3. September 2007

Randbemerkung: Schäubles Sorgen. Eine Hypothese

Wolfgang Schäuble ist der vermutlich intelligenteste unter den aktiven deutschen Politikern, und einer der ehrlichsten.

Was treibt diesen Mann dazu, seine Popularität nachgerade systematisch zu zerstören, indem er eine öffentliche Diskussion nach der anderen über Maßnahmen anzettelt, von denen von vornherein feststeht, daß sie auf wenig Gegenliebe stoßen werden?

Mal ist es das gezielte Abschießen eines Passagierflugzeugs in einer Notsituation, mal ist es das amtliche Ausspähen von PCs durch "Regierungs- Trojaner", womit er sich nicht nur bei Linken, sondern bis weit in die liberale Mitte, ja die christdemokratische Mitte hinein unbeliebt macht.

Nun also hat er, scheinbar ohne Grund und Motiv, eine Diskussion über eine Lockerung des Waffengesetzes vom Zaun gebrochen.

Wohl wissend natürlich, daß das diejenige Reaktion auslösen würde, welche Claudia Roth, gewissermaßen das fleischgewordene links- alternative Bauchgefühl, in ihrem unnachahmlichen Stil als den Vorwurf formuliert hat, "von allen guten demokratischen Geistern verlassen" zu sein.

Schäuble wurde heute zurückgepfiffen oder knickte ein, wie nicht anders zu erwarten. In Deutschland den Waffenbesitz erleichern zu wollen, das dürfte ungefähr so viel Erfolgsaussichten haben wie der Versuch, in England den Verzehr von Fish 'n Chips zu verbieten.



Was also motiviert Schäuble, diesen klugen und bedachtsamen Mann, zu derartigen Vorstößen?

Ich möchte eine Hypothese ergänzen, die ich hier dazu vertreten habe. Dort habe ich vermutet, daß Schäubles Sorge ein terroristischer Anschlag ist, der das Vertrauen in den Staat erschüttern und damit Links- und Rechtsextremisten Vorschub leisten würde.

Es kommt, glaube ich jetzt, noch etwas hinzu: Die strukturelle Mehrheit der Volksfront in Deutschland, wie sie sich auch in einer kürzlichen Umfrage ausgedrückt hat.

Diese linke Mehrheit besteht, seit die PDS/ Linkspartei/ Linke einerseits nahezu das gesamte linksextreme Wählerpotential aufsaugt, andererseits aber von der SPD als Koalitionspartner akzeptiert wird; vorerst noch nur in Ländern, aber - folgt man dem SPD-Vordenker Erhard Eppler - bald auch im Bund. Damit deckt die Volksfront das gesamte linke Spektrum ab, von Linksextremisten bis zu gemäßigten Sozialdemokraten und Grünen.

Auf der rechten Seite des politischen Spektrums wird das niemals gehen; es ist ausgeschlossen, daß eine Partei, die ähnlich rechtsextrem ist, wie die Ex-SED linksextrem, jemals ein Koalitionspartner demokratischer Parteien wird.

Anders gesagt: Die CDU und die FDP können zusammen mühelos stärker sein als die SPD und die Grünen; sie sind es in aktuellen Umfragen auch. Aber SPD und Grüne können sich durch die extreme Linke verstärken. Und dann haben sie eine strukturelle Mehrheit.

Der CDU (und auch der FDP) muß deshalb alles daran gelegen sein, möglichst wenige konservative Wähler an die Extremisten von der NPD, der DVU, den REPs zu verlieren.

Das ist ihre einzige Chance, die strukturelle Mehrheit der Volksfront halbwegs auszubalancieren.

Die Kanzlerin und die Mehrheit der CDU kümmern sich aber sehr wenig um dieses wichtige konservative Wählerpotential.

Das, scheint mir, hat Schäuble als Gefahr erkannt. Und unter anderem deshalb - so meine Hypothese - unternimmt er seine lautstarken Vorstöße im Themenbereich "Law and Order". Durchaus damit rechnend, auf Widerstand zu stoßen. Aber die konservativen Wähler bekommen doch die Botschaft vermittelt, daß ihre Anliegen in der CDU nicht völlig vergessen sind.

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