12. Juni 2008

Kurioses, kurz kommentiert: Wie Präsident Bush sich einmal die Nase putzte

Am Ende greift der Präsident zum Taschentuch. George W. Bush hat soeben eine kurze Pressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel absolviert und nun, während beide zum Mittagessen schreiten, holt er das Tüchlein aus der Hosentasche. Tränen sind es nicht, die er trocknen muss. Der Präsident putzt sich nur die Nase.

So beginnt Daniel Brössler, ein - wie man sieht - Meister der genauen Beobachtung, seine Reportage in der heutigen "Süddeutschen Zeitung" über den Deutschland- Besuch von Präsident Bush.

Bei einem so vielversprechenden Auftakt eines Artikels wird man natürlich neugierig auf das, was kommen wird. Und Daniel Brössler enttäuscht uns nicht. Arno Schmidts Formulierung vom "karfunkelnden Gelalle", auf die ich kürzlich in einem allerdings ernsten Zusammenhang gestoßen bin, würde da nicht schlecht passen.

Was tat die Kanzlerin, nachdem Präsident Bush sich die Nase geputzt hatte?
Temperamentvoll redet sie auf den Präsidenten ein, wobei auch beide Hände zum Einsatz kommen. Einmal lässt sie sie gleichzeitig durch die Luft schwirren und auf Hüfthöhe zum Stehen kommen. Sie markiert so eine kurze Distanz, als wolle sie sagen: Bis hierher und nicht weiter.
Sagen Sie selbst, lieber Leser: Kann eine Dame einem Herrn diskreter bedeuten, wo für sie die Grenze ist? Kann ein Reporter uns darüber feinfühliger informieren als Daniel Brössler?

Oder, auch nicht schlecht:
Mit Ausnahme seines Bekenntnisses zum deutschen Spargel lässt Bush in Brandenburg keine neuen Wesenszüge oder Einsichten erkennen.
Wie schade! Dabei hätten wir doch alle erwartet, daß Bush zwar störrisch ablehnte, den Deutschen Spargelgruß zu leisten, daß er aber der Kanzlerin als neuen Wesenszug sein Interesse für mittelhochdeutsche Lyrik offenbarte und daß er ihr die neue Einsicht mitteilte, daß Österreich Europameister wird.

Bis ganz zum Schluß bleibt Daniel Brössler der genaue, unbestechliche Beobachter:
Nach dem Essen begleitet sie den Gast zum Hubschrauber. Auf dem Treppchen blickt sich Bush noch einmal zaghaft um, dann steigt er ein. Die Kanzlerin lächelt und wartet. Bis Bush weg ist.
Und wir falten die "Süddeutsche Zeitung" zu und sinnen diesem schönen Artikel nach. Bis er unserem Geist entschwindet.

Kurios, nicht wahr?



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