13. Mai 2008

Zettels Meckerecke: Oper im TV - dreimal kurz gemeckert

Arte übertrug gestern Abend "Cosí fan tutte": Eine opulente, muntere Aufführung des Festivals von Aix- en- Provence. Wie schön, wenn Mozart, wie hier von Patrick Chéreau, als Mozart inszeniert wird, statt daß ein Regisseur einen Komponisten, einen Autoren mißbraucht, um uns an seiner Weltanschauung und/oder seinen untherapierten neurotischen Konflikten teilhaben zu lassen.

Soweit ist da nichts zu meckern. Arte zeigte die Aufzeichnung einer gelungenen Inszenierung.

Eine Aufzeichnung. Und there's the rub. Wer aufzeichnet, kann weglassen. Der Endverbraucher zum Beispiel kann, wenn er aufgezeichnet fernsieht, die Werbepausen im Film weglassen. Und die Verantwortlichen des Fernsehens die Pausen im Theater.

Ja, glauben sie denn, ein Stück von - wie hier - drei Stunden hätte nur deshalb eine Pause, damit die Bühne umgebaut werden kann? Finden sie selbst, wenn sie in die Oper oder ins Theater gehen, es denn nicht erfreulich, daß man zur Halbzeit sich die Beine vertreten, ein wenig über das Gesehene und Gehörte plaudern, einen Piccolo trinken kann? Und sonstiges tun, wozu es einen ja vielleicht drängt?

Niemand - na gut, fast niemand - würde im Theater oder in der Oper drei Stunden ohne Pause spielen. Warum wird dann im TV in der Regel die Aufzeichnung ohne Pause gesendet? Hat man einen Vertrag mit den Herstellern von Festplatten- Empfängern mit Time Shift- Funktion?



Nun gut, man kann sich natürlich als Zuschauer, dem diese Funktion nicht zur Verfügung steht, selbst die Pause nehmen und einen Teil der Aufführung verpassen. Auch beim Fußball kommen viele Zuschauer ja erst wieder von den Klos und Bratwurst- Buden ins Stadion, wenn längst wieder angepfiffen ist.

Ich weiß nicht, wie das am Sonntag war, als die Aufzeichnung einer Oper nicht drei, sondern geschlagene fünf Stunden lang gesendet wurde, die der Wiener "Meistersinger" in 3Sat. Denn wir haben diese Sendung nicht gesehen. Teils wegen der abschreckenden Länge. Teils aber auch, weil ein Service fehlte, der bei der Übertragung von Opern selbstverständlich sein sollte: Die Untertitelung.

Es mag ja Genies der rezeptiven Sprachverarbeitung geben, die einen gesungenen Wagner- Text verstehen können. Ich nicht; jedenfalls überwiegend nicht.

Wenn ich aber Sprache höre, auch gesungene, dann versuche ich sie zu verstehen. Wenn das anstrengend ist, wenn es fortlaufend sogar mißlingt, dann komme ich mir vor wie ein Schwerhöriger oder wie jemand, der einer Konversation auf Griechisch zu folgen versucht. Nein, danke.

Gewiß, es gibt Musikbegeisterte, die die wichtigsten Libretti so einigermaßen auswendig können. Es gibt vermutlich auch Menschen, denen es nichts ausmacht, nichts zu verstehen, sofern sie nur ungefähr die Handlung kennen. Sie kommen ja wegen der Musik, vielleicht noch wegen der Kostüme und der Kulissen in die Oper. Es sei ihnen gegönnt, aber ich bin da halt anders. Ich will verstehen, was mir geboten wird.

Nicht nur ich scheine dieses Bedürfnis zu haben, und es scheint auch nicht neu zu sein. Meine Großeltern pflegten nicht nur mit dem "Opernglas" in die Oper zu gehen, sondern auch mit kleinen Textbüchlein, in denen sie gelegentlich mitlasen, wenn es hell genug dafür war.

Heute ist es für die Bühnentechnik natürlich kein Aufwand mehr, den Text zu projizieren. Erst recht ist es für das TV das Leichteste von der Welt, eine Aufführung zu untertiteln. Warum tat man es nicht, als gestern fünf Stunden lang Wagner übertragen wurde, von viertel nach neun bis viertel nach zwei?



Ja, von viertel nach neun bis viertel nach zwei. Womit ich bei der dritten Meckerei bin. Was denken sich die für das Programm Verantwortlichen bei solchen Sendezeiten? "Cosí fan tutte" begann gar erst um halb elf und lief bis halb zwei in der Nacht.

Gut, ich bin ein Nachtmensch und kann es mir leisten, das auch auszuleben; mich trifft das also nicht. Aber wie soll ein Zuschauer eine solche Sendung sehen, der am nächsten Morgen um sechs oder sieben Uhr aufstehen muß?

Aus den Programmen der ARD und des ZDF und auch der meisten Dritten sind Theater- und Opernübertragungen weitgehend verschwunden; man hat sie, wenn nicht gleich in den Theaterkanal, zu 3Sat und Arte abgeschoben. Und dort nun werden sie tief in die Nacht verfrachtet.

Deutlicher kann man die Mißachtung von Kultur kaum zum Ausdruck bringen. Das einzige, was das gebührenfinanzierte Fernsehen überhaupt rechtfertigen kann - daß es sich leisten kann, auch ein wenig kulturorientiert zu sein -, wird so absolviert, als wolle man die Zuschauer einladen, von dieser Programmsparte nur ja keinen Gebrauch zu machen.



Genug gemeckert. Zum Schluß das Positive, damit Sie nicht fragen müssen: "Und wo bleibt das Positive?" Hier ist es, und sie werden vielleicht überrascht sein, es hier in ZR zu lesen: Ich empfehle Musikfreunden das cubanische Staatsfernsehen, Cubavisión Internacional. Die Frequenzdaten findet man hier.

Ich verfolge dieses Programm regelmäßig, seit Castro krank wurde und sich damit Veränderungen in Cuba abzeichneten, und habe Informationen aus diesem Programm auch hier in ZR immer wieder einmal verarbeitet.

Diese politische Sendungen sind natürlich so, wie Fernsehen überall im Sozialismus ist: Zum Gähnen langweilig, einseitig und uninformativ, interesssant nur im Hinblick auf die politischen Tendenzen, die man aus ihnen ablesen kann.

Empfehlenswert aber sind die Musiksendungen in Cubavisión. Viel gute caribische Folklore, auch anspruchsvolle Ballettsendungen. Und viel Jazz. Heute zum Beispiel eine Sendung über den und mit dem Jazzpianisten Frank Emilio. Sendezeiten 16.15 und 20.00 Uhr MEZ.



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