anders zu stimmen als die Mehrheit, da wurde die Entscheidung diese Vier nicht nur kritisch kommentiert. Sondern sie wurden behandelt wie Aussätzige; bis hin zu der Erbärmlichkeit, für die letzte Sitzung der laufenden Legislatur- Periode die Sitzordnung des Hessischen Landags so zu ändern, daß keiner der linientreuen Genossen neben einem der vier Andersdenkenden sitzen mußte.
Nun gut, das war schäbig. Es war aber ein Klacks gegen das, was sich gegenwärtig in der französischen Schwesterpartei der SPD zuträgt, der Parti Socialiste.
Als ich in der Nacht zum Samstag über den sich abzeichnenden knappen Ausgang der Wahl zur Vorsitzenden der französischen Parti Socialiste (PS) schrieb, habe ich mit Wahlanfechtungen gerechnet. Wenn eine Wahl derart knapp ausgeht, dann besteht immer die Möglichkeit, daß der ermittelte Unterschied geringer ist als die zu erwartende Fehlerquote. Daß man also nachzählen, daß man die Daten überprüfen muß.
Auch mit einer harten Gangart zwischen den Anhängern von Ségolène Royal und Martine Aubry hatte ich gerechnet. Denn es ging ja nicht nur um die Entscheidung zwischen zwei Personen. Es ging darum, ob die französischen Sozialisten weiter Arm in Arm mit den Kommunisten auf den Sozialismus hinarbeiten wollen, oder ob sie als eine linke Reformpartei das Bündnis mit den Liberalen von François Bayrou anstreben.
Aber das, was sich jetzt in Frankreich abspielt - das habe ich nicht erwartet.
Wenn eine Entscheidung derart knapp ausgeht, daß das Ergebnis - Dagny hat in "Zettels kleinem Zimmer" darauf aufmerksam gemacht und die erforderlichen Berechnungen vorgenommen - durch Zufall erklärt werden kann, dann setzen sich die Betroffenen vernünftigerweise zusammen und versuchen gemeinsam, die Fehlervarianz zu reduzieren.
Durch Nachzählen, durch wiederholtes, unabhängiges Nachzählen. Solange, bis es keine Disprepanz mehr gibt. Jeder, der einmal einer Zählkommission angehört hat, weiß, daß man so vorgeht und nur so vorgehen kann, wenn man zu einem ehrlichen Ergebnis kommen will.
Fehler gibt es immer. Immer aber kann man auch Fehler durch Kontrollen, durch Nachzählen, durch ein faires, gemeinsames Überprüfen eliminieren. So weit jedenfalls, bis auch die Unterlegenen das Ergebnis akzeptieren können. Das ist Demokratie.
Bei den französischen Sozialisten haben, als sei Frankreich eine Bananenrepublik, schon beide Seiten ihren Sieg verkündet, als offensichtlich war, daß eben noch kein Ergebnis feststand.
Auch da schon - in der Nacht auf Samstag, in der ausgezählt wurde - gab es Andeutungen, daß betrogen worden sei. Der einen wie der anderen Seite ging es schon in dieser Nacht augenscheinlich nicht darum, das wahre Ergebnis zu ermitteln, sondern der eigenen Kandidatin einen psychologischen, einen propagandistischen Vorteil zu verschaffen.
Aber das war noch nichts gegen die Selbstzerfleischung der PS, die sich jetzt vor den Augen der Franzosen abspielt.
Wie der Nouvel Observateur gestern um 18 Uhr meldete, wird der Erste Sekretär des Bezirks Nord der französischen Sozialisten, Gilles Pargneaux, ein Mitarbeiter von Martine Aubry, gegen einen Mitarbeiter von Ségolène Royal, Manuel Valls, Strafanzeige wegen Verleumdung erstatten. Dieser seinerseits hatte zuvor mitgeteilt, er werde wegen Vorkommnissen in diesem Bezirk bei der Stimmenauszählung Strafanzeige wegen Urkundenfälschung erstatten.
So gehen sie miteinander um, diejenigen, die vorgeben, eine solidarische Gesellschaft, eine über die Maßen paradiesische Gesellschaft zu wollen.
Warum fehlt ihnen die Fairness, das Augenmaß, der menschliche Anstand? Ich glaube, just deshalb, weil sie eine über die Maßen paradiesische Gesellschaft wollen. Dafür muß man schon mal durch den Dreck waten, denken sie.
Nirgends praktiziert man so ostentativ Umgangsformen, die diesen Wert ausdrücken sollen. Die Pflicht zum Beispiel, einander unter "Genossen" zu duzen, wie sie nach wie vor nicht nur bei den Kommunisten gilt, sondern zum Beispiel auch bei den französischen Sozialisten und den deutschen Sozialdemokraten. Das gemeinsame Absingen von Liedern, als sei man bei den Pfadfindern.
Das Verhalten der Genossen freilich dementiert nicht selten den Anspruch, der mit derlei Rituellem verknüpft ist.
Die Geschichte aller kommunistischer Parteien ist eine Geschichte von Genossenkämpfen.
Kämpfen, die anfangs meist mit dem Tod des Unterlegenen endeten, später mit der Vernichtung von dessen bürgerlicher Existenz. Sofern man dazu die Macht hatte; heute geht es, da es an dieser mangelt, meist zivilisierter zu.
Im Vergleich damit waren die Sozialdemokraten immer schon zivilisierter. Gerade das unterschied sie ja von den Kommunisten. Sie waren Demokraten, und das spürte man.
Spürt man es auch heute noch? Zweifel sind begründet.
Als vier hessische Genossen sich entschlossen, ihrem Gewissen zu folgen und in einer entscheidenden Abstimmung anders zu stimmen als die Mehrheit, da wurde die Entscheidung diese Vier nicht nur kritisch kommentiert. Sondern sie wurden behandelt wie Aussätzige; bis hin zu der Erbärmlichkeit, für die letzte Sitzung der laufenden Legislatur- Periode die Sitzordnung des Hessischen Landags so zu ändern, daß keiner der linientreuen Genossen neben einem der vier Andersdenkenden sitzen mußte.
Nun gut, das war schäbig. Es war aber ein Klacks gegen das, was sich gegenwärtig in der französischen Schwesterpartei der SPD zuträgt, der Parti Socialiste.
Als ich in der Nacht zum Samstag über den sich abzeichnenden knappen Ausgang der Wahl zur Vorsitzenden der französischen Parti Socialiste (PS) schrieb, habe ich mit Wahlanfechtungen gerechnet. Wenn eine Wahl derart knapp ausgeht, dann besteht immer die Möglichkeit, daß der ermittelte Unterschied geringer ist als die zu erwartende Fehlerquote. Daß man also nachzählen, daß man die Daten überprüfen muß.
Auch mit einer harten Gangart zwischen den Anhängern von Ségolène Royal und Martine Aubry hatte ich gerechnet. Denn es ging ja nicht nur um die Entscheidung zwischen zwei Personen. Es ging darum, ob die französischen Sozialisten weiter Arm in Arm mit den Kommunisten auf den Sozialismus hinarbeiten wollen, oder ob sie als eine linke Reformpartei das Bündnis mit den Liberalen von François Bayrou anstreben.
Aber das, was sich jetzt in Frankreich abspielt - das habe ich nicht erwartet.
Wenn eine Entscheidung derart knapp ausgeht, daß das Ergebnis - Dagny hat in "Zettels kleinem Zimmer" darauf aufmerksam gemacht und die erforderlichen Berechnungen vorgenommen - durch Zufall erklärt werden kann, dann setzen sich die Betroffenen vernünftigerweise zusammen und versuchen gemeinsam, die Fehlervarianz zu reduzieren.
Durch Nachzählen, durch wiederholtes, unabhängiges Nachzählen. Solange, bis es keine Disprepanz mehr gibt. Jeder, der einmal einer Zählkommission angehört hat, weiß, daß man so vorgeht und nur so vorgehen kann, wenn man zu einem ehrlichen Ergebnis kommen will.
Fehler gibt es immer. Immer aber kann man auch Fehler durch Kontrollen, durch Nachzählen, durch ein faires, gemeinsames Überprüfen eliminieren. So weit jedenfalls, bis auch die Unterlegenen das Ergebnis akzeptieren können. Das ist Demokratie.
Bei den französischen Sozialisten haben, als sei Frankreich eine Bananenrepublik, schon beide Seiten ihren Sieg verkündet, als offensichtlich war, daß eben noch kein Ergebnis feststand.
Auch da schon - in der Nacht auf Samstag, in der ausgezählt wurde - gab es Andeutungen, daß betrogen worden sei. Der einen wie der anderen Seite ging es schon in dieser Nacht augenscheinlich nicht darum, das wahre Ergebnis zu ermitteln, sondern der eigenen Kandidatin einen psychologischen, einen propagandistischen Vorteil zu verschaffen.
Aber das war noch nichts gegen die Selbstzerfleischung der PS, die sich jetzt vor den Augen der Franzosen abspielt.
Wie der Nouvel Observateur gestern um 18 Uhr meldete, wird der Erste Sekretär des Bezirks Nord der französischen Sozialisten, Gilles Pargneaux, ein Mitarbeiter von Martine Aubry, gegen einen Mitarbeiter von Ségolène Royal, Manuel Valls, Strafanzeige wegen Verleumdung erstatten. Dieser seinerseits hatte zuvor mitgeteilt, er werde wegen Vorkommnissen in diesem Bezirk bei der Stimmenauszählung Strafanzeige wegen Urkundenfälschung erstatten.
So gehen sie miteinander um, diejenigen, die vorgeben, eine solidarische Gesellschaft, eine über die Maßen paradiesische Gesellschaft zu wollen.
Warum fehlt ihnen die Fairness, das Augenmaß, der menschliche Anstand? Ich glaube, just deshalb, weil sie eine über die Maßen paradiesische Gesellschaft wollen. Dafür muß man schon mal durch den Dreck waten, denken sie.
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